Vom Konzert der Gruppe Jethro Tull beim Lugano Estival Jazz am 09.07.2005 auf der Piazza della Riforma in der Stadtmitte von Lugano gibt es bekanntlich einen TV-Mitschnitt von rund einer Stunde und 45 Minuten. Einige der Stücke hatte ich bereits bei youtube bereitgestellt. Jetzt habe ich es geschafft, alle Lieder entsprechend zu überarbeiten, sodass jetzt das ganze Konzert im Netz zur Verfügung steht.
Hier die gesamte Setlist des Konzertes: Intro/AquaIntro/For A Thousand Mothers
Nothing Is Easy
Jack-In-The-Green
Serenade To A Cuckoo
Beggar’s Farm
Boris Dancing
Weathercock
We Five Kings
Up To Me
Bourée
Mother Goose
Empty Café
Farm On The Freeway
Hymn 43
A New Day Yesterday
Budapest
Aqualung
Locomotive Breath (mit Preisverleihung)
Protect And Survive/Cheerio
Ergänzend zu den bisher verfügbaren Videos vom Auftritt der Gruppe Jethro Tull anlässlich des 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach im International Congress Centrum zu Berlin am 16.03.1985 hier nun auch die restlichen fünf Stücke im Video: “Bach Rock”. Ian Anderson und seine Mannen hatten ein Viertel Jahr kein Konzert gegeben und sollten auch ein weiteres Jahr nach diesem Auftritt den Musikbühnen fernbleiben. Für diesen Auftritt war Ian Anderson der Einladung von Eberhard Schöner gefolgt, der sich im Laufe der Jahre besonders um die Verbindung von Klassik, Rock- und Popmusik verdient machte (und u.a. durch Filmmusikkompositionen für deutsche Fernsehserien wie „Der Alte“ und „Derrick“ bekannt wurde). Bereits 1983 waren sich beide bei der 4. Klassik-Rock-Nacht, einer Live-Eurovisions-Übertragung aus dem Zirkuszelt des Circus Atlas im München, begegnet.
Anstatt Peter Vettese, der noch bei der “Under Wraps”-Tour dabei war, spielte Eddie Jobson die Keyboards und auch die elektrisch verstärkte Geige. Neben eigenen Titel (Living in the Past, Hunting Girl und Locomotive Breath sowie Serenade to a Cuckoo) spielte man Bach’s Double Violin Concerto und David Palmers Elegy (a piece in a Bachian Style, wie es Ian Anderson nannte).
Setlist vom 16.03.1985:
Black Sunday
Hunting Girl
Elegy
Living in the Past
Serenade to a Cuckoo with Champagne
Too Old to Rock ’n‘ Roll
Wond*ring Aloud
Bourree
Bach’s Double Violin Concerto
Aqualung
Locomotive Breath/TAAB Reprise
Als ich vor vielen, vielen Jahren in einer Band die Bass-Gitarre spielte und es auch wagte, das eine oder andere Lied zu singen, gab es bei öffentlichen Auftritten immer wieder den Wunsch einzelner Damen oder Herren, ein bestimmte Lied zu spielen („Könnt‘ Ihr Angie von den Stones?“). Selten genug konnten wir die Wünsche erfüllen. Aber wenn, dann erfolgte natürlich auch die entsprechende Ansage zu diesem Lied: „Auf Wunsch eines einzelnen Herrn spielen wir nun …!“.
Umso mehr freue ich mich, nun den einsamen Wunsch eines 40-jährigen Herren aus den Staaten („Hi, Frank …“) zu erfüllen, der bei youtube vergeblich nach einem ansehnlichen Video von Jethro Tulls „Black Sunday“ fahndete (da gibt es nur ein Video mit grießigem Bild und armseligem Ton) – und das (die Wunscherfüllung) gleich in doppelter Ausführung. Zum einen gibt es einen Live-Mitschnitt von der ‚A‘-Tour 1980 (hierzu gehört ja auch das Stück) und Jahre später der Auftritt von Jethro Tull in Berlin anlässlich von Johann Sebastian Bachs 300. Geburtstag beim Bach Rock-Konzert.
Der Vollständigkeit halber hier also die beiden Videos:
Die Besetzung:
Ian Anderson (Jethro Tull – Flöte), Al Di Meola (Akustikgitarre), Chris Thompson (Manfred Mann’s Earthband – Vocals), Bill Evans (Saxophon), Leslie Mandoki (Percussion), Laszlo Bencker (Grand Piano), George Kopecsni (Akustikgitarre), Streicherquartett „Sturcz-Quartett“, Masha Curly (Tochter vom TV-Show-Moderator Frank Elstner).
Leslie Mandoki kennen die meisten wahrscheinlich aus seiner eher unrühmlichen Zeit als Sänger der Gruppe „Dschinghis Khan“. Heute arbeitet er hauptsächlich als Musikproduzent und hat sich mit dem „Soulmates“-Projekt gewissermaßen einen Jugendtraum erfüllt. „Soulmates“ wurden 2004 einem größeren Publikum als Hausband in Thomas Gottschalks ZDF-Zweiteiler „50 Jahre Rock“ bekannt.
Hier nun ein Auftritt der All-Star-Band aus dem Tränenpalast in Berlin. Nach der Einleitung drei Stücke aus Mandokis Hand (Room No. 8 – Last Day of Summer – Look up to the Sky) und Jethro Tulls „Locomotive Breath“. Am Ende noch ein Interview mit Ian Anderson u.a. zu der Frage, wie er zu dem Projekt kam.
Nun, um ehrlich zu sein: Berauschend finde ich die Stücke nicht. Auch die ‚Interpretation‘ des Tull-Titels „Locomotive Breath“ kann mich nicht überzeugen. Sicherlich ist es für einen Rockstar schmeichelhaft, einmal mit Größen anderer Bands gemeinsam aufzutreten. Aber das ist mir hier zuviel Mandoki und zuwenig von dem anderen (z.B. Jethro Tull). Unter den Tisch kehren wollte ich die Aufnahmen dann aber auch nicht. Ein Zeitdokument eben:
Die erste Plattenveröffentlichung von Jethro Tull war die Single „Sunshine Day / Aeroplane“ im Jahre 1968. Interessant daran war, dass beim UK-Release der Name der Gruppe als „Jethro Toe“ aufgeführt wurde. Bei der US-Veröffentlichung wurde der Gruppenname dann richtig mit „Jethro Tull“ angegeben. Ähnlich wie bei Fehldrucken von Briefmarken kamen einige Findige darauf, Fälschungen dieser ersten Tull-Single (mit dem „Jethro Toe“-Namenszug) auf den Markt zu bringen.
Beide Lieder sind übrigens noch einmal auf dem „20th Anniversary Box Set“ von 1988 veröffentlicht worden. Aber jetzt kommt es: Statt des Stückes „Sunshine Day“ sollte ursprünglich wohl das Lied „Blues For The 18th“ auf die A-Seite kommen. Zusammen mit „Aeroplane“ wurde das Stück am 22. Oktober 1967 in den „EMI Studios, Abbey Road“ aufgenommen. Ja, richtig, das dürften die berühmten Abbey Road Studios sein, in den auch die Beatles ihre Scheiben aufnahmen. Und: Bisher war mir die Existenz dieses Stückes nicht bekannt. Wieder einmal war es der Zufall, der mich im Internet dieses Lied finden ließ.
Nun gibt es zwar keine offizielle Veröffentlichung des Liedes „Blues For The 18th“, aber es wurde damals auf eine Emidisc-7-Zoll-Single gepresst. Und inzwischen ist es mit anderen „25 Very Rare Masters from the Sixties“ auch käuflich erhältlich.
„Blues For The 18th“ fällt in eine Zeit zwischen John Evan Band (u.a. auch als ‚John Evan Smash‘ bekannt) und den späteren Jethro Tull, als Ian Anderson und Co. öfter einmal den Gruppennamen änderten, u.a. ‚Ian Henderson’s Bag O‘ Blues‘, ‚Candy-Coloured Rain‘ (ging wohl über einen Namensvorschlag nicht hinaus), ‚Navy Blue‘ – und auch der Name ‚Jethro Tull‘ wurde bereits zeitweise benutzt. Weitere interessante Infos aus der Prä-Tull-Zeit sind bei ministry-of-information.co.uk zu finden.
Hier aber nun das für mich bisher unbekannte Lied von Jethro Tull: Blues For The 18th. Interessant ist dabei der Gesang von Ian Anderson. Außerdem dürfte hier der Meister zum ersten Mal die Flöte spielen. Die Gitarre kommt noch nicht von Mick Abrahams, sondern wird von Neil „Chick Murray“ Smith gespielt, der mit Anderson bereits mit ‚John Evan Smash‘ aufgetreten war. John Evan(s) dürfte die Orgel spielen.
zuerst einmal ein dickes Lob an Wilfried! Detailgenaue Recherche, harte Fakten (also das exakte Gegenteil von dem, was man von mir üblicherweise geliefert bekommt) und Links zu wahren Schatzkästchen – Du hast es wirklich drauf! Während ich das schreibe, läuft im Hintergrund gerade das top-gewertete Dire Straits Konzert aus Wolfgang’s Vault. Vielen Dank für die wertvollen Infos (und Danke auch für den Link zu meiner Homepage – meine Kätzchen möchte dieses Jahr einfach niemand haben, es ist wie verhext)!
Interessant auch Dein Hinweis auf den „gemeinsamen Auftritt“ von CCR und Jethro Tull 1969 im Fillmore West. Eigentlich eine seltsame Zusammenstellung für ein Abend-Programm. Die Musik der beiden Bands war (und ist) doch so unterschiedlich – da ist es kaum vorstellbar, dass es viele Rockfans gibt, denen beide Gruppen gefallen (obwohl ich hier doch einen gefunden habe, der als Top-Sound eine Mischung aus Fogerty’s „Long Road Home“ und Jethro Tull’s „Benefit“ empfiehlt – erstaunlich). Bei CCR müssten damals „I Put A Spell On You“, „Suzie Q“, „Born On The Bayou“ und „Proud Mary“ auf der Setlist gestanden haben. Ich muss zugeben, lieber Wilfried, dass ich ganz im Gegensatz zu Dir bis heute mit der Musik von Jethro Tull aus den 60ern wenig anfangen kann. Es gibt da ein paar Songs, die ich ganz gut finde, aber auch nicht gerade überragend. Von der damaligen Setlist hätte mich höchstens „Fat Man“ interessiert. Vermutlich hätte ich mir CCR mit Begeisterung angehört und wäre bei Jethro Tull gegangen (wobei CCR als Headliner bestimmt zum Schluss kamen, da hätte ich durchhalten müssen…). Und was die Begegnung der beiden Herren anbelangt – auch wenn man sich, wie Du schreibst, 4 Tage lang kaum aus dem Weg gehen kann, kann ich mir doch nicht vorstellen, dass der Kontakt zwischen Ian Anderson und John Fogerty besonders intensiv ausgefallen ist. Anderson fand Fogerty’s Musik (und ihn selbst vermutlich auch) bestimmt zu primitiv, während dem biederen Fogerty der extravagante Anderson sicher zu ausgeflippt war.
Ein kleiner Fehler ist Dir dann bei Deinen Recherchen aber doch unterlaufen. Hast Du bei dem Metallica-Video einmal die Kommentare angeschaut? Dieses Video ist ein Fake, Bilder von Metallica beim Rock am Ring wurden mit einem „Cross Eyed Mary“ Cover von Iron Maiden unterlegt. Deshalb hat das Video auch eine so schlechte Bewertung – die Metallica-Fans fanden das offensichtlich nicht besonders komisch. Übrigens: Unter den Kommentaren befindet sich auch ein bitterböser von mir (für den musst Du allerdings 18 Seiten zurückblättern, das war schon vor 5 Monaten).
Das Thema „Al Stewart“ können wir nun wohl abhaken, immerhin konnte jedem von Euch zumindest ein Song von ihm ein bißchen gefallen – da muss man schon zufrieden sein. Von den diversen „Hallelujah“-Versionen habe ich Euch mit Absicht einige „verheimlicht“ (wie Wilfried geruhte es auszudrücken). Es gibt so viele, z.B. auch noch eine von Bon Jovi, und ich wollte Euch nicht zu sehr ermüden. Die Version von John Cale fand ich vergleichsweise uninteressant – einfach durchschnittlich und ohne Höhen oder Tiefen.
Was k.d. lang betrifft, lieber Lockwood, halte ich sie anders als Du in gewisser Weise für das genaue Gegenteil von Patti Smith. Nicht nur, dass Mrs. Smith auf jeden Fall der Rockmusik zuzuordnen ist, während Mrs. lang eher in den Bereich Singer-Songwriter gehört (sie hat auch zahlreiche Lieder selbst geschrieben, wie etwa Constant Craving). Patti Smith hat zwar Gesichtszüge wie ein Mann, versucht aber trotzdem so gut es geht wie eine Frau auszusehen, indem sie lange Haare und teilweise auch Kleider trägt (hier Bilder zu ihrem Song Frederick). Offensichtlich fühlt sie sich als Frau und möchte auch eine Frau sein. Mrs. lang dagegen sieht eigentlich wie eine Frau aus, tut aber was sie nur kann um wie ein Mann zu wirken (hier die zahlreichen Gesichter der k.d. lang als Slide-Show zu ihrem Song Miss Chatelaine) – Kurzhaarschnitt, Herren-Anzug und evt. sogar noch mehr. Der Eindruck, dass ihre Stimme vor 20 Jahren (Pullin‘ Back The Reins) noch deutlich höher klang als heute (One Day I Walk – sieht der Akkordeon-Spieler nicht aus wie John O’Hara? – Das Akkordeon finde ich allerdings entnervend laut…) lässt mich vermuten, dass sie auch etwas mit Hormonen nachgeholfen haben könnte (was natürlich auch nicht ohne Auswirkungen auf die Gesichtszüge bleibt). Sie fühlt sich offensichtlich als Mann, ich glaube von der endgültigen Geschlechtsumwandlung ist sie nicht mehr weit entfernt.
Zum Abschluss des Themas k.d. lang möchte ich Euch noch 2 Videos (Teil 1 und Teil 2) aus einer australischen Fernseh-Show nicht vorenthalten, bei denen ich Tränen gelacht habe (und Mrs. lang – wie man sieht – auch). Mrs. lang hat die Eigenheit ihre Interviewer immer wieder damit zu verblüffen, dass sie Fragen einfach mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet – kurz, prägnant, unzweideutig. Offensichtlich ist sie kein Mensch vieler Worte, ihr spöder Charme ist umwerfend. Manche mögen den Ausdruck für unpassend halten, aber ich finde sie irgendwie süß!
Zum Thema Bartwuchs, lieber Lockwood, kann ich naturgemäß nur wenig beisteuern – ich hatte noch nie einen. Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass ich so ein Gestrüpp im Gesicht doch auch etwas lästig fände, da kann ich Dich gut verstehen. Bestimmt ist das aber auch Gewohnheitssache. Vielleicht könnte k.d. lang noch interessante neue Aspekte in dieses Thema einbringen, zumindest hat sie ja wohl schon Erfahrungen in der Naßrasur sammeln können…
Der Stimmverlust des Mr. Anderson scheint dagegen ein schier unerschöpfliches Thema zu sein. Die von Wilfried aufgeführten Stimmprobleme um 1971 kann ich allerdings nicht nachvollziehen oder besser gesagt nicht heraushören. Wahrscheinlich ist dafür mein Gehör nicht empfindlich genug. Unter „mickymaus-ähnlicher“ Stimme verstehe ich im Übrigen einen quäkenden, leicht nasalen Klang, dem die Tiefen fehlen und dem es deshalb an Druck und Resonanz mangelt. Ich würde jetzt auch nicht behaupten, dass mich dieser Klang beim Konzert 1978 im Madison Square Garden sehr stören würde. Von einem Rockmusiker erwarte ich keine perfekte Stimme, und Mr. Anderson habe ich auch in diesem Sinne noch nie für einen Sänger gehalten. Eher war er für mich immer ein Musiker, der halt auch singt. Mir ist dieses „Schwächeln“ seiner Stimme nur eben bei diesen Aufnahmen zum ersten Mal aufgefallen. Interessant fand ich dann aber Wilfried’s weitere Ausführungen zu diesem Thema. Auf einen Zusammenhang zwischen Stimmproblemen und Flötenspiel wäre ich nie gekommen, und auch von den diversen Stimmband-Operationen des Mr. Anderson wusste ich noch nichts. Weißt Du, wann das war? Ich denke mir nach so einer Operation kann man bestimmt monatelang überhaupt nicht singen, und er war doch eigentlich ständig auf Tournee.
Stimme hin oder her, jetzt möchte ich Euch aber doch noch ein paar Videos verlinken, bevor die auch wieder aus YouTube verschwinden (ich glaube die Hälfte aller bislang von mir verlinkten Videos wurden inzwischen aus dem Verkehr gezogen…). Vielleicht habt Ihr ja die folgenden Aufnahmen von nicht ganz so häufig gespielten Songs noch nicht entdeckt: Moths & Mouse Police Never Sleeps – 1978 und North Sea Oil & Old Ghosts – 1980 – miserable Bildqualität und alles Playback aus dem deutschen Fernsehen. Aber Mr. Anderson ist trotzdem immer eine Show. Und dann noch dieses – vom Fernsehbildschirm abgefilmt, aber was schaut man sich nicht alles an, wenn es nichts besseres gibt: Home & Orion – Stormwatch tour 1980. Vielleicht kommt ja doch einmal so etwas in besserer Bild- und T
onqualität als DVD heraus. Die Aufnahmen vom Montreux Jazz Festival 2003 reizen mich nicht besonders, auch wenn die Anderson’schen Stimmprobleme zu dieser Zeit nicht so gravierend waren. Es ist einfach nicht der Anderson, den ich sehen möchte.
Zu guter Letzt hat Wilfried dann noch sich selbst übertroffen und in einem P.S.-Nachtrag, der alles von mir bislang Dargebotene weit in den Schatten stellt, minutiös Mr. Anderson’s Rollstuhl-Karriere durchleuchtet – für jemanden, dem Anderson nach eigenen Angaben „kilometerlang aus dem Hals hängt“, wirklich eine beachtliche Leistung! Das Rollstuhl-Bild finde ich trotzdem immernoch dubios. Was tuen denn ein Arzt und eine Krankenschwester zusammen mit Anderson auf der Bühne? Haben die ihn etwa während der Vorstellung vor versammeltem Publikum behandelt? Aber lassen wir das…
Kommen wir nun zum eigentlichen Thema meines heutigen Beitrags (bis hierher war alles nur meine in knappen Worten zusammengefasste Einleitung). Wilfried hatte im Rahmen der Rollstuhl-Dokumentation unter anderem ein interessantes Interview mit Mr Anderson verlinkt. Zu einer Passage davon möchte ich dann doch ein paar Worte verlieren. Hier das Zitat:
Frage: Ich bin stets beeindruckt vom geistigen Tiefgang Deiner Aussagen. (Das muss ihm ja runtergelaufen sein wie Öl…) Ist es im Rockgeschäft eigentlich vom Vorteil, …intelligenter als andere zu sein?
Anderson: Das ist eher vom Nachteil… etwa so, als wärst Du ein Fußballspieler mit einem akademischen Grad. Es paßt irgendwie nicht dazu. Das dürfte kein Problem sein, aber es ist eins. Für mich stellt es ein Problem dar, weil… – Nicht, daß alle Musiker dumm wären…, aber die meisten von ihnen sind es schon. Wenn die Spice Girls Grips hätten, wären sie nicht die Spice Girls und wenn die Journalisten der Sun oder der News Of The World etwas Geist hätten, würden sie nicht über die Spice Girls schreiben. Und dann gäbe es keine Spice Girls! Es ist wichtig, daß es Leute gibt, deren Interessen und Empfindungen eher schlicht, unentwickelt sind, weil das die Voraussetzung für unterschiedliche Ebenen von Unterhaltung und Kunst ist. Wichtig daran ist, daß es Musik sowohl für Leute ‚ohne‘ Verstand gibt, gemacht von Leuten ohne Verstand, genauso wie Musik für Menschen mit höherem Intellekt. Und schließlich gibt es halt Musik für den Rest von uns, für Menschen mit etwas Geist, die es einfach und geradeaus mögen. Jethro Tull ist irgendwo zwischen den Extremen angesiedelt… In meiner Musik gibt es zuweilen so was wie einen intellektuellen Verlauf, aber nicht immer. Und ich möchte auch nicht, daß immer etwas davon vorhanden ist. Hin und wieder möchte ich auch Musik für Fußballspieler machen. Ich sehe schon, worauf das hinausläuft…
Mr. Anderson lässt sich hier von einer zugegebenermaßen verfänglichen Suggestiv-Frage dazu verleiten in der Euphorie über seine vermeintliche intellektuelle Überlegenheit gleich eine ganze Branche für dumm zu erklären (eigentlich gleich zwei, die Fußballspieler mit dazu). Dabei vermengt er Dinge, die nichts miteinander zu tun haben und offenbart gleich mehrere Denkfehler. Dazu kommt: Im Prinzip beantwortet er die Frage nicht – worin nun eigentlich sein Nachteil besteht geht aus seinen Worten nicht hervor. Seinen Ansatz „Für mich stellt es ein Problem dar, weil…“ führt er nicht zuende. Dann schweift er völlig ab und kommt auf die Spice Girls – warum bleibt unklar. Ich kann mir kaum vorstellen, dass er beruflich viel mit ihnen zu tun hat. Die Frage bezog sich auch „auf das Rockgeschäft“, und die Spice Girls sind wohl kaum der Rockmusik zuzuordnen. Insgesamt macht seine Antwort nicht den Eindruck, als ob er jemals über das Thema und seine gefühlten „Probleme“ nachgedacht hätte, seine Ausführungen bestehen aus einer Aneinanderreihung von Klischees. Für mich ist das alles kein Zeichen von Intelligenz. Und „Kollegen“ wie die Spice Girls öffentlich als dumm zu bezeichnen ist gelinde gesagt eine Stillosigkeit.
Aber mit seinen Denkfehlern, Klischees und Stillosigkeiten steht Mr. Anderson nicht alleine da. Auch z.B. im Laufi-Forum kann man sie zahlreich finden: Die „Intellektuellen“, die ihren Musikgeschmack für ein Zeichen von Intelligenz halten und meinen „objektiv“ beurteilen zu können, welche Musik primitiv und minderwertig ist. Wer solche Musik mag, ist in Folge dumm, hirnamputiert, ohne Verstand, geistlos, hat keinen Grips etc.. Was diesen Intelligenzlern offenbar völlig entgangen ist: Intelligenz und Geschmack haben überhaupt nichts miteinander zu tun.
Welche Art von Musik einem gefällt, ob man gerne Fußball spielt oder einen anderen Sport treibt oder unsportlich ist, ob man lieber Heinrich Böll oder Micky-Maus liest, ist eine Frage der Persönlichkeitsstruktur und steht in keiner Beziehung zur Intelligenz. Ich persönlich lese z.B. lieber Micky-Maus als Böll, und ich würde mich dagegen verwahren deshalb als zurückgeliebener Idiot eingestuft zu werden (zurückgeblieben vielleicht schon, aber ich bin kein Idiot!). Bekanntlich geben Kühe bei Musik von Mozart mehr Milch, während bei lauter Rock-Musik die Milchleistung zurückgeht. Ist das nun ein Zeichen von Intelligenz? Irgendwo habe ich gelesen, das Lieblingslied von Willy Brand wäre „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ gewesen. Wollte davon nun wirklich jemand auf seine Intelligenz schliessen?
Welchen weitverbreiteten Denkfehlern ist Mr. Anderson nun also aufgesessen?
Irrtum Nr. 1: „Wer sich für Dinge interessiert, die mich langweilen, muss dumm sein“. Für mich gibt es z.B. kaum etwas öderes als Fußball (außer vielleicht Kochrezepte, Kosmetik, Mode, Jammern, wie furchtbar alles ist – na ja, es gibt schon einige ziemlich öde Themen). Inzwischen kenne ich gleich mehrere hochintelligente und von mir sehr geschätzte Menschen, die fußballbegeistert sind. Seitdem habe ich diese These verworfen. Nur weil jemand Freude an etwas hat, das einen selbst nicht interessiert, muss er noch lange nicht dumm sein.
Irrtum Nr. 2: „Naivität, Schlichtheit, Gutgläubigkeit = Dummheit“. Das kann zwar so sein, muss es aber nicht notgedrungen. Eventuell handelt es sich nur um eine andere Gewichtung von Werten und Zielen. Besonders Menschen, bei denen die Verfolgung ihrer Eigeninteressen einen hohen Stellenwert einnimmt – und dazu würde ich Mr. Anderson zählen – neigen dazu Idealisten, die ihre Eigeninteressen für ein „höheres Ziel“ zurückstellen oder vernachlässigen, für dumm zu halten. Im Gegenzug werden Puristen oder Perfektionisten, die vor allem nach der Erreichung einer optimalen Leistung streben, Menschen mit eher kommerziellen Zielen als primitiv erachten. Das liegt aber nur daran, dass der Eine die Motive des Anderen nicht nachvollziehen kann.
Irrtum Nr. 3: „Schlechter Geschmack = Dummheit“. Das hatten wir schon. Geschmack und Intelligenz haben nichts miteinander zu tun.
Irrtum Nr. 4: „Wer sich mit Leuten abgibt, die ich für dumm halte, muss auch dumm sein“. Selbst wenn die Spice Girls dumm wären, gilt das noch lange nicht auch für alle Journalisten, die über sie schreiben. Es ist der Job eines Journalisten, über das zu schreiben, was die Leser interessiert und was sie lesen wollen. Ein Journalist, der den Geschmack seiner Leser trifft, ist ein guter Journalist (vorausgesetzt er bleibt bei der Wahrheit und hält sich auch sonst an ein paar Anstandsregeln). Unter Umständen erfordert es sogar besonders viel Intelligenz, aus einem drögen Thema oder dürftigem Material noch eine lesbare Story zu machen.
Aber was ist nun eigentlich Intelligenz? Üblicherweise versteht man darunter die Fähigkeit logisch zu denken, d.h. Zusammenhänge richtig zu erkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Dies ist die Art von Intelligenz, die man mit den allseits bekannten IQ-Tests (mehr oder minder treffsicher) messen kann. Meist schlägt sich diese Art von Intelligenz auch in entsprechenden Schulzeugnissen nieder. So kann man z.B. bei Wikipedia folgendes nachlesen: Madonna war eine sehr gute Schülerin. Bei einem Intelligenztest an der High School gehörte sie zu den besten zwei Prozent mit einem IQ von 140. Na also, Mr. Anderson, es gibt doch auch ein paar intelligente Kolleginnen, versuchen Sie’s doch mal bei Madonna!
Aber an der hat ihm ja, wie wir bereits wissen, alles mögliche andere wieder nicht gepasst. Wir erinnern uns: alte Dame – dürr – Stimmchen – junge Kerle, um von ihren Mängeln abzulenken. Zur Anschauung ein Video (Hung Up live 2005), das zeigt wie es aussieht und klingt, wenn die Hochintelligenz musiziert. Es wird dies die Art von Musik sein, für die Mr. Anderson die Bezeichnung „von Leuten ohne Verstand für Leute ohne Verstand“ kreiert hat. Im Prinzip verstehe ich durchaus, was er meint, nur dass das alles überhaupt nichts mit Intelligenz oder Verstand zu tun hat. Musik ist Ausdruck der Persönlichkeit, sie basiert auf emotionalen Bedürfnissen. Nun neigt eigentlich jeder dazu seine eigenen emotionalen Bedürfnisse für besonders hochwertig zu halten, oder anders ausgedrückt seinen eigenen Geschmack für für den einzig wahren. Auch ich bin nicht frei davon, und ich schreibe das hier nicht zuletzt um mich selbst daran zu erinnern (wenn ich es in Zukunft einmal wieder vergesse, weiß ich jetzt wenigstens, wo ich es nachlesen kann):
Geschmack mit Intelligenz zu verwechseln ist kein Zeichen von Intelligenz. Wirklich intelligente Menschen können begreifen, dass Andere eben andere Bedürfnisse und einen anderen Geschmack haben, und dass sie deswegen nicht besser oder schlechter und auch nicht dümmer oder intelligenter sein müssen, sie sind eben einfach nur anders. Und solange sie sich nicht furchtbar daneben benehmen, haben sie den gleichen Anspruch auf Respekt wie man selbst. Aber jetzt komme ich mit meiner Moralpredigt langsam vom Thema ab…
Zurück zur IQ-Test-Intelligenz – sie ist eine eher theoretische Größe. Im täglichen Leben wird man von seinen Mitmenschen vor allem danach beurteilt wie intelligent man wirkt. Und jemand mit einem selbstsicheren, gewandten Auftreten, der sich in gepflegter Sprache flüssig und präzise ausdrücken kann, wird immer intelligenter erscheinen als jemand, der unsicher und unbeholfen daherkommt, undeutlich oder mit Akzent eine breite Umgangssprache spricht und dabei stammelt, stottert oder vergeblich nach den passenden Formulierungen sucht. Dabei muss der Erste nicht unbedingt wirklich intelligenter sein als der Zweite. Nur zur Erläuterung: Der Erste ist eher Mr. Anderson, der Zweite bin eher ich (ein bißchen übertrieben vielleicht…). Diese Kommunikationsfähigkeit ist eine „Schlüsselkompetenz“, die nicht nur darüber entscheidet wie intelligent man wirkt, sondern auch darüber in wieweit es einem gelingt seine Intelligenz und seine sonstigen Fähigkeiten umzusetzen und nutzbringend anzuwenden.
Aber das ist immer noch nicht alles, da sind noch die Unwegsamkeiten der Gefühlswelt. Was nützt einem die schönste Intelligenz, wenn letztendlich Wut, Trotz, Stolz, Eitelkeit oder sonstige irrationale Emotionen ausschlaggebend für die eigenen Entscheidungen und Handlungen sind. Hass oder Liebe, Sympathie oder Antipathie, Faulheit und Bequemlichkeit, Euphorie oder einfach „null Bock“ – die Zahl der Einflussfaktoren, die einen dazu bringen können etwas anderes zu tun als der Verstand einem sagt, sind nahezu unerschöpflich. Und ihr Einfluss lässt sich in keinem Intelligenztest messen. IQ-Tests sind emotionsfrei. Im „wahren Leben“ kommt aber nur die Intelligenz zum Tragen, die sich im Dickicht der Emotionen behaupten kann. Damit sind klar Menschen im Vorteil, die ihre Emotionen kontrollieren und Selbstdisziplin üben können.
Vereinfachend könnte man ganz grob folgende Formel aufstellen: Im Test messbare „Rohintelligenz“ minus Verluste durch Kommunikation minus Verluste durch Emotionen = real nutzbare Intelligenz. Bei Mr. Anderson würde ich diese Verluste für gering halten. In der Kommunikation treten bei ihm überhaupt keine auf – ganz im Gegenteil. Er beherrscht die Selbstdarstellung und das Jonglieren mit Worten so brillant, dass er dadurch eher nach mehr erscheint, als er ist. Und den Eindruck, dass er sich in seinen Entscheidungen stark von Gefühlen leiten lässt, hatte ich bislang auch noch nicht. In seinen diversen Unternehmungen – ob nun Jethro Tull oder Lachsfarm – scheint er eher reichlich unsentimental nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu planen und zu agieren.
Bei obigem Interview wurde er aber einmal wieder an seinem wunden Punkt erwischt – seiner Anerkennungssucht und seiner Manie sich ständig mit Anderen zu seinem eigenen Vorteil vergleichen zu müssen. Als Folge einer Frage nach dem Motto „Ach, Mr. Anderson, Sie sind ja so intelligent, wie halten Sie es nur mit Ihren minderbemittelten Kollegen aus?“ hat er abgehoben und eine Menge unintelligentes Zeug gebrabbelt. Nach meiner Meinung hätte die „richtige“ Antwort auf die gestellte Frage etwa wie folgt lauten können: „Ob ich wirklich intelligenter bin als die Anderen weiß ich nicht, das kann man schwer messen, und darum geht es eigentlich auch garnicht. Es ist immer von Nachteil in einer Gruppe anders zu sein als die Mehrheit, z.B. weil man andere Interessen, andere Wertvorstellungen, andere Ziele oder einfach einen anderen Geschmack hat. Man wird dann leicht zum Außenseiter.“ Etwas in dieser Art hat Mr. Anderson vermutlich auch gemeint, mit dem kleinen Unterschied, dass er sich nicht einfach für einen Außenseiter sondern vielmehr für „etwas Besseres“ hält. Das tun andere, „echte“ Intellektuelle in der Musikbranche (und dazu würde ich z.B. Mark Knopfler zählen, aber auch David Palmer und sicher auch Brian May) vielleicht auch, aber wer ein bißchen Niveau hat, zeigt das nicht so deutlich. Und dass er ein bißchen Niveau hat, gehört für mich zu einem Intellektuellen dazu. Und so hat es Mr. Anderson inzwischen durch seine zahlreichen Denkfehler und Stillosigkeiten geschafft, dass seine intellektuelle Fassade vor meinen Augen weitgehend abgebröckelt ist.
So, jetzt habe ich einmal mehr unseren guten Mr. Anderson in Grund und Boden gestampft und bin dabei – wie Wilfried es neulich so treffend ausgedrückt hat – in Romanhafte abgeschweift. Eigentlich würde ich ja viel lieber einmal etwas Positives über ihn schreiben…
Seid gegrüßt, ihr Beiden
Kretakatze
PS.: Hier noch ein kleiner Nachtrag passend zum Thema „Musik und Intelligenz“: Kurz vor Wilfrieds Hinweis auf Mr. Anderson’s denkwürdiges Interview bin ich bei YouTube auf das nachfolgende Video gestoßen.Ich gehöre eigentlich nicht zu denen, die zu jedem Video ihren Senf abgeben müssen – die bislang von mir verfassten Kommentare kann man noch an den Fingern einer Hand abzählen. Bei Sugar Sugar konnte ich mich dann aber doch nicht davon zurückhalten eine Kostprobe meines feinsinnigen Humors zu hinterlassen. Mr. Fogerty schafft es irgendwie immer wieder Songs zu schreiben, bei deren erstem Hören ich spontan denke „Mein Gott, ist das primitiv!“. Eine halbe Stunde später stelle ich dann fest, dass ich ständig dieses Lied vor mich hin summe. Es sind Melodien, die ungebremst durch sämtliche Schichten der Großhirnrinde hindurch sofort zu den Basiszellen des Stammhirns vordringen, um sich dort – dem Zugriff des freien Willens entzogen – für immer festzusetzen. Das ging mir schon mit Green River so, wobei bei Green River zumindest der Text nicht primitiv ist. Das kann man von Sugar Sugar nicht behaupten. Es ist wirklich schon fast peinlich… Aber wie wir gerade gelernt haben: Intelligenz und Geschmack haben ja nichts miteinander zu tun.
PPS.: Für Diejenigen, die es interessiert: Mark Knopfler kommt im April und Mai 2008 nach Deutschland, der Kartenvorverkauf hat am 12.10.2007 begonnen!
etwas erstaunt bin ich schon, wenn Kretakatze schreibt, dass es bei der Unterschiedlichkeit der Musik von CCR und Jethro Tull nur wenige Fans gibt, die an beiden Gruppen Gefallen finden (der, den Du da gefunden hast, sticht ja noch dadurch hervor, dass er wohl Kraftwerk mag, wirklich eine außergewöhnliche Mischung). Ich kenne wenigstens noch einen Fan (oder habe ich da etwas falsch verstanden?): Dich, Kretakatze!
Ja, beim Metallica-Video habe ich wirklich geschlafen. Aber die Kommentare haben mich wahrscheinlich nicht interessiert oder in meiner Euphorie, dass Metallica einen Tull-Titel spielt, habe ich gar nicht darauf geachtet. Dabei ist mir „Cross Eyed Mary“ in der Version von Iron Maiden durchaus bekannt. Vor schon vielen Jahren bin ich im Internet (wo sonst) darauf gestoßen, habe es mir sogar mit anderen Cover-Versionen damals als Audio-CD gebrannt. Auf der anderen Seite wirkt das Video aber auch täuschend echt – z.B. mit den Hintergrundgeräuschen des Publikums. Wem kann man da heute noch trauen …
Deinen Kommentar zu dem Video habe ich gelesen. Damit andere nicht suchen müssen, hier der Wortlaut:
Hey globetrottertroll, couldn’t you make another video of that kind with Metallica covering Tull’s „We used to know“? They did that anyway, just that they called it „Nothing else matters“. Everyone with half an ear can hear that it’s the same tune, they stole the song from Tull – maybe as a revenge? I wonder why Ian Anderson didn’t sue them, maybe they are secretly paying royalties?
Ich staune immer mehr über Dich, Kretakatze. Das sind ja schwerste Vorwürfe gegen Metallica. Da haben die einen Riesenhit mit „Nothing Else Matters“ und dabei soll das nichts anderes sein als ein Plagiat?! Nun, ich habe nicht nur ein halbes, sondern zwei Ohren und habe auch bisschen weitergeforscht, wie es meiner Natur entspricht. Beide Stücke sind in e-moll. Der Tull-Titel ist im ¾-Takt, der von Metallica im 6/8-Takt notiert (was einem ¾-Takt gleichkommt). Aber bei aller Liebe und allen Ähnlichkeiten: Ein Plagiat im engerem Sinne würde ich das nicht nennen, dafür sind beide Stücke doch zu verschieden.
Es gibt da übrigens einen weiteren Vorwurf des Plagiats, ebenfalls im Zusammenhang mit “We Used to Know” und auch ein Lied betreffend, dass sogar in ‚meinen’ Top 100 der besten Gitarrensolos der Rockmusik zu finden ist: Eagles – Hotel California (immerhin auf Platz 8!). Okay, in den Anmerkungen zum youtube-Video steht etwas von ‚sehr ähnlich’ (und Absicht wird auch nicht unterstellt). Und ähnlich bzw. sehr ähnlich sind manche Lieder. Aber hier stimmt schon der Takt nicht: Der Eagle-Titel ist eindeutig im 4/4-Takt:
The Eagles was the support band of Jethro Tull when they played „We used to Know“ (1970). In 1976 the Eagles composed Hotel California. Intentional or not, the vocal melody and the harmony is very similar.
The origin of „Hotel california“: We used to know
Ich habe vor vielen Jahren einmal mit einem Kollegen zusammengearbeitet, der ein wirklicher Kenner der klassischen Musik war. Er behauptete, dass „Yesterday“ von den Beatles auch nichts anderes als ein Plagiat wäre. Der wirkliche Komponist soll wohl Felix Mendelssohn Bartholdy sein, wenn ich mich recht erinnere. Auch Herrn Anderson selbst hätte man jahrelang des Plagiats beschuldigen können, steht bei Bourree auf früheren Scheiben immer der Name Ian Anderson allein; erst sehr spät finden wir neben seinem Namen auch den von J.S. Bach. Aber da habe ich noch ein weiteres Beispiel: „By kind permission of“, das Klaviersolo von John Evan (meist mit „With you there to help me“ gespielt so wie bei dieser Live-Aufnahme im altehrwürdigen Beatclub). Mit wessen freundlicher Genehmigung spielt er denn da wohl. Ich bin kein großer Klassikkenner, aber angeblich soll das Rachmaninov sein, dessen Prélude in Cis-moll opus 32 oder so. Und dank youtube, was finde ich da, genau Rachmaninov, wenn es auch Opus 3 Nr. 2 ist. Evan hat eindeutig bei Rachmaninov geklaut (da kommt mir Marilyn Monroe in den Sinn und der Film „Das verflixte 7. Jahr“, kennt Ihr den Film? „Rachhhhmaninovvvvv’ haucht da die Monroe schwülstig-frivol im drückend-heißen New York, während der Nachbar in die Tasten haut).
Themenwechsel: Beim Bartwuchs kann ich natürlich mitreden. Nun in jungen Jahren hatte ich eine ziemlich lange Matte auf dem Kopf, vielleicht nicht ganz so lang wie in den 70-er Jahren der Herr Anderson. Die Haare wurden dann kürzer und dafür sprossen die Haare unmittelbar im Gesicht. Und so laufe ich seit nunmehr 30 Jahren herum. Man gewöhnt sich daran. Ob nun länger oder manchmal auch ziemlich kurz gehalten – mir ist es gleich. Wenn das Gestrüpp zu dicht wird und ich wie Aqualung (also wie ein Penner) aussehe, dann stutze ich ihn zwangsläufig. Um den Menschen in meinem Umfeld nicht zu sehr befremdlich zu sein.
Aber komme ich zum eigentlichen Anliegen Deiner letzten Mail, Kretakatze: Herr Anderson und die Themen Intelligenz, Geschmack und Persönlichkeit. Was soll und kann ich dazu schreiben? Du hast in vielem Recht. Und doch müsste ich Dir eigentlich bei manchem widersprechen. Lass ich Ian Anderson erst einmal links liegen und erzähle etwas aus meinem Leben. Auf der Arbeit sind wir eine kleine Gruppe, Abteilung kann man das nicht nennen, so nennt es sich Stabsstelle. Und auch die braucht eine Leitung. Als nun vor 7 Jahren unser Leiter in Rente ging, gab es ein Hauen und Stechen um diese Stelle. Und Siegerin wurde eine Frau, die es im Vorfeld verstanden hatte, an den richtigen Türen zu kratzen. Besondere Fähigkeiten: Sie kann alles (und nichts) in feine Worte kleiden. Der im Fachlichen eigentlich Kompetente guckte in die Röhre (ich spreche nicht von mir). Schlage ich den Bogen zu Herrn Anderson: Wie er so versteht es die gute Frau, sich in wohlfeilen Worten auszudrücken. Im Gegensatz zu Herrn Anderson hat sie aber nichts wirklich Konkretes vorzuweisen, kein künstlerisches Werk oder dergleichen, das ihre Stellung rechtfertigen würde. Das bisschen Intelligenz, die sie aufzuweisen hat, wird (nach Deiner Rechnung) nicht durch Verluste in der Kommunikation gemindert. Der eigentlich kompetente Anwärter auf die damals frei werdende Stelle hatte diese Verluste.
In dem, was Du schreibst, liebe Kretakatze, zeigst Du, so denke ich, viel von Dir und gibst einiges von Dir preis. Auch mich entsetzt es, wenn Hohlköpfe es schaffen, durch Schein zu wirken. Nicht jede Führungspersönlichkeit ist wirklich eine Persönlichkeit. Und intelligent wahrscheinlich auch nicht allzu sehr. Der Schein trügt bekanntlich, aber die Menschen wollen betrogen sein.
Was Herr Anderson da alles sagt, würde ich nicht auf die Goldwaage legen. Es ist viel Bla-Bla und vieles ist auch gedankenlos geäußert. Was man halt so in einem Interview von sich gibt. Dass er auf die armen Spice Girls einschlägt, dass an anderer Stelle Madonna ihr Fett abbekommt, ich finde das eher lustig (und entlarvend).
Ich will und kann nicht auf alles eingeben, was Du schreibst. Vielleicht etwas zu den Journalisten der Regenbogenpresse: Es geht hierbei nicht um Intelligenz. Sicherlich gehört einiges dazu, ein Massenpublikum zu unterhalten. Bei aller Intelligenz sind diese Menschen (die ihr Geld mit der Unterhaltung eines breiten Publikums verdienen) menschlich dumm. Und ausbeuterisch. Sie beuten die Dummheit anderer aus.
Und Madonna: Ob sie nun intelligent ist oder nicht. Ich kann und werde mich nie für sie begeistern können. Intelligent ist sie ohne Frage, denn auf der Suche nach neuen Einnahmequellen ist sie fündig geworden. Da steht sie Herrn Anderson in nichts nach.
Ich stimme Dir zu, wenn es um den Respekt vor anders Denkenden, anders Fühlenden bzw. geschmacklich anders Ausgerichteten geht. Was ich mag, werden andere nicht unbedingt auch mögen. Ist auch okay so. Wenn Herrn Anderson im weitesten Sinne von Dummheit spricht (keinen Grips haben, schlicht, unentwickelt sein usw.), dann meint er da bestimmt auch etwas anderes. Es gibt nun einmal die Unterhaltung ‚fürs gemeine Volk’. Rockmusik gehört sicherlich auch dazu, aber eben nicht alle Rockmusik. Es gibt die Rockmusik für anspruchsvollere Geister und den Hau-Ruck-Rock für einfachere. Das heißt aber nicht unbedingt, dass Hau-Ruck-Musiker dumm sein müssen. Und sicherlich gibt es auch Intellektuelle, die ganz gern einmal Hau-Ruck-Rock hören. Warum nicht? Da ist Andersons Aussage sicherlich viel zu pauschal.
Aber vor allem eines: Ian Anderson sieht sich und Jethro Tull ‚irgendwo zwischen den Extremen angesiedelt’, wie er sagt. So hohe Ansprüche stellt er also gar nicht. Aber genug. Irgendwie drehe ich mich im Kreise. Was Du, Kretakatze geschrieben hast, hat nicht nur etwas mit Herrn Anderson zu tun. Es ist eine grundsätzliche Beurteilung und als solches völlig in Ordnung. Lassen ich es für heute dabei bewenden.
Eigentlich habe ich noch etwas auf dem Zettel. Aber für heute muss es genügend (und später mehr).
Ich hoffe, der gute Lockwood geht uns nicht ganz verloren. Ich verliere mich auf jeden Fall für die nächsten zwei Wochen. Bei uns sind Ferien und ich habe ebenfalls frei. Da möchte ich schon einmal andere Dinge aufarbeiten (als das Gequassele eines Herrn Anderson).
da bin ich wieder. Mailprobleme habe ich nach wie vor, aber es wird schon gehen.
Es würde mich freuen, wenn ich einen Musiker entdecken würde, dem ich soviel Begeisterung entgegenbringen kann wie Mr. Anderson. Ich suche zwar nicht gezielt danach, aber wenn ich einem solchen Musiker begegnen würde, würde ich ihn erkennen. Al Stewart ist es leider nicht. Seine Melodien sprechen mich nicht an und seiner Stimme kann ich nichts abgewinnen. Zu seiner Stimme sind Begriffe gefallen wie schmalzig oder knabenhaft. Das ist aus meiner Sicht zutreffend. Hinzu kommt, dass sie in meinen Ohren irgendwie steril klingt. Mr. Stewart hört sich an wie ein Nachrichtensprecher im Praktikum.
Zu Hallelujah: Alle von Kretakatze gelinkten Versionen dieses Songs klingen besser als die von Mr. Cohen. Zu einigen Liedern klingt sein sonorer Sprechgesang sehr passend, aber ich habe das sehr schnell über. Ein ganzes Album könnte ich mir von ihm nicht anhören.
Die beste Interpretation aus der Linkauswahl kommt unbestritten von k.d. Lang. Ich kannte die Dame bis heute nicht. Sie wirkt in der Tat ein wenig herb, fast wie eine Schwester von Patti Smith.
Aber egal, für einen Shane McGowan – Fan sind Äußerlichkeiten bestenfalls sekundär.
Zwar sehe ich gerne gut aussehende Sängerinnen wie Kate Bush, Stevie Nicks oder Alice, aber gutes Aussehen allein reicht nicht aus. Das mögen Jennifer Lopez – Fans anders sehen, aber bei mir ist das nun mal so. Auf mich üben weniger blendend aussehende Musiker einen ganz eigenen Reiz aus. Jedenfalls ist die Stimme von Mrs. Lang über jede Kritik erhaben.
Zu Mr. Anderson: Der von Euch diskutierte Beginn seiner Stimmprobleme überrascht mich. Ich siedle den Anfang seiner Probleme in den 80er Jahren an. Vorher, auch 1978 im Madison Square Garden, klang er so, wie ich ihn hören wollte und will.
Auch ich habe die letzten Wochen nicht ganz Anderson-frei verbracht. Ich habe sogar in eine CD investiert. Allerdings in ein Album aus der guten alten Zeit. „Minstrel in the Gallery“ hatte ich bereits auf Vinyl, aber da der Plattenspieler nicht immer einsatzbereit ist… Ich denke, wir alle kennen das Problem.
Inspiriert durch die Barttracht des Meisters in den 70er Jahren habe ich versucht, meine Gesichtsbehaarung auch auf diese Länge wachsen zu lassen. Das ging gründlich schief: Sobald die Haare eine gewisse Länge erreichen, habe ich das Gefühl, in einer Hecke zu stehen. Bevor mich dieses Gefühl in den Wahnsinn treiben konnte, habe ich die Pracht auf gewohnte Länge gestutzt. Es will mir einfach nicht gelingen, mich dem Meister äußerlich anzugleichen; das Barett steht mir nicht so gut wie ihm und mit dem Bart war auch nichts. Glücklicherweise ist meine Persönlichkeit so weit gereift, dass mir das nichts ausmacht.
Lieber Wilfried, erlaube mir einen Gedanken zu Deinem Blog-Beitrag über das letzte Werk von John Irving. Skurrile Charaktere und sexuell sehr aktive Menschen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine Romane. Das ist eine seiner Konstanten, da gibt es keine Überraschungen. Was mich hingegen geradezu erschüttert hat war das Lügengespinst, auf dem die Mutter des Protagonisten ihr und sein Leben aufgebaut hat. Eine so plötzliche Wendung habe ich bisher in keinem Irvingroman feststellen können. Wie dem auch sei: Wieder einmal ein toller Roman !
Nach dem heißen Sommer freue ich mich auf einen erfrischenden Herbst. Ich weiß nicht, woran es liegt, aber immer, wenn mich die Herbstwinde umwehen, denke ich an die frühen Werke von Jethro Tull. Der Herbst ist für mich die schönste Jahreszeit.
gleich zu Lockwoods letztem Schreiben und da zu den Stimmproblemen von Ian Anderson. Ich denke schon, dass Anderson weit vor 1980 erste Probleme mit dem Gesang bekam. Vielleicht war das leicht Heisere in seiner Stimme auf „Aqualung“ wirklich nur eine Erkältung (also z.B. auf Cross Eyed Mary klingt er verschnupft). Nur muss man mit einem Schnupfen unbedingt eine Scheibe aufnehmen? Wenn es die Studiobosse aus Zeitgründen so wollen, sicherlich … Ich gebe Dir, Lockwood, aber Recht: 1978 im Madison Square Garden, mag Andersons Stimme nach Kretakatzes Meinung auch leicht mickymaus-ähnlich klingen, so gefällt sie mir wie Dir. Von Sängern in der Rockmusikszene erwarten wir eben nicht, dass sie wie irgendwelche Sängerknaben klingen. Auf der anderen Seite stimme ich Kretakatze zu: So ein Stimmproblem kommt nicht von heute auf morgen. Aber lassen wir das.
Apropos Madison Square Garden: Ian Anderson beginnt das Konzert (Thick as a Brick) gewissermaßen mit einem Ratespiel: Spot the Tune! (Ist aus Zeitgründen nicht auf dem youtube-Video mit drauf). Und so frage ich auch Euch: Spot the tune! Errate die Melodie?
Es ist ein Stück von Jethro Tull, aber ohne den Meister (eigentlich sogar solo von ???) und von einem Album, das wir alle drei nicht sonderlich mögen. So schlecht hört es sich in dieser Interpretation nach meiner Meinung nicht an (da ich akustische Gitarren mag, klingt es für mich sogar ausgesprochen gut). Nun wie heißt das Stück? Ich will nicht, dass Ihr Euch blamiert (ich hätte mich mit Sicherheit auch blamiert), deshalb unten am Schluss die Auflösung. Übrigens ist das Stück auf dem schon erwähnten „25th Anniversary Box Set“ auf CD3 mit unveröffentlichten Aufnahmen (The Beacons Bottoms Tapes aus dem Jahre 1992) zu finden:
Wie heißt das Stück: Spot the Tune!
Zum Thema Plattenspieler: Als feststand, dass die alten Vinyl-Scheiben keine Zukunft mehr haben werden (ist nicht ganz richtig, denn es gibt immer noch die guten alten LPs im Angebot – gewissermaßen für solche, die ich, wenn auch politisch nicht ganz korrekt, Puristen nenne), da habe ich mir noch einmal einen ordentlichen Plattenspieler gekauft. Der steht zz. ganz in der Nähe meines Rechners, weil ich ja immer noch dabei bin, meine alten LPs (soweit ich diese nicht als CDs oder in anderer digitaler Form habe) auf dem PC zu speichern. Bei einigen Scheiben habe ich das ja bereits geschafft, aber in den letzten Wochen staubt der Plattenspieler nur noch ein, weil ich keine Zeit zum weiteren Digitalisieren finde.
Hier etwas für Kretakatze:
Es ist ein Plakat vom Fillmore West in San Francisco mit Konzertankündigungen für die Tage vom 13. bis 16.03.1969. An allen vier Tagen sind neben Jethro Tull auch Creedence Clearwater Revival im Fillmore West aufgetreten. So müssten sich Ian Anderson und John Fogerty doch eigentlich kennen (vier Tage lang kann man sich nicht aus dem Weg gehen).
Hierzu noch die Setlist lt. ministry-of-information.co.uk (am 17.03. wurde dann in L.A. noch schnell ein Stück aufgenommen):
13/3/69
Fillmore West
San Francisco, Ca. USA
A New Day Yesterday, To Be Sad Is A Mad Way To Be, Blues Jam, Fat Man, Dharma For OneAlso appearing, for all these Fillmore West shows: Creedence Clearwater Revival, Sanpaku.’Blues Jam‘ (not a jam) was introduced as ‚Martin’s Tune Again‘, to differentiate it from the „terrible“ ‚Martin’s Tune‘.
14/3/69
Fillmore West
San Francisco, Ca. USA
15/3/69
Fillmore West
San Francisco, Ca. USA
16/3/69
Fillmore West
San Francisco, Ca. USA
18/3/69
Western Recording Studio
LA, Ca. USA
Recording ‚Driving Song‘
Auch ich habe mir dieser Tage etwas von Tull gegönnt – die DVD von dem Konzert in Montreux 2003 (die Doppel-CD habe ich mir aber erspart). Die Qualität von Bild und Ton ist wirklich bestens (Ton sogar 5.1 – werde mir beizeiten die Scheibe über Beamer in unserem Keller anschauen). Die Stimmprobleme von Herrn Anderson sind natürlich nicht zu leugnen, halten sich aber in Grenzen (bei einigen Stücken mit weniger hoher Stimmlage würde man sie sogar kaum bemerken). Ich will Euch die DVD nicht unbedingt aufschwatzen. Aber ich als alter Tull-Fan kam nicht umhin, sie mir zu kaufen (zumal ich die Aufnahmen in bescheidener Qualität bereits kannte). Ich bin auf jeden Fall gespannt, was uns videomäßig zum 40. Tagestag von Jethro Tull erwartet. Alte Aufnahmen (besonders in Archiven deutscher TV-Sender, aber auch Wolfgang’s Schatzkammer müsste z.B. aus dem Fillmore West &/oder East neben Ton- auch über Filmmaterial – siehe unten – verfügen) gibt es reichlich, wie ich auch jetzt wieder bei youtube sehen konnte. Hier nur wenige Beispiele:
Jethro Tull Nothing is Easy 1970 (Anderson und Jungs beim Proben)
Jethro Tull – For A Thousand Mothers – Fillmore East 1969
Jethro Tull – A New Day Yesterday – Fillmore East 1969
Sehr interessant ist auch das Video zur Grammy-Verleihung 1988. Die Kommentare dazu sind auch ganz witzig (von: Wer ist Jethro Tull? über Gut, Jethro Tull sind ja gute Musiker, aber … bis zu Habt Respekt vor Jethro Tull …). Nur noch einmal zur Erinnerung: Gewissermaßen zum 25. Jahrestag des Aqualung-Albums 2006 spielte ja Metallica Jethro Tulls „Cross Eyed Mary“ beim Rock am Ring.
Wenn ich abends von der Arbeit mit der Bahn nach Hause fahre, habe ich meinen MP3-Player dabei, um mich bei guter Musik zu entspannen (morgens mache ich meist noch ein kleines Nickerchen, weil ich schon früh unterwegs bin; da mag ich mich nicht schon mit Musik berieseln lassen). Neben dem angesprochenen „25th Anniversary Box Set“ habe ich mir in den letzten Tagen u.a. das alte „Stand Up“-Album angehört. Das war die erste Scheibe, die ich mir in meiner Jugend gekauft hatte. Und ich weiß nun auch ganz sicher, weshalb es die erste Platte war, die ich mir angeschafft habe: Die Musik entspricht ganz dem, was ich mag. Natürlich spielen Anderson und Co. auch heute immer noch Stücke von dieser Scheibe („A New Day Yesterday“ oder „Nothing is Easy“). Abgesehen von den Anderson’schen Stimmproblemen gefallen wir die heutigen Interpretationen aber nicht wirklich. Es ist mir dabei zu viel Gedudele, es sind zu viele Schnörkel, die Anderson auf seiner Flöte zaubert. Vielleicht bin ich (selbst auch) zu sehr Purist. Aber mir gefallen die eher schnörkellosen (na ja, so schnörkellos sind sie auch wieder nicht …) Stücke alter Tage um einiges besser, auch wenn sie technisch (aufnahme- und spieltechnisch) nicht so ausgereift waren. Und das ist auch das, was mir an den heutigen Konzerten nicht allzu sehr gefällt. Nichts gegen Improvisation. Aber zuviel des Guten ist für mich nicht mehr gut. Der Meister muss eben zeigen, was er drauf hat (und will damit auch von seinen Stimmproblemen ablenken).
Den Herbst halte ich auch für eine sehr schöne Jahreszeit. Allerdings sind die letzten tage eher bescheiden (im Aachener Raum soll es ja auch wie aus Kübeln geschüttet haben. Wir hatten gestern fast den ganzen Tag Regen). Hoffen wir auf „goldenen“ Oktober. Ende Oktober habe ich (während der Herbstferien) noch zwei Wochen Urlaub. Da wäre etwas Sonnenschein schon nicht schlecht.
Soviel für heute. Man liest sich weiterhin. Bis dahin Wilfried
Spot the Tune: Das Stück heißt „Protect and Survive“ und ist vom Album „A“ (wie Anderson) aus dem Jahre 1980 – als alles begann, den Berg hinunterzugehen. Natürlich spielt Martin Lancelot Barre – solo. Aufgenommen wurde das Stück in seinem ureigenen Studio Presshouse Studio im Dezember 1992.
Wie bereits angekündigt, werde ich mich nach und nach den Gitarrenheroen der Rockmusik zuwenden, und zwar meinen Helden, also denen, die mir gefallen. Nach den 100 größten Gitarrensolos der Rockmusik, die dem Votum der Leser des Guitar World Magazine entsprachen, also hier der erste der Gitarristen, die ich ganz persönlich für die größten halte. Es soll keine Top Ten werden, eine ‚Reihenfolge‘ ist mir nicht wichtig, dafür ist jeder der genannten Musiker für sich ein Meister seines Faches. Vielleicht werden es am Ende auch mehr als 10 Gitarristen sein, die mir zusagen. Ich werde sehen. Fange ich als alter Fan der Gruppe Jethro Tull mit dessen Gitarristen, Martin ‚Lancelot‘ Barre an. Gegründet wurde Jethro Tull u.a. von Ian Anderson, der auch heute noch der Kopf der Band ist, und Mick Abrahams. Schon bald gab es Differenzen zwischen beiden – musikalischer Art. Abrahams gründete daraufhin die Gruppe Blodwyn Pig,
1969 kam so Martin Barre als Nachfolger von Mick Abrahams zu Jethro Tull und ist bis zum heutigen Tag Mitglied der Band. Sein Gitarrenspiel prägte neben dem Gesang und der Flöte von Ian Anderson den Stil von Jethro Tull. So finden wir sein Gitarrensolo in dem Stück „Aqualung“ auch bei den 100 größten Gitarrensolos der Rockmusik.
Ich habe in den letzten Tagen etwas in meiner Plattensammlung gestöbert und bin dabei auf ein Stück gestoßen, das auf dem 1993 erschienenen „25th Anniversary Box Set“ (3. CD: The Beacons Bottoms Tapes – aufgenommen Ende 1992) von Jethro Tull zu finden ist: The Whistler. Es ist ein Instrumentaltitel (natürlich mit Gitarrensolo), das Martin Barre zusammen mit den weiteren Tull-Mitgliedern Dave Pegg (Bass), Doane Perry (Drums) & Andy Giddings (Keyboards) aufgenommen hat – also ohne Ian Anderson, und es ist eine von Martin Barre geprägte Version.
Meine Antwort auf Eure letzten mails habe ich bewusst bis heute zurückgehalten, um etwas Aktuelles zum Thema intellektueller Musiker berichten zu können: Seit gestern ist Jet-Gitarrist Brian May Doktor der Astrophysik. Zwar hätte Dr. May bei der Wahl seiner Garderobe etwas mehr Sorgfalt walten lassen können, aber ich freue mich trotzdem für den Langen !
heute fange ich gleich einmal mit jeder Menge Musik an, die man ja vielleicht auch im Hintergrund hören kann, während man liest (oder sonst etwas tut). Es ist mir doch noch gelungen im Internet ein paar der besserern Titel von Al Stewart zu finden – ohne Video. Aber wie Ihr Euch ja schon selbst überzeugen konntet, ist Mr. Stewart nicht so photogen und dekorativ, dass man ihn zu seiner Musik unbedingt auch noch sehen muss. Unter Umständen könnte sich sein Anblick auf den Hörgenuss sogar eher störend auswirken. Daher hier jetzt die völlig bildlosen Links zu Merlin’s Time und One Stage Before (zu denen ich ja schon einmal die Texte verlinkt hatte, was ich mir aber keinesfalls nochmals erlauben würde) sowie If It Doesn’t Come Naturally, Leave It und The Dark And The Rolling Sea. Abgesehen von „Merlin’s Time“, das rein akustisch ist, enthalten die anderen Titel alle Gitarrensolos, die so klingen wie Gitarrensolos meiner Meinung nach klingen sollten.
Übrigens bin ich dieser Tage zu dem Schluss gekommen, dass sich Mr. Stewart’s Stimme nachteilig auf seine Karriere ausgewirkt haben könnte. Sie klingt einfach immer gleich sanft, weich und ruhig, ganz gleich was er singt, und nicht zu jedem Song passt das. Erstmals ist es mir neulich aufgefallen, als ich nach längerer Zeit einmal wieder den Titel „Constantinople“ (den ich leider nirgendwo im Net finden konnte) gehört habe – das geht so richtig rockig los, und man denkt jetzt geht die Post ab, und wenn er dann zu singen beginnt erscheint es wie ein Stilbruch. Immerhin geht es in dem Lied darum, dass die Türken Europa überfallen, das sollte schon ein bißchen verzweifelt klingen. Aber das bekommt er irgendwie nicht hin. Ich mag seine Stimme und diese Art zu singen, aber ich könnte mir vorstellen, dass es manch Anderen stört. Vielleicht war es auch das, was Wilfried meinte als er etwas bezüglich „schmalzig“ schrieb, ich wüßte sonst wirklich nicht, was an Al Stewart schmalzig sein sollte. Und auf Schmalz reagiere ich üblicherweise selbst ziemlich empfindlich.
Wenden wir uns übergangslos Dr. Brian May zu, dem ich natürlich auch ganz herzlich zu seinen akademischen Weihen gratulieren möchte. Astrophysik ist ein wirklich interessantes Thema, mit dem ich mich vor ca. 35 Jahren – also ungefähr als Mr. May seine Dissertation begann – auch schon einmal beschäftigt habe, allerdings natürlich sehr amateurhaft. Immerhin beabsichtigte ich damals Astronautin zu werden, daraus wird jetzt wohl nichts mehr. Dr. May dagegen ist es gelungen seine Ziele und Träume noch zu verwirklichen – Bravo!
Ich war in den vergangenen Tagen und Wochen viel auf YouTube unterwegs und bin dabei auch auf einige bemerkenswerte Musiker(innen) und Songs gestoßen, von denen ich noch nie zuvor gehört hatte. Es waren nicht zuletzt diese Streifzüge, die mich in letzter Zeit von meinen schriftstellerischen Aktivitäten abgehalten haben. Ein paar meiner Entdeckungen möchte ich Euch dabei nicht vorenthalten.
Zum Beispiel bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Cover-Versionen ein interessantes Thema sind. Manche beliebten Titel sind gleich von einer ganzen Reihe von Musikern gecovert worden, und die Versionen unterscheiden sich zum Teil erheblich. Da ist es wirklich manchmal erstaunlich wie unterschiedlich eine Melodie interpretiert werden kann, oder wie ein anderes Arrangement einem Song eine völlig andere Bedeutung verleiht.
So bin ich auf YouTube auf ein Lied gestoßen, dass sehr bekannt zu sein scheint, von dem ich aber noch nie zuvor gehört hatte – es ist Leonard Cohen’s Hallelujah (Originalversion live aus einer bekannten deutschen Fernsehsendung…). Nun tut Mr. Cohen seine Lieder nicht singen sondern sprechen, und das schreit geradezu danach sie noch einmal so aufzunehmen, dass sie wie Musik klingen – da ist eigentlich jede Cover-Version besser als das Original. Daran haben sich in Folge auch zahlreiche Musiker versucht, und ich möchte hier nur ein paar der interessantesten Versionen aufführen – übrigens allesamt von Musikern, die mir bis dato völlig unbekannt waren.
Da wäre zuerst die Version von Rufus Wainwright, die ich für die schlechteste halte. Er singt mit nasaler Stimme ohne Akzentuierung in schleppendem Tempo und weinerlich klagendem Tonfall – das Ganze zu eintöniger Klavierbegleitung. Bei ihm klingt das Lied wie ein Trauermarsch für eine Beerdigung.
Besser ist da schon die Version von Jeff Buckley – schöne akustische Gitarre im Folk-Stil, aber sein Gesang klingt irgendwie ein bißchen verloren. Außerdem sind meiner Meinung nach hier die Instrumentalpassagen etwas zu lang ausgefallen.
Auch Allison Crowe singt zu Klavier, aber im Gegensatz zu Mr. Wainwright klingt das Lied bei ihr nach purer Freude und Glückseligkeit. Vielleicht sind es auch ihr stahlendes Lächeln und ihre großen blauen Kinderaugen, die diesen Eindruck vermitteln. Auf jeden Fall kommt ihre Interpretation des Songs seiner Bedeutung für mein Gefühl doch schon recht nahe.
Wirklich überzeugt hat mich dann aber doch erst k.d. lang. In ihrer Version ist wirklich alles drin, nicht nur Klavier und Gitarre, sondern wohl auch so ziemlich jede Emotion, die zwischen Himmel und Erde vorstellbar ist. Bei Mrs lang (sie legt wohl Wert darauf, dass ihr Name kleingeschrieben wird…) bin ich denn auch hängengeblieben. Deshalb hier – auch auf die Gefahr hin, dass Ihr meine neugewonnene Begeisterung für Mrs lang nicht teilen könnt – gleich noch eine zweite Kostprobe: Helpless. (Auch Bird On The Wire und Pullin‘ Back The Reins sind übrigens empfehlenswert)
Beim Namen k.d. lang hatte ich eigentlich einen Mann erwartet, und der erste optische Eindruck sah auch stark danach aus. Folglich war ich etwas überrascht wie es klang, als sie schließlich zu singen begann… Ihr Äußeres ist zugegebenermaßen etwas gewöhnungsbedürftig: Die Natur muss bei ihr das Geschlecht verwechselt haben, sie hat mindestens 40 kg zuviel auf den Rippen und einen Haarschnitt wie eine unter den Rasenmäher geratene Maus. Dazu kommt, dass sie üblicherweise barfuß über die Bühne stolpert und dazu Schlafanzug- oder Morgenrock-ähnliche Garderobe trägt. Aber wen stört’s noch, sobald sie singt? Mich jedenfalls nicht. Ich finde sie einfach faszinierend.
Und damit wäre ich wieder bei Mr. Anderson angekommen. OK, der Zusammenhang ist jetzt vermutlich nicht sofort erkennbar. Der Schlafanzug könnte als Gemeinsamkeit herhalten, wobei Mr. Anderson immerhin noch Schuhe dazu getragen hat. Auf jeden Fall ist auch Mrs lang eine ziemlich exzentrisch wirkende Erscheinung. Außerdem neigt sie, ähnlich wie Mr. Anderson, zu einem mimik- und gestenreichen Vortragsstil. Wenn sie von „big birds flying…“ singt, sieht man sie schon fast zum Tiefflug übers Publikum abheben…
Ich habe Mr. Anderson in den letzten Wochen und Monaten mit anderen Musikern verglichen und bin dabei zu dem Schluss gekommen, dass er im Gegensatz zu diesen auf der Bühne einen ernsten oder gar finsteren Eindruck macht, sein Vortragsstil aufgesetzt und einstudiert erscheint, sein Outfit unpassend ist, seine Aufführungen teilweise lächerlich oder gar peinlich wirken usw. – dass bei ihm einfach nichts mehr zusammenpasst. In igendeinem Nebensatz habe ich dann immer noch erwähnt, dass diese anderen Musiker im Gegensatz zu Mr. Anderson allerdings noch eine Stimme haben. Als ob es für einen Sänger eine Nebensächlichkeit wäre, ob er singen kann oder nicht.
Der Verlust der Stimme ist für einen Sänger eigentlich das Aus, das Ende, der Tod. Mr. Anderson hat versucht diesen Tod zu überleben, da er offensichtlich nicht mit ihm leben konnte. Da nicht sein kann was nicht sein darf, bemüht er sich seither seinen Stimmausfall zu ignorieren, so zu tun als existiere er nicht oder als wäre er eine unbedeutende Lappalie. Aber ist es wirklich vorstellbar, dass er nicht selbst hört wie er klingt? Ganz abgesehen davon, dass er durch seine lieben Mitmenschen in Form von Konzertkritiken, Interviews, Fanpost, Internet-Foren etc. auch ständig wieder daran erinnert wird.
Fällt nicht der Zeitraum, in dem er „sich selbst verloren hat“ (wie ich es schon einmal ausgedrückt habe) zusammen mit dem Zeitraum, in dem er seine Stimme verloren hat? Und das ist nicht über Nacht passiert, das fing schon Ende der 70er Jahre an. Mir ist erstmals bei den Aufnahmen aus dem Madison Square Garden 1978 (Thick As A Brick) aufgefallen, dass er anfing immer mickymaus-ähnlicher zu klingen.
Es ist leicht freudestrahlend Hallelujah zu singen, wenn man eine Stimme hat wie k.d. lang. Mit einer Stimme wie Mr. Anderson würde sich Mrs lang sicher auf keine Bühne mehr wagen, und die Herren Fogerty, Diamond und wie sie alle heißen vermutlich genauso wenig. Warum wundert mich also, dass sich Mr. Anderson nicht mehr so recht unbeschwert über seine eigenen musikalischen Darbietungen freuen zu können scheint? Ist es verwunderlich, wenn er seit seinem Stimm-Tod als Zoombie über die Bühnen der Welt geistert? Etwas anderes ist eigentlich nicht zu erwarten. Erstaunlich nur, dass ich so lange gebraucht habe darauf zu kommen.
Da wird auch verständlich, warum er kaum noch neue Musik produziert. Was macht es schon für einen Sinn ein neues Lied zu schreiben, wenn man es nicht singen kann? Oder wenn es einfach nur scheußlich klingt. Und nur Instrumentalstücke möchte doch auch niemand. Da ist guter Rat wirklich teuer…
Und da ich mit meinem Latein nun auch am Ende bin, mache ich hier Schluss für heute.
Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze
PS.: Lieber Wilfried, natürlich hast Du keinen Blödsinn geschrieben – dafür bin eher ich zuständig. Wenn ich heute manches nochmals lese, was ich vor einigen Wochen oder Monaten hier verbrochen habe, dann denke ich auch immer wieder es wäre wohl doch besser gewesen, ich hätte mich ganz still in eine Ecke gesetzt und gewartet bis der Anfall vorbei ist. Naja, Schwamm drüber… Wenn Du anderer Meinung bist als ich, ist das jedenfalls Dein gutes Recht, und in vielen Punkten stimmen wir ja auch völlig überein.
Was das Bild von Mr. Anderson im Rollstuhl betrifft, kann ich garnicht recht glauben, dass es echt sein soll. Dass er schon einmal nach einem Sturz von der Bühne den Rest der Vorstellung im Rollstuhl absolviert hat, habe ich auch schon gehört, aber gleich zusammen mit 2 Krankenschwestern? Das Photo sieht auch schon so montiert aus, die Größenverhältnisse scheinen mir nicht zu stimmen, auch das Licht – besonders auf den beiden Nursies – wirkt so unecht…
Ihr habt Euch ja lange nicht mehr gemeldet. Und, um ehrlich zu sein, ich habe die anderson-freie Zeit genossen und genutzt, um mich einmal wieder mit anderen Dingen zu beschäftigen. So habe ich auch einen Großteil meiner Urlaubsbilder und -videos überarbeitet, die ansonsten lange brach gelegen hätten. Und Herr Anderson hängt/hing mir auch so langsam kilometerlang aus dem Hals.
Aber auch Kretakatze hat ja wohl die Zeit genutzt, um ihren keinen Kätzlein ein Zuhause zu verschaffen. Herr Anderson und all die anderen Damen und Herren Musiker können einem schon ganz schön die Zeit stehlen.
Ja, Lockwood, Queen-Gitarrist Brian May greift als Doktor nach den Sternen bzw. in nebulöse Staubwolken im All. Gratulation auch von meiner Seite! Da fegt ja nun geradezu eine akademische Elite von Rockmusikern über die Bühnen der Welt.
Kretakatze kehrt so langsam in die Tage ihrer Jugend zurück (nicht nur sie). Nach John Fogerty willst Du uns jetzt doch noch einmal Al Stewart schmackhaft machen. Vielen Dank für die Lieder. „The Dark And The Rolling Sea“ gefällt mir sogar ausgesprochen und wirklich gut. Was allerdings den Gesang von Al Stewart betrifft, hast Du wohl Recht: Dieser ist für mich einfach zu brav und klingt reichlich knabenhaft. „Schmalzig“ ist sicherlich nicht das richtige Wort, aber ich mag es wahrscheinlich etwas kraftvoller.
Ausgehend von Cohens „Hallelujah“ hast Du, Kretakatze, uns wieder reichlich mit Musikvideos eingedeckt. Mindestens eine Version hast Du uns dabei verheimlicht: John Cale – Hallelujah. k.d. lang ist mir zwar ein Begriff, aber wohl eher als Aktivistin (Tierschutz) und wegen ihrer anscheinend lesbischen Umtriebe. Irgendwie dachte ich immer, sie wäre Holländerin (ich weiß auch nicht warum; vielleicht hatte sie vor Jahren einen gemeinsamen Auftritt mit Herman van Veen?!). Jetzt habe ich sie also auch musikalisch etwas kennen gelernt.
Es mag vielleicht Zufall sein, dass Kretakatze von Al Stewart über die Cohen-Coverversionen zu k.d. lang gelangt ist. Musikalisch finde ich aber, dass hier viel Ähnliches zusammenkommt. Es ist weniger Rock, mehr Pop (um mich dieser Schublädchen wieder zu bedienen), durchaus hörenswert, wenn es auch nicht so ganz „meinen Geschmack“ trifft. Ich habe in diesem Zusammenhang noch einmal überlegt, wie ich zu Jethro Tull gekommen bin. Es war ähnlich wie mit der Liebe auf dem ersten Blick. Als ich Herrn Anderson mit seinen Jungs Anfang 1969 (oder war es doch schon Ende 1968) zum ersten Mal hörte, da war es um mich geschehen. Und ähnlich (oder gleich) ging es mir mit anderen Gruppen bzw. Musikern. Ich denke da z.B. an Joan Armatrading, mit der Ihr nur wenig etwas anfangen könnt. Und da ich meiner ersten Liebe bis zum Ende meines Lebens treu zu sein gedenke, kann ich nicht von Herrn Anderson lassen. Bei Al Stewart und k.d. lang geht es mir eher so: Ja, ganz nett, aber die große Liebe wird das nie werden.
So ganz bin ich natürlich auch die letzten Wochen nicht ohne Anderson & Co. ausgekommen. Ich habe mir u.a. nach sehr langer Zeit aus dem „25th Anniversary Box Set“ einige bis dahin (1993) unveröffentlichte Aufnahmen (The Beacons Bottoms Tapes aus dem November 1992) angehört und war ‚erschüttert’. Aber alles der Reihe nach:
Kretakatze schreibt zum Stimmverlust von Ian Anderson: „… das fing schon Ende der 70er Jahre an. Mir ist erstmals bei den Aufnahmen aus dem Madison Square Garden 1978 (Thick As A Brick) aufgefallen, dass er anfing immer mickymaus-ähnlicher zu klingen.“
Nun über das Mickymaus-Ähnliche kann man sich streiten. Nur als kleine Randnotiz: Die Singstimme des Meisters liegt weit höher als seine Sprechstimme, höher, als es sonst „üblich“ ist.
Ich würde den Zeitpunkt seines beginnenden Stimmverlustes auf einen noch viel früheren Zeitpunkt datieren, auf 1971 (!) mit Erscheinen des „Aqualung“-Albums. Bereits da klingt sein Gesang oft sehr heiser, als wäre er zum Zeitpunkt der Aufnahmen erkältet gewesen. Das ist mir, ob Ihr das glaubt oder nicht, bereits damals beim Erscheinen der Scheibe aufgefallen. Nur hatte ich es damals auf eine entsprechend kurzzeitige Unpässlichkeit geschoben.
Irgendwo, ich denke bei laufi.de, hatte ich einmal gelesen, dass Ian Anderson seine Gesangsprobleme hauptsächlich in der Kontraproduktivität zwischen Flötenspiel und eigentlichem Singen sieht, d.h. beim Flötenspiel werden die Stimmbänder in anderer Weise beansprucht als beim Gesang, was am Ende Probleme beim Singen verursacht. Daher legt Anderson bei Studioaufnahmen mit dem Flötespielen oft mehrere Tage Pause ein, um sich ganz aufs Singen zu konzentrieren.
Und wenn ich das richtig verstanden habe, dann ist Ian Anderson während seines Musikerlebens schon öfter an den Stimmbändern operiert worden. Von daher erklärt es sich, dass seine Stimme manchmal völlig kaputt klingt, dann, Jahre später, wieder ziemlich okay zu sein scheint.
Nun, während der besagten Neuaufnahmen 1992 zu den Beacons Bottoms Tapes war seine Stimme wohl ziemlich im Keller. Ich gehe einmal davon aus, dass Ihr das 4-er Box Set zum 25. Jahrestag der Band nicht besitzt. Da gibt es zwei Aufnahmen, von denen ich Euch jeweils den Anfang zusammen geschnipselt habe: „Living in the Past“ und „With You There to Help Me“.
Niemand wird mir weismachen können, dass Anderson nicht um seine Stimmprobleme weiß. Wie sonst hätte er sich so oft operieren lassen. Aber es ist natürlich verständlich, dass er sein Problem nicht in aller Öffentlichkeit auswalzt und eher bemüht ist, es klein zu halten. Aber das ihn sein Stimmproblem sehr beschäftigt, zeigen u.a. auch die beiden zusammengemischten Aufnahmen aus 1992. Da versucht der gute Mann nämlich sein Problem zu kaschieren. Bei „Living in the Past“ dudelt eine Mundharmonika beim Gesang mit, und in „WYTTHM“ ist es sogar eine Mandoline (Oh, Caprisonne scheine über uns), die den kaputten Gesang übertünchen soll. Aber da wird nicht bemäntelt, da wird aufgedeckt!
Nun, ich weiß, Euch kann nichts wirklich erschüttern. So auch dieses Ton-Dokument nicht. Seid höchstens erschüttert zu erfahren, dass es mir für heute reicht.
Ein herbstliches Wochenende winkt bereits. Haltet Euch gerade und macht keinen Mist. Cheerio, Tschüss und Good bye
Euer Willibald
P.S. Noch einmal etwas zu dem Anderson im Rollstuhl. Es war sicher nicht ‚der Rest einer Vorstellung’. Also ich habe noch einmal recherchiert. Angeblich ist die Aufnahme aus dem Jahre 1988 (wenn ich nur wüsste, woher ich sie habe). Aber da gab es keinen ‚Unfall’, wenigstens nicht laut www.ministry-of-information.co.uk, lediglich am 16.06. in Atlanta, USA, zu Doanes Geburtstag faules Obst (im Gegenzug keine Zugabe).
16/6/88 – Chastain Memorial Park Amphitheater – Atlanta, Ga. USA
Doane’s birthday – An audience member threw food on the stage , so Ian stopped the show at the end of Aqualung. No encore.
Bei laufi.de fand ich dann in einem Interview (zwischen Soundcheck und Konzert in der Berliner Arena am 4. Juli 1997 aufgenommen) folgende Zeilen:
Du giltst als sehr willensstark und hast nach der Verletzung in Südamerika im letzten Jahr (also 1996) sogar Konzerte im Rollstuhl absolviert.
I.A. Nun, das würde ich nicht wieder tun. Ich war mir nicht bewußt, was ich tat. Denn für einige Zeit im Rollstuhl weiterzumachen, verursachte ein Blutgerinsel in meinem Bein, was mir beinahe das Leben gekostet hätte. So hat sich das als sehr gefährlicher Entschluß herausgestellt – es war wirklich keine gute Idee.
19/3/96 – Meulle Uno – Lima, Perú
Ian fell during a jump on a poor-quality stage, badly injuring his knee.
Und weiter:
25/3/96 – Electric Factory – Philadelphia, Pa. USA
Ian in wheelchair
Insgesamt spielte Ian Anderson 10x im Rollstuhl, bis dann folgende Nachricht veröffentlicht wurde:
JETHRO TULL STAR IN HOSPITAL
Anderson in fight for his life
Ich habe mich dann am Äußeren des Meisters zu orientieren versucht (da würde die Fotoaufnahme wirklich eher zu 1988 passen), aber sicher bin ich mir nicht. Sollte die Aufnahme wirklich aus 1988 stammen, so ist das einer der vielen Jokes, die der Meister auf die Bühne gebracht hat. Übrigens ist es nur eine Krankenschwester (Nursie). Das andere ist ein Arzt (Dr. Bogenbroom?).
Sollte die Aufnahme tatsächlich aus dem Unfalljahr 1996 stammen, dann ist es wirklich ein schlechter Scherz (und vielleicht ist Herr Anderson seitdem mit solchen Scherzen auch etwas zurückhaltender).
Wie auch immer: Die Größen- und Lichtverhältnisse halte ich trotz Kretakatzes Bedenken für okay. Die Lichtverschiebungen ergeben sich aus der unterschiedlichen Anordnung der Scheinwerfer. Und der Unterschied in der Größe der Krankenschwestern, ist dadurch zu erklären, das es sich bei der einen Person um einen Mann (Arzt) handelt. Ich halte die Aufnahme also weiterhin für echt.
Die Videos, die von mir bei youtube.com eingestellt sind, haben in diesen Tagen die 1-Millionen-Schallmauer durchbrochen. Ich möchte mich in diesem Zusammenhang besonders bei Marco Laufenberg bedanken, über den ich an viele der Videos von Jethro Tull herangekommen bin. Und natürlich bedanke ich mich für die vielen Besucher.
ich hätte da den ein oder anderen Gedanken zum Thema Ian Anderson:
Ich frage mich bereits seit einiger Zeit, worauf die Ansprüche des Mr. Anderson , ein Intellektueller aus der Upperclass zu sein, basieren. Die Wikipedia-Aufzählung der von ihm besuchten Schulen ist in der Tat sehr übersichtlich. Eines wollen wir ihm aber zu Gute halten: Man kann sich auch jenseits der Schule noch Einiges an Bildung aneignen. Ich wage zu behaupten, dass ich (von den Grunddisziplinen Lesen, Schreiben, Rechnen abgesehen) abseits der Schulen mehr gelernt habe als in diversen Klassenzimmern. So sollte es auch sein, das geht wohl den meisten Menschen so. Den Intellektuellen können wir also so gerade noch gelten lassen. Daraus ergibt sich aber die Frage: Wie äußert sich sein Intellekt, wie nutzt er ihn, was stellt er damit an ?
Nun, die erste Antwort darauf liegt für mich auf der Hand: Die Songs, die Melodien der frühen Jahre, die ihn für mich zum „Meister“ machen, können nur schwerlich dem Hirn eines Dummkopfes entsprungen sein. Intelligenz und Genius bedingen einander zwar nicht, gehen aber oft Hand in Hand. Nur so als Beispiel: Vor vielen Jahren las ich (in einem MAD – Heft), dass W.A. Mozart im Alter von drei Jahren seine erste Symphonie schrieb und mit fünf Jahren zum ersten Mal auf dem Topf saß. Zum zweiten kann ihm niemand abstreiten, dass er in Interviews einen sehr souveränen Eindruck macht. Auch das spricht nicht unbedingt für einen Hohlkopf. Damit kommen wir zur dritten und kritischsten Antwort: Seine Texte. Nach seiner eigenen Aussage macht er keine Texte für Fußballfans. Was er damit ausdrücken will, ist klar: Er hält Fußballfans für intellektuell limitiert, sodass sie seine Texte nicht verstehen können. Nun, ich bin kein Fußballfan, verstehe seine Texte aber auch nicht immer. Natürlich, es gibt auch Dumme außerhalb der Fußballszene. Kretakatze hat in einer ihrer letzten mails die Frage aufgeworfen, ob ich zwangsläufig als klug zu gelten habe, wenn ich mich so ausdrücke, dass die Mehrheit mich nicht versteht. Ich denke, diese Frage trägt die Antwort bereits in sich. Natürlich braucht man ein gewisses Niveau, um seine Sprachintention in Metaphern, Allegorien oder sonstwie bildlich an den Mann zu bringen. Ebenso selbstverständlich muss der Leser oder Hörer sich auf einem vergleichbaren Level befinden, um begreifen zu können, welche Information gerade transportiert werden soll. Mr. Anderson könnte also in seinen Texten ein hohes sprachliches Niveau einnehmen, um die Schar seiner Anhänger zu polarisieren. Er will damit die Spreu vom Weizen trennen. Mögliche Gründe hierfür kann ich nicht benennen. Vielleicht liegt Kretakatze richtig mit ihrer Annahme, dass er sich dadurch einen intellektuellen Anstrich geben will.
In diesem Zusammenhang muss ich an meine Deutschlehrerin aus der Fachoberschule denken: Bei ihr mussten wir u.a. Texte von Hans Magnus Enzensberger lesen. Je weniger wir die Texte verstanden, desto lauter lobte sie das Genie des Künstlers. Dabei bin ich jeden Tag, der seitdem vergeht, mehr davon überzeugt, dass sie das Geschreibsel selbst nicht durchschaute. Aber sie dachte wohl, sie gelte deswegen als klug. Wenn die wüsste…
Wie dem auch sei, mir gefällt die Anderson’sche Musik der frühen Jahre auch trotz der oft kryptischen Texte.
Soviel zum Intellekt des Meisters. Hier hat er die Kurve so gerade noch bekommen. Wenden wir uns seiner Herkunft aus der Upperclass zu.
Irgendwo (vielleicht Wikipedia) stand zu lesen, sein Vater sei Hotelmanager gewesen. Hotelmanager. Klingt irgendwie nach Hilton oder Walldorf-Astoria. Aber, dank Wilfried wissen wir, dass das Hotel der Familie Anderson sen. ein eher bescheidenes Haus war. Mich erinnert es mehr an eine Pension. Ein Familienbetrieb, in dem der Hotelmanager noch selber mithilft, die Betten zu beziehen und Frühstück zuzubereiten. Das ist für mich ein klassisches Beispiel für den Mittelstand, nicht für die Oberklasse. Damit will ich nichts gegen den Mittelstand sagen: Meine Eltern führten seinerzeit ebenfalls ein kleines Familienunternehmen und ich selber sehe mich als Kind des Mittelstands. Also, Mr. Ian Scott Anderson, mit Upperclass ist wohl nichts.
Ich gebe aber eines zu bedenken: Unsere Annahme, dass er sich als Member of the Upperclass sieht, beruht einzig auf der Textzeile in „Thick as a Brick“: „I came down from the Upperclass…“. Nun ist die Frage zu klären, ob er das biographisch meint, also auf sich selber bezieht, oder ob er nur das vertonte Gedicht des kleinen Gerald Bostock interpretiert. Bevor diese Frage nicht ausreichend beantwortet ist, wäre jeder weitere Gedanke zur Upperclass-Herkunft des Meisters reine Spekulation.
Ein Wort zur Spontaneität auf der Bühne: Wer sich die JT-Auftritte aus den 70er Jahren anschaut, wird feststellen, dass in der Bühnenshow überhaupt kein Platz für Spontaneität ist. Das ist reine Choreografie. Bei jeder Note eines Konzertes hat Mr. Anderson die gleiche Mimik und die gleiche Körperhaltung und steht an genau der gleichen Stelle auf der Bühne wie in einem Konzert, dass einige Jahre später auf einem anderen Kontinent stattfindet. Er funktioniert präzise wie ein schweizer Uhrwerk. Er ist viel zu sehr Perfektionist, um der Spontaneität willen irgendetwas dem Zufall zu überlassen.
Liebe Kretakatze, in Deiner letzten mail sprichst Du mir aus der Seele: Dem frühen Anderson konnten wir begeistert zujubeln, den aktuellen Anderson kennen wir nicht mehr. „Wer ist das ?“ schreibst Du. Genau so ist es. Wir haben ihn verloren. Zumindest Du und ich. Wilfried scheint noch etwas näher bei ihm zu sein. Er kennt ihn schon länger und hat ihn nie aus den Augen verloren. Aber für mich ist Mr. Anderson ein Fremder geworden. Er sieht anders aus, er singt anders und er spielt andere Musik als früher. Er ist einfach ein Anderer. Ich habe ihn verloren, und in Deinem letzten Schreiben sagst Du, dass er sich möglicherweise selber verloren hat. Nur ihm scheint das weniger auszumachen als uns.
Gnothi seauton Lockwood
PS: Als Kind sah ich im Fernsehen „Die Brüder Löwenherz“ von Astrid Lindgren. Was mich damals am meisten daran faszinierte war der Soundtreck. Eine wunderschöne kleine Melodie, die ich zu meiner großen Freude vor kurzem bei youtube wiederfand und Euch hiermit zu Gehör bringen möchte. Vielleicht gefällt sie Euch auch. Nichts an ihr erinnert an einen startenden Jet.
nun ist also der 60. Geburtstag des Meisters auch vorüber, und außer meiner „erfrischenden“ Kritik und ein paar daraus resultierenden dilettantischen guten Ratschlägen, die ich in letzter Zeit hier verbreitet habe, ist mir nichts eingefallen, was ich ihm auf seinen weiteren Lebensweg mitgeben könnte. Ich bin auch dieser Tage ein wenig schreibmüde geworden…
Dabei gibt es durchaus noch eine Reihe interessante offene Themen, die von Euch in letzter Zeit angesprochen wurden und die ich auch noch aufgreifen möchte. Lockwood hat sich einige Gedanken über Mr. Anderson gemacht, die wiederum mir zu denken gegeben haben. Es geht einmal mehr um seine unerklärliche Entwicklung vom bewunderten Meister der 70er Jahre zu dem, was er heute darstellt. Bevor ich darauf eingehe werde ich Euch aber, ganz wie es meine Art ist, mit meinem beliebten Gegenbeispiel quälen (ich kann einfach nicht anders…).
In meinem ersten kurzen Beitrag, den ich an dieser Stelle zu Mr. Fogerty verfasst hatte (das war übrigens zufällig genau an seinem 62. Geburtstag, wie mir später aufgefallen ist), hatte ich behauptet er habe sich in den letzten 40 Jahren nicht weiterentwickelt. Inzwischen habe ich feststellen müssen, dass das ein Irrtum war. Ich nehme diese Aussage daher hiermit zurück und behaupte das Gegenteil (ist ja nicht das erste Mal…). Tatsächlich hat sich Mr. Fogerty – zumindest was sein Auftreten auf der Bühne betrifft – seit 1970 geradezu dramatisch gewandelt.
Mr. Fogerty anno 1970 („Tombstone Shadow“ live in London) erscheint nicht nur in Arbeitskleidung auf der Bühne, er wirkt auch wie jemand, der zielgerichtet, ernst und konzentriert seiner Arbeit nachgeht. Er scheint voll und ganz mit sich, seiner Musik und seiner Gitarre beschäftigt zu sein, es sieht aus als spielt er vor allem für und mit sich selbst, eventuell noch mit seiner Band. Dass ein Publikum existiert, scheint er – zumindest während er spielt – nicht wahrzunehmen, er schaut es kaum an. Bestenfalls riskiert er noch einen kurzen Blick in die Kamera (die guckt auch nicht zurück). Während der Gitarrensolos zieht er sich vom Mikrophon weg nach hinten ans Schlagzeug zurück, dreht dem Publikum fast den Rücken zu. Zwischen den Songs verständigt er sich kurz mit dem Drummer, dreht an Amp und Gitarre, stimmt eine Saite nach – aber er spricht nicht ein Wort mit dem Publikum. Er wirkt auf mich ein bißchen wie ein Zootier, das man gegen entsprechenden Eintritt aus gebührender Entfernung beim mehr oder minder artgerechten Verhalten beobachten darf. Wenn die Band in ihrer Fabrikhalle probt, sieht das wahrscheinlich auch nicht viel anders aus.
Eigentlich ist es kaum zu fassen, aber das Bühnen-Verhalten des Mr. Fogerty hat sich im Laufe der Jahre ins exakte Gegenteil verkehrt. Fogerty 2007 („Bootleg“ live in Ontario) wirkt auf der Bühne als ob er eine Riesen-Party feiert. Da scheint alles mächtig viel Spass zu machen und mit keinerlei Mühe oder Anstrengung verbunden zu sein. Offensichtlich tut er das alles nur zum reinen Vergnügen, zu seinem eigenen wie zu dem des Publikums. Wenn er einmal 3 Sekunden lang nicht singen muss, rennt er sofort vom Mikrophon weg zum vorderen Bühnenrand um einen Meter vor den Nasen seiner Zuschauer seine Gitarrenkünste darzubieten. Zwischen den Songs unterhält er sein Publikum mit Stories darüber, wie er mit seiner Tochter Eis isst oder wie sich eine halbe Million matschverschmierte Menschen in Woodstock ausziehen. Und auch da läuft er wieder ständig zum Bühnenrand um auf jeden noch so dämlichen „Hey John“-Zuruf aus dem Publikum einzugehen. Es ist ein einziges Bad in der Begeisterung und Sympathie der Menge, und so ein Bad scheint ganz nach seinem Geschmack zu sein. Wie man sich so ein Bad einlässt und wie man sich das Badewasser angenehm temperiert, das hat er inzwischen gelernt. Die Lernfähigkeit des Mr. Fogerty ist wirklich bemerkenswert. Wenn man einmal davon ausgeht, dass das „Beliebtheitsbad“ auch schon 1970 sein Ziel gewesen sein müsste, dann konnte er seinen Zielerreichungsgrad inzwischen ganz ungemein steigern.
Die Bühnen-Präsenz des Mr. Anderson scheint sich mir dagegen im Laufe der Jahre in die genau entgegengesetzte Richtung entwickelt zu haben. In diesem Video („A New Day Yesterday“ 1969 live in New York) teilt er uns gleich zu Anfang mit, was er auf der Bühne tut – es ist sein „Ego-Trip“, das heißt er tobt sich aus, und zwar zu seinem Privatvergnügen. Was die Spontanität seiner Bühnenaktivitäten betrifft, sehe ich das etwas anders als Du, lieber Lockwood. Es ist einfach so, dass jedes Lied eine ganz bestimmte Geschichte erzählt, jede Melodie ein bestimmtes Gefühl ausdrückt, und wenn man das in Gestik, Mimik und Bewegung darzustellen versucht, dann wird naturgemäß auch immer etwas ähnliches dabei herauskommen. Durch ständige Wiederholung schleift sich schließlich im Laufe der Zeit eine Art „optimale“ Version ein, die dann wirklich praktisch immer identisch ist. Bei Songs wie „Aqualung“ oder „Thick As A Brick“, die Mr. Anderson in den 70ern 100 Mal im Jahr auf der Bühne gespielt hat, ist ihm mit Sicherheit jede einzelne Bewegung so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er er sie noch im Schlaf aufführen könnte. Vermutlich würde er noch im Koma liegend beim Klang bestimmter Musikpassagen seinen Kopf auf eine ganz bestimmte Art zurückwerfen oder den Arm nach oben reißen. Eine bewußt einstudierte Choreographie ist etwas anderes.
Sicher hat Mr. Anderson zumindest manche seiner akrobatischen Übungen geprobt, bevor er sie auf der Bühne vorgeführt hat. Manches sind eindeutig Figuren aus dem Ballett, und seit ich durch Wilfried weiß, dass sein älterer Bruder Ballettmeister ist, hat mich das auch nicht mehr gewundert. Dass er sich allerdings jemals eine Choreographie für eine Auftritt vorher zusammengestellt hat, wage ich zu bezweifeln. In so ein Korsett hätte er sich nicht zwängen wollen, das hätte ihm doch den ganzen Spaß verdorben. Schließlich wollte er sich austoben, das macht man nicht nach Plan. Ganz abgesehen davon ist der „spontane Ausdruck der Persönlichkeit, der Gedanken oder Gefühle“, von dem ich in meinem letzten Beitrag sprach, nicht so sehr eine Frage des Was und schon garnicht des Wo einer Darstellung, sondern vielmehr des Wie. Am Wie erkennt man, ob jemand wirklich mit Freude und Enthusiasmus bei der Sache ist oder nur etwas herunterspult.
Allmählich glaube ich auch, dass Mr. Anderson in die Jahre gekommen ist. Die Begeisterung hat nachgelassen. Wen wundert’s, dass nach mindestens 2000 Aufführungen „Thick As A Brick“ bei ihm heute nicht mehr so frisch rüberkommt wie 1972. Vermutlich ist auch das Bedürfnis sich auszutoben weitgehend erloschen. Im Vergleich zu Mr. Fogerty wirkt er inzwischen zahm und schaumgebremst. Seine Bühnenaktivitäten erscheinen nicht spontan sondern bewusst und kontrolliert. Was ihn heute auf die Bühne treibt ist wahrscheinlich vor allem sein Hang zur Selbstdarstellung und sein Hunger nach Anerkennung. Und da haben sich seine Chancen der Zielerreichung seit den 70ern dramatisch verschlechtert. Er sieht einfach nicht mehr aus wie 25, mit akrobatischen Übungen ist auch nichts mehr und die Stimme ist kaputt. Eigentlich wirklich erstaunlich, dass er in Anbetracht dieser katastrophalen Voraussetzungen nicht einfach aufgibt, aber er kann wohl nicht anders. Folgerichtig setzt er auf den einzigen Trumpf, den er noch hat – seine Flötenkünste. Er flötet extensiv und in den höchsten Schwierigkeitsgraden (das nehme ich jedenfalls mal an, beurteilen kann ich es nicht), aber das erfordert Konzentration. Vermutlich wirkt er auch deshalb beim Flöten teilweise fast finster, unbeschwerte gute Laune strahlt er jedenfalls für mein Gefühl dabei nicht aus. Mr. Anderson ist bei der Arbeit angekommen.
Um die Vergleichs-Landschaft weiter zu beleben werde ich jetzt noch einen anderen Musiker ins Feld führen, den vermutlich auch noch nie jemand mit Mr. Anderson verglichen hat – Neil Diamond („I Am…I Said“ live ca. 1971 – zur Einstimmung). Auf den ersten Blick gibt es da wirklich keine Ähnlichkeiten, Mr. Diamond ist eher eine Mischung aus Elvis Presley und Roy Black. Zwei Parallelen könnte man aber doch aufführen. Zum Einen ist auch Mr. Diamond dafür bekannt, dass er es liebt in mehr oder minder schrillen Kostümen aufzutreten – wobei es sich dabei eher um Glitzer-Anzüge a la Elvis Presley handelt, dessen Nachfolge er ja auch in Las Vegas übernommen hatte. Seine Auftritte sehen daher auch alle stark nach Las Vegas aus. Zum Anderen hatte Mr. Diamond, nachdem er die Filmmusik zu „Jonathan Livingston Seagull“ geschrieben hatte, angefangen sich selbst mit Beethoven zu vergleichen und seine erste Symphonie zu komponieren. Was daraus geworden ist weiß ich nicht so genau, ich meine er hat sie tatsächlich fertig geschrieben, die Wiener Philharmoniker haben sie aber wohl noch nicht im Programm.
Da auch Mr. Diamond zu den Musikern gehört, deren Scheiben Anfang der 70er auf meinem Plattenteller lagen, habe ich dieser Tage in YouTube geforscht, was denn im Laufe der Jahre aus ihm geworden ist, und ich war eher positiv überrascht. Diese Version von Cherry Cherry (2005 live) zeigt meiner Meinung nach: Es ist durchaus möglich 64 Jahre als zu sein, wie 64 Jahre auszusehen, in einem Kostüm auf einer Bühne zu stehen und eine ziemlich flotte Nummer zu spielen, und trotzdem nicht lächerlich zu wirken. Am Alter allein kann es also nicht liegen. Mr. Diamond hat allerdings gegenüber Mr. Anderson den Vorteil, dass seine Stimme noch genauso klingt wie vor 40 Jahren, sie hat wirklich nicht den kleinsten Kratzer abbekommen. Im Gegenteil, ich finde er singt den Titel heute besser und spielt ihn rockiger als in der Original-Version von 1966.
Wenn man Mr. Anderson also mit seinen Musiker-Kollegen in der Altersklasse ab 60 vergleicht, muss man sagen: Die Anderen sind auch nicht mehr so jung oder so schlank wie 1970 (Mr. Fogerty sollte vielleicht seiner Tochter mal nicht ständig das Eis wegessen – kleiner Scherz am Rande…), wie Mr. Fogerty über die Bühne stapft wirkt auch auf keinen Fall eleganter als das Gehüpfe von Mr. Anderson, und kommt es nun wirklich darauf an, ob der Typ oben auf der Bühne in Jeans und Karohemd, im Glitzerkostüm oder im Piraten-Outfit erscheint? Wichtiger ist doch, was der Kerl, der in den Klamotten steckt, für eine Ausstrahlung hat. Und da wirkt Mr. Anderson im Vergleich zu seinen Kollegen irgendwie verbissen und fast zynisch.
Lockwood hat einmal ganz richtig bemerkt, dass Fogerty-Fans vermutlich wesentlich glücklicher sind als Anderson-Fans. Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass auch der Mr. Fogerty der heutigen Tage deutlich glücklicher sein dürfte als der Mr. Anderson. Dass sein Zielerreichungsgrad nicht mehr der ist, der er einmal in den 70ern war, kann auch Mr. Anderson nicht entgangen sein. Und ich glaube er ist selbst ziemlich ratlos, wie er die Situation wieder verbessern könnte.
Um noch einmal zum Thema „Intellektueller aus der Upper Class“ zurückzukommen – ich meine schon mehrere Photos von Mr. Anderson vom Ende der 60er Jahre gesehen zu haben, die die Unterschrift „… mit Laby X“ bzw. „… mit Lord Y“ trugen, leider kann ich sie nicht mehr finden. Ich glaube zumindest eines der Bilder stammte von der Hochzeit mit seiner ersten Frau. Woher kommen die Kontakte zum Hochadel, wenn er eigentlich aus der Mittelschicht stammt? Seine Behauptung „I come down from the upper class“ halte ich durchaus für glaubwürdig, auch wenn sie sicher ironisch gemeint war. „Thick As A Brick“ ist praktisch seine Autobiographie, und nach meiner Meinung sind Songtexte eine ziemlich zuverlässige Quelle über Vergangenheit und Hintergrund ihres Verfassers. Jeder Songtexter, den ich kenne, hat in seinen Liedern seine eigene Vergangenheit verarbeitet, und die eigenen Songs sind ein viel zu persönliches und zugleich öffentliches Medium, um darin zu wild zu phantasieren. Ein bißchen übertreiben tut man darin vielleicht schon, aber nicht lügen.
Auch den „Intellektuellen“ möchte ich Mr. Anderson garnicht absprechen. Ich halte ihn durchaus für intelligent und sicher hat er sich außerhalb der Schule ein umfangreiches Wissen über Geschichte, Kultur, Literatur etc. angelesen, das meines sehr wohl übersteigen könnte (das ist nicht sehr schwer). Zum Intellektuellen wird man wohl weniger über die klassische Bildung, es ist mehr der Typ des Dichters und Denkers, der Einen dazu qualifiziert. Ich selbst bin zum Beispiel höchst gebildet (nicht nur eingebildet) – mit Abitur, Studium, Lehre und Umschulung (übrigens alles mit besten Abschlüssen – ich schreibe das nur, weil diese Bildungskarriere so aussieht als hätte ich nichts auf die Reihe bekommen und deshalb ständig was Neues angefangen, und das kann ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen) habe ich wirklich so ziemlich alles durch, was man an Bildung machen kann, mehr Bildung geht eigentlich kaum – trotzdem würde ich mich nicht als intellektuell bezeichnen. Dazu bin ich einfach nicht der Typ. Soweit die heutigen Selbstbekenntnisse der Frau Professor Dr.h.c. Kretakatze.
Seid herzlich gegrüßt bis demnächst
Kretakatze
PS.: Lieber Lockwood, was Herrn Mozart betrifft, scheinen MAD-Hefte doch keine sehr zuverlässige Quelle zu sein (wen wundert’s?). Mozart war 5, als er seine erste Komposition ablieferte, die im Übrigen keine Symphonie sondern ein Klavierstück war. Da wird er wohl 3 gewesen sein, als er auf dem Topf saß, was für einen Jungen auch ein ganz normales Alter ist. Das hat auch weniger mit Intelligenz oder Genie als vielmehr mit Körperbeherrschung zu tun – aber lassen wir dieses unappetitliche Thema…
Apropos unzuverlässige Quelle – inzwischen musste ich herausfinden, dass der Wikipedia-Eintrag über Creedence Clearwater Revival zahlreiche Fehlinformationen enhält. Das hat mein Vertrauen in die Zuverlässigkeit von Wikipedia doch stark erschüttert. Ich denke bevor man blind den Wikipedia-Daten glaubt, sollte man doch besser noch ein oder zwei andere Quellen gegenchecken…
da bin ich also und der Alltag hat mich wieder. Oh, Graus!, kann ich nur sagen. Aber es hilft ja nichts, ich habe nicht das Bankkonto eines Herrn Anderson (selbst das von Herrn Fogerty wäre nicht zu verachten), also ’ran ans Werk bzw. an die Arbeit …
Ihr wart ja inzwischen wieder fleißig, besonders Kretakatze, die sich nicht zurückhalten konnte, auf mein früheres Geschreibsel ausführlich zu antworten.
Zunächst eines vorneweg: Das Bild mit Ian Anderson im Rollstuhl ist KEINE Fotomontage, so etwas würde ich erst gar nicht wagen. Es ist real und stammt aus dem Jahre 1988, wenn ich das richtig sehe. Nach einem Sturz (von der Bühne? Ich weiß es nicht genau) trat der Meister tatsächlich im Rollstuhl auf und nutzte sein Unglück zu diesem makabren Scherz. Also wieder einer dieser Unwägbarkeiten des Anderson’schen Charakters.
Wenn ich auf alles, was Ihr da in der letzten Zeit verfasst habt, einginge, dann müsste ich auch ins Romanhafte ausschweifen. Daher doch möglichst in Kürze eine Antwort:
Der Vergleich Anderson-Fogerty hinkt für mich einfach deshalb, weil beide nicht zu vergleichen sind. Das spricht nicht unbedingt gegen Fogerty (oder gegen Anderson), aber für mich liegen zwischen den beiden Welten, sodass sich für mich (ich wiederhole: für mich) ein Vergleich nicht ziehen lässt. Trotzdem will ich kurz auf Deinen ‚Vergleich’, Kretakatze, zu sprechen kommen: Fogerty bzw. Anderson früher und heute. Wenn John Fogerty früher eher schüchtern wirkte, so wohl deshalb, weil er sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren musste. Sowohl Fogerty als auch Anderson waren in ihrer Anfangszeit keine Virtuosen, denen das Spiel ohne Anstrengung aus dem Instrument perlte. Ian Anderson kompensierte seine noch nicht ganz ausgereifte Spieltechnik durch seine Bühnenpräsenz, während Fogerty sich voll und ganz auf sein Instrument (und seinen Gesang) konzentrierte. Anderson hatte also das nötige Selbstbewusstsein, das sich Fogerty erst noch erwerben musste. Mit den Jahren war es dann soweit (Übung macht den Meister): Fogerty wurde selbstbewusster und spielsicherer. Und das kommt dann auch auf der Bühne ’rüber. Und wie ist das bei Herrn Anderson heute? Er konzentriert sich verstärkt auf sein Flötenspiel. Das ist sein verbliebenes Pfund, mit dem er noch wuchern kann.
Diese Oimel-Verlängerung (Ihr wisst schon, was ich meine) ist eine Art Automatismus. In jungen Jahren war das vielleicht noch ganz witzig anzusehen, jetzt wirkt es natürlich lächerlich. Aber alle Welt kennt nun mal den Flötenoimel, also muss er gezeigt werden. Neben diesem Automatismus denke ich mir noch, dass Herr Anderson etwas falsche Vorstellungen von den Erwartungen seiner Zuschauer hat. Er denkt wahrscheinlich wirklich: Die wollen meinen Flötenoimel sehen! Also zeige ich ihn ihnen! Und so ist es auch mit den anderen Elementen seines Auftritts, z.B. seinem Outfit. Eine vielleicht halbwegs plausible Erklärung habe ich für Andersons Schlabberleibchen. Als Flötist hat er eine andere Armhaltung als ein Gitarrist. Die Oberarme liegen nicht am Körper an, sondern sind fast horizontal zur Schulter, die Unterarme sogar noch höher gestreckt. Da würde ein zu enges Jäckchen eher zwacken und die Blutzirkulation behindern. In jungen Jahren mag das noch gehen, aber bei einem 60-Jährigen ist das ein Problem. Vielleicht erklärt sich auch damit die Angewohnheit des Meisters, in Spielpausen mit der rechten Hand Pumpbewegungen zu vollziehen (das Thema hatte ich schon früher einmal mit Lockwood erörtert). Also lassen wir ihm sein luftiges Hemdchen. Damit er uns nicht mit Kreislaufzusammenbruch von der Bühne fällt.
Wie auch immer: Anderson ist ein Schauspieler. Da gebe ich Kretakatze Recht. Er war es und ist es noch immer und unterscheidet sich da von John Fogerty. Er umgibt sich mit einer Aura (fast hätte ich Dickicht geschrieben) von Unnahbarkeit (mir fällt kein besseres Wort auf die Schnelle ein).
Aber genug! Dass sein Outfit, sein Herumgehüpfe und was auch immer nicht zeitgemäß sind (im Sinne von: zu seinen 60 Lebensjahren passend), darüber sind wir uns einig. Ich habe 2005 mein letztes Tull-Konzert miterlebt und muss aber sagen, dass mich diese Äußerlichkeiten eigentlich nicht gestört hat. Mir ist einfach klar gewesen, dass ich 2005 nicht die Jungens von z.B. 1972 zu Gesicht bekäme.
Noch etwas zu den Anderson’schen Texten: Sicherlich finden sich viele autobiographische Bezüge in den Texten. Um diese Bezüge nicht allzu schnell sichtbar werden zu lassen, greift der Dichter gern zu Mittelchen, die das Ganze mehr oder weniger verhüllen sollen (Metaphern, Allegorien usw.). Mögen die gewählten Bilder für den Autoren klar und verständlich sein – für den Leser sind sie es noch lange nicht, besonders dann, wenn eine Bildersprache benutzt wird, die sich nicht im gemeinsamen Fundus einer Sprache wiederfindet. Dann kann man als außenstehender Leser (oder Hörer) nur noch die Farbigkeit oder Wortgewalt der beschriebenen Bilder bewundern. Manche sehen das denn vielleicht auch als Fiebrigkeit des Dichters.
Apropos Andersons 60. Geburtstag – da hat sich der Meister doch wohl mit Recken der Stones (Keith Richards und Ron Wood) getroffen, um aus diesem Anlass (mit was auch immer) anzustoßen. Man kennt sich also. Nicht erst seit dem Rock ‚n’ Roll Circus von 1968 (lief übrigens dieser Tage im Fernsehen, es war auf Arte; 3Sat hatte wohl am 10. August in der Sendung Kulturzeit Herrn Anderson ein Ständchen gebracht – eigentlich gucke ich mir die Sendung öfter an, sogar im Urlaub, da sie gleich nach den Heute-Nachrichten folgt, aber an dem Tag war ich mit meinen Lieben in München zum Shoppen).
Ich hoffe, nicht allzu viel Blödsinn geschrieben zu haben. Mit Selbsterkenntnis ist das so etwas, Lockwood, bzw. mit Selbstfindung, Kretakatze.