Kategorie-Archiv: Glotzkiste

Neues und Altes im Kino & TV

Das Gitarrenduell: Crossroads – Pakt mit dem Teufel

Es ist eigentlich die alte Geschichte, die wir von Faust her kennen: Ein Mann verkauft seine Seele an den Teufel, um sich einen bisher unerfüllten Wunsch zu erfüllen. Willie, ein schwarzer Bluesharp-Spieler, ist ein alter Mann und lebt in einem Altenheim für Strafgefangene. Eugene ist ein junger Musiker. Beide verbindet die Liebe zum Blues. Auf der Suche nach einem verschollenen Song von Blueslegende Robert Johnson kommen beide zusammen. Willie möchte zurück zu der Wegeskreuzung, an der er als Jugendlicher seine Seele an den Teufel verkauft hatte, um von ihm den Blues zu lernen.

Schließlich gelangen beide zu der Wegeskreuzung, wo sie auf einen Mann namens Legba (Hüter der Wegeskreuzungen aus der Voodoo-Religion) treffen. Willie verlangt von Legba, dass er den Vertrag rückgängig macht, damit er seine Seele retten kann. Dieser bietet ihm einen Wettstreit an. Eugene soll sich mit einem anderen Gitarristen duellieren. Sollte er gewinnen, erlischt der Vertrag mit Willie. Sollte er verlieren, muss auch Eugene seine Seele dem Teufel versprechen.

Es geht um den Film „Crossroads“ aus dem Jahre 1986 in der Regie von Walter Hill. Die Filmmusik stammt (zum größten Teil) von Ry Cooder, der auch schon bei vielen anderen Filme für die Musik verantwortlich zeichnete. Also doch schon wieder Ry Cooder und wieder der Blues (Zu den Wurzeln des Blues).

Der andere (namenlose) Gitarrist ist kein anderer als Steve Vai, der in der 80er Jahren lange Zeit als „Stunt-Gitarrist“ (O-Ton Zappa) bei Frank Zappa spielte und jetzt auch im Projekt „Zappa plays Zappa“ zu sehen und zu hören ist (siehe auch: Nachtrag zur Grammy-Verleihung 2009).

Steve Vai spielte für den Soundtrack beide Gitarrenparts des Duells ein, nur der Slidegitarrenpart wurde von Ry Cooder aufgenommen. Der Schauspieler Ralph Macchio (Eugene) war zwar auch Gitarrist und spielte während der Filmaufnahmen die zuvor aufgenommenen Stücke nach, seine Aufnahmen wurden jedoch nicht verwendet.

Das Stück, mit dem Protagonist Eugene am Ende das Duell gegen den Gitarristen des Teufels gewinnt, ist als Eugene’s Trick Bag berühmt geworden. Bekannt ist vor allem das Bending (Dehnen der Saite) in die Tonlage eines imaginären 29. Bundes einer Gitarre.

Tabulatur: Eugene's Trick Bag aus Crossroads

(wenn es mit dem Bending nicht klappt, soll man beim letzten Ton die Saite gegen den Tonabnehmer drücken bzw. „… fretting the string against the bridge position pick-up on a Tele …)


Gitarrenduell aus “Crossroads” 1986 (Steve Vai versus Ry Cooder)

Film-DVD Crossroads – Pakt mit dem Teufel

Musik-CD von Ry Cooder Crossroads

Oh, wie schön ist Panama

Es ist eines der bekanntesten, aber auch eines der schönsten Kinderbücher, die ich kenne: Oh, wie schön ist Panama von Janosch. 1979 erhielt Janosch dafür den Deutschen Jugendbuchpreis. Eigentlich kauft man sich im zarten Alter von Mitte zwanzig Jahren keine Kinderbücher, es sei denn für die eigenen Kinder. Vor dreißig Jahren kam ich aber nicht umhin, das Buch MIR zu kaufen.

1985 und 1989 wurden dann seine Kindergeschichten als Janoschs Traumstunde fürs Fernsehen (WDR) produziert und meine Frau und ich kamen dank Kabelfernsehen in den Genuss die jeweils halbstündigen Traumstunden aufzunehmen und zu sehen. Und als dann unserer beiden Jungen geboren wurden und alt genug waren, so guckten wir gemeinsam manchen frühen Abend die Geschichten vom Tiger und Bären, von Hannes Strohkopf und Lukas Kümmel (man beachte die Vornamen) – und natürlich von Schnuddelbuddel, dem kleinen Kobold.

Beim Aufräumen bin ich jetzt auf die inzwischen auch schon zwanzig Jahre alten VHS-Kassetten mit den Janosch-Geschichten gestoßen und habe mich in einer Mußestunde (oder Traumstunde) daran gemacht, einiges davon auf meinen Rechner zu spielen. Neben „Oh, wie schön ist Panama“ sind es die Geschichten von Schnuddel (bzw. Schnuddelbuddel), die besonders meinem Ältesten immer sehr gefallen haben (hierzu später einmal mehr). Hier zunächst also die Geschichte vom Tiger und dem Bären, die sich auf den Weg nach Panama machen. Ich musste eine kleine Szene von wenigen Sekunden herausschneiden (als die beiden Freunde die Maus nach dem Weg fragen), damit YouTube mit seiner Beschränkung auf 10 Minuten Videolänge befriedigt wurde:


Janoschs Traumstunde: Oh, wie schön ist Panama

Von diesem Video gibt es bei YouTube übrigens auch eine englische Version: The Trip to Panama. Wie es der Zufall so will, sind Ende des letzten Jahres alle 43 Folgen von der TV-Produktion Janoschs Traumstunde auf insgesamt 4 DVDs (Laufzeit: ca. 718 Min – zum Preis vom 35 €) auf dem Markt erschienen. Wer also Appetit auf Janoschs phantasievolle Geschöpfe bekommen hat, hier gibt es viel zu sehen.

Übrigens gibt es von dieser Panama-Geschichte einen abendfüllenden Film, der in Deutschland 2006 entstand, aber von einer amerikanischen Filmfirma vertrieben wurde. Sicherlich mag dieser Film ganz lustig sein (Til Schweiger spricht z.B. den kleinen Tiger) und weitere Janosch-Figuren ‚aufgenommen’ haben. Aber er hat einfach nicht diesen außergewöhnlichen Charme der Vorlage. Und am Ende kommen der Tiger und der Bär auch nicht wieder zuhause an, sondern erreichen tatsächlich Panama. Damit verliert die Geschichte ihre ursprüngliche Botschaft.

WebTV

Die schnellen DSL-Leitungen machen es für viele möglich: WebTV, d.h. aus dem Internet heraus Fernsehen gucken. Neben einer TV-Karte im Rechner (damit kann man z.B. über Kabelanschluss das laufende TV-Programm auf dem PC anschauen und auch in verschiedenen Videoformaten abspeichern) bietet das Internetfernsehen ein riesiges Angebot.

Videos beim Internet-TV werden in der Regel als Streams (Datenstrom) über das weltweit zugängliche Internet übertragen. Da die eingehenden Daten nicht alle zwischengespeichert werden können, ist immer nur ein Ausschnitt der Daten bekannt. Streams sind so als Download nicht verfügbar. Allerdings lassen sich viele Streams mit Hilfe des Real Players herunterladen (manchmal als Flash-Video, meist aber im Real-eigenem IVR-Format, das sich allerdings nicht für die Weiterbearbeitung, z.B. Konvertierung in andere Videoformate „eignet“).

Nun, die meisten deutschen TV-Sender bieten so genannte Mediatheken an, vorn weg die beiden großen Sender öffentlich-rechtlicher Art. Besonders das ZDF bietet neben vielen Kurzvideos auch die Möglichkeit, verpasste TV-Sendungen, die vom ZDF produziert wurden (bis hin zu Spielfilmen), am PC nachträglich anzuschauen: ZDFmediathek. Bei der ARD ist das Angebot noch nicht so groß: ardmediathek.

Auch die TV-Zeitschriften ‚ebnen’ den Weg Richtung WebTV. So findet man bei der TV-Movie viele Links zu WebTV-Angeboten – teilweise sogar mit der Möglichkeit des direkten Downloads. Bei movies.msn.de kann man sich ganze Filme angucken.

Mission Accomplished: Neuer Job für W.

Seit gestern ist George W. Bush ohne Job. Mission accomplished – Mission ausgeführt?! Also was tun? In seiner Amtszeit zeigte sich, dass er zu mehr als nur zum US-Präsidenten taugt. So hat zdf.de aus der Vielzahl seiner Talente die herausgesucht, die wohl am besten zu ihm passen: Jobvorschläge für W. – Brezelbäcker, Masseur?

Oliver Stones's W

übrigens: Am kommenden Freitag, den 23.01., zeigt der TV-Sender Pro7 ab 22 Uhr 25 Oliver Stones erst im letzten Jahr verfilmtes George W. Bush-Portrait: W.

Nachtrag: zdf.de bietet eine überhaupt nicht autorisierte Biografie des George W. Bush: Being W (Video – 90 Min.)

Zu blöd: Til Schweigers 1 ½ Ritter

Wenn Til Schweiger die prominenten Schauspieler Deutschlands ruft (ob mit Migrationshintergrund oder ohne – wer den Film gesehen hat, weiß wie ich das meine), dann folgen sie willig. Nach dem Erfolg von „Keinohrhasen“ (mit über 6 Millionen Zuschauern Deutschlands erfolgreichster Film 2008) drehte Til Schweiger wieder eine Komödie: „1 ½ Ritter – Auf der Suche nach der hinreißenden Herzelinde“, um mit diesem Film mittelalterlichen Frohsinn zu verbreiten. Es kam lediglich mittelalterlicher Blödsinn heraus.

Mit schwerer Ritterrüstung und Prinz-Eisenherz-Frisur stolpert Schweiger in seiner vierten Regiearbeit ständig über vergeigte Pointen und ein Drehbuch, das einfallsloser kaum sein kann. Da helfen auch die ganzen Promis nichts: der Film geht gewaltig in die Hose.

Wenn noch etwas erträglich ist an diesem Film, dann die etwas längeren Passagen mit dem türkischstämmigen Möchtegern-Ritter Erdal (Rick Kavanian) oder die Sequenz mit dem wahren schwarzen Ritter und seiner basis-demokratischen Gesellschaft. Aber das kann z.B. den anfänglichen Auftritt der New Kids on the Block (plötzlich wähnte ich mich im falschen Film) oder den von Herrn Roberto Blanco („Ein bisschen Spaß muss sein!“ – wirklich?) kaum kompensieren.

„Das Schwert muss aber am Eingang abgegeben werden!“, heißt es an einer Stelle des Films. Der Zuschauer sollte sein Gehirn an der Kasse abgeben, um nach überstandener Filmvorführung ohne größere Schäden den Heimweg antreten zu können. Am Besten erst gar nicht ins Kino gehen, man erspart sich Zeit, Geld und Ärger mit sich selbst (Warum musste ich mir diesen Schwachsinn angucken?).

Was Sie schon immer über Sex wissen wollten

Morgen am Samstag gibt es auf dem TV-Sender VOX am 20 Uhr 15 einen Spielfilm über das Leben von Alfred Kinsey, dem US-amerikanischen Zoologen und Sexualforscher: Kinsey – Die Wahrheit über Sex. Im Begleittext zum Film heißt es: Nie wurde klüger über Sex geredet.

Alfred Charles Kinsey (* 23. Juni 1894 in Hoboken, New Jersey; † 25. August 1956 in Bloomington, Indiana) war ein US-amerikanischer Sexualforscher, der als erster statistische Erhebungen über das Sexualverhalten von Frauen und Männern durchführte. Seine 1948 und 1954 veröffentlichten Berichte, die so genannten Kinsey-Reports, führten zu einem heftigen Meinungsstreit und werden von vielen als der Auslöser der sexuellen Revolution in den 1960er Jahren angesehen.

Ich erinnere mich noch, wie ich als Jugendlicher (auf der Suche nach Literatur über unsere allzu menschliche Sexualität) auf einen dieser Kinsey-Reports gestoßen (sic!) bin. Meine Erinnerung ist zwar nur dunkel, aber es war schon ziemlich interessant, wenn auch sehr wissenschaftlich verfasst.

Spermium trifft Eizelle

1972, ich war gerade 18 Jahre alt geworden, gab es von und mit Woody Allen in den Kinos den Film mit dem verheißungsvollen Titel: Was Sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten (Everything You Always Wanted to Know About Sex, But Were Afraid to Ask). Nun die Antworten darauf waren natürlich satirischer Art und haben mich und meine Freunde zum Lachen gebracht. Später, im Fernsehen, sah ich den Film mindestens ein weiteres Mal. Er ist schon sehr amüsant (u.a. Woody als neurotisches Spermium).

Aber komme ich noch einmal kurz auf den Kinsey-Report und seinen Verfasser zurück. Aus wissenschaftlicher Sicht muss man heute Alfred Kinsey sicherlich zu recht den Vorwurf fehlerhafter Methodik machen. Zudem hat er die menschliche Sexualität zu funktional nur mit dem kalten Blick des Zoologen beschrieben. Auch trieb sein Wissenshunger immer seltsamere Blüten: Um zu klären, ob Sperma im entscheidenden Moment spritzt oder tröpfelt, ließ er 2000 Männer aufreibende Arbeit vor der Kamera verrichten. Jeder Proband erhielt drei Dollar Aufwandsentschädigung. „Zu Forschungszwecken“ wurde er selbst immer experimentierfreudiger und begann ein Verhältnis mit einem Assistenten. Aber ohne Zweifel sind die sexuelle Befreiung der Frau und die Streichung von Homosexuellen-Paragrafen in vielen Ländern der Welt im Wesentlichen auch sein Verdienst.

Die Erforschung der menschlichen Sexualität samt sexueller Aufklärung hat mit Kinsey (Freud nicht zu vergessen) erst ihren Anfang genommen. Aber es sind natürlich längst nicht nur Wissenschaftler (und pubertierende Jugendliche), die sich für Sex interessieren. Oder? Das Internet macht es möglich, sich seinen Gelüsten gemäß die notwendigen ‚Zutaten’ zu besorgen, meist anonym, oft auch kostenlos. Aber so genau will ich es hier nicht wissen.

Es gibt natürlich auch „Seriöses“ zum Thema Sex (bzw. Sexualität), u.a. jede Menge Nachschlagewerke zu diesem Thema in Internet. Wer mag, kann z.B. bei google.de suchen (zu Lexikon Sexualität finden sich schlappe 1.360.000 Einträge – zu Sexualität werden es dann schon 4.070.000 und allein zu Sex 721.000.000). Hier nur zwei Links, die zur Lifestyle-Site eines größeren deutschen Wochenmagazins bzw. zu einer Rubrik „Vermischtes“ einer überregionalen Tageszeitung verzweigen.

stern.de: Liebes-Lexikon – Was Sie schon immer über Sex wissen wollten
welt.de: 333 Fakten über Sex

„Die Toten Hosen“ in der Midlife Crisis?

Kurz vor Weihnachten besucht mein großer Sohn ein Konzert der „Toten Hosen“ in Bremen. Rechtzeitig zu Weihnachten beschert uns die Gruppe ein neues Album, das erste Studio-Album nach vier Jahren: In aller Stille (Das wieder ‚was mit den „Toten Hosen“ läuft, vermeldet auch der Anstieg der Videoaufrufe bei youtube).

Dem nicht genug ist Campino, der Toten Hosen-Frontmann, seit dem 20.11. im neuen Wim Wenders-Film in der Hauptrolle zu bewundern: Palermo Shooting, dem deutschen Film-Comeback Wim Wenders’.

In „Palermo Shooting“ spielt Campino den ausgebrannten Star-Fotografen Finn, der auf skurrile Weise dem Tod begegnet. Schlaflos, hastig und oberflächlich bewegt sich der Düsseldorfer Promi-Fotograf Finn durch die Mode- und Kunstszene. Sein Handy klingelt pausenlos, ein Shooting jagt das nächste. Er leidet unter Schlaflosigkeit. Erst als er bei einer nächtlichen Heimfahrt beinahe tödlich verunglückt, merkt Finn, dass er etwas in seinem Leben ändern muss. Nach einer Übernachtung auf den Rheinwiesen bringt ihn eine seltsame Begegnung mit einem Hobby-Schafzüchter auf eine Idee: Er beschließt, wegzufahren und seinen nächsten Job – ein Fotoshooting mit Mila Jovovich – nach Palermo zu verlegen. Dort angekommen, lässt sich der Fotograf durch die Altstadt treiben und verliert sich immer mehr in bedrohlichen Träumereien, in denen er von einem geheimnisvollen Bogenschützen (Dennis Hopper) verfolgt wird. Gemeinsam mit der schönen Restaurateurin Flavia (Giovanna Mezzogiorno) ergründet Finn, was es mit seinen Visionen auf sich hat…

Warum nun Campino in einem Film von Wim Wenders? Beide stammen aus Düsseldorf und der Film beginnt ja auch in dieser Stadt. Und Wenders hat öfter schon mit Musikern zusammengearbeitet. Campino selbst war durchaus erfolgreich in einer Inszenierung von Bertolt Brechts Dreigroschenoper unter der Regie von Klaus Maria Brandauer für den Berliner Admiralspalast, das zwischenzeitliche Metropol-Theater, von August bis Oktober 2006 in der Rolle des Mackie Messer zu sehen. In die Rolle des ausgebrannten Star-Fotografen scheint er aber dann doch nicht so recht zu passen. Campino, der sich redlich müht, sich aber doch mit deutlich sichtbarem Überschuss an Bewusstheit (so wie wir ihn eben kennen) durch die ereignisarmen Szenen bewegt, wird als Figur niemals richtig lebendig. Campino in der Midlife Crisis? So recht mag ihn das keiner abkaufen.

Und der Film selbst? Wim Wenders steht für mich für Kunstfilme, eigentlich für künstliche Filme, die überfrachtet und bedeutungsschwanger daherkommen. Die teils kitschigen Dialoge auch in diesem Film tragen ihren Teil dazu bei. Wim Wenders hat ein Werk geschaffen, das unbedingt Kunst sein will und genau das dann nicht ist. Es ist ein Film, der wesentlich vom Sehen handelt, selbst aber blind für die Last der Bedeutung bleibt resp. die Last dem Zuschauer aufbürdet.

Heinz Strunk: Fleisch ist mein Gemüse

Wie es ist, in Harburg aufzuwachsen, das weiß Heinz Strunk genau. Harburg, nicht Hamburg. Mitte der 80er ist Heinz volljährig und hat immer noch Akne, immer noch keinen Job, immer noch keinen Sex. Doch dann wird er Bläser bei „Tiffany“, einer Showband, die auf den Schützenfesten zwischen Elbe und Lüneburger Heide bald zu den größten gehört. Aber auch das Musikerleben hat seine Schattenseiten: traurige Gaststars, heillose Frauengeschichten, sehr fetter Essen und Hochzeitsgesellschaften, die immer nur eins hören wollen: „An der Nordseeküste“ von „Klaus und Klaus“.

Wer wie ich eine Zeitlang in einer Band gespielt hat, die auf Betriebs- und Bürgerfesten viele Auftritte hatte, der kann gut nachvollziehen, was Heinz Strunk alias Mathias Halfpape alias Jürgen Dose (der mittlere ist wohl der richtige Name) in seinem Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ beschreibt, das ich vor vier Jahren genussvoll gelesen habe. Vor allem, wenn das beschriebene Geschehen noch vor der Haustür passierte.

Fleisch ist mein Gemüse - der Film

Am 17. April kommt das Buch jetzt in einer Verfilmung von Christan Görlitz (auch Buch) mit Maxim Mehmet als jungen Heinz Strunk ins Kino. Ich bin gespannt, obwohl erste Verlautbarungen verheißen, dass der Film lange nicht an das Buch heranreichen soll. Außerdem bietet die Verfilmung im Vergleich zum Buch einen anderen Aufbau bezüglich der Rahmenhandlung. Im Film tritt nämlich der echte Heinz Strunk als er selbst mit in Erscheinung. Da er für die Rolle als Jugendlicher inzwischen zu alt ist, wurde eine neue Rolle hinzu geschrieben. Strunks Rumpf hängt, ähnlich wie eine Jagdtrophäe an der Wand eines Zimmers. Ihm gegenüber prangt ein Plüsch-Hirsch, mit dem sich Heinz unterhält. Zwischen den beiden spannt sich die versinnbildlichte Kinoleinwand, auf der sich das Leben von Heinz als Jugendlicher abspielt.

Für alle meine Jethro Tull-Fans: Heinz Strunk hat in seinem Buch Herrn Ian Anderson gewissermaßen ein literarische Denkmal gesetzt (auch wenn dieser am Ende nicht mehr ganz so gut wegkommt). Dort steht:

Aber die Musik ließ mich nicht los. Ein halbes Jahr später hörte ich zum ersten Mal die britische Band Jethro Tull und war elektrisiert. Der Frontmann Ian Anderson hatte sich historische Verdienste um die Rockmusik erworben: Er war der erste Mensch der Welt, der in einer Rockband Querflöte spielte!

Auf einmal wusste ich, was ich wirklich wollte: Ich wollte sein wie Ian Anderson, und ich wollte Querflöte spielen. Das mit Ian Anderson sagte ich Mutter natürlich nicht. Ihr gegenüber tat ich wieder harmlos, und sie willigte auch sofort ein („Aber du weißt, dass du dann auch üben musst, sonst bringt das nichts.“ – „Jaja.“) Weihnachten 1976 lag eine nigelnagelneue Querflöte von Yamaha unterm Tannenbaum. Tagelang bestaunte ich das wunderschöne Instrument, baute es zusammen und wieder auseinander und versuchte vergeblich, ihm Töne zu entlocken. So verbrachte ich die Zeit bis zum Unterrichtsbeginn damit, zu Jethro-Tull-Platten vor dem Spiegel zu posieren: Ich stand wie mein großes Vorbild einbeinig wie ein Storch vor dem Spiegel und tat so, als ob. Das war nämlich Ian Andersons Markenzeichen: einbeiniges Spiel. Genial! Ich fand, dass das die beste Performance seit Einführung des Showbusiness überhaupt war. Für meine Playbacks vor dem Spiegel hängte ich mir den guten Pelz von Oma um, denn Ian Anderson und seine Mannen hatten wirre, lange Haare und Bärte, und sie trugen Pelzmäntel. Richtige Freaks! Die hysterische Antipelzstimmung war damals noch weitgehend unbekannt. Für mich waren sie die größte Rockband aller Zeiten, scheiß auf die Beatles! Ich habe nie wieder jemanden so nachgeeifert wie dem zauseligen Storchenkönig und über Jahre nichts, aber auch wirklich gar nichts anderes gehört als Jethro Tull. Leider durfte ich mir die Haare nicht so lang wachsen lassen wie meine Vorbilder. Sobald die Spitzen die Ohren bedeckten, bekam der Blick meines Großvaters etwas Starres: „Du siehst ja schon wieder aus wie ein Beatle.“ Und ab ging’s zum Bahnhofsfriseur, ausgerechnet zum Bahnhofsfriseur! Meine Familie war eindeutig der Meinung, dass der dort tätige Jugoslawe hervorragend Haare schneide. Opa und ich also hin zum Harburger Bahnhof, ein fragender Blick des serbischen Meistercoiffeurs und dann das Todesurteil meines Großvaters: „Fasson!“ Ratzekahl wurde die Rübe abgeschabt, und ich sah so aus wie einer aus der geschlossenen Abteilung.

Trotzdem übte ich weiter begeistert Flöte. Nach einem Jahr begann ich auch noch mit Klavierstunden, da man Klavier für die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule braucht. Denn so viel stand fest: Ich würde Berufsmusiker werden! Mutter war zufrieden, nur meine Begeisterung für Rockmusik war ihr nach wie vor suspekt. („Hör doch mal richtig hin, Heinz, da wiederholt sich doch ständig alles, und dazu dieser monotone Rhythmus, immer nur bumbumbum, du bis doch musikalisch, da musst doch hören, dass das primitiv ist.“) Ich übte wie ein Verrückter! Manchmal stand ich schon um vier Uhr morgens auf, um vor der Schule zwei Stunden zu flöten: Mit siebzehn kam noch das Saxophon hinzu. Und dann entdeckte ich den Jazz.

Jazz war viel anspruchsvoller als Rock. John Coltrane konnte tausendmal besser spielen als Ian Anderson, Ritchie Blackmore und Emerson, Lake and Palmer zusammen! Der Jethro-Tull-Frontmann gefiel sich immer noch in seiner Rolle als lächerlicher Rockstorch, doch ich war schon viel weiter als er, übte wie ein Irrer Jazzstandards, versuchte hinter das Geheimnis der alterierten Tonleiter zu kommen und wie man am elegantesten von f-Moll nach Des-Dur moduliert.

aus Kapitel: Lehrjahre sind keine Herrenjahre (S. 43 f./1985)

Überhaupt nicht gut kommt Todtglüsingen weg, ein Ortsteil von Tostedt, der 1972 eingemeindet wurde. Immerhin widmet Heinz Strunk dem Ort ein ganzes Kapital (Geisterstadt). Allerdings muss er sich hier geografisch arg getäuscht haben. Das mit dem Edeka-Laden mag noch stimmen, aber ansonsten spricht nichts dafür, dass es sich um das reale Todtglüsingen handelt. Weder Schützenverein noch freiwillige Feuerwehr haben sich aufgelöst. Hier ein Teil des Textes:

Es kam in diesem Jahr noch eine weitere Karnevalsveranstaltung hinzu, der Todtglüsinger Faslam. Todtglüsingen war ein im Laufe weniger Jahre völlig verarmtes Dorf. Viele der Bewohner wurden arbeitslos, Höfe mussten zwangsversteigert werden, dann machte auch noch der einzigste Edeka-Laden dicht, und irgendwie ging alles den Bach hinunter. Die Todtglüsinger hockten entweder den ganzen Tag zu Hause vor dem Fernseher. Oder sie saßen im einzigen Gasthof, dem Gasthof Bruhn, und soffen. Gesoffen haben sie natürlich auch zu Hause. Die jungen Leute sahen zu, dass sie Land gewannen, und zurück blieben die Alten, Kranken, Kraft- und Mutlosen. Selbst Schützenverein und Freiwillige Feuerwehr hatten sich aufgelöst. Der Ort war dem Untergang geweiht. Das letzte gesellschaftliche Ereignis war der Faslam, der natürlich im Gasthof Bruhn gefeiert wurde. Der Bruhn’sche Festsaal verfügte über keine Bühne, sodass wir mitsamt unserer Anlage quasi auf der Tanzfläche standen. Bereits gegen neun war schätzungsweise ein Drittel der Männer schwer betrunken.

[…]

Irgendwann waren die Leute zu betrunken, um zu tanzen. Diejenigen, die sich gegenseitig totschlagen wollten, sind dazu freundlicherweise nach draußen gegangen. Mehrmals wurde gedroht, uns mitsamt unserer Anlage kaputtzumachen, und wir hatten es nur dem beherzten Eingreifen des noch halbwegs nüchternen Vorsitzenden zu verdanken, dass wir heil davonkamen.

In Todtglüsingen haben wir nie wieder gespielt, obwohl sie uns im nächsten Jahr unbedingt wiederhaben wollten und sogar bereit waren, noch dreihundert Mark Gage draufzulegen. Wie es den Todtglüsingern heute wohl geht? Steht die Ortschaft überhaupt noch? Was macht Susanne oder Sabine oder Silke? Vielleicht hat es ja auch einen überraschenden Aufschwung gegeben. Ich drücke dem gebeutelten Dorf jedenfalls fest die Daumen.

Aus Kapital: Geisterstadt (S. 197ff./1994)

Buena Vista Social Club

Im Jahre 1996 reiste der US-Gitarrist Ry Cooder nach Kuba, um mit afrikanischen Musikern eine Platte aufzunehmen. Als die Band nicht wie verabredet erschien, suchte Cooder Ersatz – und entdeckte einige alte kubanische Musiker-Legenden. Obwohl die alle längst im Rentenalter waren, überredete Cooder sie, eine Platte aufzunehmen. Ein Jahr später erschien die Platte unter dem Namen Buena Vista Social Club: Compay Segundo (1907 – 2003), Rubén González (1919 – 2003), Ibrahím Ferrer (1927 – 2005) und andere „Supergroßväter“ spielten den „Son“, die kubanische Musik.

Zwei Jahre später reiste Ry Cooder zusammen mit dem Regisseur Wim Wenders wiederum nach Kuba, um ein Album mit dem Sänger Ibrahím Ferrer aufzunehmen. Dabei entstand die gleichnamige filmische Dokumentation, die nun am Samstag, den 19. April um 20 Uhr 15 bei Bayern3 (BR) wiederholt wird.

Ry Cooder habe ich hier schon öfter vorgestellt (Ry Cooder: Stand by Me und Another Record by Ry Cooder: Three Chords and the Truth). Er gilt als einer der weltbesten Slide-Gitarristen und hat sich besonders durch Filmmusiken einen Namen gemacht (u.a. für den Wim Wenders-Film Paris, Texas). Bedeutsam ist aber vor allem sein Einsatz für Musiktraditionen, wobei er sich besonders der im Amerikanischen verwurzelten Musik wie Country, Calypso, Gospel, Salsa, dem Ragtime und der hawaiischen Musik gewidmet hat (mehr zu Ry Cooder selbst später).

Hier nun zwei Filmausschnitte. Der erste zeigt neben einem Live-Auftritt Ry Cooder mit seinem Sohn, Joachim, der übrigens als Schlagzeuger mitwirkte, auf der Fahrt durch Havanna auf einem Motorrad mit Beiwagen. Der zweite Ausschnitt ist ebenfalls ein Live-Auftritt:


Buena Vista Social Club – Chan Chan (1998)


Buena Vista Social Club – Candela

Jethro Tull bei „Wetten, dass …?“

Der Samstagabend bestaltet sich in vielen Familien als Familien-Fernseh-Abend. Und an vielen dieser Abende wird „Wetten, dass …?“ geguckt. Das bereits seit über 35 Jahren. Auch ich gucke mit meinen Lieben oft genug Thomas Gottschalk und seine Wettkandidaten. Es ist wohl die ‚beliebstes‘ Sendung des deutschen Fernsehens. Auf ein noch längeres Bestehen darf die Gruppe Jethro Tull um Ian Anderson zurückblicken: 40 Jahre! Und das ist Anlass zum Feiern.

40 Jahre Jethro Tull

Nun weiß man, dass Thomas Gottschalk ein Fan von Jethro Tull ist – mehr oder weniger. Und was liegt da näher als der Gedanke, die Gruppe zu diesem ihren Jubiläum zu einer der „Wetten, das …?“-Sendungen einzuladen. Promis sind die Würze (und die Wettpaten) der Sendung. So habe ich auf den Terminkalender beider einmal geblickt und könnte mir vorstellen, dass das etwas werden könnte: Ein Auftritt von Jethro Tull bei „Wetten, dass …?“.

Die nächsten Sendungen finden am 04.10.08 in Nürnberg (CCN CongressCenter) und am 08.11.08 in Berlin (O2 World) statt. Just zu dieser Zeit hält sie auch Herrn Anderson mit seinen Mannen in Deutschland auf (31.10.2008 in Siegen und am 01.11.2008 in Heilsbronn).

Also Ian Anderson z.B. am 8. November in Berlin auf der Couch neben Thommy und als Wettpate für eine kuriose Wette? Wer weiß … Vielleicht findet sich ja noch ein Wettkandidat für diese Sendung mit einer besonders auf Herrn Anderson abgestimmte Wette (natürlich irgendetwas mit Flöten oder so). Freiwillige vor!

Die Erotik der Macht: Die Welle

Im April 1967 wagte der Geschichtslehrer William Ron Jones zusammen mit Schülern und Lehrern an der Cubberley High School in Palo Alto ein Experiment, The Third Wave, das jetzt mit Jürgen Vogel unter dem Titel „Die Welle“ verfilmt wurde: Um nachzuweisen, dass auch heute noch fast jeder von faschistischen Parolen verführt werden kann, verleitet der Lehrer seine Schüler dazu, sich als Elite zu betrachten. Jeder erhält klar umrissene Aufgaben, wird dabei strengen Einschränkungen unterworfen. Wer mitmacht, kommt weiter, wer sich weigert, fliegt raus, notfalls mit Gewalt.

Mal ehrlich, Herr Vogel, für wie realistisch halten Sie die Vorgänge im Kinofilm?

Jürgen Vogel: Das funktioniert heute noch ganz genauso wie vor siebzig Jahren. Und warum? Weil viele einsam sind, aber alle zu einer Gruppe gehören möchten, Teil von etwas Besonderem sein wollen. So etwas findet heute doch permanent statt!

Wie meinen Sie das?

Zurzeit wird in Kenia ein ganzes Volk manipuliert, Freunde und Nachbarn bringen sich plötzlich um, weil zwei machthungrige Politiker es so wollen. Vor 14 Jahren war es in Ruanda ganz ähnlich. Damals starben eine Million Menschen. Das Prinzip ist immer dasselbe: Wenn du nicht einer von uns bist, musst du dran glauben!

Aber in Deutschland …

Klar, mit einer SS-Uniform funktioniert das natürlich nicht mehr, die Lektion haben wir alle gelernt. Aber der Wahlkampf in Hessen ging doch in die Richtung: Buhmänner finden, den Wählern Feindbilder einreden und sich dann als Retter feiern lassen. Gott sei Dank war das zu unreflektiert vorbereitet – aber lassen Sie da mal jemanden mit mehr Charisma auftreten.

Wie haben Sie sich im Film als Anführer so einer Gruppe gefühlt?

Macht macht an, ganz klar. Auch wenn ich privat keine Führerqualitäten habe, kann ich durch die Rolle sehr gut nachvollziehen, wie der Lehrer von der Erotik der Macht verführt wird. Alle hängen an seinen Lippen, sind diszipliniert, er fühlt sich wie ein Held. Interessant ist doch, dass nicht nur die Kids, sondern auch die Erwachsenen diesem Spiel erliegen.

Interview aus: TV-Movie Nr. 6/08

Es gibt viele Beispiele dafür, dass faschistoide Parolen auch heute noch zünden, und das nicht nur bei Unterschichtlern und Außenseitern. Das möchte der Film „Die Welle“ (D 2008 – Regie: Dennis Gansel – Darsteller: Jürgen Vogel, Christiane Paul u.a.) aufzeigen. Ich denke, dass ihm das ganz gut gelungen ist. Und es hat immer etwas mit „gruppendynamischen Prozessen“ zu tun. Gerade junge Menschen schließen sich gern einer Gruppe von Gleichgesinnten an, was immer darunter auch zu verstehen ist. Hat diese Gruppe einen charismatischen Führer, dann kann dieser die Gruppe auch dahin führen, wohin die Einzelnen eigentlich gar nicht wollen.

Die Welle