Kategorie-Archiv: Machtgier

Frustrierendes aus Politik und Wirtschaft

Haltet sie stark

Man mag den Medienrummel um WikiLeaks für übertrieben halten, ausschlussreich ist er allemal.

Ich muss gestehen, mich nicht sehr tiefgehend mit WikiLeaks beschäftigt zu haben. Da gibt es sicherlich sehr viel Material, brisante Enthüllungen, die den Oberen nicht schmecken. Das ist bestimmt sehr detailliert (Afghanistan-Einsatz und Irak-Krieg). Aber ich muss nicht jede Einzelheit kennen, um zu wissen, wie allerorten auch von unseren demokratisch-legitimierten Regierungsvertretern seltsame Machenschaften betrieben werden.

WikiLeaks

Bezogen auf ‚deutsche Verhältnisse’ mag bei den Enthüllungen viel ‚Partyklatsch’ dabei sein. Aber gerade der deckt oft mehr auf, als es der erste Blick verrät. Und manchmal werden wir in unseren Ansichten bestätigt, wenn z.B. der US-Botschafter Murphy unseren Bundesaußenminister Westerwelle als ideenlos, reizbar und überschäumende Persönlichkeit mit großem Geltungsdrang beschriebt. Oder wenn er den damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble als neurotischen und „zornigen alten Mann“, der überall Bedrohungen sehe, charakterisiert (siehe hierzu auch zdf.de: Westerwelles Büroleiter war der Maulwurf).

Aufschlussreich, geradezu beängstigend ist die Hetzjagd, die gegen WikiLeaks und deren Sprecher (nicht Gründer) Julian Assange betrieben wird. Die Reduzierung Wikileaks auf Assange finde ich übrigens ziemlich unglücklich, da er nicht allein WikiLeaks ausmacht und dadurch besonders angreifbar geworden ist, wie es seine Verhaftung zeigt. Julian Assange steht unter dem Verdacht der Vergewaltigung und sexuellen Belästigung zweier Frauen in Schweden. Der Enthüllungsaktivist weist die Vorwürfe zurück und sieht sich als Opfer einer Rufmordkampagne. Wo liegt letztendlich die Wahrheit?

Aber dem nicht genug: WikiLeaks lebt von Spenden. So haben Paypal, Mastercard und Visa Zahlungen eingestellt bzw. halten Geld an das Enthüllungsportal zurück. Außerdem versuchte man WikiLeaks im Netz mundtot zu machen, indem man Server abschaltete, auf denen das Portal gehostet wurde. Es entwickelt sich so zunehmend ein Cyberkrieg, denn u.a. gab es Gegenmaßnahmen und so haben WikiLeaks-Anhänger u.a. die Website von Visa mit sogenannten DDOS-Angriffen („Distributed Denial of Service“) blockiert. Sicherlich ist das nicht die feine englische Art und der Sache am Ende nicht dienlich.

Natürlich stellen sich im Zusammenhang mit WikiLeaks grundsätzliche Fragen: Was darf Wikileaks? Wie verändert es die Gesellschaft? Und wo sind die Grenzen? Bestimmt gibt es Grenzen, aber die lassen sich meist erst im Einzelfall ausmachen. Politik bedarf mehr Transparenz. Die verfehlte Politik um den Bau des Stuttgarter Bahnhofs hat er deutlich gemacht. In Zukunft werden Politiker mehr als heute Rechenschaft über ihr Tun ablegen müssen – notfalls unter dem Druck von Diensten und Portalen wie WikiLeaks. Das Internet verändert viel und wird auch die Politik verändern. Das sollte endlich gegriffen werden. Mit Hetzjagden wird das ‚Problem’, das mancher Politiker heute noch hat, nicht gelöst. Wir sind für Demokratie, Meinungsfreiheit und für eine ‚offene Gesellschaft’ – oder wir sind es nicht. Alles andere ist Heuchelei. Natürlich muss sich ein Portal wie WikiLeaks gleichfalls an die ‚neuen Regeln’ halten und z.B. für Transparenz seiner Informationen sorgen.

„Keep us strong“ ist das Motto von WikiLeaks – halten wir sie stark.

Hysterie?!

Vor einigen Tagen warnte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor einem Anschlag für Ende November. Zum Schutz der Bevölkerung wird nun auf Flughäfen, Bahnhöfen und an den Grenzen strenger kontrolliert.

Zuvor sorgten gleich zwei Mal Paketbomben für Aufsehen. Eines der Pakete aus dem Jemen mit dem Ziel USA wurde in Köln umgeladen. Eine andere explosive Sendung aus Griechenland erreichte sogar das Bundeskanzleramt.

Nach der Entdeckung einer Bombenattrappe vor einem Air-Berlin-Flug von Namibia nach München geht jetzt die Frage um, wer für diesen ‚Testlauf’ verantwortlich war. Wenn es der Chef der Flughafenpolizei in Windhuk war, der die Bombenattrappe platziert hat, wer hat ihn beauftragt?

Laut „Spiegel“ plant die Al-Kaida mit seinen Verbündeten möglicherweise einen Anschlag auf den Berliner Reichstag. Im Zuge des Angriffs wollen die Terroristen Geiseln nehmen und mit Schusswaffen ein Blutbad anrichten. Die Informationen über die Planungen stammen von einem Dschihadisten, der angeblich aussteigen wolle.

Inzwischen gibt es erhöhten Sicherheitsmaßnahmen offenbar auch an den Grenzen. Vor allem der Verkehr aus dem Balkan werde kontrolliert, heißt es. Zugleich wurde ein weiteres Terrorszenario bekannt: Zwei Personen sollen vor sechs bis acht Wochen nach einer Terrorausbildung in Nordpakistan nach Deutschland gekommen sein, um mit Zeitzündern Anschläge auf „eine Menschenmenge in einer großen Stadt“ zu verüben.

Am Freitag, als ich mit einen meiner Söhne aus dem Kino in Hamburg-Harburg kam und mit dem Zug nach Hause fahren wollte, war die gesamte S-Bahnhof Harburg von die Polizei wegen eines Bombenalarms von 16.30 bis 18.30 Uhr komplett gesperrt. Der Zugverkehr von und nach Stade sowie vom und zum Hauptbahnhof wurde eingestellt.

Nach Angaben der Bundespolizei war in einem Zug der S3 Richtung Pinneberg ein herrenloser Koffer entdeckt worden. Der Zug wurde im S-Bahnhof Harburg gestoppt. Alle Passagiere mussten die Abteile und Bahnsteige verlassen. Am Eingang Hannoversche Straße sperrte die Polizei die Treppen mit Polizeiband ab. Von dort kam ein ferngesteuerter Spezialroboter zum Einsatz. Per Greifarm transportierte der Roboter dann das Gepäckstück auf den Bahnsteig, wo es durchleuchtet wurde. Da der Inhalt nicht einwandfrei identifizieren werden konnte, wurde das Gepäckstück mit einem sogenannten Wassergewehr aufgeschossen. Der Inhalt stellte sich als harmlos heraus: Bekleidungsstücke, Büromaterial und auch Papiere.

Warum tönt man aber auf der Website eines regionalen Radiosenders und faselt von Bombenattrappe? Und die ungnädige Bild-Zeitung verkündet: In der U-Bahn fährt immer die Angst mit. Im Zusammenhang mit der Räumung der S-Bahnstation Harburg sprach man dann auch noch von Evakuierung!

Schaukelt sich Deutschland in eine Terror-Hysterie? Sollte es tatsächlich Anhaltspunkte geben, dann „wäre es fahrlässig, die Hinweise nicht ernstzunehmen“, wie der Innenminister betont. Aber welche Anhaltspunkte sind das? Und kommt es der CDU nicht zupass, aufgrund des Tiefststandes der Umfragewerte konservative Reflexe zu mobilisieren?

Zu Panik und Hysterie gibt es wenig Grund, denn es ist weiterhin völlig unklar, wer wann und wo Anschläge verüben will. Wer jetzt wieder nach schärferen Gesetzen ruft und die möglichen Gefahren für parteipolitische Kampagne zu nutzen trachtet, sollte bedenken, dass wir den Rechtsstaat nicht verteidigen, in dem wir ihn Schritt für Schritt einschränken. Noch zeigt sich auch die Bundesregierung halbwegs besonnen. Aber wie lange noch?

Vor allem die Medien sollten sich in Zurückhaltung – besonders im Sprachgebrauch – üben. Wer mutwillig mit falschen Termini arbeitet, suggeriert ein falsches Bild der tatsächlichen Gefahrenlage.

Ziviler Ungehorsam

Der Zug mit den Castor-Behältern ist inzwischen im Verladebahnhof Dannenberg angekommen, nachdem die Polizei die Schienenblockade von Castor-Gegnern halbwegs friedlich geräumt hat.

Unterdessen wettert unsere allseits geliebte Frau Bundeskanzlerin gegen die Anti-Castor-Aktionen. Das sei teils kein friedlicher Protest mehr, sondern einfach nur kriminell. Ich finde es schon „bemerkelswert“, wie hier verallgemeinert wird. Und das politische Kalkül will es wohl, dass alles in einem Topf geworfen wird oder Sack, auf den dann eingedroschen werden kann.

„Bemerkelswert“ ist es eben, wie Konflikte wieder aufgebrochen werden, die durch den verabschiedeten Atomausstieg längst befriedet waren. Wie fern jeder Realität hausen da Regierungsmitglieder in ihren Wolkenkuckucksheimen in Berlin und entscheiden über unsere Zukunft. Sicherlich sind Umfrageergebnisse keine Wahlergebnisse. Aber wie Merkel und Westerwelle Stimmungsbilder ignorieren, das ist schon keine Arroganz mehr, das ist Größenwahn.

Aber wie sollte es anders auch sein: Ein Kippen des bisherigen Atom-Konsenses durch Schwarz-Gelb war vorhersehbar. Die beabsichtigten Laufzeitverlängerungen von Atomkraftwerken sind längst nicht der Weisheit letzter Schluss. Spätestens in drei Jahren, wenn Umfrageergebnisse doch zu Wahlergebnissen geworden sind, dürfte es die Umkehr von der Umkehr geben (aber dieses Hin und Her kann wirklich nicht der Sinn von Politik sein).

Ich will hier nicht philosophieren. Und es wäre fast schon anmaßend, sich auf Persönlichkeiten wie Gandhi oder Martin Luther King Jr. zu beziehen. Aber ich kann gut verstehen, wenn Tausende auf die Straße gehen, um gegen eine verantwortungslose Politik zu protestieren. Ziviler Ungehorsam heißt das Stichwort und beinhaltet auch einen bewussten Verstoß gegen rechtliche Normen. Und wie anders als mit zivilen Ungehorsam können Bürger gegen politische Entscheidungen vorgehen, die zwar von einer mit Mehrheit gewählten Regierung verabschiedet, die aber nicht von einer Bevölkerungsmehrheit getragen werden.

Ziviler Ungehorsam ist per Definition mehr als Demonstration und Gesprächsrunde (die z.B. die Bundesumweltminister anbietet); es ist kalkulierte Regelverletzung symbolischen Charakters, die durch ihre Illegalität auf die Dringlichkeit des vertretenen Anliegens hinweisen soll. Ziel ist es, die Mehrheit durch Appelle an deren Gerechtigkeitssinn und die Einsichtsfähigkeit aufzurütteln. Und ziviler Ungehorsam richtet sich gegen „gesetzliches Unrecht“.

Das Problem ist nun aber die Frage, ob es sich z.B. bei den Laufzeitverlängerungen der Atomkraftwerke (AKW) um solches Unrecht handelt. Die Bundesregierung verneint diese und stempelt jede Aktion wie z.B. das so genannte „Castor-Schottern“ als kriminell ab. Illegal ist dieses so oder so. Ähnlich verhält es sich auch bei den Sitzblockaden. Die Polizei war nur so großmütig, die Blockierer ziehen zu lassen.

Der Ausstieg aus der Atomkraft war beschlossene Sache und wurde durch die neue schwarz-gelbe durch Laufzeitverlängerungen bestehender Atomkraftwerke ausgehebelt. Man versteht sie als Brückentechnologie. Das bedeutet, das weiterhin hochradioaktiver Atommüll anfällt, der in Zwischenlagern wie in Gorleben 40 Jahre lang abkühlen muss. Ein Endlager für diesen Müll ist weiterhin nicht vorhanden. Inzwischen hat sich die Mehrheit der deutschen Bürger gegen diese Weiternutzung gewandt. Über die Risiken der Atomkraft brauche ich mich hier wohl nicht weiter zu äußern. Viele sehen es so als unverantwortlich an, alte AKWs länger als nötig betreiben zu lassen. In meinem Augen kommt das einem „gesetzlichen Unrecht“ gleich.

Die weitere Frage ist, mit welchen Mitteln, Aktionen usw. der zivile Ungehorsam durchzuführen ist. Ich will hier nicht zum Aufruhr aufrufen, obwohl mir manchmal danach zu Mute ist. Henry David Thoreau, der den Begriff prägte, protestierte u.a. gegen die Sklavenhaltung, indem er keine Steuern mehr bezahlte. Ähnlich könnte auch bei uns gegen die weitere Nutzung von Atomstrom vorgegangen werden. Eine erste und zudem völlig legale Maßnahme wäre es, den Stromanbieter zu wechseln (weg von den Energieriesen wie Eon und RWE) bzw. auf Öko-Strom umzusteigen. Das kann natürlich nicht genügen.

Um was es mir eigentlich geht: Jeder sollte sich fragen, ob er zum Vieh gehört, das man am Wahltag zur Urne schleifen kann, um es dann abzuschlachten, oder ob es Sinn macht, gegen Entscheidungen anzugehen, die unsere Zukunft und die unserer Kinder betreffen. Die Politik muss endlich begreifen, dass sie bei Themen wie Stuttgart21 und AKW-Laufzeitverlängerungen nicht am Bürger vorbei entscheiden kann.

Und: Wer den Bürgerwillen wohlweislich ignoriert, dem sollte nicht nur die politische Rechnung (Abwahl) vorgelegt bekommen, sondern der sollte auch auf andere Weise zur Verantwortung gezogen werden können. Wie das aussehen könnte, will ich hier offen lassen.

Die Schmidts und die A.s

Hier noch ein kleiner Nachtrag zum Tode von Loki Schmidt: Ich will mich nicht anmaßen, Vergleiche zwischen Helmut Schmidt und seiner – und meiner Frau und mich anzustellen. Aber ähnlich den Schmidts, die sich schon als Kinder kennen gelernt hatten, man spricht von einer Sandkastenliebe, so kenne ich meine Frau auch schon von Kindesbeinen an. Und ebenso ähnlich pflege ich mit meiner Frau eine Partnerschaft, in der wir uns als zwei Persönlichkeiten sehen, die über die Grenzen des Familiären hinaus ihre Eigenständigkeiten wahren. Liebe ist etwas Schönes. Aber der Alltag nagt daran … Und wenn man sich nicht vorsieht, dann verbraucht sich die Liebe schnell. Was helfen kann – es ist vielleicht kein Allheilmittel, es ist aber hilfreich – ist eine gewisse Selbständigkeit in einer Beziehung, um wenigstens ein Mindestmaß an Selbstverwirklichung zu erreichen. Man kann und sollte nicht ständig ‚aufeinanderhocken’. Keine zwei Menschen sind so gleich, dass sie immer nach dem Gleichen streben. Freiräume tun einer Beziehung gut. Natürlich muss alles unter ‚einen Hut’ gebracht werden. Wenn beide Partner in ihrem Tun völlig auseinanderstreben, dann ist mit der Partnerschaft bald das Ende erreicht.

Die Schmidts waren 68 Jahre verheiratet und kannten sich über 80 Jahre. Und wenn man dem glauben darf, so gab es nur einmal einen größeren Streit zwischen beiden (sicherlich viele kleine). Das ist nur möglich, wenn man sich gegenseitig respektiert und die Ecken und Kanten des anderen akzeptiert. Wer den anderen nach seinem Bilde formen will, wird mehr zerstören als aufbauen.

Aber ich will hier nicht Lebensberater spielen. Mir kommt noch etwas anderes in den Sinn – es geht um Helmut Schmidt. Er war von 1974 bis 1982 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Von 1981 bis 1982, also in Schmidts letztem Regierungsjahr, besuchte ich die Fachoberschule im Bereich Wirtschaft und hatte u.a. das Unterrichtsfach Volkswirtschaftslehre. Ich erinnere mich daran, dass dieses Fach am Freitag in den letzten zwei Unterrichtsstunden in einem kleinen Hörsaal der Schule unterrichtet wurde. Eine Stunde bestand öfter darin, dass wir ‚große Politik’ spielten. Zum Beginn der Stunde wurden die Rollen verteilt. In der jeweiligen Rolle musste man sich von seinen eigenen politischen Vorstellungen lösen und versuchen, der Rolle zu entsprechen, was nicht immer ganz leicht war. Obwohl die Rollen zu jeder dieser Stunden tauschten, so musste ich fast immer die Rolle des Helmut Schmidt übernehmen. Es war zunächst der Fachlehrer, der insgeheim seinen Spaß daran hatte, mich als Helmut Schmidt auftreten zu sehen. Aber es war bald eine allgemeine Gaudi der Klasse, mich in dieser Rolle zu hören – und zu sehen. Ein gewisses schauspielerisches Talent muss mir schon zu eigen sein. Auf jeden Fall muss ich die Rolle überzeugend gespielt haben (und auch mit einem Hamburgischen Slang versehen haben).

Multikulturelle Gesellschaft und Leitkultur

Ist es Dummheit oder Ignoranz – oder allein politisches Kalkül, die multikulturelle Gesellschaft für gescheitert zu erklären? Was da CSU-Chef Seehofer und CDU-Chefin Merkel von sich geben, ist an Ignoranz UND Dummheit nicht mehr zu überbieten.

Wir leben in einer multikulturellen Gesellschaft und haben das immer getan. Es sind immer Menschen nach Deutschland eingewandert, so wie Deutsche ins Ausland ausgewandert sind. Das ist ein Prozess, der nicht erst seit einigen Jahrzehnten besteht. Und zusammen mit diesen Menschen aus anderen Nationen entfaltete sich auch eine kulturell vielfältige Gesellschaft. Wohin eine ‚Monokultur’ führt, sehen wir in der Landwirtschaft – sie führt zur Verödung der ‚Landschaft’!

Wenn Menschen aus anderen Nationen und auch anderen Kulturkreisen zu uns kommen, so sollten wir das als Bereicherung sehen und die Angst vor ‚Überfremdung’ ablegen. Wohin diese Angst führt, belegt die deutsche Geschichte leider zur Genüge.

Das Gerede um eine europäische, gar deutsche Leitkultur ist genauso töricht. Kommt sie zur Sprache, so ist sie auf jeden Fall nicht so eng zu fassen, wie es konservative Politiker gern tun. Wie sollte diese auch definiert sein: christlich und abendländisch oder basierend auf westlichen Wertvorstellungen?

„Die Werte für die erwünschte Leitkultur müssen der kulturellen Moderne entspringen, und sie heißen: Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft.” (Bassam Tibi) und sind unabhängig von unterschiedlichen Muttersprachen, verschiedenen Traditionen und Religionen. Wenn von einer Leitkultur gesprochen wird, so sollte sie nicht mit der Forderung nach einer Integration von Einwanderern verknüpft sein. Beides hat nichts unmittelbar miteinander zu tun. Daher ist die aktuelle Debatte um Zuwanderung und der Verweis auf eine Leitkultur schädlich und verantwortungslos.

Überhaupt Integration?! Sicherlich macht es Sinn, die Sprache eines Landes zu beherrschen, wenn man in diesem auf Dauer verweilt. Wenn ich in ein bestimmtes Land auswandere, so tue ich das auch, weil ich die Lebensweise der Menschen dort akzeptiert habe. Je länger ich bleibe, um so mehr werde ich mich um Integration bemühen. Damit muss und werde ich aber nicht meine Herkunft zu leugnen trachten. Wenn ich Kinder habe, so werde ich sie möglichst zweisprachig aufwachsen lassen. Traditionen aus meinem Mutterland werde ich genauso pflegen wie ich vielleicht die eine oder andere Traditionen des neuen Landes übernehme. Ich werde also bis zu meinem Lebensende auch mit meiner Herkunft verbunden bleiben – und meine Kinder in einem sicherlich verkleinerten Rahmen auch. Umgekehrt ist es denkbar, dass ich meine alten Traditionen mit meinen neuen Freunden pflege, die so auch deutsche Gepflogenheiten kennen und vielleicht lieben lernen werden. Vielleicht wäre Assimilation das richtige Wort.

Integration ist ein Prozess, der auf Gegenseitigkeit beruht. Integration beschreibt einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens.

Nun Europa ist in der Krise – es droht ein beispielloser Identitätsverlust, der es den europäischen Regierungen immer schwerer macht, ihre wahren Interessen zu erkennen. Da wird schnell nach Schuldigen gesucht – und gefunden. Sicherlich ist der islamische Fundamentalismus eine Gefahr, da er seinen universellen Anspruch auf Weltherrschaft nicht aufgegeben hat. Aber sind es nicht auch die europäischen Nationen samt den USA, die ihre Wertvorstellungen in jedes andere Land – ohne Rücksicht auf nationale Gegebenheiten – exportieren wollen?

Und: Gehört nicht auch der Kapitalismus zur europäischen Leitkultur? Ist nicht er mit seiner zügellosen Raffgier der Verursacher globaler Krisen und damit auch der weiterhin bestehenden Krisen bei uns?

Der jetzigen Regierungskoalition laufen scharenweise die Wähler weg. Da beruft man sich gern auf Grundwerte, die die anderen angeblich nicht vorweisen. Aber was ist das anderes als purer Populismus, als Wählerfang nach der Methode des Rattenfängers von Hameln. Noch drei Jahre will diese Regierung weiterwerkeln? Das kommt für mich einer Zumutung gleich.

Wie im falschen Film …

In diesen Tagen komme ich mir vor wie im falschen Film, genauer: wie in die 60er Jahre zurückversetzt. Sicherlich lässt sich der 2. Juni 1967, als bei einer Demonstration gegen den Staatsbesuch des iranischen Schahs der Student Benno Ohnesorg von einem Polizisten erschossen wurde und sich die Studentenbewegung daraufhin radikalisierte, nicht mit dem 30 September 2010 vergleichen, als jetzt Gegner des Bahnhofneubaus Stuttgart 21 von der Polizei niedergeknüppelt wurden. Wenn die Politik jetzt aber nicht reagiert und weiterhin die Protestbewegung lediglich zu diffamieren sucht, dann wird sich diese über Stuttgart hinaus ausdehnen. Denn es geht nicht mehr allein um Stuttgart 21, es geht um unsere Demokratie und was wir Bürger und was die Politik darunter versteht.

Erstaunlich finde ich zunächst, wie sehr die jetzige schwarz-gelbe Koalition in Berlin an Zuspruch verloren hat. Wären jetzt, ein Jahr nach der letzten Bundestagswahl, erneut Wahlen, Frau Merkel und Herr Westerwelle dürften ihre Hüte nehmen. Das ist aber auch kein Wunder, denn mir (und eben nicht nur mir) erscheint diese Bundesregierung weniger Vertreter der Bürger zu sein als Vertreter industrieller Interessen (Stichwort: Lobbyismus).

Richten wir einen Blick zurück: Da bekommt die FDP satte Spendengelder von der Hotelbranche und lässt im Gegenzug den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen senken. ‚Natürlich’ besteht zwischen beidem kein Zusammenhang, aber wer glaubt Ihnen das, Herr Westerwelle?!

Dann das Gerangel um die Gesundheitsreform mit dem Ergebnis einer unausgegorenen Reform à la Rösler. Oder die Wahl von Herr Wulff zum Bundespräsidenten. Hat man da dem Wählerwillen entsprochen? Wohl kaum!

Höhepunkt ist aber der Kuhhandel zwischen Bundesregierung und Atomindustrie. Die Laufzeitverlängerungen der Atommeiler spült viel Geld in die Kassen des Finanzministers und man faselt von ‚Brückentechnologie“, die laut Frau Merkel die Atomkraft über das Jahr 2020 hinaus notwendig macht. Nur wohin führt diese Brücke, wenn man im gleichem Zuge Kürzungen bei der Unterstützung der erneuerbaren Energien vereinbart. Der Ausstieg war beschlossene Sache und wurde auch von der Atomindustrie akzeptiert – natürlich mit dem Hintergedanken, dass unter einer schwarz-gelben Regierung der Ausstieg vom Ausstieg zu bewerkstelligen wäre, was jetzt geschehen ist. Kommt dann spätestens in drei Jahren der Ausstieg vom Ausstieg vom Ausstieg?

Man mag mir vergeben, aber diesen Atomdeal finde ich weitaus schlimmer als den Neubau eines Bahnhofs in Stuttgart. Da eine langfristige Entsorgung des Atommülls nicht gewährleistet werden kann (und das kann sie nicht), solange ist jede weitere Nutzung dieser Energiequelle ein Frevel gegen Natur und zukünftige Generationen – zumal eine alternative Energieversorgung möglich ist.

Zu Stuttgart 21: Ähnlich wie 1967 (und da sehe ich Parallelen), als der persische Schah Deutschland besuchte, so könnte auch jetzt ein eher nebensächliches Ereignis Auslöser für ein politisches Umdenken in ganz Deutschland werden.

Das Vorgehen der Polizei letzten Donnerstag war ‚unverhältnismäßig’, wie man so schon sagt – ich meine brutal und einem Rechtsstaat nicht angemessen. Auch hier gibt es Parallelen zu 1967. Wenn es auch kein Todesopfer in Stuttgart gab, so wurden doch einige sehr schwer verletzt; mindestens ein 66jähriger Mann wurde durch den Strahl eines Wasserwerfers so schwer verletzt, sodass er für immer erblindet sein wird. Die Rechtfertigungsversuche der Politik ähnelten auch denen der in den 60er Jahren und sind kaum an Lächerlichkeit zu überbieten (wie sehr entblöden sich da Politiker wie der Innenminister von Baden-Württemberg Heribert Rech, CDU, oder der Justizminister Ulrich Goll, FDP). Sicherlich hat Bahnchef Grube ein Recht auf Meinungsäußerung. Aber seine Äußerungen tragen nicht dazu bei, den Konflikt zu entschärfen. Zudem ist er auch als Bahnchef nicht in der Position, das Widerstandsrecht der Bürger zu definieren. Übrigens war er einst als Vertrauter von Jürgen Schrempp (jahrelang Vorstandsvorsitzender der Daimler-Benz AG und der DaimlerChrysler AG, der heutigen Daimler AG) und mit diesem Befürworter der heute stark kritisierten und wieder beendeten „Welt-AG“ bei Daimler – einem Loch, in dem Milliarden versickerten!


heute-show: Schlacht im Schlossgarten

Inzwischen reagiert die Politik moderat. Aber das Bauprojekt Stuttgart ist durch die Instanzen gegangen und von der Politik abgesegnet worden. Ein endgültiger Baustopp ist nicht vorgesehen. Wie es weitergehen wird (im März sind Wahlen in Baden-Württemberg), weiß vorerst keiner zu sagen. Aber eines ist sicher: Bei solchen Großprojekten geht es in Zukunft nicht mehr ohne die Beteiligung der Bürger – ähnlich wie bei uns in Tostedt: Die Politik plante den Neubau des Rathauses – durch den ‚Druck der Straße’ wurde dieses Projekt inzwischen zurückgenommen.

Wird der 30. September 2010 zu einem historischen Datum? Es liegt an uns Bürger und Wähler. Am 27. März 2011, also in weniger als einem halben Jahr, findet die Landtagswahl in Baden-Württemberg. Die jetzige Landeregierung steckt mitten in einem Dilemma. Will sie Nägel mit Köpfen machen, dann wird sie Stuttgart 21 soweit vorantreiben, dass das Projekt bis dahin unumkehrbar sein wird. Sie riskiert damit aber endgültig, im nächsten Jahr abgewählt zu werden.

siehe hierzu auch: Die hohle Geste des Herrn Mappus

Bis zur nächsten Bundestagswahl sind es noch drei Jahre. Bis dahin fließt noch viel Wasser die Spree hinunter. Darauf hoffen Merkel und Westerwelle. Wer aber gegen die gegenwärtige Klientelpolitik der Bundesregierung ist, der wird dieser spätestens dann den verdienten Denkzettel verpassen. Ich hoffe, ich bin dann wieder im richtigen Film!

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 25

Demokratie mit dem Gummiknüppel?

Das eigentliche Thema hieß mal: neuer Bahnhofsbau in Stuttgart. Durch den überharten Polizeieinsatz von letzter Woche ist darauf eine Grundsatzdebatte zum Thema Demokratie geworden. Irgendwie erinnert mich das an alte Zeiten, als jeglicher Protest der Straße von der Politik diffamiert wurde.

Schon in den fünfziger Jahren entstanden in der Bundesrepublik Bewegungen, die sich gegen umstrittene Entscheidungen von Regierung und Parlament formierten. Der Protest gegen die Atombewaffnung, gegen die Wiederbewaffnung und gegen die Notstandsgesetze waren Massenbewegungen, die nur durch ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Kirchen, Wissenschaftlern und auch ein paar Studenten überhaupt möglich wurden. Alle Parteien standen diesen Initiativen skeptisch bis ablehnend gegenüber, die „außerparlamentarische Opposition“ gab es lange vor 1968.

Verrückte Torjubler noch nicht am Ende

In skandinavischen Ländern ersinnt man immer wieder Kuriositäten. Ich denke an Finnland und den Gummistiefel- und Handyweitwurf. Manches davon wird wohl in den sehr langen Winternächten kreiert. Aus Island kommt nun eine besondere Art des Torjubels …

Ein Tag im Jahr 2014

Wie sehen die Bildschirme der Zukunft aus, wie leben wir mit Ihnen? Die schwedische Softwarefirma TAT hat einen Blick in die Glaskugel geworden. Faszinierend. Oder erschreckt Sie das?

Christophe Huet, Fotograf?

Fotos? Eine in jeder Hinsicht beeindruckende Sammlung von Bildern findet sich auf der Homepage des in Paris beheimateten Christophe Huet. Die gestalterische Vielfalt der Motive ist beeindruckend. Neben dramatischen Effekten, die sich immer wieder in den Bilder finden lassen, ist es vor allem das Spiel mit Formen, Proportionen und den Naturgesetzen.

Fidel Castro: Zweifel am Lebenswerk

Revolutionsführer Fidel Castro zweifelt an seinem politischen Lebenswerk. Der von ihm erkämpfte Sozialismus funktioniere nicht, sagte er im US-Magazin „The Atlantic“. Und er nahm bei der Gelegenheit auch eine seiner umstrittensten außenpolitischen Positionen mit einer Breitseite gegen den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad zurück. Castro kritisierte Ahmadinedschad für die Leugnung des Holocaust.

Fidel wolle seinem Bruder und Präsidenten Raúl Castro den Raum für Reformen schaffen, analysierte die Kuba-Expertin Sweig weiter, „damit dieser die notwendigen Reformen angesichts des sicheren Widerstandes der orthodoxen Kommunisten in Partei und Bürokratie in die Wege leiten kann.“

Kuba: Eigenständig im Sozialismus

Geert Haiditler Wilders vor Gericht

Eine Partei, geführt von einem rechtspopulistischen Politclown, mit einem politischen Programm, das sich lediglich auf eine islamfeindliche Haltung gründet, schafft es, in den bisher als besonders freiheitlich geltenden Niederlanden 1,5 Millionen Wähler hinter sich zu bringen. Jetzt sieht dieser zum Vollpfosten des Tages gewählte Herr Wilders die Meinungsfreiheit, seine Meinungsfreiheit gefährdet, weil er sich wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung vor Gericht zu verantworten hat. Allein seine Fratze zu sehen, bereitet mir Übelkeit: Erbärmlich …!!!

Merkel und die Atomlobby

Macht mit beim Protest! Kommt zur Demo am 18. September nach Berlin! Aufruf zum „Heißen Herbst“!

Die schwarz-gelbe Koalition hat eine Laufzeitverlängerung für alle 17 deutschen Atomkraftwerke beschlossen. Der Vertrag über den Atomausstieg, den die vier großen Energiekonzerne vor zehn Jahren unterschrieben haben, wurde gebrochen. Sogar bis ins Jahr 2050 könnten danach AKW in unserem Land weiter laufen. Selbst die ältesten, hochgradig störanfälligen Schrottmeiler sollen mindestens acht Jahre länger laufen. Damit haben Merkel, Westerwelle, Röttgen und Seehofer unsere Zukunft an die Atomlobby verkauft. Die Bundeskanzlerin hat einen schmutzigen Deal mit RWE, E.ON und Co. gemacht, der den Konzernen Milliarden in die Kassen scheffelt. Dieser Deal ist ein energiepolitisches Fiasko.

Die Laufzeitverlängerung ist ein Ablasshandel auf Kosten der Sicherheit. Das Risiko der Bevölkerung wird erhöht, dafür bekommt die Bundesregierung 15 Milliarden Euro. Das sind nicht einmal 13 Prozent der Gewinne von RWE, E.ON und Co. Dafür dürfen die Atomkonzerne Deutschland ihr Geschäftsmodell aufzwingen: Kohle und Atommonopol im Innern, Verdrängung der erneuerbaren Energien ins Ausland.

Die Laufzeitverlängerung lässt uralte Schrottreaktoren bis zu 50 Jahre am Stück laufen. Schon heute wäre keines der 17 deutschen Atomkraftwerke mehr genehmigungsfähig! Und schon gar nicht sind sie gegen Flugzeugabstürze gesichert.

Die Laufzeitverlängerung vermehrt die Menge des Atommülls um jährlich rund 400 Tonnen. Der radioaktive Müll in den Zwischenlagern wird durch die Laufzeitverlängerung verdoppelt, daher müssen an allen Zwischenlagern neue Genehmigungsverfahren her – denn ein Endlager ist bis heute nicht in Sicht.

Die Laufzeitverlängerung bremst die erneuerbaren Energien aus. Nach den Gutachten der Bundesregierung wird sich der Zuwachs an erneuerbarer Energie von heute jährlich 5.185 Megawatt (MW) auf 3.448 MW vermindern, wenn AKWs länger laufen. 2020 wird es 21 Prozent weniger Wind, Wasser und Solarstrom geben, als ohne Laufzeitverlängerung.

Die Laufzeitverlängerung mindert die Energiesicherheit. Nach den Gutachten der Bundesregierung wird Deutschland von einem Stromexportland zu einem Stromimportland. Bis zu 31 Prozent des deutschen Stroms müssten 2050 aus dem Ausland importiert werden.

Die Laufzeitverlängerung nützt ausschließlich den Atomkonzernen RWE, E.ON und Co. Jedes Jahr Verlängerung bringt bis zu 10 Milliarden Euro Zusatzgewinne. Letztlich geht die jetzt beschlossene Verlängerung sogar um Jahre über das hinaus, was die Konzerne seinerzeit bei den Verhandlungen über den Atomkonsens von der rot-grünen Koalition gefordert hatten.

Die Laufzeitverlängerung zementiert die Marktmacht der vier Stromoligopolisten. Konsequenz für alle Verbraucher: Weniger Wettbewerb heißt höhere Preise. Die Laufzeitverlängerung ist verfassungswidrig, weil sie ohne Zustimmung des Bundesrates nicht in Kraft treten kann – genau dies versucht die schwarz-gelbe Bundesregierung aber.

Die GRÜNE werden gegen diesen Irrsinn vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Und sie werden
ihn spätestens dann rückgängig machen, wenn sie im Bund wieder Regierungsverantwortung tragen. Doch auch Du kannst etwas tun. Zeig Merkel & Co. auf der Straße, dass sie Politik gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung machen!

Kommt mit am 18. September nach Berlin und demonstriert gegen die Atom-Koalition!

aus: Faltblatt Bündnis 90/Die Grünen

Kontakt:
Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin

www.gruene.de/antiatom

Das Geheimnis der Freiheit

Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden. So ähnlich äußerte sich Rosa Luxemburg. Freiheit hat aber auch seine Grenzen, nämlich dort, wo es die Freiheit anderer beschneidet. Freiheit lässt sich auf viele Arten definieren, so gilt sie als Freiheit der Rede, Freiheit Gott auf eigene Weise zu verehren und auch als Freiheit von Not.

Wenn gerade Politiker das hehre Wort von Freiheit in den Mund nehmen, werde ich hellhörig, da meine Skepsis geweckt ist. Jetzt hat trotz geballter Proteste von Muslimen Kanzlerin Angela Merkel den dänischen Mohammed-Karikaturisten Kurt Westergaard für seine unbeugsame Haltung ausgezeichnet. Es geht um Pressefreiheit – aber eben auch um Religionsfreiheit. Im Fall der Mohammed-Karikaturen berühren sich beide auf ‚unheilvolle’ Weise.

Frau Merkel sieht im Mut „das Geheimnis der Freiheit“. Mut, sich zu äußern, wenn es andere nicht tun. Und es ist sicherlich angebracht, solchen Mut auszuzeichnen. Im vorliegenden Fall halte ich das aber für sehr bedenklich. Muss eine Person ausgezeichnet werden, die ihre Meinung bildlich geäußert hat (so viel Mut gehört zunächst nicht dazu)? Die dafür aber auch in Kauf genommen hat, Millionen Menschen in ihrem Glauben zu beleidigen?

Die Kehrseite der Medaille: Westergaards Zeichnung zeigt Mohammed mit einer Bombe als Turban. Die Veröffentlichung der Karikatur sowie der von Kollegen war 2005 als Provokation empfunden worden und hatten weltweit gewaltsame Proteste von Muslimen ausgelöst. Westergaard wird von radikalen Islamisten mit dem Tode bedroht und steht seit fünf Jahren unter Polizeischutz.

Herrn Westergaard ist freie Meinungsäußerung zuzugestehen. Die Reaktionen darauf offenbaren die gewaltbereite Haltung von fundamentalistisch-religiösen Islamisten. Aber seine Karikaturen beleidigen auch gemäßigte Moslems, so wie sicherlich auch Karikaturen des Papstes katholische Gläubige beleidigen würden.

Frau Merkel windet sich einmal wieder wie ein Aal, wenn sie sagt: „Egal, ob wir die Karikaturen geschmackvoll finden oder nicht, ob wir sie für nötig oder hilfreich halten – oder eben nicht.“ Dies widerspreche keinesfalls der Tatsache, dass Europa auch ein Ort sei, an dem Freiheit und Religion ein hohes Gut seien.

Sicherlich hat Freiheit nicht unbedingt etwas mit Geschmack zu tun, denn geschmackvoll sind diese Zeichnungen nicht. Karikaturen sind nun einmal überzeichnete Bilder, Zerrbilder, die es auf einen bestimmten Punkt absehen, der im Betrachter den Kontrast zur Realität, den Widerspruch aufzeigen soll. So sind Karikaturen in der Regel beleidigend.

Karikaturen können auch Öl sein, das ins Feuer gegossen wird. Westergaards Zeichnungen sind solches Öl und verursachten einen Flächenbrand, der bis heute nicht gelöscht ist. Ich frage mich deshalb, ob so etwas sein muss. Muss bewusst provoziert werden, nur um offen zu legen, dass die ‚Angesprochenen’ in dargestellter Weise gewalttätig sind? Darf ich riskieren, dass sich gemäßigte mit radikalen Kräften solidarisieren? UND: Muss man das dann noch auszeichnen – mit dem Verweis auf Freiheit?

Apropos Freiheit, Presse- und auch Rundfunkfreiheit. Gab es da nicht den Fall Nikolaus Brender, ehemals Chefredakteur des ZDF? Die hehren Worte von Freiheit aus Politikermund erweisen sich wie so oft als zwiespältig. Als es um die Vertragsverlängerung für Herrn Brender ging, nahm ein gewisser Roland Koch maßgeblich Einfluss auf das Geschehen, sodass sicherlich zurecht von parteipolitischer Einflussnahme im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gesprochen wurde – oder von parteipolitischen Seilschaften, die nach parteipolitischen Kriterien Journalistenposten bestimmen.

Zurück zur Preisverleihung: Frau Merkel verurteilte in diesem Zusammenhang die Ankündigung radikaler Christen in den USA, den Koran öffentlich zu verbrennen. „Das ist schlicht respektlos. Abstoßend – einfach falsch.“ Sie tut gut daran, das zu sagen, obwohl ich einen unmittelbaren Zusammenhang nicht erkennen kann, es sei denn, sie rügt hier falsch verstandene Freiheit. Nur soviel: Es macht wenig Sinn, Herrn Westergaard mit diesen so genannten Christen in einen Topf zu werfen.

Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden. Freiheit ist allein daher schon nicht grenzenlos. Sie gebietet Rücksichtnahme, wenn auch nicht faulen Kompromiss. Freiheit lässt sich nicht verbiegen oder bestimmten Situationen anpassen. Und Freiheit lässt sich nicht feiern, nicht so, Frau Merkel!

Liebe Amerikaner, verbrennt eure Kalorien – nicht den Koran!
Dear Americans, you need to burn Calories, not Quran

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 24

Fischermann googelt Fischermann

Das Problem ist nicht neu. Aber dank dem Trara um Google Street View allerorts in den Medien ist es nun fast jedem Bürger bewusst geworden: Das Internet dringt in die Privatsphäre ein.

Und so sucht sich ein Mensch selbst im Netz: Warum sich lauter harmlose Daten zu einem erschreckend vollständigen Bild fügen – ein Selbstversuch von Thomas Fischermann.

Die Duckomenta

Dank an @FrauKulli, deren Avatar bei Twitter aus dem Entensortiment stammt („Daher der Name Bratkartoffel!“). Zumindest FrauKulli wird wissen, wovon hier die Rede ist.

Nordkorea nutzt YouTube und Twitter

Das kommunistische Regime in Pjönjang will seine Propaganda künftig auch via Internet verbreiten. Unter dem Benutzernamen „uriminzokkiri“ hat es u.a. auf YouTube bereits mehr als 200 Videos hochgeladen. Ob wir damit viel anfangen können? Der Twitter-Account @uriminzok hat bereits über 1000 Follower. Uriminzok heißt so viel wie „Unsere Nation“.

Warum Schokolade immer teurer wird

Zocken mit Rohstoffen: Kakao wertvoll wie Gold, Weizen knapp und teuer – das geht nicht unbedingt aufs Konto von Produzenten und Herstellern. Spekulanten stecken hinter dem Preisanstieg: Sie haben Rohstoffe als Gewinnmaschine entdeckt.

Einzigartige Unterwasserbilder

Gerade die Unterwasserwelt offenbart sich uns in atemraubenden Bildern. Aber im Grunde gilt auch hier: Fressen und Gefressenwerden. Hier nun wirklich 27 unvergessliche Fotografien, die uns die Schönheit der Natur nahe bringt.

Wie viele neue Rathäuser braucht das Land?

Vor genau einer Woche weilte ich mit meinen beiden Söhnen auf einer kurzen Rheinreise in Königswinter. Was wir dort in einem Fenster in der Altstadt von Königswinter erblickten, brauchte uns dann wahrlich zum Lachen:

Initiative: KEIN Rathausneubau in Königswinter!
Wenn’s dem Esel zu gut geht …
… will er ein neues Rathaus bauen.

Also nicht nur in der Samtgemeinde Tostedt (Erweiterungsbau Rathaus Tostedt) kämpft eine Bürgerinitiative gegen einen kostspieligen Rathausneubau. Übrigens: Wahrscheinlich im Herbst wird es zu dem Bürgerbegehren in Tostedt kommen, da der Samtgemeinderat nicht gewillt ist, seinen Beschluss vom 09.03.2010 zurückzunehmen. Die Politiker hoffen insgeheim darauf, dass das Bürgerbegehren scheitert, da mindestens 25 % der wahlberechtigten Bürger für das Begehren stimmen müssen. Wir werden sehen!