Kategorie-Archiv: Wiedergelesen

Wiedergelesen – wiederentdeckte Literatur

Vergessene Stücke (6): Edward Bond – Sommer

Edward Bond (* 18. Juli 1934 in London) ist ein englischer Dramatiker. Sein 1982 veröffentlichte Stück „Summer“, zu Deutsch: „Sommer“, wurde 1983 an den Münchner Kammerspielen in der Regie von Luc Bondy in deutscher Erstaufführung auf die Bühne gebracht. Die deutsche Übersetzung ist von Christian Enzensberger. Mir liegt „Sommer“ in einem Band mit verschiedenen Theaterstücken (suhrkamp taschenbuch 1190 – 1. Auflage 1985) Theater heute vor.

Stücke von Edward Bond

Edward Bond nennt sein Stück „Sommer“ im Untertitel ein europäisches Stück und sagt, er schreibe nicht über einen Deutschen (der in dem Stück von den Gräueln der Vergangenheit berichtet, als beschreibe er einen Sonntagsausflug), sondern er schreibe über das Böse als etwas ganz Banales. Hat er recht, wenn er hinzufügt, dieser Typ des Alltagstäters sei die zentrale Figur unseres Jahrhunderts? Der Typ des Handlangers, den man gebrauchen kann, einer, der nur seine Pflicht tut, wie es auch Eichmann von sich behauptet hat? (Vergleiche hier auch meinen Beitrag Bestie Mensch, auf den ich in den letzten Beiträgen schon öfter zu sprechen gekommen bin).

Personen:

Marthe (Mutter von D.)
Xenia (Mutter von A.)
Ann
David (Arzt)
Deutscher
Stimmen von draußen

Zeit: Gegenwart (1980)

Ort: Osteuropa (dürfte sich um Jugoslawien handeln)
Terrasse eines in den Fels gebauten Hauses mit Blick auf das Meer. Vorn rechts eine Tür zur Straße hinaus. Hinten rechts eine Tür zum höher gelegenen Teil des Hauses. In der Rückwand links eine Tür zu einem Zimmer. Links ein Geländer vor dem Meer.

Marthe ist an Lymphdrüsenkrebs erkrankt. Auch ihr Sohn, der Arzt ist, kann ihr nicht mehr helfen. Beide werden von Xenia und deren Tochter aus London besucht, um in dem Haus Urlaub zu machen. Früher gehörte das Haus am Meer Xenias Vater, dem reichen Fabrik- und Landbesitzer. Dieser wurde nach dem Krieg enteignet und inhaftiert. Xenia verheiratete sich nach London. Seit Jahrzehnten lebt Marthe wie selbstverständlich in dem Haus. Sie war früher Dienstmädchen bei Xenias Eltern. Während des Krieges gingen deutsche Offizier in dem Haus aus und ein. Eine dem Festland vorgelagerte Insel war von den Deutschen für ihre Erschießungen gepachtet.

Nach dem Tod eines deutschen Offiziers und dessen Fahrer durch Partisanen, werden viele Einwohner des Ortes verhaftet und auf der Insel hingerichtet. Auch Marthe wird verhaftet, kommt aber durch die Intervention von Xenia wieder frei. Trotzdem verrät Marthe nach dem Krieg Xenias Vater, der in Haft nach zwei Jahren Zwangsarbeit stirbt.

Vierzig Jahre später also besucht Xenia wiederholt das alte Elternhaus mit ihrer Tochter Ann. Diese hatte schon bei einer früheren Reise ein Verhältnis mit Marthes Sohn David. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung zwischen der todkranken Marthe und Xenia. Für Marthe ist Xenia die Vertreterin der Ausbeuter geblieben, die zwar freundlich, aber ungerecht sind:

MARTHE: … Noch soviel Freundlichkeit reicht nicht aus, um die Welt menschlich zu machen. … (S. 198) … In eurer Welt hat das Gute Böses angerichtet.Die Soldaten auf der Insel konnten sich kaum damit entschuldigen, daß sie das Blut, das sie vergossen, nicht gesehen hätten. Mit euch stand es schlimmer. Ihr hattet für alles die beste Entschuldigung: eure Hände waren sauber! … (S.199) – und:

MARTHE [zu Xenia]: … Wer deine Familie geachtet und geliebt hat, den hat sie dazu gebracht, Freundlichkeit mit Gerechtigkeit zu verwechseln. Dasa verdirbt. Man kann ohne Freundlichkeit leben, aber nicht ohne Gerechtigkeit – oder den Kampf um sie. Wer das versucht, ist verrückt. … (S. 173)

Dem weiß Xenia nur zu entgegnen:

XENIA (über ihren Vater): … er hat sich seine Wiege nicht ausgesucht. Er hat sich benommen wie jeder andere in seiner Stellung. Jemand muß dafür sorgen, daß die Welt funktioniert. [zu Marthe] Wenn ihr es besser könnt, gut. … (S. 180)

Es ist ein alter Konflikt, der hier zum letzten Mal ausbricht. Marthe, die mit dem Leben abgeschlossen hat, die daher eigentlich keinen Streit sucht und ihren Sohn durchaus gern mit Ann zusammen sieht – in ihr ist dennoch tief innen das Gefühl ihrer sozialen Demütigung vorhanden. Und daher – von Xenia herausgefordert – spuckt sie ihre Verachtung dieser ins Gesicht.

Bei einem Besuch der angesprochenen Insel begegnet Xenia einem deutschen Urlauber, gewissermaßen einen Kronzeugen des Kriegsgeschehens, den es noch einmal an den Ort seiner „Heldentaten“ zurückgezogen hat. Dieser berichtet auf sehr naive Weise von den Gräueln der Vergangenheit, als beschreibe er einen Sonntagsausflug.

Zuletzt spielt natürlich der Tod eine Rolle. DAVID [zu Marthe]: … Du mußt mit dem Tod einverstanden sein. Sonst kannst du nicht in Frieden sterben. (: 169)

Diese resümiert in einem letzten Gespräch mit Ann:

MARTHE: Was ist nutzloser als der Tod? Ein Leben ohne Tod – wenn es das gäbe. Wie könntest du etwas schön finden, was du ewig anschaust? Er würde dir über. Wozu einander lieben, wenn es ewig dauerte? Wenn ich euch tausendmal verziehen hätte, bekämt ihr das Verzeihen satt. Ihr wärt es müde, die Leute auszuwechseln, die ihr liebt. (S. 205)

Marthe scheint ihren Frieden gefunden zu haben und mit ihre letzten Worte eignen sich für so manches Poesiealbum (oder auch als Lebensmotto):

MARTHE (zu Ann): Laß dich nicht vom Blitz erschlagen und den Wahnsinnigen nicht dein Haus anzünden. Ergib dich nicht deinen Feinden und übergehe keinen in der Not. Kämpfe. … (S. 206)

Ich gestehe, dass ich den Konflikt der beiden Frauen, besonders nach so vielen Jahren, nicht ganz nachvollziehen kann. Aber die menschliche Seele ist tief und von so manchem Ressentiment vergiftet. Das brodelt über lange Zeit. Auch vermag ich nicht so recht zu beurteilen, ob die Aussagen des deutschen Urlaubers realistisch sind. Wer gibt sich vor Fremden so bloß. Aber auch hier sorgt sicherlich das Unterbewusstsein vor – und verharmlost selbst die schlimmsten Gräueltaten. Natürlich ist das Stück thematisch veraltet. Weitere dreißig Jahre sind ins Land gestrichen – und nicht nur Marthe im Stück, sondern auch fast alle anderen der früheren Kontrahenten dürften gestorben sein. Aber das Böse und der Typ des Handlangers des Bösen, den man für die Schmutzarbeiten gebrauchen kann, sind gegenwärtig wie selten zuvor.

Vergessene Stücke (5): Thomas Bernhard – Vor dem Ruhestand

Niclaas Thomas Bernhard (* 9. Februar 1931 in Heerlen, Niederlande; † 12. Februar 1989 in Gmunden, Österreich) war ein österreichischer Schriftsteller. Er zählt zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Stücke von Thomas Bernhard). Vor dem Ruhestand ist ein Theaterstück, das am 29. Juni 1979 im Württembergischen Staatstheater Stuttgart uraufgeführt wurde.

“Vor dem Ruhestand” habe ich in einem Band mit verschiedenen Theaterstücken (suhrkamp taschenbuch 1190 – 1. Auflage 1985) Theater heute vorliegen. Anlass für das Stücks war die damalige Filbinger-Affäre in der BRD und die Auseinandersetzung zwischen dem Regisseur Claus Peymann und dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der aufgrund seiner nationalsozialistischen Vergangenheit als Marinestabsrichter zum Rücktritt gezwungen wurde.

Personen:

Rudolf Höller, Gerichtspräsident und ehemaliger SS-Offizier (Obersturmbannführer)
Clara (im Rollstuhl), seine Schwester
Vera, seine Schwester

Ort: Im Haus des Gerichtspräsidenten Höller

Der Untertitel zu dem Stück lautet „Eine Komödie von deutscher Seele“ und verbindet Tragödie und Komödie auf sehr sarkastische Weise. Dem Zuschauer bzw. Leser bleibt dabei das Lachen im Halse stecken. Inhaltlich geht es um eine Familie (Bruder mit zwei Schwestern), in der die nationalsozialistischen Ideen noch höchst lebendig sind. Am Abend des 7. Oktober jedes Jahr feiert man Heinrich Himmlers Geburtstag,

Der Bruder, ehemaliger SS-Offizier und jetzt Gerichtspräsident, steht kurz vor seiner Pensionierung. Das Theaterpublikum darf sowohl den Vorbereitungen für das Fest als auch diesem selbst zuschauen. Am Ende des Stücks stirbt der von nationalsozialistischem Wahn ergriffene Rudolf an einem Herzkollaps.

VERA … Wir können nicht anders
wir belügen uns
aber wie schön ist letztenendes das
was wir tun
indem wir es spielen
und das was wir spielen
indem wir es tun

(S. 58)

Wir haben unser Theaterstück eingeübt
seit drei Jahrzehnten sind die Rollen verteilt
jeder hat seinen Part
abstoßend und gefährlich
jeder hat sein Kostüm
wehe wenn der eine in das Kostüm des andern schlüpft.
Wann der Vorhang zugemacht wird
bestimmen wir drei zusammen
Keiner von uns hat das Recht
Den Vorhang zuzuziehen wann es ihm paßt

(S. 59f.)

CLARA ist infolge eines amerikanischen Bombenangriffs querschnittsgelähmt und sitzt im Rollstuhl. Sie hasst ihre Geschwister, ist aber auf sie angewiesen und kann deshalb nicht davonlaufen:

CLARA … unter eueren Händen ist die Musik
immer etwas Entsetzliches geworden
Wenn der Vater Gedichte vorgelesen hat
war es das Entsetzlichste das man sich vorstellen kann
ihr habt euch so oft an Musik vergriffen
an Dichtung an Poesie
ihr habt sie immer mißbraucht die Kunst …

(S. 64)

Erstaunlich ist es zu erfahren, wie gesellig, wie kultiviert sich die Bestie Mensch immer wieder präsentiert. Diese empfindet sich selbst als Opfer der ‚niedrigeren Kreatur’, der man nur durch ‚Ausrottung’ Herr werden kann.

RUDOLF [schildert einen Prozess] …Du hättest diese Kreatur sehen sollen
beim Lokalaugenschein
kalt bis ins Mark
zynisch
vollkommen gleichgültig gegenüber seinem Opfer
einen Menschen umbringen wegen Viertausend
aber die sind alle gleich
das hat es zu unserer Zeit nicht gegeben
solche Elemente hat es ganz einfach nicht gegeben
sie sind gar nicht erst aufgekommen
jede Verhandlung eröffnet den Blick in eine menschliche Kloake …

(S. 106)

Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein

Neben Homo faber und Stiller ist „Mein Name sei Gantenbein“ wohl der bekannteste Roman des Schweizers Max Frisch, der lange Zeit auch als Architekt gearbeitet hatte und besonders durch seine Theaterstücke wie Andorra bekannt wurde. Max Frisch starb am 4. April 1991, also vor 20 Jahren in Zürich, wo er auch geboren wurde.

„Frisch greift in Mein Name sei Gantenbein mit der Frage nach der Identität eines Menschen und seiner sozialen Rolle ein Hauptthema seines Werkes auf. Der Erzähler erfindet sich nach einer gescheiterten Beziehung wechselnde Identitäten, um der eigenen Erfahrung aus unterschiedlichen Blickwinkeln nachzuspüren. Der spielerische Umgang mit Biografien und Fiktionen folgt dem Motto ‚Ich probiere Geschichten an wie Kleider’ (S. 22 – Gesammelte Werke in zeitlicher Folge – 1964-1967 – Band V.1 – Suhrkamp Verlag – 1. Auflage 1976) und findet in einer literarischen Montage kurzer Erzählabschnitte seine formale Umsetzung.“

Der Inhalt des Romans lässt sich (wie von Max Frisch geschrieben) in wenige Sätze fassen:

„Ein Mann liebt eine Frau“; sagt er, „diese Frau liebt einen andern Mann“, sagt er, „der erste Mann liebt eine andere Frau, die wiederum von einem andern Mann geliebt wird“, sagt er und kommt zum Schluß, „eine durchaus alltägliche Geschichte, die nach allen Seiten auseinander geht -“
Ich nicke.
„Warum sagen Sie nicht klipp und klar“, fragt er mit einem letzten Rest von Geduld, „welcher von den beiden Herren Sie selbst sind?“
(S. 313)

Da gibt es zunächst den Herrn Felix Enderlin. Und dann einen Herrn namens Theo Gantenbein. Beide sind Erfindungen eines Erzählers. Gantenbein droht nach einem Autounfall zu erblinden. Als ihm der Verband abgenommen wird, kann er sehen, doch er spielt nun die Rolle des Blinden. Felix Enderlin, der überraschend einen Ruf nach Harvard erhält, glaubt, todkrank zu sein. Er ist unfähig, eine Rolle zu spielen, und fürchtet nichts mehr als Wiederholung und Monotonie.

„… jeder Ich, das sich ausspricht, ist eine Rolle-“. (S. 48) – „Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält“. (S. 49) – … Sein Ich hatte sich verbraucht, das kann’s geben, und ein anderes fiel ihm nicht ein. … (S. 51)

Im Mittelpunkt des Romans steht der Mensch auf der Suche nach seiner wahren Identität. Ähnlich wie in „Stiller“ geht es um den Konflikt eines Menschen, der etwas anderes ist oder sein will, als er für andere zu sein scheint, um das ‘Bildnis’, das andere von uns machen. Es geht um die Erzählbarkeit des Lebens und um unsere Gier nach Geschichten.

Ein Man hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Geschichte dazu – … und manchmal stellte ich mir vor, ein andrer habe genau die Geschichte meiner Erfahrung … (S. 11)

Das Erwachen (als wäre alles nicht geschehen!) erweist sich als Trug; es ist immer etwas geschehen, aber anders. (S. 313)

Oder etwas anders ausgedrückt: Langsam habe ich es satt, dieses Spiel, das ich nun kenne: handeln oder unterlassen, und in jedem Fall, ich weiß, ist es nur ein Teil meines Lebens, und den andern Teil muß ich mir vorstellen; Handlung und Unterlassung sind vertauschbar; manchmal handle ich bloß, weil die Unterlassung, genauso möglich, auch nichts ändert, daß die Zeit vergeht, daß ich älter werde … (S. 129)

Eine wichtige Einsicht, die wir aus dem Roman ziehen, spiegelt sich im folgenden Satz: Was überzeugt, sind nicht Leistungen, sondern die Rolle, die einer spielt. (S. 118) Besonders wenn wir Personen des öffentlichen Lebens betrachten, sehen wir nur Rollenspiele, Vorspiegelungen falscher Tatsachen (Geschichten). Leistungen (wenn es solche überhaupt gibt) überzeugen wenig.

Ziemlich am Schluss heißt es dann: Alles ist wie nicht geschehen … (S. 319) Das könnte heißen: Manches, was wir für unser wirkliches Leben gehalten haben, ist eigentlich nichts anderes als eine dieser Geschichten, ist diese Rolle, die wir anderen vorgespielt haben … Und dies alles ist in Wirklichkeit wie nicht geschehen, ist nicht unser wirkliches Sein.

Literatur von Max Frisch

Vergessene Stücke (4): Jean-Paul Sartre – Die ehrbare Dirne

In „Die ehrbare Dirne“ (auch: Die respektvolle Dirne – im Original: La Putain respectueuse), einem der aufsehenerregendsten Stücke der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg, plädiert Sartre für soziale Gerechtigkeit. Durch Erpressung einer Dirne soll in einer Stadt des amerikanischen Südens die Mordtat eines Senatoren-Neffen einem Farbigen unterstellt werden. (Umschlagtext)

Personen:

Lizzie
Fred
Senator
Neger
John
James
Zwei Männer

Sartre ist neben seinen philosophischen Schriften besonders auch durch seine Dramen bekannt geworden. „Die ehrbare Dirne“ wurde bereits 1946 in Paris uraufgeführt und führt uns in den Süden Nordamerikas, wo die Oberen anhand von Geschlecht und Rasse bestimmen, wer zu ihnen gehört und wer Bürger zweiter oder ohne Klasse ist. Es herrscht Kukluxklan-Stimmung und wir begegnen Herrenmenschen, die Mist bauen und andere zum Auskehren bitten.

Heute ist das Thema in dieser so offensichtlich direkten Form sicherlich überholt, das Rassenproblem in den USA brodelt eher latent weiter, also unter der Oberfläche. Aber für damalige Zeit, gleich nach dem 2. Weltkrieg, und zudem von einem Franzosen vorgeführt, war der Stoff des Stücks für uns Europäer neu: Die Diskriminierung der Schwarzen im „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ (siehe hierzu auch Rezension auf textem.de).

Das Stück wurde bereits 1952 (englischer Titel: Respectful Prostitute) verfilmt. Hier ein kleiner Ausschnitt, der so in dem Stück nicht vorhanden ist (dort spielt es in zwei Bildern lediglich in einem Zimmer, in dem Lizzie Unterkunft gefunden hat). Bemerkenswert: In dem Film spielt der uns später auch in Deutschland als cholerischer Komiker bekannt gewordene Louis de Funès eine kleinere Rolle :


La putain respectueuse (1952)

Siehe auch:
Vergessene Stücke (1): Jean-Paul Sartre – Bei geschlossenen Türen
Vergessene Stücke (2): Jean-Paul Sartre – Tote ohne Begräbnis

Theodor Storm: Ostern

Die Sonne scheint, was wollen wir mehr. Ich wünsche allen geruhsame Osterfeiertage und ein fröhliches Ostereiersuchen …!

OsternEs war daheim auf unserm Meeresdeich;
ich ließ den Blick am Horizonte gleiten,
zu mir herüber scholl verheißungsreich
mit vollem Klang das Osterglockenläuten.

Wie brennend Silber funkelte das Meer;
die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel;
die Möwen schossen blendend hin und her,
eintauchend in die Flut die weißen Flügel.

Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand
war sammetgrün die Wiese aufgegangen;
der Frühling zog prophetisch über Land,
die Lerchen jauchzten, und die Knospen sprangen. –

Entfesselt ist die urgewalt’ge Kraft,
die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen;
und alles treibt, und alles webt und schafft,
des Lebens vollste Pulse hör‘ ich klopfen.

Der Flut entsteigt der frische Meeresduft;
vom Himmel strömt die goldne Sonnenfülle;
der Frühlingswind geht klingend durch die Luft
und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.

O wehe fort, bis jede Knospe bricht,
daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;
entfalte dich, du gottgebornes Licht,
und wanke nicht, du feste Heimaterde! –

Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht
aufgor das Meer zu gischtbestäubten Hügeln,
wenn in den Lüften war der Sturm erwacht,
die Deiche peitschend mit den Geierflügeln.

Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr
den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben,
denn machtlos, zischend schoß zurück das Meer –
das Land ist unser, unser soll es bleiben!

Theodor Storm

Vergessene Stücke (3): Samuel Beckett – Katastrophe

Samuel Barclay Beckett (* 13. April 1906 in Dublin; † 22. Dezember 1989 in Paris) war ein irischer Schriftsteller. Er gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts und wurde 1969 mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet. Sein bekanntestes Werk ist Warten auf Godot (En attendant Godot), das am 5. Januar 1953 in Paris uraufgeführt wurde.

„Warten auf Godot“ gilt als Paradebeispiel des absurden Theaters. Es spiegele die Weltanschauung des Existenzialismus, die besagt, dass es infolge der rein zufälligen Entstehung der Welt keinen eigentlichen „Sinn des Lebens“ und demzufolge auch keine grundlegenden moralischen Vorschriften (Religion) für den Menschen gebe. Das Stück spiegelt die ewig enttäuschte Illusion des Wartens wider und verdeutlicht, wie die Menschen die Gewissheit ihres Verfalls in tragikomischer Hilflosigkeit überspielen.

Aber es geht hier um ein anderes Stück, das zusammen mit anderen in einem Band (suhrkamp taschenbuch 1190 – 1. Auflage 1985) Theater heute (Beckett: Katastrophe, Bernhard: Vor dem Ruhestand, Bond: Sommer, Brasch: Mercedes, Kroetz: Nicht Fisch Nicht Fleisch, Norén: Dämonen, Heiner Müller: Quartett, Strauß: Kalldewey Farce) veröffentlicht wurde.

Samuel Becketts Stück „Katastrophe“ ist eine Miniatur von nicht einmal zehn Seiten Literatur und Václav Havel gewidmet.

Personen:

Regisseur (R)
Seine Assistentin (A)
Protagonist (P)
Luc, Beleuchter, außerhalb der Bühne

„Wird hier ein (politischer) Gefangener oder Schauspieler (auf der Probe) manipuliert? Ist dieses Stück also eine Parabel für eine politische oder eine künstlerische Situation – oder sind allgemein alle Arten inhumaner Machtanwendung gemeint? Beckett gelingt es, gleich zweierlei zu zeigen: die Katastrophe des Gefangenen und die Katastrophe dessen, der dieses Elend darzustellen versucht.“ (aus: suhrkamp.de/theater_medien)

Auf der Bühne steht der Protagonist auf einem 40 cm hohem schwarzen Kubus. Schwarzer Hut mit breiter Krempe. Schwarzer, bis auf die Knöchel herabfallender Schlafrock. Barfüßig. Gesenkter Kopf. Hände in den Taschen.

Nach und nach wird ihm auf Anordnung des Regisseurs von der Assistentin Hut und Rock ausgezogen, die Hosenbeine hochgekrempelt usw. „Es fehlt an Blöße.“ Und die Blöße ist zu weißen. Dann stimmt die Beleuchtung nicht: Der Körper des Protagonisten ist allmählich in Dunkel zu hüllen, es bleibt nur noch der beleuchtete Kopf. Der Regisseur ist die bestimmende Person, die Assistentin und der Beleuchter ausführende Organe – der Protagonist das ‚Opfer’.

Karfreitag – von Hermann Hesse

Karfreitag

Verhangener Tag, im Wald noch Schnee,
Im kahlen Holz die Amsel singt:
Des Frühlings Atem ängstlich schwingt,
Von Lust geschwellt, beschwert von Weh.

So schweigsam steht und klein im Gras
Das Krokusvolk, das Veilchennest,
Es duftet scheu und weiß nicht was,
Es duftet Tod und duftet Fest.

Baumknospen stehn von Tränen blind,
Der Himmel hängt so bang und nah,
Und alle Gärten, Hügel sind
Gethsemane und Golgatha.

aus: Hesse – Die Gedichte

Vergessene Stücke (2): Jean-Paul Sartre – Tote ohne Begräbnis

‚Tote ohne Begräbnis‘ (Original. Morts Sans sépulture) ist ein Résistance-Stück von Sartre, das zur Zeit der französischen Kollaboration Frankreichs (Vichy-Regime) mit Nazi-Deutschland spielt. Uraufführung war am 8. November 1046 im Théâtre Antoine in Paris. Es spielt kurz vor Kriegsende im Frankreich des Jahres 1944. Fünf Anhänger der Resistance sitzen gefesselt auf dem Dachboden eines Hauses, welches von französischen Kollaborateuren des deutschen Regimes beherrscht wird und warten auf Folter und Tod.

Ihren Anführer wähnen Sie in Sicherheit irgendwo in Grenoble. Doch die Lage ändert sich, als die Tür zu ihrem Dachboden aufgeht und Jean hineingestoßen wird, den die Kollaborateure noch nicht als Anführer der Résistancegruppe erkannt haben. Waren die Gefangenen zuvor bezüglich des genauen Aufenthaltsortes von Jean noch unbedarft, so müssen sie nun ein Geheimnis vor den Kollaborateuren hüten.

Personen:

Résistance-Kämpfer:
François
Sorbier
Canoris
Lucie
Henri

Jean, Anführer der Résistancegruppe

1. Milizsoldat
2. Milizsoldat

französische Kollaborateure:
Clochet
Landrieu
Pellerin


Tote ohne Begräbnis – Theatergruppe des Gymnasiums Feuchtwangen

Interessant an diesem Stück ist die Darstellung der Menschen, wie diese in Extremsituationen handeln. In diesem Fall spielen natürlich auch gruppendynamische Prozesse eine große Rolle. Sartre gelingt eine folgerichtige, also logisch nachvollziehbare Darstellung der Handlungsweisen der Personen, auch wenn sie stark von den philosophischen, also existenzialistischen Ansichten Sartres geprägt sind, die sich in all seinen Dramen widerspiegeln.

Die Angst vor der Folter, besonders die Angst ‚zu reden’, macht sich breit und ist stärker als die Angst vor dem Tod, der unausweichlich erscheint. Aber gerade aus dieser Hoffnungslosigkeit erwächst dem Einzelnen eine ungeahnte Widerstandskraft. ‚Tote ohne Begräbnis’ „ist ein Zeugnis politisch engagierten Denkens. Résistance-Kämpfer behaupten Tapferkeit und Würde gegen Folter und Tod.“ (aus dem Umschlagtext)

Siehe auch: Vergessene Stücke (1): Jean-Paul Sartre – Bei geschlossenen Türen

Martin Walser vs. Einar Kárason

In den letzten Wochen und Monaten habe ich es mit Romantrilogien, zumindest mit zweien. Da gibt es zum einen die Anselm Kristlein-Trilogie von Martin Walser – und dann die so genannte Baracken-Trilogie des Isländers Einar Kárason. Zunächst haben diese beiden Trilogien nicht viel gemeinsam. Oder vielleicht doch?

Ja, beide Trilogien sind so angelegt, das deren erste Teile in den fünfziger Jahren, deren zweite in den sechziger und der jeweils letzte in den siebziger Jahren spielen. Beide Dreiteiler ranken um einen Familienverband. Bei Walser ist es Anselm Kristlein und seine am Ende sechsköpfige Familie (neben ihm und Frau Alissa sind es vier Kinder); bei Kárason sind es Lina (Karolina), die Wahrsagerin, und ihr Mann Tommi (Tomas) samt einer großen Nachkommenschaft. Auch Anselm Kristleins Frau Alissa hat einen religiösen-esoterischen Einschlag. Und des weiteren sind beide Trilogien so etwas wie sozialkritisch und beleuchten die Zustände ihrer Länder zur jeweiligen Zeit. Hier zur Ergänzung meiner Beiträge zu diesen sechs Büchern eine kurze Übersicht mit entsprechender Verlinkung:

Martin Walser – geboren am 24. März 1927 in Wasserburg am Bodensee Einar Kárason – geboren am 24. November 1955 in Reykjavík
Anselm Kristlein-Trilogie: Baracken-Trilogie:
Halbzeit Die Teufelsinsel
Das Einhorn Die Goldinsel
Der Sturz Das gelobte Land
Literatur von Martin Walser Literatur von Einar Kárason

Martin Walser: Der Sturz

Mit dem Roman Der Sturz endet die so genannte Anselm Kristlein-Trilogie von Martin Walser, die mit Halbzeit begann und mit Das Einhorn fortgesetzt wurde.

Aus dem Umschlagtext:

Im Zentrum des 1973 erschienenen Romans steht jener Anselm Kristlein, der in „Halbzeit“ als Vertreter und Werbefachmann aggressiv und übermütig im Wirtschaftsleben Erfolge suchte; und der sich in „Das Einhorn“ als Schriftsteller vergeblich mühte, etwas aus dem gelebten Leben, z.B. Liebe, in die Erinnerung zu retten. Dieser Anselm Kristlein erreicht in „Der Sturz“ sein letztes Stadium; seine Erlebniswelten, seine Reibungsflächen, seine Sturzbahnen sind die gleichen: Ökonomie und Liebe.

Konsequent und unerbittlich zieht das Roman „Der Sturz“ die Summe von Kristleins Leben in unserer Zeit. In ihm endet die Biografie eines Mannes, der an der vorgegebenen Ordnung der Gesellschaft scheitert.

„Der Sturz“ beschreibt die bundesrepublikanischen Verhältnisse Anfang der siebziger Jahre mit einem leidenschaftlichen Interesse, also realistisch, das in der zeitgenössischen Prosa seinesgleichen sucht.

„Wenn man den ersten Satz des Buches gelesen hat, ist man gezwungen, weiterzulesen bis zum letzten Satz. Das ist Sprachkunst, die zum Lesen zwingt.“ Aurel Schmidt

Wer etwas intensiver in diesem, meinem Blog liest, wird es wissen, dass Martin Walser einer meiner Lieblingsautoren ist. Diesen dritten Band der Anselm Kristlein-Trilogie (suhrkamp taschenbuch 684 – erste Auflage 1981) habe ich in diesen Tagen nun bereits zum vierten Mal gelesen (nach 1987, 1995 und 2003 jetzt 2011 … also alle acht Jahre, wenn das etwas zu bedeuten hat?!) und ich kann mich immer noch für dieses Buch begeistern.

„Ich glaube, es war im November 1972, als sich Anselm Kristlein das letzte Mal bei mir meldete …“ – so beginnt im Nachwort der Nachruf auf einen Verstummten, nämlich auf Anselm Kristlein. „… Geboren 1920. …“ wurde dieser Anselm Kristlein, also sieben Jahre vor Martin Walser. „Er war allein. Alles war Feindesland. … Er muß anziehend gewirkt haben auf in Schwierigkeiten geratene Abenteurer. Also auf seinesgleichen.“ – und „Mein Gott, wie wohlgesonnen zog er immer aus, und wie zugerichtet kam er jedes Mal zurück!“ (aus: Nachwort – Nachruf auf einen Verstummten – und ebenso hier:) „… Von 1958 bis 1960, 1964 und 1965 und dann noch von 1970 bis 1972 war er rund um die Uhr bei mir. …“, also bei Martin Walser, der in dieser Zeit an den drei Teilen der Trilogie schrieb.

Ohne Zweifel hat dieser Anselm Kristlein viel mit Martin Walser gemeinsam. Er ist in Vielem das Alter Ego Walsers. Nicht umsonst hat Walser diesem Anselm Kristlein drei Romanbände gewidmet, die allerdings von Band zu Band in der Seitenzahl merklich schrumpften. Der Erzähler Kristlein (aka Walser) zeigt sich deutlich diszipliniert, denn ihm sind die verbalen Exzesse durch Lebensüberdruss nach und nach abhanden gekommen. Das hindert Kristlein-Walser aber nicht daran, die Phantasie weiterhin ausschweifen zu lassen. Hat mich Walsers „Das Einhorn“ schon beeindruckt, so zähle ich „Der Sturz“ zu meinen absoluten Lieblingen, wenn mir auch das Ende (siehe unten) nicht so ganz gefällt. Das hat Martin Walser wohl selbst gemerkt und hat dem Roman ein Nachwort verfasst (siehe oben).

Lesenswert ist ohne Zweifel hierzu eine Rezension von Peter Wapnewski bei spiegel.de

Und wie „Das Einhorn“ so wurde auch dieser Roman verfilmt, wenn Walser diesmal auch nicht am Drehbuch mitgewirkt hatte. Regie des 1979 entstandenen Films führte Alf Brustellin, die Hauptrollen spielten Franz Buchrieser als Anselm Kristlein, Hannelore Elsner als seine Frau Alissa und Wolfgang Kieling als Edmund Gabriel, Anselms ‚besten’ Freund. Das Drehbuch schrieben Alf Brustellin und Bernhard Sinkel. Musik: Klaus Doldinger. Leider habe ich bisher nicht ermitteln können, ob der Film, in welcher Form auch immer, erhältlich ist. Vielleicht kann einer von Euch mir hier weiterhelfen. Mich würde der Film wirklich brennend interessieren.

Nachtrag zur Verfilmung: Inzwischen sind bei YouTube vier Filmausschnitte eingestellt worden (weitere Informationen zu diesem Film auf der Website des Regisseurs Bernhard Sinkel, der wie erwähnt auch am Drehbuch beteiligt war – ich recherchiere weiter nach einer Filmkopie):


Der Sturz – nach dem Roman von Martin Walser – Regie: Alf Brustellin

Hier noch einige Sätze aus den letzten Seiten des Romans. Das Verstummen des Anselm Kristlein kommt nicht von ungefähr. Auf dem Weg in den Süden mit seinem alten Mercedes samt Anhänger und darauf ein Segelschiff, überquert er mit seiner Frau Alissa die Alpen. Von Splügen in der Schweiz aus wählt er eine alte Passstraße, die ihn bei Schneetreiben ins Verderben und zum Verstummen führt:

„Wir standen schon bergauf, Richtung Splügen. … Es ist die alte Paßstrasse. Sie führt durch kein Tunell. Sie führt oben drüber. ….Ich weiß, daß wir bei diesem Wetter mit Sommerreifen und einem 7 Meter langen Segelschiff nicht ohne weiteres über den 2117 Meter hohen und nicht gut gebauten Paß kommen werden. … Drunten an der Abzweigung wird der Paß längst als geschlossen angezeigt. … Selbst wenn es uns so gelingen sollte, ins ennetbirgische Misox zu kommen, kann ich es nicht ändern. Dann sind wir eben entkommen und rutschen irgendwie ermattet ins Italienische, in die Kastanienwälder Chiavennas hinunter. … Der Trailer steht schon fast senkrecht zu uns. Jetzt knackt schon Blech. Etwas splittert. Wir kippen. Wir sind nicht mehr auf der Straße. Es geht hangabwärts mit uns.“

(S. 348 –352)


Größere Kartenansicht
Splügen – Chiavenna über Splügenpass
(Fahrtroute von Anselm Kristlein)

Der Roman besteht aus drei Kapiteln mit jeweils 19 Unterkapitel. Die Kapitel sind benannt. Die Unterkapitel selbst tragen keine Überschriften, so habe ich diese ihrem Inhalt gemäß wie folgt beschriftet:

I. Geldverdienen

1 Bewegungslos im Bett
2 Schwimmen, Pferd und Schmetterlinge
3 Irmgard, die Cousine … zuvor: Hotel und 72.000 DM „Verlust“
4 Geldverdienen – Absage beim BuSoM (Bund sozialdemokratischer Millionäre) … und wieder auf der Wiese ohnmächtig …
5 Waffenklang der Währungen oder Der Dollarstrom
6 Armenische Arbeit …
7 Leiter Blomichs Betriebserholungsheim am Bodensee (in Reutenen)
8 der Gegentyp
9 Genovev im Grasbett
10 Fortsetzung „der Reise“
11 Fabrikarbeit – Angis Brust – Genovev-Alma „wiedergefunden“
12 Traum: Blomichs Ansprache an Anselms Erschöpfung
13 „Leben“ mit der sechsfingrigen Finchen …
14 Blomichs Bote – der unangreifbare Heinrich Müller …
15 Birnmostkommune (Agi & Co.) und der “neue” Anzug
16 Loch ausgraben – Dr. Zerrls Rassenforschungen und Frau Finchen (2) – Hajar-Kommune und Festnahme
17 Anklage wegen Doppelmord …
18 Tracht Prügel dem Allgemeinen zuliebe auf dem Weg zu Alissa
19 Bewegungslos im Bett (Schluß des Kreislaufs, s. I. 1)

II. Geldverdienen. Phantasie der Angestellten

1 Alissa pachtet das Gästehaus – statt Angestelltentum u.a.
2 Königs (Sozialabt.) Ansichten zum Kaiser (Liegenschaften) – vor ihrem gemeinsamen Tode …
3 Loch schaufeln
4 Gespräche über Blomich – 2 Schreibmaschinengeräusche vom Band (Edmunds Buch …)
5 Anselm und Hanni im Schäferkarren, zuvor die Apothekenhelferin – Alissa mit Schock im Krankenhaus …
6 Vorweihnacht: Alissa im Krankenhaus; abendliche Gespräche, u.a. mit Fritz Hitz, dem dichterischen Anarchisten …
7 Silvester(vorbereitungen)
8 Im neuen Jahr schlechte Nachrichten und Michel Enzingers Briefe (bis zu seinem Tod in Anselms Grube)
9 1. Schub Weibliche – 2. Schub Männliche – Verkauf der Blomich-Gruppe an die Amis und damit „Schluss“
10 Der Gegentyp (2)
11 Familienausflug mit Semmelautomaten und Unfall
12 Zukunftspläne
13 Anselms Vorstellungen …
14 Edmunds „Selbstmord“
15 Edmunds Notizen (Spinnensexualität)
16 Tod (Blomich u.a.) im Atombunker …
17 Probleme mit Lissa und ein weiterer Freitod …
18 Vor dem Auszug
19 Alissas Innenleben

III. Geldverdienen. Phantasie der Angestellten. Mit dem Segelschiff über die Alpen

1 Unterbringung der Kinder: Lissa und die Saucen
2 Unterbringung der Kinder: Guido und die Beerengewinnung des Onkel Josef
3 Unterbringung der Kinder: Drea und die Friedhofgärtnerei
4 Unterbringung der Kinder: Philipp und die Reinlichkeit
5 Kinder aussetzen oder ab mit ihnen ins Akademische …
6 Fortschreibung des Gegentyps
7 Die Cousine im Fetzenkleidchen
8 Aufbruch (mit dem Segelschiff …)
9 Erinnern an die Kinder – Jobs im Hotel …
10 Empfangschef und Anselm, der Kofferträger
11 Unerkannt …
12 Hoteldiener als Hochstapler – vom unaufhaltsamen Fall und der Unbestimmtheit des Tuns …
13 Über Stoppeln springen und ein weiterer Sturz
14 Dieses Hin und Herr … und Alissas Sieg
15 Im Schlafsack einkehren unter dem milchigen Gletscher …
16 Das wird Anselm nie vergessen …
17 Vor ’m Nadelöhr
18 Über die Alpen …
19 Papierschneeweiß liegend zwischen Autoteilen, Weg- und Satzzeichen

Nachwort – Nachruf auf einen Verstummten

„Walser hat im „Sturz“ das Höllenhafte unserer Existenz zum Furchtbaren hin zu gespitzt … Seine Gegen-Utopie trägt die realen Züge des Spätkapitalismus.“
Peter Laemmle

„… das konsequenteste Denkspiel der deutschen Nachkriegsliteratur.“
ARD-Fernsehen

Und nach etwas: Martin Walser wurde vor wenigen Tagen (am 24. März) 84 Jahre alt. Das hindert ihn aber nicht daran, weiterhin produktiv zu sein. Am 15. Juli erscheint im Rowohlt Verlag mit Muttersohn ein weiteres umfassendes Werk aus seiner Feder. Ich bin sehr gespannt. „Thema sei das Verhältnis von Glauben und Wissen. Im Mittelpunkt stehe ein dreißigjähriger Mann, dem seine Mutter beigebracht habe, dass zu seiner Zeugung kein Mann nötig war. Der Roman spiele in der Landschaft zwischen Donau und Bodensee mit ihren vielen Klosterbauten, wo Glaubensleistungen erbracht worden sind wie sonst kaum wo in Europa.“ (Quelle: St. Galler Tagblatt)

noch ein Nachtrag: Die nach wie vor sehenswerten Kinofilme von Bernhard Sinkel (Co-Autor am Drehbuch zum Film „Der Sturz“) sind jetzt in einem 6-DVD-Schuber erhältlich: Lina Braake, Berlinger, Der Mädchenkrieg, Taugenichts, Kaltgestellt, Der Kinoerzähler

Vergessene Stücke (1): Jean-Paul Sartre – Bei geschlossenen Türen

Unter dem Titel „Vergessene Stücke“ möchte ich mich hin und wieder Theaterstücken widmen, die schon lange nicht mehr oder heute nur sehr selten auf deutschen Bühnen aufgeführt werden. Es sind Theaterstücke, die vor einiger Zeit für ein gewisses Aufsehen gesorgt haben, Stücke, die sicherlich auch heute noch von einige Bedeutung sind, die aber mehr oder weniger vergessen wurden. Wenn überhaupt, dann sich diese Stücke heute zwischen Buchdeckeln erhältlich.

Beginnen möchte ich mit dem Stück „Bei geschlossenen Türen“ (Original: „Huis clos“), heute eher unter dem Titel „Geschlossene Gesellschaft“ bekannt, von Jean-Paul Sartre. Sartre war in erster Linie Philosoph und Begründer des Existentialismus. Aber er wurde auch durch eine größere Anzahl von Dramen bekannt, die natürlich seine philosophischen Ansichten widerspiegeln.

„Bei geschlossenen Türen“ schildert die Hölle, die „die anderen“ sind. In dem Second-Empire-Salon eines heruntergekommenen Hotels foltern sich drei Menschen in gegenseitiger Selbstentblößung.

Personen:

Inès Serrano
Estelle Regault
Joseph Garcin
Kellner


Jean-Paul Sartre: Geschlossene Gesellschaft (Huis clos)
(weitere Ausschnitte bei YouTube)

Als Garcin, begleitet vom Kellner, in den Salon tritt, fragt er: „Wo sind die Pfähle? … Die Marterpfähle, die Bratroste, die Blasebälge?“ So langsam wird dem Zuschauer bewusst, dass sich die Personen des Stücks in der Hölle befinden. Sartre, der als Atheist religiöse Fragen eigentlich vollständig ausklammerte, übersetzt hier ein religiöses Motiv in die existentialistische Analyse der menschlichen Situation und erschließt so die grundsätzliche Ausweglosigkeit des menschlichen Daseins unter dem Blickpunkt der Ewigkeit.

Inès stellt sehr schnell fest: „Der Henker – das ist jeder von uns für die beiden andern.“ Sie will sich ihre „Hölle selbst erwählen …“ können. Aber (wie Garcin sagt) „… die Hölle, das sind die andern.“ (Original: „L‘ Enfer c’est les autres.“)

Jede Liebe, Sexualität und Anerkennung ersticken in Hoffnungslosigkeit und sind somit zum Scheitern verurteilt. „Wenn Garcin am Ende die letzten Worte ‚also – machen wir weiter’ sagt, hat sich ihre Lage nicht verändert. Sie werden ihre Notgemeinschaft ewig aufrechterhalten müssen, ohne wirklich voranzukommen.“