Archiv für den Monat: Januar 2011

Google Street View (4): Edinburgh & Inverness

Google Street View, einem Zusatzdienst zu Googles Kartendienst Google Maps und dem Geoprogramm Google Earth (Google Street View zeigt Ansichten in 360°-Panoramabildern aus der Straßenperspektive) macht es natürlich auch möglich, Orte aufzusuchen, die man vor geraumer Zeit besucht hat.

Im Sommer 2005 war ich ja mit meiner Familie für gut drei Wochen in Schottland unterwegs. Es war zum großen Teil eine Rundreise, die in Edinburgh begann und endete (wir waren mit dem Flieger von Hamburg gekommen), die dann weiter nach Inverness (mit dem Zug) und hinauf zu den Orkney-Inseln führte. Als Unterkünfte hatten wir Bed & Breakfast (siehe: Rückblick auf unsere Schottland-Reise 2005 (Unterkünfte)) gebucht. Ansonsten verpflegten wir uns selbst (oder gingen in Restaurants).

Zunächst waren wir also einige Tage in Edinburgh. Und was uns gleich ins Auge fiel, das waren die vielen Lidl-Läden in Schottland. Ich will hier keine Werbung für diesen deutschen Discounter betreiben, aber die Lidl-Läden schienen uns auch auf der britischen Insel beliebt, da preiswert zu sein. Übrigens war der Supermarkt, von dem ich in meinem Beitrag Von Bündnisse, Feindschaften und Vereinsfarben berichtete (ich unterhielt mich dort mit einem Fan von Celtic Glasgow),ein Lidl-Laden.

Sicherlich mag es dem geneigten Leser nicht allzu sehr interessieren, wo z.B. in Edinburgh oder Inverness dieser deutscher Discounter zu finden ist, trotzdem habe ich (für mich und meine Lieben gedacht) die beiden Läden herausgesucht, bei denen wir öfter eingekauft haben. Zunächst beginnen wir in Edinburgh. Hier der Laden, in dem das Grün-weiß-Celtic-Werder-Gespräch stattfand:


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Edinburgh, 56/58 Nicolson St – Lidl

Wenn man nun die Nicolson Street in Richtung Süden weiterverfolgt, kommt man bald (zu Fuß, dem Taxi oder dem Bus – alle drei Möglichkeiten haben wir genutzt) in die Minto Street. Hier unter der Hausnummer 36 hatten wir ein Familienzimmer im „Bellerose Guest House“ gebucht:


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Edinburgh EH9 2BS, Minto St 36 – Bellerose Guest House

Es ging dann weiter nach Inverness mit der Bahn. Unmittelbar in der Nähe unseres Bed&Breakfast-Quartiers war auf der anderen Straßenseite der Telfort Street wiederum ein Lidl-Laden gelegen:


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Inverness, Telford St – Lidl

Wechselt man die Straßenseite und geht nur ein kurzes Stück weiter stadtauswärts (nach rechts), dann kommt man unter der Hausnummer 64 zum The Kemps Guesthouse. Hier bekam ich zum Frühstück u.a. neben Porridge auch Haggis, eine schottische Spezialität, die u.a. auch bei Lidl erhältlich ist und mir trotz der Zutaten durchaus geschmeckt hat:


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The Kemps – 64 Telford Street, Inverness, IV3 5LE

siehe auch Google Street View (1): Torre des Mar
Google Street View (2): Prag
Google Street View (3): Kyleakin

Dein Name in altägyptischen Hieroglyphen und japanischer Schrift

Als Kind interessierte sich mein älterer Sohn für das alte Ägypten und damit auch für die Schrift der alten Ägypter, die Hieroglyphen. So konnte er seinen Vornamen natürlich auch in Hieroglyphen schreiben:

Der Name Jan in Hieroglyphen
Der Name Jan in Hieroglyphen

Es gibt eine Website, die die bekanntesten Namen in Hieroglyphen übersetzt und auch einen Online-Übersetzer. Und für alle Interessierten hier einen weiteren Link ins Internet zum größten Wörterbuch für altägyptische Sprache, in dem man „blättern“ kann und sicherlich viel Interessantes findet (leider muss man sich jetzt hier online registrieren lassen).

Wer sich dafür interessiert, wie sein Name in japanischen Schriftzeichen aussieht, für den gibt es den folgenden Online-Namensübersetzer (ist zwar auf Englisch, dürfte aber auch für deutsche Namen geeignet sein): Japanese Name Translator

Grundlage ist dabei das Katakana Alphabet. Die Schrift der modernen japanischen Sprache besteht aus den Kanji, die der chinesischen Schrift entstammen und als Logogramme meist den Wortstamm bilden, den Silbenschriften Hiragana (oft für grammatikalische Formen) und eben Katakana, die hauptsächlich für Fremdwörter benutzt wird – außerdem wird auch das lateinischen Alphabet benutzt, das in Japan als Rōmaji bezeichnet wird. Diese Schriftarten haben unterschiedliche spezifische Funktionen und werden in Alltagstexten parallel verwendet.

Gebärdensprachen

Wer wie ich ganz allgemein ein Faible für Sprachen hat, wird sich vielleicht auch für die unterschiedlichen Gebärdensprachen interessieren. Als Gebärdensprache bezeichnet man eine eigenständige, visuell wahrnehmbare natürliche Sprache, die insbesondere von gehörlosen und schwerhörigen Menschen zur Kommunikation genutzt wird.

Verwunderlich finde ich dabei, dass viele Sprachen ihre eigene Gebärdensprache haben und es keine richtige internationale Gebärdensprache gibt. Weit verbreitet ist natürlich die American Sign Language (ASL). Und auf internationalen Veranstaltungen kommt zunehmend die sogenannte internationale Gebärdensprache zum Einsatz. Diese im Entstehen begriffene Gebärdensprache entwickelt sich durch Konventionen verschiedener länderspezifischer Gebärden nach pragmatischen Aspekten.

Nun, wer sich für Gebärdensprache interessiert, den darf ich die folgende Website Spread the Sign empfehlen. Hier finden sich nicht nur die Alphabete (als Bilder), sondern auch viele Begriffe in verschiedenen Gebärdensprachen (per Video) wieder.

Willi im Alphabet der deutschen Gebärdensprache
Willi im Alphabet der deutschen Gebärdensprache

Übrigens: Ziemlich witzig finde ich das Zeichen für Schottland … (sieht nach einem Dudelsack aus, oder?)

Die Website sagt über sich selbst:

Spread the sign ist ein Projekt zum Transfer von Innovationen im Programm „Leonardo da Vinci“ der Europäischen Union. Das Projekt wird von der Europäischen Kommission durch das Schwedische Büro für Internationale Programme in Erziehung und Ausbildung unterstützt. Wir arbeiten mit Gebärdensprachen aus verschiedenen nationalen Staaten im Internet. Spread the sign ist ein pädagogisches Selbstlern-Instrument und kann überall auf der Welt frei verwendet werden. Nur die Fantasie setzt langfristig der Nutzung dieses Lexikons Grenzen. Vordringlich aber soll Spread the sign die sprachlichen Möglichkeiten von Berufsschülern bei Auslandsaufenthalten verbessern. Zwischen Oktober 2008 und Oktober 2010 werden wir Gebärden aus den meisten Berufsfeldern zur Verfügung stellen und das Lexikon weiter ausbauen können. Als neue Elemente werden wir in diesen 2 Jahren Sprachdateien und 3-D-Animationen anbieten. Darüber hinaus werden sich auch Länder außerhalb der EU an dem Lexikon beteiligen. Spread the Sign wird international!

Kindsköpfe

Kindsköpfe (Originaltitel: Grown Ups) ist eine amerikanische Komödie mit Adam Sandler, Kevin James, Chris Rock, David Spade und Rob Schneider aus dem Jahr 2010. Sandler und Fred Wolf schrieben das Drehbuch und Dennis Dugan führte Regie. Der Film wurde von der Firma Sandler Produktion Happy Madison und Filmverleih Columbia Pictures produziert.

Eine halbe Ewigkeit ist es her, dass die fünf Freunde Lenny (Adam Sandler), Eric (Kevin James), Kurt (Chris Rock), Marcus (David Spade) und Rob (Rob Schneider) in ihrer Kindheit eine wichtige Basketball-Meisterschaft gewonnen haben. Dieser Triumph mit den obligatorischen Siegpunkten in letzter Sekunde ist längst zur Legende geworden. Einige der fünf zehren noch in der Gegenwart davon. Als ihr damaliger Coach Buzzer (Blake Clark) in die ewigen Jagdgründe übergeht, treffen sich die Freunde von früher bei der Beerdigung wieder. Lenny, der es in Hollywood als Künstleragent zu Reichtum und einer Modedesignerfrau (Salma Hayek) gebracht hat, organisiert das Wiedersehen. Das Haus am See, wo sie einst ihren Erfolg gefeiert haben, soll für ein Wochenende die Stätte seliger Erinnerungen und mit Wonne erzählter alter Geschichten sein. Samt ihren Familien zieht das Quintett in das Idyll ein – doch mit der Ruhe ist es bald vorbei. Vielmehr entwickelt sich ein heilloses Chaos, das die eine oder andere Lebenslüge zutage fördert…

aus: filmstarts.de

Filme mit Adam Sandler weisen meist eine recht herbe Komik auf. Betätigt er sich dann auch noch als Drehbuchautor, dann wird es besonders brachial oder wie in diesem Fall: infantil. Der deutsche Titel Kindsköpfe passt so ganz gut.

Da mein jüngerer Sohn ganz gern Filme mit Adam Sandler sieht, so haben wir auch diesen Film angeguckt, der ab 21. Januar auf DVD Kindsköpfe erhältlich sein wird.

Nun frage mich einer, wie ich den Film finde. Eigentlich ist es ein ganz mieser Film, mit seinen abgeschmackten Witzen ist er infantil und geradezu pubertär. Und so lautet die Frage unweigerlich, ob Männer wirklich so sind, wenn sie sich ‚zusammenrotten’. Ich fürchte ja. So ist der Film, wenn auch unfreiwillig, eine durchaus ‚gelungene Studie’ über eine Männerclique aus alten Schulfreunden, die sich nach Jahren mit ihren Familien wiedersehen – und ihre spätjugendlichen Albernheiten treiben. Ähnlich wie im Film so hat Adam Sandler seine mit ihm seit 20 Jahren befreundeten Schauspielerkollegen für den Film zusammengetrommelt. Auch wenn es keine hochgeistige Kost ist, die hier verabreicht wird, so kann man sich als Mann durchaus über den Film amüsieren (wohl auch als Frau), wenn man sich für gut 90 Minuten selbst als Kindskopf sieht.


Kindsköpfe – Trailer

Winterurlaub in Predeal/Rumänien

Auf den Tag genau ist es nun schon 25 Jahren her, dass ich mit meiner damaligen Freundin und heutigen Ehefrau zum 2. Mal in Winterurlaub nach Rumänien reiste. Für unseren damals besonders schmalen Geldbeutel war das erschwinglich (drei Wochen mit Flug, Hotel, Vollpension und Skikurs kosteten pro Person heute kaum glaubliche 801 DM, also 400 €). Damals regierte noch Nicolae Ceauşescu das Land mit eiserner sozialistischer Hand. Für die wohl eher wenigen westlichen Touristen war man dankbar. Den Menschen in Rumänien ging es damals nicht sehr gut. Obwohl das Land über Öl- und Erdgasquellen verfügt, waren Benzin, Heizöl usw. rationiert.

Am 16. Januar 1986 flogen wir mit der rumänischen Fluggesellschaft Tarom in einer russischen Tupolew TU 154 von Hamburg nach Bukarest (Flughafen Bukarest-Otopeni) mit über vier Stunden Verspätung ab. Nach zwei Stunden Busfahrt kamen wir dann in Predeal gegen 22 Uhr 30 an.

Diesmal hatten wir in Predeal im Kreis Braşov ein Hotel gebucht. Da das Hotel Bulevard aber bei der Ankunft belegt war, wurden wir im Hotel Orizont (Zimmer 320 mit Bad/WC und Balkon) untergebracht. Der Vorteil: Das Hotel war komfortabler und lag nicht gleich an der Hauptstraße, sondern etwas abseits. Unterkunft und Verpflegung waren wieder bestens. Und ordentlich Schnee, vor allem Frost, hatten wir genügend.


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Hotel Orizont – Str. Trei Brazi nr.6, 505300 Predeal, jud. Brasov

Am 06.02.1986 ging es dann wieder nach Deutschland zurück – dabei verbrachten wir noch die letzte Nacht vor dem Rückflug in Bukarest im Hotel Bucureşti (Zimmer 816, also im 8. Stock ganz oben).

In Predeal betrieben wir diesmal Skilanglauf, hatten auch einen Skilehrer für einige Tage, Gigi, der auch gleichzeitig Masseur und Bademeister des hoteleigenen Swimmingpools war. Er zeigte uns viele Wege und scheuchte uns ganz schön durch die Gegend. Am Schluss gab es auch eine Art Prüfung und dann einen ‚Blechorden’. Ich war, glaub ich, danach nie wieder so fit, wie nach diesen drei Wochen in Rumänien. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Kilometer wir auf Skiern abgerissen haben. Dazu kamen dann ja noch einige Kilometer im Schwimmbecken.

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Eisig ist’s …?!

Mit Lauflauftretern

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Cabană Trei Brazi (Drei Tannen) – 1128 m

Mit Gigi, unserem Skilehrer

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Predeal/Rumänien im Januar/Februar 1986

Willi unterwegs auf Skiern …

Neben einigen kleineren Ausflügen waren wir fast immer im Ort und in der Umgebung auf Achse. Dabei lehrten wir neben dem Skilehrer Gigi und dessen Frau, der Reiseführerin Eleana sowie Reisenden aus Belgien und Luxemburg auch einige andere Einheimische kennen. Da war u.a. die deutschstämmige Kellnerin Crista, die uns fast mütterlich umsorgte. Oder jener ältere Portier, der zwar kein Deutsch konnte (und wir kein Rumänisch), der aber einmal die Bindung meiner Skier nachstellen half, und mit dem wir uns dann eben mit Händen und Füßen unterhalten haben. Eines Tages trug er eine schwarze Binde an seiner Jacke und guckte uns betrübt an. Seine Frau war gestorben. Wir versuchten ihn so gut es ging zu trösten. Zuletzt gaben wir ihm unser restliches rumänisches Geld, das einzigste, was wir für ihn tun konnten. In Predeal gerieten wir dann ja auch fast in Gefangenschaft, als wir uns im Wald verirrten und plötzlich vor einem Basislager eines Militärposten standen. Aber das ging ja dann doch gut aus.

Für uns beide war es eine schöne, fast unwirklich anmutende Zeit. Trotz der Armut dort begegneten wir immer freundlichen Menschen. Und was mir besonders nach der Heimkehr nach Hamburg auffiel. In Rumänien war die Luft klar und rein. Einen schöneren Sternenhimmel als z.B. in Predeal habe ich nirgends mehr gesehen. Und so verpestet kam mir die Luft in Hamburg nie wieder vor, wie nach der Rumänienreise. Und wenn es auch vor 25 Jahre wahrscheinlich geradezu exotisch war, Winterurlaub in Rumänien zumachen, so denke ich, dass es auch heute noch empfehlenswert ist, dorthin zu reisen (auch im Sommer sollte es sich lohnen).

siehe auch: Silvester 1984 in Sinaia/Rumänien
Jahreswechsel 1984/1985 in Sinaia/Rumänien

Martin Walser: Das Einhorn

Mit dem Roman Das Einhorn – dem zweiten Teil der Trilogie Anselm Kristleins, die mit dem “Sturz” abgeschlossen wurde – hat Martin Walser einen Liebesroman und gleichzeitig dessen Entstehungsgeschichte geschrieben. Der Vertreter und Werbefachmann Anselm Kristlein aus der Halbzeit ist Schriftsteller geworden. Er erhält den Auftrag, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Sich selbst macht er zum Helden des Romans. Die literarische Erinnerung wird ihm zur Reise in die Wirklichkeit: Tätigkeiten, Orte und Personen aus seiner Vergangenheit tauchen auf. Vor allem aber Frauen, die ihn von sich selbst ablenken, die seine Erwartung, das Einhorn, übermächtig werden lassen.

Manches Buch, hält man es erst einmal in Händen, lässt einen so schnell nicht wieder los. So ist es mir mit Walsers Einhorn geschehen, dessen ca. 380 Seiten ich in diesen Tagen zum bereits vierten Mal gelesen habe. Dabei ist es gar nicht so ‚leicht’ zu lesen – und dank vieler Randnotizen, die ich mir bereits beim ersten Lesen gemacht hatte, kommt man durch den bildungsbürgerlichen Wörterdschungel deutlich schneller voran (bei manchen Worterklärungen musste ich fast lachen, zeigen sie mir auf, wie sehr sich der eigene Wortschatz im Laufe der Jahre geweitet hat). Und & aber auch: Es ist eines der wichtigsten Bücher meines Lebens.

War es im ersten Teil, Halbzeit, noch die (göttliche) ‚Mieze’, die Anselm Kristlein oft am Gängelband hielt, so ist es jetzt das ‚Einhorn’, sind es die ‚Erwartungen’, die den Romanhelden in vielerlei erotisch-exotisch-sexuelle Abenteuer führen (Anselms Einhorn ist immerhin ‚alkohollöslich’). War ‚Halbzeit’ ein Roman aus der Zeit Ende der fünfziger Jahre, so stehen wir mit ‚Einhorn’ am Anfang der 60er. „’Das Einhorn’ erschien 1966 im Suhrkamp Verlag; mein Exemplar ist das Suhrkamp taschenbuch 684 – 1. Auflage 1981 (Die Anselm Kristlein Trilogie – zweiter Band: Das Einhorn).

Jetzt könnte man darangehen und schauen, was sich im Laufe der fast 50 Jahre im Bezug auf ‚Liebe’, Sexualität und Partnerschaft geändert hat. Das ist sicherlich viel. Aber – wenigstens aus meiner Sicht – bezogen auf diesen Roman: eigentlich nichts. Wenn auch keiner heute mehr so schreibt, wie Walser damals geschrieben hat, das Buch ist auch heute noch ‚modern’, also zeitgemäß … oder ich bin altmodisch (kann ja auch sein): Denn in vielem erkenne ich mich wieder, was Walser da schreibt. Das heißt nicht, dass ich, wie Anselm Kristlein es tut, meine Frau betrüge. Aber was dem guten Anselm so durch den Kopf geht, könnte gut auch durch meinen Kopf gehen. So sind wir Männer nun mal (Manchmal frage ich mich heute allerdings, ob ich so bin, wie ich bin, weil ich früh schon das Buch gelesen habe, oder ob ich so bin, weil ich auch ohne Buch so wäre … Avete capito?).

Nun aus Anselm Kristlein ist ein Schriftsteller geworden. Und da sein Roman (analog der Roman ‚Halbzeit’) mehr Wirklichkeit als Fiktion enthält, Anselm auch ungern reale Namen zu ändern gedachte, sahen sich er und seine Familie geradezu genötigt, einen Wohnungswechsel vorzunehmen. So sind die Kristleins von Stuttgart nach München in die Marsstraße gezogen.


München: Marsstraße – Größere Kartenansicht

Hier ernährt er seine Familie u.a. durch Vortragsreisen (Themen: 1. Familie, Jagdwild der Werbung. 2. Werbung: Information oder Psychagogik? 3. Verdirbt das Image die Politik? 4. braucht Gott public relations?) und Auftritten bei Podiumsdiskussionen (Unterschied zu heute: die Diskussionen finden im Fernsehen statt). Er wird so zum Fachmann für Schicksalsfragen. Bis er eines Tages den Auftrag erhält, ein Buch über die Liebe zu schreiben. Auftraggeberin: Melanie Sugg, Schweizerin, Herausgeberin erotischer Literatur, Propagandistin einer „Neuen Sittlichkeit“. Was soll das denn sein? Ein Sachroman. „Nichts Erdachtes, etwas Genaues (öppis Gnaus), nach dem Leben …“ (S. 75 meiner Ausgabe) … und Anselm Kristlein als Held!

Um ungestört an diesem Buch arbeiten zu können, vermittelt die Verlegerin Anselm Kristlein eine Unterkunft in einem Gästehaus am Bodensee, das zu einer Villa des Industriellen Blomich gehört. Aber zur Ruhe findet er hier natürlich nicht. Manches amouröse Abenteuer bahnt sich an. Bei einem Fest, zu dem neben Kristlein viele illustre Gäste geladen sind, will Blomich seine gerade einmal 23-jährige Freundin Rosa vorstellen, gewissermaßen ‚in die Gesellschaft’ einführen. Man kann sich denken, dass Kristleins Tour d’Amour bei dieser Rosa nicht endet.

Bemerkenswert sexistisch (oder nicht?) ist, wie Martin Walser manches dieser Abenteuer sprachlich verarbeitet und z.B. Anselm klassifizieren lässt: Da gibt es den „Typ Nummer Eins: Große Erstickerin. Die Frau, die gacksend in die Binsen geht. Drucksend die Augen verdreht. Stumm schreiend die Kiefer aufklappt. …“(S. 198). Oder: „Rosa, mit Deinen Schreilauten bleibst Du für immer die größte Vokalistin, begründest mir den Typ Zwei: die Schreierin.“ (S. 209) Wie das geht? Man lese es selbst …

Orli Laks aus dem Roman „Das Einhorn“, Anselm Kristleins große Liebe
aus: Martin Walser: Leben und Schreiben: Tagebücher 1963-1973
Orli Laks aus dem Roman „Das Einhorn“, Anselm Kristleins große Liebe

Durch einen Beinaheunfall beim Segeln auf dem Bodensee lernt Anselm Kristlein dann die junge Niederländerin Orli Laks lernen, die mit ihrem Freund Urlaub auf einem Zeltplatz am Bodensee macht. Ihr Auftritt ist für unseren ‚Held’ eine ‚Erscheinung’: „Dann muß ihn um 11 Uhr 59 das Bewußtsein verlassen haben. Es ist mir auch unbekannt, ob er seitdem das Bewußtsein wieder erlangte.“ – „… der Film ist stehen geblieben, … das Bild zittert und ruckt, der Ton ist verstorben …“ (S. 285).

Später nach Wochen des Zusammenseins mit ihr prüft Anselm seine Erinnerung, prüft, was von jener Orli noch übrigblieb. Das Schreiben bestätigt den Verlust, die verlorene Zeit bleibt verloren. Und die Suche nach „Wörtern für Liebe“ gerät zum Nachruf auf das Unwiederbringliche – einer natürlichen Form des Liebesromans.

Die Zeit mit Orli (ihr Freund ist sang- und klanglos abgereist) ist für Anselm eine Zeit der Anfechtungen, aber „ihm genügt es, mit Dir herumzulaufen. Am liebsten barfuß. Am liebsten durch Gras.“ (S. 325) Und doch genügt das nicht. Wer Anselm Kristlein aus ‚Halbzeit’ kennt, ahnt schnell, dass es mit Orli nicht gut gehen kann. Schon ist von Heirat die Rede (dabei ist Anselm ja verheiratet und hat fünf Kinder), bis … ja bis Orli wohl selbst erkennt, dass es so nicht weitergehen kann und Anselm über Nacht, während er schläft, verlässt.

Zurück bleibt ein geschlagener Held, ein Antiheld, der in die Arme seiner Familie heimkehrt. Und noch eins: „Nicht Erstickerin, nicht Schreierin, Orli ist Stöhnerin. Wehmutterhaft. Innig. Und klagend. Stöhnerin Orli …“ (S. 376). Und was wird aus Orli? Aus Orli Diana Laks wird am 3. Januar 1963 eine Mrs. Booty in Cambridge (Massachusetts).

Was für ein Buch – für damalige Zeiten (1966)! Ein Liebesroman? Vielleicht zu einem Teil, zum anderen schildert es die Wege und Irrwege auf der Suche nach Liebe in einer Gesellschaft, die vom Erfolgs- und Gewinnstreben geprägt ist und in der sich für die Liebe keine Sprache mehr finden lässt: Der Protagonist Anselm versucht vergeblich, ein Buch zu schreiben über eine Liebe, die dieses Gesellschaftssystem sprengt. Oder wie Urs Jenny auf der Rückseite des Bucheinbandes schreibt: „’Das Einhorn’ ist ein witzig ironisches und glaubhaft pathetisches Buch über die Liebe.“

Übrigens wurde der Roman 1978 durch den österreichische Regisseur Peter Patzak mit Peter Vogel und Gila von Weitershausen als Ehepaar Kristlein verfilmt (als DVD Das Einhorn erhältlich).


Miniausschnitt: Das Einhorn – Regie: Peter Patzak – mit Peter Vogel (Anselm) + Lucie Visser (Orli)

Der Witzableiter (25): Abschied vom Witz, mit Humor

Fortsetzung von: Der Witzableiter (24): Das Tabu, das alte Ekel

Mit der Kolumne „Der Witzableiter“ von Eike Christian Hirsch, die 1984 im ZEITmagazin erschien, geht es heute zu Ende: ein Abschied vom Witz … mit Humor. Wer über sich selbst lachen kann, wer über sich selbst Witze zu machen versteht, der besitzt Humor. Denn nicht jeder Witz ist voller Humor …

Das Buch zur Kolumne: Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter: Oder Schule des Lachens

Die junge Kellnerin stolpert und gießt einem Gast etwas von der heißen Soße über die Glatze. Der Gast fährt herum, betastet seinen Kopf und fragt erstaunt: „Glauben Sie wirklich, daß das noch helfen könnte?“

Der Mann hat Humor, und genau der soll auch die letzte Station unseres Weges durch die Witzlandschaft sein. Ja, auch der Witz kann Humor haben! Aber bitte erwarten Sie jetzt nicht von mir, daß ich Ihnen Witz und Humor definiere. Auf der Suche nach abgrenzenden Formeln sind schon ganz andere verunglückt. Nur so viel: Im Witz schäumen die Gefühle mächtig (und therapeutisch sinnvoll) auf, im Humor sehen wir sie schon überwunden, abgeklärt und vergoldet.

„Sie treffen ja ständig daneben!“ mault der Förster. „Macht doch nichts“, meint der Sonntagsjäger, „die Hasen sehen jedenfalls meinen guten Willen.“

Die Menschheit hat eine steile Entwicklung durchmachen müssen, bevor sie zu jenem feinsinnigen Witz fand, mit dem einer über sich selbst lacht. Angefangen hat das Lachen in der menschlichen Urhorde wahrscheinlich als Triumphgeheul des Siegers in einem Zweikampf. Das ist die These amerikanischer Wissenschaftler aus den zwanziger Jahren. Dieses Hohnlachen war wiederum ein Nachklang des Kampfgebrülls; daran erinnert noch heute das Zähnefletschen beim Lachen. Man zeigt den anderen die Zähne. Heute ist Lachen in seiner feinsten Form ein Lächeln über eigenes Unglück.

Die ältere Dame kommt aus dem Irland-Urlaub, auf den sie sich so lange gefreut hatte. Zufrieden meint sie: „Der Regenwechsel hat mir gut getan.“

Bis vor hundert Jahren lachte man ziemlich ungeniert über Krüppel und Idioten. Da haben wir uns doch gebessert. Im deutschen Kaiserreich beschränkte man sich später auf die sogenannten Witzblattfiguren, auf den Grafen, den Leutnant, Frau Neureich oder den zerstreuten Professor. Nun waren es doch wenigstens „die da oben“, über die man sich amüsierte. Liebenswürdiger ist es noch, wenn man sich selbst verspotten kann.

Der Chef zu seinem kaufmännischen Lehrling: „Jetzt sind Sie zwei Jahre bei uns und haben viel gelernt. Und heute machen wir Pleite, damit Sie auch das lernen.“

Ausgerechnet „Exzellenz“ Kuno Fischer, vor hundert Jahren Professor in Heidelberg und wegen seiner Eitelkeit weltberühmt, rang sich am Ende seiner Betrachtung über den Witz zu der Erkenntnis durch: „Das Höchste und Tiefste, was der Mensch an sich vollbringen kann, ist es, sich selbst lächerlich zu erscheinen, die komische Vorstellung der anderen heiter über sich ergehen zu lassen“. So ist es. Humor hat nur derjenige, der seinen Witz auch gegen sich selbst richtet.

Witzableiter (25)

Als der Freund ihrer Tochter anruft, ist die Mutter am Telefon, ohne daß der Freund das gleich merkt. Da unterbricht sie ihn: „Tut mir leid, mein Junge, aber hier ist nicht Ihr Luxusschiffchen, hier spricht der alte Schraubendampfer!“

Bescheidenheit hat man bei anderen auch gern. In seinem Atelier wird der Bildhauer gefragt: „Ist es nicht wahnsinnig schwer, einen Löwen zu meißeln?“ „Überhaupt nicht“, antwortet der Meister, „man schlägt vom Marmorblock einfach alles weg, was nicht nach Löwe aussieht.“

Nun haben wir den Humor genug herausgestrichen. So weit aber wollen wir nicht gehen, daß wir den Witz seinetwegen schlecht machen. Nein, der Witz ist das entladende Gewitter, der Humor ist die Ruhe nach dem Sturm. Ein bißchen heile Welt sogar. Das mag man nun auch nicht immer. Aber manchmal.

Hochwürden repariert eigenhängig den Gartenzaun. Ein kleiner Junge kommt vorbei, als sich der Pfarrer gerade auf den Daumen gehauen hat und verzweifelt aufstöhnt. „Gelt, Hochwürden“, sagt der Kleine, „jetzt sollt man halt fluchen dürfen.“

Oder nehmen wir diese rührende Geschichte als Beispiel für den Humor Marke lieblich. Das junge Liebespaar kommt aus der Disco. „Bist du müde?“ fragt sie zärtlich . „Ja“, antwortet er. „Bist du schrecklich müde?“ „Ja.“ „Bist du zu müde?“

Frauen hätten die größere Chance, die Reifestufe, die man Humor nennt, zu erreichen als Männer. Das meint der amerikanische Psychotherapeut Martin Grotjahn. Ich schließe mich ihm gerne an.

Die jungen Eheleute müssen sehr sparen. Statt des Gänsebratens steht zu Weihnachten nur ein falscher Hase auf dem Tisch. „Ein Weihnachten ohne Gans gab es bei uns zu Hause nicht“, mäkelt er. „Aber Liebling, dafür hast du doch jetzt mich.“

Der 70jährige Sigmund Freud hat sich noch einmal mit dem Humor beschäftigt und ihn dabei einen „Triumph des Ichs“ genannt. Das Stichwort „Triumph“ kommt uns bekannt vor, damit hatte das Lachen in der Urhorde angefangen. Statt über den unterlegenen Gegner lacht der humorige Witz über die eigenen Schwächen und Nöte.

Der Feldwebel brüllt: „In zwei Minuten steht der ganze Kompanie auf dem Appellplatz!“ Ein Rekrut, ganz sanft: „Herr Feldwebel, dürfen wir, wenn wir wollen, auch früher kommen?“

Und zum friedlichen Schluß noch diesen: Der Börsianer im Spielkasino: „Croupier, drehen Sie ein bißchen fixer, so langsam kann ich mein Geld auch an der Börse verlieren.“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 52/1984

[das war’s]

Gibraltar Encyclopedia of Progressive Rock

Ende der 60er Jahre entstand in England eine Musikrichtung, die Genre bestehender populärer Musik wie Pop- und Rockmusik und Blues aufgriffen und um stilistische Merkmale anderer musikalischer Gattungen ergänzten. Dazu gehörte die klassische Musik, aber auch Einflüsse aus Jazz und traditioneller, teilweise sogar nichtwestlicher Musik. Das Ganze nannte sich Progressive Rock (kurz: Prog oder Prog-Rock). Besonders in den 70er Jahren wurde diese Musik durch Gruppen wie King Crimson, Emerson, Lake & Palmer, Yes, Genesis, Gentle Giant und Jethro Tull populär und eroberte die Charts. Neben Gitarre, Keyboards, Bassgitarre und Schlagzeug kamen bei diesen Gruppen auch Streich- und Blasinstrumente sowie besondere Tasteninstrumente wie den Moog-Synthesizer oder das Mellotron zum Einsatz.

Der Progressive Rock gründete sich auf eine besondere musikalische Komplexität und beanspruchte einen an der europäischen Kunstmusik orientierten Stil. Nach dem steilen Aufstieg dieser Musik gab es allerdings sehr bald einen Wandel. Zum einen vergraulte man das subkulturelle Club-Publikum in England, das sich schnell anderen musikalischen Richtungen, z.B. dem Punk, zuwandte. Auch wie handwerkliches Können auf narzisstische Weise zur Schau gestellt wurde (z.B. von Keith Emerson) trug nicht dazu bei, einerseits den Kunstanspruch zu bekräftigen, andererseits ein breites Publikum zu bedienen. So gab es Gruppen, die versuchten, dem Publikumsgeschmack zu entsprechen, was aber z.B. bei einer Gruppe wie Gentle Giant gehörig in die Hose ging. Sie gewannen keine neuen Fans, vergraulten aber ihr ‚Stammpublikum’.

Inzwischen hat sich der Progressive Rock weiterentwickelt und kommt heute u.a. als Artrock, New Artrock oder New Prog daher. Viele Schubläden eben.

Nun wie oben bereits angesprochen, stand der Progressive Rock in der Kritik, gab aber dadurch auch genügend Anlass, literarisch aufgearbeitet zu werden. So gibt es eine sicherlich interessante Website The Progressive Rock Bibliography, die viele Verweise zu meist englischsprachiger Literatur aufzeigt. Dann gibt es eine deutsche Website mit den Rezensionen klassischer Prog-Alben Suppersready.

Gibraltar Encyclopedia of Progressive Rock

Aus einer Anzahl weiterer englischsprachiger Websites wie ProgarchivesDPRP (mit einem chronologischen Überblick über die Geschichte des Prog-Rocks) ragt aber die Gibraltar Encyclopedia of Progressive Rock, ergänzt durch das Gibraltar Prog Blog, hervor. Hier findet sich nicht nur reichlich Material zu all den Größen dieser Musikrichtung, sondern auch genügend Informationen zu all den anderen Gruppen, die eher nationale, wenn nicht gar nur lokale Erfolge erzielten. Und es bleibt nicht auf England bzw. Großbritannien beschränkt. Natürlich kann nicht jede hier aufgeführte Gruppe allein dem Progressive Rock zugeordnet werden. Es gibt reichlich Grauzone, also viele Randgebiete, die hier nicht vernachlässigt werden, was der ganzen Übersicht dann eher gut tut.

Progressive Rock lebt also auch heute noch, wenn auch manchmal unter einem anderen Mäntelchen. Ohne mich hier elitär oder dergleichen geben zu wollen: Aber ich finde es nach wie vor gut und wichtig, wenn sich eine Richtung der Rockmusik eines gewissen Kunstanspruches bedient. Seichtes Musikgeplänkel gibt es genügend und für mich zum Überdruss. Gute, anspruchsvolle Musik findet gerade deshalb auch heute ihre Hörer.

Napoleon in Tostedt?! – 200 Jahre B 75

Durch einen dreiteiligen Beitrag in Harburger Anzeigen und Nachrichten bin ich darauf gestoßen: Die Bundesstraße 75, die auch durch Tostedt führt, wird 200 Jahre alt. Der Beitrag selbst beschäftigt sich mit der „Bremer Straße“ in Harburg. Hier zum Nachlesen:

Vor 200 Jahren begann der Bau einer Straße, die Harburg bis heute wesentlich prägt: Die Bremer Straße. Der Auftraggeber: Napoleon Bonaparte:

Teil 1: Über das Grab des Hunnenkönigs
Teil 2: „Ohnmächtige Weiber, kümmerliche Personen“
Teil 3: „Kaiserhof“ und „Heitmanns Höh’“


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Bremer Straße – B 75 von HH-Harburg bis Tostedt

Durch Tostedt führt als Kastanienallee, dann Unter den Linden und schließlich wieder als Bremer Straße die Bundesstraße 75. Der Ort war früher Zwischenstation und Ausspanne für die Postkutschen zwischen Hamburg und Bremen. In der alten Posthalterei am Sande (wo die Pferde der Postkutschen gewechselt wurden) im Hause der Familie Huth soll sich Napoleon aufgehalten haben. Nähere Belege hierfür konnte ich allerdings nicht finden.

Der Streckenabschnitt zwischen Bremen und Hamburg wurde von 1811 (also vor jetzt 200 Jahren) bis 1813 als Teil einer schnurgeraden napoleonischen Heerstraße von Münster nach Hamburg gebaut. Diese Route Impériale Nr. 3 war die erste ausgebaute Chaussee durch die nordwestdeutsche Tiefebene, sie durchquerte die einst unpassierbaren Moore und ersetzte historische Handelswege über die Geest (z. B. die Bundesstraße 74). Die heutige B 75 wird somit auch „Napoleon-Chaussee“ bzw. „Napoleonstrasse“ genannt.

Der französische Kaiser Napoleon I. schuf am 16. Dezember 1811 aus den bereits bestehenden oder im Bau befindlichen Chausseen ein Netz von Kaiserstraßen (routes impériales). Die wichtigsten Straßen mit den Nummern 1 bis 14 begannen in Paris und führten im Uhrzeigersinn in die verschiedenen Himmelsrichtungen, so auch als Route Impériale Nr. 3: Paris-Charleville-Givet (-Lüttich-Wesel-Hamburg)

Während der Restauration wurden die Kaiserstraßen in Königsstraßen (routes royales) umbenannt und in ihrer Streckenführung den veränderten politischen Gegebenheiten angepasst. Die Route 3, die von Paris über Soissons, Reims und Lüttich nach Hamburg führte, wurde umbenannt in 31 bzw. 51 (N 51 Épernay-Reims-Charleville-Mézières-Givet – 1811-1824 als Route Impériale Nr. 3 (bis Hamburg), seit 1824 als Nr. 51)

Für ein Land, das sich wie das Frankreich Napoleons fortwährend genötigt sah, sein Heer in die verschiedensten Richtungen zu schicken, war die Forderung nach gut ausgebauten Straßen leicht einsehbar. Frankreich galt als das klassische Land des Straßenbaus. Sein straff verwaltetes Staatswesen erlaubte die systematische Anlage von überregionalen Straßen. Während der Zeit von 1800 bis 1812 sind in dem damaligen Frankreich allein 300 Millionen Fr. für den Straßenbau verwendet worden.

Die französischen Heerstraßen wurden in der Mitte für die schwere Artillerie gepflastert und hatten an den Seiten Sandstreifen für die Marschkolonnen sowie Entwässerungsgräben.

siehe hierzu auch: wulfen-wiki.de

Heute hat die B 75 natürlich nicht mehr die frühere Bedeutung. Dafür gibt es die Bundesautobahn A 1, die Bremen mit Hamburg verbindet. Tostedt liegt aber ganz in ihrer Nähe und ist über die Anschlussstellen Hollenstedt oder Heidenau zu erreichen. Ab Buchholzer Dreieck wird diese Autobahn bis Bremen zz. sechsstreifig ausgebaut und ist damit für die nächsten Jahre weiterhin ein Ärgernis auch für Tostedt (Wenn die Brummis durch Tostedt rasen).

Äußerlich ähnlich

Mehrmals wurde ich auf die äußerliche Ähnlichkeit der beiden Sänger hingewiesen. Und es ist etwas dran: Chris Martin von der Gruppe Coldplay … und unser aller Meister (Oooommmmm …!) Ian Anderson von Jethro Tull (beim Tullavison-Auftritt 1976).

Chris Martin (Coldplay)

Ian Anderson (Jethro Tull)

Chris Martin (Coldplay)

Ian Anderson (Jethro Tull)

Wie dann wohl Chris Martin in, sagen wir, 35 Jahren aussehen mag? Das Haar lichtet sich auf jeden Fall auch bei ihm schon deutlich …


1976 Jethro Tull live at Tampa


Coldplay – See You Soon

Ernst und/oder unterhaltend (Literatur)

Für den nächsten Flohmarkt hatte einer meiner Schwäger seine Bücherregale ausgemistet; u.a. war dabei ein Buch von David Payne: Bekenntnisse eines Taoisten an der Wall Street (Knaur – vollständige Taschenbuchausgabe 1988). Das Buch kannte ich vom Hörensagen, wusste auch von seiner „Zwiespältigkeit“ (um es einmal so auszudrücken) – und da ich es jetzt vorliegen hatte, mich u.a. auch für den Taoismus interessiere, machte ich mich daran, es zu lesen. Schaut man im Internet nach, dann sieht man, dass es bei uns nur noch in der Krabbelkiste bzw. im Antiquariat erhältlich ist. Nach gut 350 Seiten (von über 800 Seiten) habe ich es entnervt aufgegeben, das Buch weiterzulesen.

Sun I, Sohn eines amerikanischen Fliegers und einer Chinesin, wächst als Tao-Mönch in Szechuyn auf. Als sein Onkel ihm enthüllt, daß sein Vater ein berüchtigter Wall-Street-Hai ist, verläßt er die fernöstliche Welt des Klosters und geht nach New York.
Die Suche nach dem Vater bleibt erfolglos, doch dann öffnet sich auch Sun I eine steile Karriere im Börsengeschäft.

„Das 800-Seiten-Buch ist für die Dallas-Generation das, was für die Hippies Hermann Hesses ‚Siddharta’ war.“ Stern

In meinem Beitrag Ernst und/oder unterhaltend (Musik) hatte ich mich über den Unterschied zwischen anspruchsvoller und mehr oder weniger unterhaltender Musik geäußert, die vereinfachend in E- und U-Musik überschieden wird. Bei Literatur wird das Ganze wohl noch etwas komplizierter. Ich schrieb in dem genannten Beitrag:

Ja, mit den Schublädchen ist das schon so eine Sache. Wie gut, dass sich eben doch nicht alles so einfach einordnen und beschriften lässt. Gerade anspruchvolle Musik, ob als E- oder U-Musik etikettiert, – und natürlich auch Literatur – verdient kein starres Korsett, sondern braucht Raum und Zeit, um ‚atmen’ zu können und als ‚schön’ wahrgenommen zu werden (Wahrnehmung = Ästhetik).

Natürlich spielt auch bei der Bewertung von Literatur die Wahrnehmung eine wichtige Rolle. Schubläden gibt es auch hier genug. Analog der Musik würde ich (auch der Einfachheit halber) Literatur (Fach- und Sachliteratur vernachlässige ich hier) in Belletristik (der Begriff soll hier lediglich zur Abgrenzung dienen) und Unterhaltungsliteratur unterscheiden (Trivialliteratur wie Arzt- und Groschenromane usw. lasse ich ebenfalls unter dem Tisch fallen). Natürlich gibt es viele Gattungen (Epik wie Roman und Erzählung, Drama wie Komödie und Tragödie, Lyrik wie Ballade oder Lied) und Arten von Literatur (z.B. Weltliteratur, Nationalliteratur usw.), die je nachdem der ‚ernsten“ oder ‚unterhaltenden’ Literatur zuzuordnen sind.

Zurück zum Taoisten-Wall Street-Buch: Taoismus bzw. Daoismus ist eine alte chinesische Philosophie und Religion. Seine historisch gesicherten Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert v. Chr., als das Daodejing (in älteren Umschriften: Tao te king, Tao te ching …) des Laozi (Laotse, Lao-tzu) entstand – siehe hier meinen kleinen Beitrag: Lao-tse: Tao-Tê-King.

Die Idee dieses Buchs ist nun, das klanglich ähnliche Dao dem Dow (Dow Jones Index) der New Yorker Wall Street gegenüberzustellen, was bereits im Buchtitel zum Ausdruck kommt. Was nach einer „originelle Mischung aus der chinesischen Weisheit des I Ging (Buch der Wandlungen) und seiner Konfrontation mit der westlichen Welt“ aussieht, entpuppt sich aber leider als hochtrabend angelegter Unterhaltungsroman – mehr nicht.

Sicherlich hat sich der Autor sehr ausführlich mit Daoismus, „Tao-te-King“ und „I Ging“ beschäftigt. Auch beweist er ein gewisses Gespür für die Lebensbedingungen des jungen Protagonisten des Buchs. Aber es ist kein Spiegelbild der Wirklichkeit entstanden, sondern eine dick aufgetragene Erzählung, dem kein Klischee zu gering ist, um es zu benutzen.

Eines dieser Klischees ist die Vorstellung, Asiaten würden sich ständig in gewunden-blumiger Sprache äußern. Es ist aber der Autor selbst, der ständig blumig daherschreibt, sodass es mir wirklich zu ‚bunt’ wurde, das weiterhin zu ertragen. Hier nur einige dieser sprachlichen Ergüsse, auch wenn sie aus dem Satzzusammenhang gerissen sind:

„… Prismen eines Kronleuchters ernährt wie einen Weihnachtstruthahn …“ – „Müde, verirrt, entmutigt, emotionell zutiefst versehrt – kurz gesagt: todunglücklich …“ – „Feenkelche der Engelsblümchen …“ – „das kristallklare Wispern fließenden Wassers …“ – „vibrierende Frische des Morgens …“ – „… exquisite Mysterium alkaloider Auflösung.“ – „Nur lag eine gewisse Schärfe in der Luft, eine Schärfe wie der Knall einer Peitsche.“ – „… der eine gebend, der andere nehmend im letzten Koitus des Krieges …“.

Schlimmer noch ist aber, das es an der Psychologie hapert. Auch hier bedient sich das Buch fast durchgängig menschlicher Klischees. Genug dieses Buchs.

Ich lese zz. Martin Walsers „Das Einhorn“ aus dem Jahre 1966 (später dazu mehr). Auch Walser bedient sich teilweise einer „blumigen“ Sprache. Auch hier dient die Sprache oft dem ‚Selbstzweck’. Und doch ist es etwas völlig Anderes.

Was macht also den Unterschied zwischen diesen beiden Polen literarischer Werke aus? Immer wieder werden wir von Bestsellern überschüttet, die von einem breiten Publikum gelesen werden. Ich denke da an „Harry Potter“, an die Werke eines Dan Brown oder eines Ken Follett. Werke dieser Art bevölkern die Büchercharts (z.B. Spiegel). Ab und wann findet sich aber auch ein Werk wie das des letztjährigen Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa hier. Selbst das erwähnte Buch von Martin Walser war seinerzeit in solchen Hitlisten zu finden. In soweit lässt sich kein Unterschied ausmachen. Oder doch? Die Frage ist, was wird gekauft – und was wird wirklich gelesen. Bei Walsers Buch könnte ich mir denken, dass viele Käufer über die ersten 50 Seiten kaum hinausgekommen sind. Zu schwierig, zu wenig ‚unterhaltend’.

Aber auch der ‚Schwierigkeitsgrad’ ist kein wirkliches Kriterium. Es gibt leicht zu lesende Literatur (ich denke da an Kafka), die aber inhaltlich ‚schwer’ zu verdauen ist. Oder wie steht es mit der Ausdruckskraft der Sprache? Auch Verfasser von Unterhaltungsliteratur können fesselnd und sprachlich gekonnt schreiben.

Ich denke, dass ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal im Sujet, im Stoff, dem Thema des literarischen Werks liegt. Verfasser von Unterhaltungsliteratur entführen uns oft in eine ‚andere’ Welt, während Schriftsteller von Belletristik (in meinem Sinne) sich mit der Welt, wie sie ist, begnügen. Unsere Welt bietet Stoff genug – im Guten wie im Schlechten, da muss man nicht erste einen Parallelkosmos erschaffen.

Und es ist der geistige Nährwert, der den Unterschied ausmacht. Unterhaltungsliteratur sorgt oft für Spannung, Nervenkitzel – wahre Belletristik ist auch spannend, aber sie bietet ‚geistige Nahrung’, die uns als Leser weiterbringt, uns zu neuen Erkenntnissen verhilft.

Nun jeder muss letztendlich selbst wissen, was er lesen möchte. Auch ich lese nicht nur Belletristik (Weltliteratur usw.), sondern lasse mich auch gern einmal in Phantasiewelten entführen. Auch ein guter Kriminalroman kann mich begeistern. Aber es geht eben doch nichts gegen ein ‚gutes Buch’, ein wirklich ‚gutes Buch’.

siehe auch meinen Beitrag. Rebecca Michéle: Der Schatz in den Highlands