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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Schneeglöckchen, grün Röckchen …

Gestern war es wieder einmal frühlingshaft warm: 12,5 °C im Schatten. Und Schatten gab es ja wirklich im Sonnenschein. Dass Schneeglöckchen bereits blühen, ist weniger ein Wunder, heißt es doch im Kinderlied: Schneeglöckchen, weiß Röckchen … Nur weiß ist das Röckchen nicht, denn das ist eigentlich aus Schnee …

Und die ersten Krokusse (oder wie man hier in Norddeutschland auch sagt: Kroken) blühen allerdings auch bereits. Etwas früh, immerhin schreiben wir Mitte Februar!

Schneeglöckchen - Mitte Februar 2014

Krokusse - Mitte Februar 2014

Schneeglöckchen, grün Röckchen …

Suzanne Vega: Tales From the Realm of the Queen of Pentacles (2014)

Suzanne Vegas letztes reguläres Studioalbum war Beauty & Crime aus dem Jahr 2007. Zum Erscheinen dieser CD schrieb ich damals vor fast sieben Jahren: … ihr neuestes Werk Beauty & Crime …, das sich im Wesentlichen um NYC dreht – mit anspruchsvollen, feministisch ausgerichteten Texten zu schönen Melodien, meist mit Begleitung durch eine aktustische Gitarre und sparsamen Arrangements, also im Stile einer Singer-Songwriterin.

Die New Yorker Singer-Songwriterin hat mit ihren beiden 80er-Jahre-Hits „Luka“ und „Tom’s Diner“ (siehe am Ende dieses Beitrags) Popgeschichte geschrieben. Nach siebenjähriger Pause veröffentlichte sie nun auf ihrem eigenen Plattenlabel ein neues Studioalbum: Tales from the Realm of the Queen of Pentacles. Okay, es waren keine sieben Jahre ohne Produktion. Zwischen 2010 und 2012 spielte Suzanne Vega viele ihrer alten Stücke neu ein und gliederte sie thematisch auf insgesamt vier Scheiben, die unter dem Titel Close-Up erschienen.

CD-Cover 'Tales From the Realm of the Queen of Pentacles' von Suzanne Vega | Bild: Cooking Vinyl, colourbox.com, Montage: BR

Auch dieses neue Album ist im Wesentlichen geprägt von Gitarre und Suzanne Vegas Stimme, die sich im Laufe ihrer nun fast schon 30jährigen Karriere kaum verändert hat. Weil diese Stimme, die sie selbst in einem Interview kürzlich als einfach und anspruchslos bezeichnete, immer im Mittelpunkt steht und der sich alle musikalischen Ideen unterordnen müssen, wirkt ihr Werk vielleicht so homogen. Zudem wird an dieser Stimme nicht groß technisch gewerkelt, wie Live-Aufnahmen bestätigen. Liest man die Kritiken auch über diese neue CD, dann erstaunt man schon: so viel Positives habe ich sonst kaum über einen anderen Musiker bzw. über eine andere Musikerin vernommen.

Das neue Album enthält wieder viel amerikanischen Folk-Pop, mit mehr rockigeren Anklängen als sonst und hier und da sogar orchestraler Verstärkung, darüber hinaus ist hier ein Banjo, da eine Flöte und dort eine Trompete hingetupft. Das wirkt alles ausgewogen, vielseitig, aber nicht nach zu viel, wenn die Arrangements auch etwas üppiger ausfallen als sonst.

Sie könne gut Geschichten erzählen, weshalb ihr besonderes Augenmerk auf den Texten ihrer Lieder liege, sagte sie unlängst. Und auch hier findet man wieder diese Suzanne Vega-Geschichten, etwa gleich im ersten Song, CRACK IN THE WALL, dessen Anfangszeilen auch gut beschreiben, wie man sich beim Hören dieses Albums fühlt: „A crack appeared inside a wall / A door sprang up around it.“ Oder SONG OF THE STOIC, ein berührendes Lied über das entbehrungsreiche Leben eines nunmehr alten Mannes.


Suzanne Vega – Crack in the Wall (live City Winery, Chicago, 29.09.2013)

Suzanne Vega mag das Geheimnisvolle, sympathisiert mit den Außenseitern der Gesellschaft – aus diesem und anderen Gründen erklärt sie in der Singleauskopplung I NEVER WEAR WHITE Schwarz zu ihrer Farbe: „All other colours lie.“ Trotzdem ist ihr ein buntes, ein vielseitiges, ein tiefsinniges Album gelungen. Das Comeback des Jahres, keine Frage (Quelle u.a. Kundenrezensionen bei amazon.de).


Suzanne Vega — I Never Wear White

Die Songtexte sind im Internet nachzuschlagen; außerdem hat Suzanne Vega natürlich auch einen Channel bei Youtube.

In FOOL’S COMPLAINT bedient sie sich kurzerhand einiger musikalischer Ideen aus ihrem Song WHEN HEROES GO DOWN. Aber der erschien ja schon 1992, und da geht es dann auch in Ordnung:


Suzanne Vega — Fool’s Complaint

Ein anderes Sample hätte man ihr vermutlich kaum zugetraut: in DON’T UNCORK WHAT YOU CAN’T CONTAIN tauchen Motive von 50 Cents CANDY SHOP auf, klingen hier allerdings, passend zum Text, orientalischer. In dem Lied geht es darum, dass nicht alles geöffnet werden sollte, was sich öffnen lässt; Aladins Wunderlampe mag noch angehen, aber wie steht es mit Pandoras Büchse? DON’T UNCORK, wie auch die folgenden Lieder, wurden zusammen mit dem Smichov Chamber Orchestra aus Prag aufgenommen (zu Prag am Ende mehr):


Suzanne Vega — Don’t Uncork What You Can’t Contain

Spanisch mutet es in dem Lied JACOB AND THE ANGEL an (Händeklatschen wie bei einem Flamenco), in dem es vordergründig um den biblischen Kampf Jakobs mit dem Engel Gottes am Ufer des Jabbok-Flusses geht.


Suzanne Vega – Jacob and the Angel

HORIZON schließlich, das das Album beschließt, ist Václav Havel gewidmet. Mit ihm verbindet Suzanne Vega eine Brieffreundschaft; sie bewundert seine Art, einen steinigen Weg zu gehen und seinen einstigen Gegnern ohne Groll zu begegnen. Es könnte also ebenso eine Hommage an Nelson Mandela sein. 2006, anlässlich des 70. Geburtstages von Václav Havel, dem Schriftsteller und ehemaligen Staatspräsident der Tschechoslowakei und von 1993 bis 2003 der erste der Tschechischen Republik, sang Suzanne Vega ihr Lied Tom’s Diner als Ständchen (‚im Stile’ von Marilyn Monroe bei Kennedys Geburtstagsgala 1962):


Suzanne Vega – Horizon (There Is A Road)


Suzanne Vega sings for Václav Havel

Das Album mit dem sperrigen Titel ist sicherlich keine musikalische Offenbarung und daher frei von gewagten Innovationen. Aber es ist ein Album, das in Ruhe gehört gleichzeitig Spaß macht und auch zum Nachdenken anregt, wie eigentliche alles von Suzanne Vega. Ich bin, wie so oft, rein zufällig auf diese Neuerscheinung aufmerksam geworden, denn in diesen Tagen fiel mir ihr Name wieder ein und ich fragte mich, was es wohl Neues von ihr geben könnte. Und es gab ja nun wirklich nach langer Zeit wieder Neues von ihr …

Jetzt sind die Sportler am Zuge

Der Altkanzler Gerhard Schröder bezeichnet die Berichterstattung der Medien zu Sotschi als einseitig. Russlands Präsident Putin lobte er für die gute Vorbereitung der Olympischen Spiele.

„Einst hatte er Russlands Präsidenten Wladimir Putin als ‚lupenreinen Demokraten’ bezeichnet, nun kann Altkanzler Gerhard Schröder auch den Winterspielen in Sotschi nur Gutes abgewinnen. ‚Es ist eine tolle Situation’, sagt er im Interview mit dem Sport-Informationsdienst sid. Die Kritik in Deutschland an dem Sportereignis kann er nicht nachvollziehen. ‚Die Berichterstattung, speziell bei uns, ist reichlich unfair’, sagte er. ‚Das ist ideologisch geprägt und nur sehr selten unvoreingenommen. Da sollten einige, die so berichten, mal neu nachdenken.’“ (Quelle: spiegel.de)

Wir kennen Schröders saloppe, etwas verquere Redeweise. Und sein Engagement als Aufsichtsratsvorsitzender der Nord Stream AG (Ostsee-Pipeline) und damit für Gazprom, das weltweit größte Erdgasförderunternehmen aus Russland, kennen wir auch. Und wiederum damit seine freundschaftlichen Beziehungen zu Putin.

    Putins Spiele: die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi/Russland

Damit wischt Gerhard Schröder in seiner Blauäugigkeit allerdings kaum die berechtigten Kritiken an Putins Spielen vom Tisch. Es wird zukünftig an den obersten Funktionären des IOC liegen, unter welchen Voraussetzungen olympische Spiele vergeben werden. Allerdings traue ich da dem neuen IOC-Präsidenten Thomas Bach kaum eine Neuausrichtung zu. Autokratisch bzw. totalitär regierte Länder werden sich auch weiterhin um die Ausrichtung von sportlichen Großereignissen bemühen, bei denen die Finanzierung keine Rolle spielt und auch IOC oder beim Fußball die FIFA auf ihre Kosten kommen.

Genug geklagt. Jetzt sind die Sportler am Zuge, auch wenn ich sie weiterhin ‚zwischen den Fronten’, gewissermaßen in Geiselhaft der Veranstalter (Putin einerseits, das IOC andererseits), sehe.

Eins schon vorweg: Bisher, da hat Gerhard Schröder wohl Recht, ist die Stimmung gut in Sotschi und der Schneeregion Krasnaja Poljana. Die Bedingungen sind bisher bestens, das Wetter spielt mit – und die Bewohner der Austragungsorte sind freundlich und zuvorkommend. Die Sportler selbst sind es, die für die nötige Stimmung sorgen. Gänsehautfeeling eingeschlossen. Und das ist auch gut so.

Trotzdem haben auch diese Olympischen Spiele weiterhin einen faden Beigeschmack für mich, auch wenn ich mich zu einem Boykott – rein persönlich (wie 2008 bei den Sommerspielen in Peking) nicht hinreißen will. Der Sport, vor allem die Sportler stehen im Mittelpunkt, ohne dass man – ich wiederhole mich – die politischen Hintergründe vernachlässigen darf.

In den Social Media des Internet wie Twitter, Facebook oder Google+ versehen die teilnehmenden Mitglieder ihre Beiträge oft mit so genannten Hashtags (Hash ist das Zeichen #, Tag ist eine Art Stichwort) wie #Sotschi2014, #Sochi2014 (englische Schreibeweise des Olympiaorts) oder #WirfuerD (D steht für Deutschland). Ich will da keinen übertriebenen Nationalismus unterstellen oder sogar Chauvinismus. Aber ich finde diesen Hashtag eher unglücklich gewählt, auch wenn mannschaftliche Geschlossenheit (‚Wir’) z.B. beim Eishockey wünschenswert ist. Ansonsten, so denke ich, sind gerade auch Wintersportler eher Individualisten. Dieses „Wir für Deutschland“ wird zudem von manchen Sportler(n/innen) ad absurdum geführt, wie bei den Auseinandersetzungen („Zickenalarm!“) bei den Rodlerinnen oder Eisschnellläuferinnen. Wer mag diesen Tag nur eingeführt haben?

Nun nach weniger als einer Woche führt die deutsche Mannschaft den Medaillenspiegel (nach 32 von 98 Entscheidungen) mit sechsmal Gold, einmal Silber und Bronze an. Ich erinnere mich an Zeiten, in denen man darüber diskutiert hatte, ob ein solcher Medaillenspiegel überhaupt noch Sinn macht, vor allem wenn erst einmal nach der Anzahl der Goldmedaillen gruppiert wird. In manchem Medium gliederte man damals auch gern nach Anzahl der Gesamtmedaillen. Heute scheint das keinen mehr zu jucken. Da passt dann dieses „Wir für Deutschland“ (a la „Wir sind Papst!“) auch wieder bestens.

Trotz oder gerade wegen der bisher guten Leistung einiger deutschen Athleten hagelt es inzwischen auch harsche Kritik. Das Ziel, insgesamt 30 Medaillen (schon wieder diese runden metallenen Dinger) aus Sotschi nach Deutschland ‚heimzuholen’, sieht man jetzt schon verfehlt. Besonders bei den Biathleten läuft (und schießt) nichts nach Wunsch. Sicherlich sind wir von früher her (z.B. durch die Erfolge einer Magdalena Neuner) verwöhnt. Aber es grenzt schon an Arbeitsverweigerung, was da bisher geboten wurde. Vielleicht wird ja heute etwas?! Auch von den Leistungen der Eisschnellläufer muss man enttäuscht sein. Curling mit viel Pech? Und dann gibt es noch einige andere Sportler, die deutlich hinter ihren bisherigen Leistungen hinterherhinken.

Natürlich fragt man sich, warum so viele Sportler beim für sie wichtigsten Sportereignis plötzlich dermaßen einknicken. Die Nerven allein können es nicht sein, oder? Vielleicht sollten sie dieses „Wir für Deutschland!“ noch etwas mehr verinnerlichen …?!

Ich weiß, es ist gut meckern. Ein Sportler, der sein sich selbst gesetztes Ziel um Längen verfehlt hat, wird erst einmal untröstlich sein. Da interessiert kein „Wir für Deutschland!“, da steht er allein da mit seinem Unglück. Niemand ist enttäuschter als der Athlet selbst. Und dann muss er auch noch dusselige Fragen der Reporter beantworten. Außerdem ist sogar zu befürchten, dass dieses „Wir für Deutschland!“ zum Fluch wird, denn hinter diesem Sprüchlein stecken quasi die Gelder der Sporthilfe, die schneller versiegen als man sie zum Sprudeln bringt.

Aber noch ist ja nicht aller Tage in Sotschi Abend. Drücken wir den Sportlern die Daumen. Bekanntlich soll aber der Bessere (bzw. die Bessere) gewinnen …

Suzanne Vega 2014 live online & im Radio

Bevor ich auf die neue CD Tales from the Realm of the Queen of Pentacles von Suzanne Vega etwas ausführlicher zu sprechen komme, hier ein Hinweis auf zwei Live-Mitschnitte von Konzerten, die die New Yorker Singer-Songwriterin im Januar 2014 in Deutschland anlässlich einer Studio-Tour bei öffentlich-rechtlichen Sendern wie MDR Figaro und Bayern 2 gab. Bei MDR Figaro besteht seit dem 27. Januar 2014 befristet die Gelegenheit, das 80-minütige Konzert via Internet nachzuhören, Bayern 2 sendet die Höhepunkte des Studio-Konzerts am Ostersonntag, 20. April 2014, ab 15:05 Uhr.

Bayern 2-StudioClub Suzanne Vega  | Bild: BR/Markus Konvalin

Das Konzert z.B. von MDR Figaro lässt sich leider nicht ohne weiteres herunterladen (ich habe auf die Schnelle kein entsprechendes Tool gefunden), so kann man es höchstens in Echtzeit über die Soundkarte ‚aufnehmen’.

Man of Steel

Man of Steel ist eine US-amerikanische Comicverfilmung des Regisseurs Zack Snyder. Produzent des Films ist Christopher Nolan, der auch die Story fürs Drehbuch lieferte. Die Hauptrolle spielt der britische Schauspieler Henry Cavill. Es ist geplant, dass es der erste Film einer mehrteiligen Reihe wird. Die deutschsprachige Fassung trägt den Originaltitel und hatte am 20. Juni 2013 Premiere.

    Man of Steel

Clark Kent (Henry Cavill) ist ein junger Mann mit Superkräften jenseits aller menschlichen Vorstellungskraft. Dennoch oder vielleicht sogar deswegen fühlt er sich allein und isoliert. Vor Jahren hat ihn sein Vater Jor-El (Russell Crowe) von Krypton, einem hoch entwickelten Planeten, zur Erde geschickt und nun sieht sich Clark ständig mit der Frage konfrontiert: Wieso bin ich hier? Geprägt von den Werten seiner Adoptiveltern Martha (Diane Lane) und Jonathan Kent (Kevin Costner) entdeckt Clark bald, dass Superkräfte zu haben auch Verantwortung mit sich bringt und die Notwendigkeit, schwierige Entscheidungen zu treffen. Clarks Adoptivvater glaubt, dass die Menschheit nicht bereit ist, zu erfahren, wer sein Sohn wirklich ist und welche Fähigkeiten er hat. Doch als die Welt vom finsteren General Zod (Michael Shannon) angegriffen wird, braucht sie ihren ‚Superman‘ dringender als jemals zuvor – ob sie nun bereit ist oder nicht.

aus: filmstarts.de


Man of Steel

Es wundert mich schon, dass Spinnen- und Supermänner immer wieder neu aufgelegt werden müssen (The Amazing Spider-Man bzw. Superman ist zurück). Welches Bedürfnis haben wir, um uns von solchen Männern mit übernatürlichen Kräften helfen lassen zu müssen? Im letzten Jahr war also wieder Superman fällig, um die Welt zu retten. Diesmal aus dem Hause Christopher Nolan/Zack Snyder. Ihr knapp 2 ½-stündiges Werk Man of Steel ist nun auch als DVD bzw. Blu-ray erhältlich.

Es ist wieder Popcorn-Kino mit bombastischen Action-Spektakel a la Hollywood, dem allerdings jegliche Tiefe fehlt. Zack Snyder, ein Meister der Überstilisierung, darf sich austoben. Es muss eben krachen. Dass dabei eine mögliche inhaltliche Botschaft durch eine unendlich pompöse Bilderflut fortgeschwemmt wird, kratzt dann keinen. Was als Handlung bleibt, ist eher konventionell erzählt und zudem rührselig. Viele mögen solche Filme wohl, sonst würde es ja nicht dermaßen in den Kinokassen klingeln. Mein Fall ist das leider nicht.

Heute Ruhetag (47): Pierre Louys – Aphrodite

Pierre Louÿs wurde am 10. Dezember 1870 in Gent geboren und starb am 4. Juni 1925 in Paris. Er war ein französischer Lyriker und Romanschriftsteller. Neben de Sade, Verlaine und Mirabeau gilt er als Meister der erotischen Literatur Frankreichs.

Sein erster Roman Aphrodite (mœurs antiques) erschien 1896. Der Roman, mit seinem Atmosphäre von verfeinertem Naturempfinden, Lebensfreude und Sinnlichkeit, erreichte einen Achtungserfolg sowohl in der Literaturszene als auch beim Publikum.

Aphrodite ist in der griechischen Mythologie die Göttin der Liebe, der Schönheit und der sinnlichen Begierde und eine der kanonischen zwölf olympischen Gottheiten. Ursprünglich zuständig für das Wachsen und Entstehen, wurde sie erst später zur Liebesgöttin. Das Pendant in der römischen Mythologie ist Venus.

Heute Ruhetag = Lesetag!

[…]

Als Ulysses eines Tages am Fuße des delphischen Gebirges jagte, traf er auf seinem Wege zwei Jungfrauen, die sich an der Hand hielten. Die Eine hatte Veilchenhaare, durchsichtige Augen und Lippen von einem ernsten Ausdruck; sie sagte ihm: »Ich bin Arètê«. Die Andere hatte schwache Augenlider, schmale Hände und zarte Brüstchen. Sie sagte: »Ich bin Triphê«. Und Beide fügten hinzu: »Wähle zwischen uns«. Doch der schlaue Ulysses antwortete klug und weise: »Wie könnte ich wählen? Ihr seid unzertrennlich. Die Augen, welche die Eine ohne die Andere von Euch gesehen, haben nur einen hohlen Schatten gesehen. Gleichwie die wahre Tugend sich der ewigen Freuden nicht beraubt, welche die Wollust ihr bietet, würde auch die Weichlichkeit ohne eine gewisse Seelengröße wenig taugen. Ich werde Euch beiden folgen. Zeiget mir den Weg«. Kaum hatte er geendet, als die beiden Erscheinungen ineinanderflossen. Ulysses erkannte, daß er mit der großen Göttin Aphrodite gesprochen. Die Frau, welche den ersten Platz in dem vorliegenden Roman einnimmt, ist eine Courtisane des Alterthums. Zur Beruhigung des Lesers will ich sogleich hinzufügen: sie wird sich nicht bekehren.

[…]

    Aphrodite, die Liebesgöttin

Pierre Louys: Aphrodite

Johannes, der Vagabund

Man verzeihe mir das kleine Spielchen. Es ist nur zu berichten, dass die Sache wohl Formen annimmt. Die Hülle (der Mantel, die Decke?) ist bereits enthüllt. Sie muss sich nur noch mit Inhalt füllen. Am 14. April ist es dann soweit: Johannes, der Vagabund, wird über den Ladentisch gereicht …

eines der glubschigen Augen des Meisters: Ian Anderson – Homo Erraticus

Wie bitte?

Ian Anderson: Homo Erraticus – Veröffentlichung: 14. April 2014

Download CD-Cover (2500px mal 2500px = 2,1 MB)

Willis alter Beitrag: Homo (Britanicus) Erraticus

Putins Spiele

Was gibt es Absurderes als eine Fußball-Weltmeisterschaft in einem Wüstenstaat wie Katar oder olympische Winterspiele in einem Sommerbadeort wie heute mit den Eröffnungsfeierlichkeiten (17 Uhr 14 MEZ, 20 Uhr 14 Ortszeit) beginnend in Sotschi am Schwarzen Meer. Höchstens noch eine Sommerolympiade auf dem Mond …

Wenn’s denn nur die klimatischen Verhältnisse wären … Es geht vor allem um Menschenrechtsverletzungen und ausgebeutete Arbeiter sowie im Zusammenhang mit den Winterspielen in Sotschi um Umweltzerstörung, exorbitante Kosten, gigantische Sicherheitsvorkehrungen und unfertige Hotels.

    Putins Spiele: die XXII. Olympischen Winterspiele in Sotschi/Russland

Die Herren des Weltfußballverbandes FIFA oder die des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) scheint das alles nicht weiter zu kratzen. Im Gegenteil: Man hat eine Vorliebe für autokratisch geführte Länder wie Russland. Man begegnet sich schließlich mit Herrn Putin ‚auf Augenhöhe’. Und Probleme, welcher Art auch immer, werden vor Ort von den Sicherheitskräften ‚gelöst’.

Die Winterspiele in Sotschi werden schon länger als Putins Spiele bezeichnet. Der russische Präsident hat nicht nur höchstpersönlich den Badeort als Austragungsstätte auserkoren, er hat sich bis zuletzt in alle wichtige Fragen zu Sotschi eingemischt. Sotschi, das ist Putins Prestige-Projekt.

Strafbank? Putin (Владимир Владимирович Путин) spielt Eishockey
Putin (Владимир Владимирович Путин) spielt Eishockey

Teamplayer und alte Kumpel: Autokrat Putin und Europas letzter Diktator Lukaschenko in einem Eishockey-Team (Путин и Лукашенко)
Teamplayer und alte Kumpel: Autokrat Putin und Europas letzter Diktator Lukaschenko in einem Eishockey-Team (Путин и Лукашенко)

Kundigen Kritikern, Ex-Politikern und ermittelnden Behörden zufolge ist das Kernproblem der gigantischen Kosten von gut 50 Milliarden Dollar jedoch der verschwundene Teil des Geldsegens. Was den Verdacht nährt, dass das Projekt so gewaltig ausfallen musste, damit es genügend abwirft für die beteiligten Kräfte. So schaffte es das ehrbare russische IOC-Mitglied Shamil Tarpischew, im Handumdrehen vom Tennistrainer Boris Jelzins über den Chefposten im nationalen Sportfonds zum Milliardär aufzusteigen (Quelle u.a. Sueddeutsche.de)

Und dann wäre da noch das Problem mit dem Doping. Kommt es eigentlich überraschend, dass wieder eine russische Biathletin wie Irina Starych wenige Tage vor den Spielen des Dopings überführt wurde? Aber es kommt noch schlimmer: So bot ein international renommierte Mitarbeiter der Russischen Akademie der Wissenschaften mit Sitz in Moskau einen verdeckt arbeitenden Reportern das Molekül Full Size MGF zum Kauf an, das in seiner Einrichtung im staatlichen Auftrag wegen seiner pharmakologischen Wirkung erforscht wird. „Das Mittel wirkt im Muskel doppelt so stark wie ein herkömmlicher Wachstumsfaktor und kann von keinem Dopingfahnder aufgespürt werden“, bewarb der Wissenschaftler das Mittel (Quelle: sportschau.de). Kann man da anders, als Russlands Dopingbekämpfung in Frage stellen? Und welchen Einfluss haben höhere Stellen auf diese ‚pharmakologische’ Forschung?

Sport hat auch immer etwas mit Politik zu tun, besonders solche Großveranstaltungen wie Fußball-WM oder die Olympischen Spiele. Den veranstaltenden Staaten dienen diese zur Imagepflege (besonders, wenn das Image angeschlagen ist). Für die globalen Sportverbände (FIFA, IOC) sind sie zudem sprudelnde Einnahmequellen (es fragt sich, wohin manch große Summe der Gelder fließt). Mit Sport hat das am Ende nur noch wenig zu tun.

Wer nun denkt, unter dem neuen IOC-Präsident Thomas Bach würde alles besser werden, dürfte sich getäuscht sehen. Der sieht alles schön und sieht nirgends ein Problem. Okay, es sind seine ersten Spiele als IOC-Präsident, da muss man sich selbst Mut machen und betrachtet dann das, was auf einen zukommt, gern durch die rosarote Brille. Aber was kommt dann, Herr Bach?

David Zane Mairowitz/Robert Crumb: Kafka

Vor geraumer Zeit hatte ich in meinem Beitrag Faksimile-Mappe und Graphic Novels zu Franz Kafka einiges Interessante zum Prager Schriftsteller vorgestellt. Inzwischen habe ich mir mit Freuden und Schauern über den Rücken das Buch Kafka des Schriftstellers David Zane Mairowitz mit den Zeichnungen von Robert Crumb, dem Schöpfer von Fritz the Cat, angeschaut und innerhalb eines halben Tages durchgelesen.

    David Zane Mairowitz – Robert Crumb: Kafka

Wer trotz des Kafka-Films immer noch kein Interesse an Kafka gewonnen hat, dem wird das vielleicht durch dieses Buch geweckt. Ansonsten: Hoffnungsloser Fall …?!

    Selbstportrait Robert Crumb (re.) mit David Zane Mairowitz (im Buch auf Seite 165)

Kein Schriftsteller unserer Zeit und wahrscheinlich keiner seit Shakespeare ist dermaßen überinterpretiert und in Schubkästen gesteckt worden wie Franz Kafka. Jean-Paul Sartre nahm ihn für den Existenzialismus in Anspruch, Camus für das Absurde, sein lebenslanger Freund und Herausgeber Max Brod überzeugte mehrere Gelehrtengenerationen, dass sich in Kafkas Parabeln die komplizierte Suche nach einem unerreichbaren Gott ausdrückte.
In ‚Kafka’ haben David Zane Mairowitz und Robert Crumb das Wesentliche über Franz Kafka zusammengetragen: von seiner Kindheit bis zum posthumen Kafka-Kult; über die Konflikte, die der Schriftsteller mit sich selbst und anderen, allen voran mit seinem Vater, auszutragen hatte. Immer wieder geht es um Kafkas Zerrissenheit vor dem Hindergrund seiner deutsch-tschechischen Nationalität und der jüdischen Kultur. Die Stationen von Kafkas Leben werden ergänzt durch Briefe und Auszüge aus seinen Romanen und Kurzgeschichten.

(Umschlagtext)

„Kafkas Themen wie der Selbsthass, seine Beziehung zu Frauen, die Schuldfrage sind auch meine. Er ist mein Bruder im Geiste.“ – Robert Crumb

    Kafka: Immerfort die Vorstellung eines breiten Selchermessers, das ... von der Seite her in mich hineinfährt ...

„Was habe ich mit Juden gemein? Ich habe kaum etwas mit mir gemein!“

Niemand erklärt Kafka besser als Kafka selbst – der Mann, der seinen Freunden stets erschien, als führe er ein Leben hinter einer Glaswand. Seine Romane und Erzählungen sind tief in der Tradition des jiddischen Geschichtenerzählens verwurzelt und zeichnen sich durch ihre bizarren Fantasien, gepaart mit düsterer Melancholie und subtilen Witz, aus.

Innerlich zerrissen und entfremdet von seinen jüdischen Wurzeln, seiner Nationalität, seiner Familie, seiner Umgebung und insbesondere von seinem Körper, schuf Kafka eine einzigartige literarische Sprache, in der er sich selbst verbergen, sich in ein riesiges Ungeziefer, einen Affen, einen Hund, eine Maus oder einen Künstler verwandeln konnte, der sich vor den Augen des Publikums zu Tode hungert.

David Zane Mairowitz’ dichter und pointierter Text, kombiniert mit den Zeichnungen eines der größten Comiczeichner unserer Zeit, Robert Crumb, gewährt einen Einblick in das Wesen und das Werk des Schriftstellers Franz Kafka.

    Was heißt eigentlich: kafkaesk?!

Robert Crumb, geboren 1943 in Philadelphia, gehört zu den Pionieren des amerikanischen Underground-Comics. Der Schöpfer von Fritz the Cat und Mr. Natural ist zeitlebens ein kontroverser Künstler gewesen, der sowohl seine eigenen als auch die gesellschaftlichen Abgründe schonungslos offengelegt hat. Charakteristisch ist auch sein kräftiger Strich, durch den er zu einem der stilprägendsten Illustratoren und Comiczeichner schlechthin wurde, dessen Arbeiten sogar im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt wurden.
Für sein Lebenswerk erhielt Robert Crumb 1999 den Grand Prix des Internationalen Comic-Festivals in Angoulême. Er lebt mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter in Frankreich.

David Zane Mairowitz, ebenfalls Jahrgang 1943, wurde in New York geboren und lebt seit 1966 in Europa, heute in Avignon und Berlin.
Für seine Hörspiele, die in ganz Europa produziert werden, erhielt er zahlreiche Preise, unter anderem den Prix Italia und den Prix Europa. Sein Lebenswerk wurde 2006 in Frankreich mit dem Prix SACD de la Radio ausgezeichnet. Er ist der Autor mehrerer Comics, die er in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Zeichnern unter anderem über Albert Camus und Wilhelm Reich veröffentlichte.

„Robert Crumb ist der Brueghel des 20. Jahrhunderts“ – Time
„Keiner hätte es besser machen können als Crumb“ – Libération
(Klappentexte)

... eine Zeile gegen mich ... wie man die Fernrohre … richtet!
… eine Zeile gegen mich … wie man die Fernrohre … richtet!

Was soll ich da noch sagen und ergänzen. Kafka ist für mich einer der ganz großen Schriftsteller. Wenn sich da nun ein Zeichner-Heroe wie Robert Crumb Kafkas annimmt, dann muss das Ergebnis schon außerordentlich sein. Und mit den kurzen, präzisen Texten eines David Zane Mairowitz ist ein Werk entstanden, das nicht nur sein Geld Wert ist, sondern so prägnant wie nur möglich in Kafkas Biografie und Werk einführt. Lange habe ich auf die Wiederveröffentlichung dieses Buchs gewartet, das bereits 1995 bei Zweitausendeins erschienen war. Dank also auch an den Verlag Reprodukt. Das Warten hat sich gelohnt.

    Franz Kafka: In der Strafkolonie

Martin Walser: Jagd (1988)

    Die vielbödige Hinterhältigkeit des höher gebildeten Normalmenschen. (S. 128)
    Gute Manieren sind ein Ausdruck schlechten Gewissens (S. 135)
    Ohne Selbstbeherrschung ist Anarchie nicht möglich. (S. 213)

    Martin Walser: Jagd (suhrkamp taschenbuch 1785, 3. Auflage 2002)

Frauen sind Männern ein Rätsel. Aber fast mehr noch verstehen sie sich selbst kaum. Was veranlasst ihr Handeln, was prägt ihr Verhalten? Menschen, speziell Männer, unterscheidet man gern in die Kategorien Jäger oder Sammler. So ganz habe ich den Unterschied nicht verstanden. Beide, Jäger wie Sammler, müssen doch ‚hinaus’, um ihrem Bedürfnis entsprechend handeln zu können. Vielleicht ist der Jäger eher der Abenteurer, dem die Jagd als solches Ziel ist, während der Sammler eher der Stubenhocker ist, dem die Trophäen das Wichtigste sind.

Nachdem ich zum ersten Mal Das Schwanenhaus (Erstveröffentlichung 1980) Anfang des Jahres gelesen habe, so nahm ich mir jetzt den Roman Jagd (Erstveröffentlichung 1988) zum 2. Mal vor – der erste und zweite der drei Gottlieb Zürn-Romane von Martin Walser.

    Martin Walser: Jagd (1988)

Da Gottlieb Zürn seine Unterlegenheit als Immobilienhändler erkennen mußte, überließ er seiner Frau Anna, die sich im Handel und Wandel mit den Kunden erfolgreich gezeigt hatte, den Part der größeren Einträglichkeit: Anna, das Zentrum der Familie, Ärztin, die Glaubensfähige, die Tonangebende. Es beginnt idyllisch, aber die Idylle hält nicht. Die Jagd beginnt. Als die Tochter Julia, achtzehn, verschwindet, erweist es sich, wie wenig der Familienfrieden einer war. Das Jagdmotiv, handle es sich um Lebenssituationen oder um gesellschaftliche Bereiche, wird aufs vielfältigste variiert. Sechs Frauen sind es, die diese Variationen bewirken.
(aus dem Klappentext)

Im zweiten Roman ist Gottlieb Zürn, der mit seiner Frau und den beiden jüngeren der vier Töchter in Überlingen (Ortsteil Nußdorf) am Bodensee lebt, hauptsächlich als Akquisiteur tätig und für die Zeitungsanzeigen zuständig. Dort am Bodensee haben die Zürns auch zwei Ferienwohnungen, die sie u.a. schon öfter an Helmut Halm und Frau in „Ein fliehendes Pferd“ (1978) vermietet haben. Diesmal ist es das Ehepaar Gisela und Stefan Ortlieb. Dieser Gisela („Gisi“) und ihrer paranoiden Freundin Annette Mittenzwei (sic! – der Name ist Programm) wird Gottlieb Zürn auf der Suche nach der Tochter bis nach München ‚nachjagen’. Und über das Heranschaffen von Immobilien lehrt Zürn Liliane Schönherr kennen, eine Frau, die ihren schwerkranken Mann zu pflegen hat und darüber sich vom Leben vernachlässigt fühlt. Zwar erjagt Gottlieb Zürn die Frau, aber nicht die Immobilie, deretwegen er sich in dieses amouröse Abenteuer begeben hat. Wieder ist es jener Jarl F. Kaltammer, der sich das Lebkuchenhäuschen unter den Nuß- und Kastanienbäumen in Nonnenhorn (oder wie Kaltammer selbst inseriert: „Traumhäuschen auf großem Grund unter Märchenbäumen“) unter den Nagel gerissen hat.

Übrigens: Entgegen meiner ersten Berechnung kommt das Wort Jagd und seine Variationen (Jäger, jagen) beim 2. Lesen statt achtmal sogar zwölfmal vor.

Personenliste zum Roman:

Dr. Gottlieb Zürn, Makler, Ende 50 Jahre
Anna, seine Frau

Rosa, die älteste Tochter
Magda(lena), Tochter
Julia, Tochter, 18 Jahre alt <-> Bert Diekmann
Regina, die jüngste Tochter, 15 Jahre alt

Gisela Ortlieb und
Ehemann Stefan Ortlieb (Diplom-Bibliothekar), Feriengäste aus München
Annette Mittenzwei, Freundin von Gisela Ortlieb

Liliane Schönherr, Kundin (als Verkäuferin) von Gottlieb Zürn in Frankfurt/Main

Elisabeth Stapf, genannt Lissi, Punkerin und Freundin von Julia
Dr. Kevelaer, Frauenarzt

Rudi W. Eitel, Kollege und Freund von Gottlieb Zürn
Helmut ‚Schaden’-Meier, früher Architekt, jetzt Schätzer, Freund von Gottlieb Zürn

Paul Schatz, Immobilienhändler und Konkurrent
Jarl F. Kaltammer, Immobilienhändler und Konkurrent

außerdem:

Armin, der Hund der Familie Zürn
u.a.

Und wie schon öfter an anderer Stelle erwähnt, hat Gottlieb Zürn zwei Cousins, die Walser ebenfalls literarisch bedacht hat (siehe Übersicht Hauptpersonen Romane Martin Walser als PDF) und die so mindestens in aller Kürze auch in „Jagd“ Erwähnung finden, dort heißt es:

… Was kann man mit Schmerz anfangen? Bitte, mit Lebensschmerz! Er kennt weder den ewigen Magenschmerz seines Vetters Xaver [Seelenarbeit] noch den Weltschmerz seines Vetters Franz [Franz Horn – Jenseits der Liebe und Brief an Lord Liszt], ihm tut das Leben selber weh. Nur das, sonst nichts. (S. 196)

Wie eingangs erwähnt: Männer verstehen sich selbst kaum. Diesmal gibt zwar Gottlieb Zürn kein unnötiges Geld für einen noch unnötigeren teuren Teppich aus. Dafür jagt er nach erotischen Abenteuern und ist manchmal der Jäger, aber meist doch eher der Gejagte. Seine Abenteuer enden geradezu kläglich. Was tut ‚Mann’ sich selbst nicht alles an, um auch noch im fortgeschrittenen Alter ‚männlich’ zu sein.

Der Roman stieß in den Feuilletons auf ein wenig positives Echo, weil Walser wieder einmal falsch verstanden wurde. Jörg Magenau, der Walser-Biograph, nannte „Jagd“ einen „Roman der Stagnation“ und meinte die Stagnation Walsers als Literat. Dabei hat Magenau gar nicht so Unrecht: Gottlieb Zürns Leben, trotz aller Turbulenzen in Beruf und Familie, ist mit über 50 Jahren ‚stagniert’. Da gibt es kaum noch Entwicklungsmöglichkeiten. Und selbst das, was noch geschieht, geschieht so, als wäre es ein Abschiednehmen.

Sicherlich ist das nicht Walsers bester Roman. Es ist eher wie ein Baustein, ein Teil eines Mosaiks, das aber für das Gesamtbild unerlässlich ist. Hier ist es vor allem die erotische Suche, die ‚Jagd’, der sich selbst der gesetzte Mann immer noch nicht verschließen kann.

„Die Suche nach erotischem Leben ist bei Walser eine erotische Suche nach Leben. Eros, Ehe und Erlebnishunger sind die äußeren Markierungspunkte dieses Romans, das Verhältnis von Leben, Literatur und Todeslust sein geheimes Motiv. Kaum einer vermag die Verwerfungen und Abgründe in den menschlichen Verhältnissen besser auszuloten als Walser.“
Volker Hage, Die Zeit

Kafka – der Film

Der Film Kafka ist ein Thriller im Stil des expressionistischen Kinos, der 1991 unter der Regie von Steven Soderbergh produziert wurde. Die düstere, spannungsgeladene Rahmenhandlung, eine Verfolgungs- und Verschwörungsgeschichte in Prag um 1920, ist durchgehend schwarz-weiß gefilmt; farbig sind nur die Szenen in einem Schloss, das Zentrum einer dämonischen Verschwörung ist. In dem Film wirken Jeremy Irons, Theresa Russell, Joel Grey, Ian Holm, Armin Mueller-Stahl und Alec Guinness mit.

    Kafka – der Film (1991)

Kafka (Jeremy Irons) fristet im Prag des beginnenden 20. Jahrhunderts ein tristes Dasein. Der einsame Mann schuftet Tag für Tag für eine große Versicherungsgesellschaft. Des Nachts versucht er dem unerträglich, weil kargen und langweiligen Alltag zu entfliehen, indem er sich an seine Schreibmaschine setzt und dämonische Geschichten ersinnt voller seltsamer Gestalten und bizarrer Foltermaschinen. Als ein Freund und Kollege Kafkas tot aufgefunden wird, gibt sich die Polizei schnell mit einer Antwort zufrieden: Selbstmord. Kafka zweifelt daran und beginnt, eigene Nachforschungen anzustellen. Dabei stößt er auf weitere ungeklärte Todesfälle und gerät mitten in die Umtriebe einer politischen Widerstandsbewegung, der auch Kafkas Kollegin Gabriela (Theresa Russel) angehört. Sie berichtet ihm von einer großangelegten Verschwörung, in die auch Polizei und Behörden verwickelt sein sollen. Auf der Suche nach Beweisen bekommt Kafka eine Akte in die Hände, in der von gehäuften Todesfällen in einer Fabrik die Rede ist. Auch der dubiose Dr. Murnau soll dabei gestorben sein. Die Spuren führen Kafka schließlich zum Schloss des Ortes…

aus: filmstarts.de

Den Film habe ich mir vor vielen Jahren einmal aus dem Fernsehen aufgezeichnet, aber bis heute noch nicht gesehen. Da der Film in voller Länge (auch auf Deutsch, wenn auch in minderer Qualität) bei Youtube vorhanden ist, habe ich ihn mir jetzt endlich angeschaut. Die Kritiken waren sehr unterschiedlich. Dass der Film „mit Kafka etwa so viel zu tun wie [Kafkas Erzählung] ‚Die Verwandlung’ mit dem [Film] ‚American Werewolf’“, möchte ich nicht bestätigen. Soderbergh verknüpft in den Film Motive aus Kafkas Leben mit Inhalten und der Atmosphäre seiner Romane, insbesondere „Der Prozess“ und „Das Schloss“. Dabei bedient er sich stilistischer Mittel des expressionistischen Kinos wie bei Friedrich Wilhelm Murnau oder Robert Wiene. Beide werden in dem Film mit Anspielungen bedacht: der diabolische Dr. Murnau trägt des einen Namen, und das Bergbauunternehmen, in dem laut Aufzeichnungen auffallend viele Unfälle geschehen sind, heißt Orlac – nach dem Film Orlacs Hände von Robert Wiene.

Auch treten Personen auf, die Namen aus Kafkas Werken tragen, u.a. der Freund und Kollege des Film-Kafka, Eduard Raban, den wir in Hochzeitsvorbereitungen auf dem Lande finden („Als Eduard Raban, durch den Flurgang kommend, in die Öffnung des Tores trat, sah er, daß es regnete“) oder Gabriela Rossmann. Den Namen kennen wir aus dem Romanfragment „Amerika“. Dort trägt die Hauptfigur den gleichen Nachnamen („Als der sechzehnjährige Karl Roßmann, der von seinen armen Eltern nach Amerika geschickt worden war“). Im „Prozess“ heißt die Zimmervermieterin von Josef K. Frau Grubach. Im Film trägt der Polizist diesen Namen. Wer sich dann etwas weiter in Kafkas Werk auskennt, wird im Film noch viele weitere Hinweise und Anspielungen finden.

Wie an anderer Stelle (Kafka, der Prozess und das Kino) geschrieben, finde ich Kafkas Werk außerordentlich bildhaft, ja geradezu filmhaft. Kafka hatte eine Vorliebe für Kino. So bietet es sich geradezu an, Kafka zu verfilmen. Soderbergh geht dabei noch etwas weiter. Er vermischt Kafkas Werk mit dem Kino der damaligen Zeit und gebiert einen Film, der Kafka-Puristen sicherlich erschaudernd lässt, der aber vielleicht in den Augen von Kafka selbst gar nicht so schlecht weggekommen wäre.

Mir hat der Film (endlich habe ich ihn gesehen) auf jeden Fall ganz gut gefallen. Und wer keinen Action-Kracher erwartet, sondern durchaus anspruchsvolles Kino, sollte auch auf seine Kosten kommen. Und vielleicht wird sogar ein leises Interesse auch an Kafkas Werk geweckt. Ich kann sowohl das eine, als auch das andere nur wärmstens empfehlen.

Hier nun in voller Länge der Film:


Kafka – der Film (1991)