Kategorie-Archiv: Ian und die (Musik-)Welt

Ian Anderson (Jethro Tull) & vieles mehr von dieser Welt

Was ist bloß mit Ian los? Teil 35: Christmas Album

Hallo Wilfried,

ich hoffe, dass Ihr den Kindergeburtstag (darf man das noch sagen ?) gut überstanden habt.

Deine getrübte Vorfreude auf den 26.12. kann ich nachvollziehen. Feiern im großen Kreise liegen mir auch nicht. Heute Abend haben meine Eltern ihren Hochzeitstag gefeiert. Nur im kleinen Kreis: Ihre Kinder und deren Familien. Das war ein schöner gemütlicher Abend. Mein Vater hatte seinerzeit seinen 60. Geburtstag in großer Familienrunde gefeiert. Das hat ihm so gefallen, dass er an eine Feier zum 70. Geburtstag nicht einmal gedacht hat.

Wenn Mr. Anderson sein Outfit für Maria Laach mit der selben Sorgfalt auswählt wie 2004 in Neapel, bin ich sehr zufrieden.

Zum Stichwort Barrett muss ich gestehen, dass ich nicht exakt das Gleiche erworben habe wie der Meister. Meines fällt etwas schlichter aus und der Bommel fehlt. Der Schlagzeuger aus dem Drehscheiben-Auftritt ist mir vollkommen fremd. Halt einer von ungezählten ehemaligen Bandmitgliedern.

Ich habe mir Francis‘ Playback-Auftritte angesehen. Wirklich, gar nicht mal schlecht. Ich habe Profis erlebt, die es nicht so gut hinbekamen. Auch sonst kann ich über Francis nur staunen…

Ich bestreite gar nicht, dass „Roots to Branches“ gut gemacht ist. Die Arrangements und Leistungen der Musiker sind bestimmt klasse. Aber: Es gefällt mir nicht. Auch nach mehrmaligem Hören nicht. Es kostet mich jedesmal Überwindung, diese CD einzulegen. Aber damit kann ich leben. Mittlerweile habe ich akzeptiert, dass Mr. Anderson andere musikalische Ziele hat, als nur meinen Geschmack zu bedienen. Er hat eine Handvoll Alben gemacht, die mein Leben bereichert haben und dafür danke ich ihm.

Noch einmal zur Menschheitsgeschichte: Auch bei mir gibt es eine innere Liste von Menschen, denen ich gerne begegnet wäre: Albert Einstein, Konrad Lorenz, William Wallace, Hannibal… Vielleicht ergibt sich im jenseitigen Leben eine Möglichkeit dazu, wer weiß ? Bevor Johannes Paul I. auf dem Stuhl Petri Platz nahm, hat er unter seinem bürgerlichen Namen Albino Luciani für eine italienische Zeitung eine kleine Serie geschrieben. Es waren fiktive Briefe an verstorbene Persönlichkeiten der Geschichte. Diese Briefe sind später in einem kleinen Buch zusammengefasst worden: Ihr ergebener Albino Luciani. Dieses Buch ist wirklich sehr schön zu lesen. Ich glaube, ich werde in meinem Schrank noch einmal danach suchen.

Die Weihnachtsgeschenke für die Familie besorgt meine Frau dankenswerterweise. Mir bleibt nur noch, ein Geschenk für meine Frau zu besorgen. Das ist mir heute Nachmittag gelungen. Jetzt fehlt nur noch das Geschenk für ihren Geburtstag.

Du hast also einen neuen Bildschirm. Lass‘ mich raten: Ein Samsung TFT 19″. Mein Röhrengerät ist jetzt über sechs Jahre alt. Ein No-Name – Produkt aus dem Supermarkt. Dummerweise (hätte ich fast gesagt) funktioniert er wie am ersten Tag. Ist aber ganz gut so; ein Breitwand-Bildschirm ist mit einem Schmalspur-Konto nicht kompatibel.

Falls es Dir in den nächsten Tagen und Wochen gelingen sollte, in einer besinnlichen Minute an den eigentlichen Zweck von Weihnachten zu denken, musst Du mir unbedingt verraten, wie Du das geschafft hast. Ich ärgere mich jedes Jahr über die galoppierende Säkularisierung des Festes und jedes Jahr mache ich beim Tanz um den Mammon ganz brav mit.

Eine erträgliche Woche wünscht Euch
Lockwood

03.12.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

den Geburtstag meines großen Sohnes haben wir alle gut überstanden. Es gab keine jugendlichen Ausraster und dergleichen. Ohne Alkohol ging es leider nicht. Aber alles in Maßen, sodass auch alle heil nach Hause kamen.

Ja, überhaupt diese Familienfeiern. Ich bin froh, wenn alles hinter uns gebracht ist und ich mit meinen Lieben wieder Ruhe finde. Leider lässt sich nicht alles vermeiden. Und überhaupt Weihnachten. Ich bin noch sehr weit davon entfernt, weihnachtliche Gefühle zu entwickeln. Liegt nicht nur am Wetter.

Mein neuer Bildschirm ist zwar nicht von Samsung, sondern von Philips, aber sonst hast Du Recht. ein flacher 19-Zöller. Immerhin habe ich meinen Rechner „auf Vordermann“ gebracht. Er läuft wieder normal. Irgendwie hatte er Probleme mit einem DVD-Laufwerk, das dazu führte, dass der ganze Rechner abstürzte. Jetzt darf er gern noch ein bis zwei Jahre halten. Technisch gab es in letzter Zeit ja nicht so große Sprünge.

Weihnachten steht also vor der Tür. Hast Du eigentlich das „Christmas Album“ von Jethro Tull? Es sind ja vorwiegend ältere Lieder, die neu aufgenommen wurden. Aber es enthält auch neue. Bis auf den Instrumentaltitel „God Rest Ye Merry Gentlemen“ (klingt mir zu Oldtime-Jazz-mäßig) finde ich die Scheibe ganz okay und werde sie öfter in dieser Vorweihnachtszeit anhören.

Aqualung Aquaclaus

40 Jahre Jethro Tull – das dürfte wohl erst 2008 sein. Laut der Tull-Biographie auf der offiziellen Tull-Website heißt es dort:

In the latter months of 1967, four shaggy wannabe’s congregated in the Southern UK town of Luton, Bedfordshire. From the debris of the disillusioned and disintegrated John Evan Band and McGregor’s Engine, the naïve, untutored talents of Ian Anderson, Mick Abrahams, Glenn Cornick and Clive Bunker tentatively coalesced to form the original Jethro Tull line-up.

After fulfilling a few remaining dates under the John Evan banner, the group established themselves as Jethro Tull, new resident band at London’s famous Marquee club, albeit after a few false start identities („Navy Blue“, „Ian Henderson’s Bag ‚o Blues“, Jethro Toe“ and the certainly suicidal „Candy Coloured Rain“).

By March 1968, they had built a following as the new face of the blues-based British underground music scene. Lines stretched around the block on a Thursday night when they performed at the Marquee. Ian Anderson would typically join the line as if to buy a ticket himself wearing the shabby hand-me-down overcoat which was to become his trademark for the next few years. Often, he would be seen with a Woolworth’s carrier bag containing flute, harmonicas, alarm clock and hot water bottle, in strange precursor role of the Aqualung/tramp persona.

Also in den letzten Monaten des Jahres 1967 ‚versammelten’ sich die Gründungsmitglieder in Luton, hatten unter dem John Evan ‚Banner’ noch einige Termine zu erfüllen, um dann nach einigen Fehlstarts als Jethro Tull ab März 1968 im Marquee Club zu London erste Erfolge zu verzeichnen.

In den FAQs auf der Tull-Site steht:

Back in February, 1968, we had many different names which usually changed every week, since we were so bad that we had to pretend to be some new band in order to get re-booked in the clubs where we aspired to find fame and fortune. Our agent, who had studied History at college, came up with the name Jethro Tull (an eighteenth century English agricultural pioneer who invented the seed drill). That was the band name during the week in which London’s famous Marquee Club offered us the Thursday night residency. So it stuck. Is it too late to change? I thought so.

Also Ende 1967 spielten Anderson, Abrahams, Cornick und Bunker bereits zusammen. Den Namen Jethro Tull hat die Gruppe ab März 1968 und brauchte ihn nicht mehr zu ändern, weil sich plötzlich lange Schlangen vor dem Marquee bildeten. Wie gut, dass die Gruppe da nicht „Navy Blue“ oder „Candy Coloured Rain” (wirklich selbstmörderisch) hieß („Marineblau“ bzw. „bonbonfarbener Regen“, na toll).

Das „20th Anniversary box set“ (bzw. die Doppel-Scheibe „20 Years of Jethro Tull“) ist 1988 und das „25th Anniversary box set“ 1993 erschienen – ausgehend vom Jahre 1968. Wir müssen uns also noch bis 2008 gedulden, um 40 Jahre Jethro Tull zu feiern. Hoffen wir nur, dass es bis dahin die Gruppe noch gibt. Ansonsten müssten wir noch ein Jahr warten, um Andersons 45. Jahrestag als Musikant zu feiern (“Ian Anderson, known throughout the world of rock music as the flute and voice behind the legendary Jethro Tull, celebrates his 41st year as a recording and concert musician in 2004.” aus: Ian Anderson Biography, Jan. 2004).

Ab und zu stöbere ich auch bei Jan Voorbij (cupofwonder.com). Seine Anmerkungen zu den Tull-Liedern sind wirklich bemerkenswert. Da kommen wir lange nicht heran. ‚Leider’ auf Englisch, da muss man schon öfter im Dictionary nachschlagen. Wir waren ja eine längere Zeit mit David resp. Dee Palmer beschäftigt. Hast Du gewusst, dass Palmer die einleitenden Worte zu „Minstrel in the Gallery“ gesprochen hat?

Bei Jan Voorbij (wie spricht sich der Name eigentlich aus? Wie das deutsche „vorbei“?) steht:

[David Palmer – spoken intro] :

‚My lord and lady, we have fortuitously happended upon these, er, strolling players, who will provide you with, er, goodly tunes while you set about your prandial delights…albeit in the lamentable absence of your guests. So, my lord and lady, for your entertainment!…..‘

Ich dachte immer, Anderson selbst spricht diese Einleitung.

Ja, der Tanz um den Mammon. Heute habe ich die letzte Order für ein Geschenk für meine Frau aufgegeben (sie ist leidenschaftliche Bärchen-Sammlerin und ich habe noch einen schönen Teddybären gefunden). Das war es dann auch. Hoffentlich bleibt noch etwas vom Weihnachtsgeld übrig, um es für den Urlaub 2007 zurückzulegen. Ich will mit meinen Lieben noch einmal nach Grainau, wenn auch nur für zwei Wochen. Morgen haben wir in der Firma Weihnachtsfeier. Eigentlich wollte ich mich da dünne machen (die Feier wird vom Betriebsrat veranstaltet), aber ich will keine Schwäche zeigen und werde mich für 1 bis 2 Stunden in unsere Kantine bequemen, mir den Magen voll schlagen und dann gen Heimat ziehen. Weihnachtliche Besinnung muss ich dann auf später verschieben.

Bereits heute Dir und Deinen Lieben einen schönen 2. Advent
Wilfried

06.12.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 34: Von den Wurzeln zu den Zweigen

Hallo Wilfried,

ob sich hinter unserem Bundespräsidenten ein Tull-Fan verbirgt, kann ich nicht sagen. Ich möchte aber auf eines hinweisen: Nicht jeder Tull-Fan trägt Kopftuch. Ich hoffe, dass Mr. Anderson bei dem Konzert in Maria Laach etwas mehr Augenmerk auf seine Garderobe richtet. Ein Outfit, wie es auf Deiner (wieder sehr gelungenen !) Montage zu sehen ist, würde schon reichen. Lediglich mit der Kopfbedeckung könnte es Probleme geben: Maria Laach ist ein katholisches Gotteshaus und hier ist der Nicht-Kleriker aufgefordert, es nur barhäuptig zu betreten.

Steht nicht nächstes Jahr das 40jährige Jubiläum von JT an ? Ich habe noch nichts davon gehört oder gelesen, aber rein rechnerisch müsste das so sein.

Vielen Dank für den Hinweis auf die neuen Laufi-Videos ! Der Auftritt in der ZDF-Drehscheibe ist genau der, von dem ich an anderer Stelle bereits erzählt habe. Vielleicht erinnerst Du Dich: Am nächsten Tag bin ich losgezogen, um mir das gleiche Barett zu kaufen, wie es der Meister trug (allerdings steht es ihm besser als mir). 1982 ist es mir nicht aufgefallen, aber heute: Zum historischen Kostüm trägt Mr. Anderson wieder eine Armbanduhr. Diese Marotte kann ich mir nur so erklären, dass ihm in der Vergangenheit schon einmal eine Uhr in der Künstlergarderobe abhanden gekommen ist. Summa summarum komme ich zu dem Schluss, dass ein Playback-Auftritt in einer deutschen Nachrichtensendung im Vorabendprogramm nicht das richtige Forum für Könner wie JT ist. Klar, als Teenager habe ich den Auftritt damals genossen, aber die Musiker müssen Höllenqualen gelitten haben.

Mit den Parallelen zwischen TAAB und Bohemian Rhapsody meinte ich in allererste Linie die ungewöhnliche Dauer dieser Stücke und der Bombast, mit dem sie vorgetragen werden. Natürlich gibt es Unterschiede in den Songs und den Künstlern. Der Größte ist vielleicht, dass JT in der Lage waren und sind, ihr Lied live darzubieten. Queen mussten bei den schwierigen Passagen, wie z.B. dem Chorgesang, auf das Tonband zurückgreifen. Vielleicht kennst Du God Save The Queen von Queen; nur Gitarre und Schlagzeug. Die Band spielte es lange Zeit am Ende ihrer Konzerte. Das heißt, sie spielte es nicht, sondern spulten es aus der Konserve ab. Ob Mr. May es live nicht hinbekommen hätte ? Keine Ahnung. Jedenfalls halte ich JT für das größere Live-Erlebnis.

Das Konzert im Madison Square Garden hat für mich eine ähnliche Klasse wie der Auftritt im Hippodrom. Wie Du schon sagtest, die beiden Events liegen nur ein Jahr auseinander. Aus meiner Sicht hatte die Gruppe 1978 den Zenit ihrer Schaffenskraft erreicht. Das war nicht mehr zu toppen. Von JT nicht, von anderen erst recht nicht.

Vorsichtshalber zur Richtigstellung: Am Prozess gegen Danton interessiert mich nicht das Ende auf dem Schafott, sondern seine unglaublich eloquenten Verteidigungsreden. Allerdings müsste ich einen Dolmetscher mit in die Zeitmaschine nehmen.

Die magere Reaktion auf Ralph Weber’s Endgame mag in der hohen Qualität des Textes begründet liegen. Ich kann mir vorstellen, dass mancher Tull-Fan den Kommentar mit offenem Mund liest und nur noch ein ehrfürchtiges Nicken zustande bringt. Jemanden, der so schreiben kann, quatscht man nicht ungefragt an. Das ist natürlich Unsinn, aber solche Gedanken schwingen möglicherweise im Unterbewusstsein mit.

Ich habe mir noch einmal, ganz bewusst, Roots to Branches angetan. Es bleibt dabei: Inhaltlich kann ich Herrn Weber nicht in jedem Punkt zustimmen. Wenn ich einem Außerirdischen die Qualität der irdischen Rockmusik mit einem Beispiel belegen müsste, würde ich ihm einen Liveauftritt von TAAB vorspielen. Es hatte also auch sein Gutes, dass der Mensch sich über den Affen erhoben hat.

Ich freue mich auf Heiligabend !
Lockwood

29.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

die Freude auf Heiligabend (Weihnachten) hält sich bei mir in Grenzen. Meine Frau wird nämlich 50 Jahre alt (sie hat allerdings am 26. Geburtstag) und da ist eine große Feier angesagt, die im Gemeindehaus unserer evangelischen Kirche stattfindet. An Gästen werden mindestens 50 Leute erwartet, die dann auch noch Kinder mitbringen, sodass es sicherlich noch mehr werden. Hoffentlich sind die alle noch vom Weihnachtsbraten gesättigt (oder die haben bereits eine Magenerweiterung – da passt dann noch genügend hinein). Ich mag solche Massenveranstaltungen überhaupt nicht, aber da muss ich durch. Da unterhält man sich mit jedem und keinem. In kleiner Runde finde ich es um einiges besser. Mag dieser Kelch an mir vorüberziehen. Immerhin habe ich die Tage darauf frei und kann mich erholen.

In Maria Laach werden wir Herrn Anderson mit Sicherheit ohne Kopftuch oder Käppi sehen, also mit sehr breitem Scheitel. Er weiß, was sich gehört. Es ist auch nicht sein erster Auftritt in einer katholischen Kirche. Im Januar 2004 war er fürs italienische Fernsehen in Neapel aufgetreten und brachte u.a. Bourree zum Besten.

Das ist also das berühmte Barrett? ZDF-Drehscheibe habe ich früher mit meinen Eltern auch öfter gesehen. Diese Sendung muss ich aber verpasst haben. Nett sind ja die älteren Damen am Schluss. Die gucken etwas gelangweilt, klatschen aber höflich ihren Beifall. Haben die etwas härteres erwartet? Am Schlagzeug muss ein Gerry Conway sitzen. Der ist mir überhaupt nicht gegenwärtig. Ich habe zwar einige Videos aus 1982. Die sind aber von der Qualität recht schlecht. Und irgendwie habe ich da auch nie so richtig auf den Mann an der Schießbude geachtet. Conway hat auch nur auf „Broadsword“ gespielt, auf „Crest of a Knave“ gab es dann einen fliegenden Wechsel mit Doane Perry (auf „Under Wraps“ hat Anderson selbst die Schlagstöcker gewirbelt), der mithin auch schon 20 Jahre bei der Truppe ist.

Apropos Videos! Ich habe auch einmal einen Blick bei myvideo.de gewagt und wem bin ich dabei begegnet? Unserem alten Kumpel Francis, wenn Du Dich an den erinnerst. Da musst Du unbedingt hineingucken. Der Mann ist zwar ziemlich kaputt (wenn man in meinem Alter ist, dann ist das kein Wunder), aber ein ‚echtes’ Showtalent, was die Tull-Imitationen betrifft. Kein Grund zum Lästern, zu Playback so tun als ob ist wirklich nicht leicht – aber das Thema hatten wir bereits.

Francis

In „Roots to Branches“ habe ich auch einmal intensiver hineingehört. Das Album liegt zwischen den Solo-Scheiben „Devinities“ und „Secret Language of Birds“ von Ian Anderson, was nicht zu überhören ist. Das Flötenspiel erinnert mich an das erst genannte Album (z.B. das Stück „Wounded, Old and Treacher“, der dann folgende ‚Rapper’ Anderson macht das Lied dann allerdings ziemlich kaputt), recht ausgreifend und von Weltmusik geprägt. Der Gesang, aber auch einige Instrumentalpassagen ähneln der zweiten (z.B. „At last, forever“ – außerdem: das hört sich hier wirklich einmal nach einer 12-saitigen Gitarre an). Ich muss gestehen, dass ich mich zunächst auch nicht voll für „Roots to Branches“ begeistern konnte; nach dem 3. Lied hatte ich einen Hänger. Aber bereits beim 2. Hören wird man ‚vertrauter’. Und es gibt einige Lieder, die mir dann sogar ganz gut gefallen (z.B. „Beside Myself“, das ich durch die Videoaufnahmen schon etwas näher kenne, und „Another Harry ’s Bar“). So ganz Unrecht hat der gute Herr Weber allerdings nicht – die Arrangements sind äußerst ausgefeilt wie kaum auf einem anderen Tull-Album und bieten dabei den Mitspielern doch viel Raum zur Entfaltung.

In Deiner Beurteilung bezüglich der mageren Reaktion auf den Weber’schen Beitrag End game – Jethro Tull im Halbschatten im Laufi-Forum gebe ich Dir voll und ganz Recht. Es ist zudem eine Sichtweise, eine Perspektive, die dem Leser unvertraut sein dürfte (wer als Frosch plötzlich die Welt von oben sieht, der dürfte sehr erstaunt gucken – „mit offenem Mund“ wie Du schreibst).

Und: Was die besonderen Ereignisse in der Menschheitsgeschichte anbelangt, da könnte es doch einiges geben, nur wären das im eigentlichen Sinne keine „besonderen Ereignisse“: Ich wäre z.B. gern einmal Franz Kafka begegnet, einfach um einmal diesen im vollen Wortsinne ‚merkwürdigen’ Menschen live erlebt zu haben. Und da gäbe es noch einige andere Menschen, die leider nicht mehr unter uns weilen.

Ja, nur noch drei Wochen bis Weihnachten. Hast Du bereits alle Geschenke für Deine Lieben im Sack? Mein Weihnachtsgeschenk steht ja bereits auf meinem Schreibtisch (der neue Bildschirm, weil der alte den Geist aufgab).

Jan hat heute Geburtstag und wird 16 Jahre alt. Um 19 Uhr kommt eine ganze Horde Jugendlicher und bevölkert dann den Abend unseren Keller. Also genug für heute.

Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein schönes Adventwochenende.
Bis bald
Wilfried

01.12.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 33: Weihnachtliche Wallfahrt

Ich falle ins Koma !
Der Meister in Maria Laach ! Ich kenne diese Abtei, sie ist ca. 100 km von hier entfernt, wunderschön an einem Kratersee gelegen. Jetzt wird aus diesem sakralen Anziehungspunkt auch noch ein Wallfahrtsort für IA-Fans.

Danke für die Info ! Ich werde schon mal eine leere Videocassette für Heiligabend bereithalten.

Viele Grüße
Lockwood

22.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried,

ich bin leider nicht in der Lage, die Spielweisen verschiedener Gitarristen zu unterscheiden. Dazu reicht mein Gehör bei weitem nicht aus. Unter günstigen Bedingungen kann ich eine Fender von einer Gibson unterscheiden, mehr aber nicht. (Lediglich Brian May’s „Red Special“ würde ich aus allen Anderen heraushören).

Die „Tausend Mütter“ habe ich mir in den letzten Tagen noch einige Male angehört; die 2000er Version, versteht sich. Es gefällt mir jedes Mal besser. Hier wird wirklich deutlich, dass wir über eine hervorragende Band sprechen. Dieser Auftritt gefällt mir so gut, dass ich kaum dazu komme, mich über des Meisters Stimme zu ärgern. Ich stimme Dir gerne zu: Über viele Jahre waren Jethro Tull wirklich ohne gleichen. Auch wenn ich die Musik von Queen und den Pogues in ihrer Summe mag, muss ich feststellen, dass deren Qualität nicht an die von JT heranreicht. Apropos Queen: Findest Du nicht, dass deren „Bohemian Rhapsody“ Parallelen zu „Thick as a Brick“ aufweist ? Ziemlich provokante Frage, ich weiß. Ich finde aber, es lohnt sich, ein oder zwei Gedanken daran zu verschwenden.

Clapton, Hendrix und kein Ende. Jeder Gitarrist wird an diesen beiden gemessen. Ich weiß nur sehr wenig über diese Herren; Clapton bringe ich mit Stratocaster in Verbindung. Von Jimmy Hendrix kenne ich nur seinen Auftritt in Woodstock. Und natürlich Hey Joe, das aber mehr aus persönlichen Gründen. Bei Mr. Hendrix denke ich an eine Gitarre, die mit den Zähnen, hinter dem Kopf oder sonstwie gespielt wird. Das hinterlässt zwar einen spektakulären Eindruck, aber ist das wirklich ein Ausdruck von Virtuosität ? Die Frage, ob er wirklich so herausragend war, brauche ich Dir nicht zu stellen, für Dich verkörpert er schließlich die Referenz-Klasse der Gitarristen. Aber was ist es, was ihn über andere Gitarristen erhebt ? War er besonders schnell, kannte er besonders viele Akkorde, oder was machte seine Klasse aus ? Hendrix hin, May her: Meine favorisierte Gitarrenmusik sind die akustischen Klänge des Mr. Anderson. Er ist vielleicht nicht der Welt bester Gitarrist, aber seine Kunst auf den sechs Saiten überzeugt mich.

Auf dem Thema der synthetisch erzeugten Flötenstimme werde ich nicht länger herumreiten. Entscheidend ist, dass das Gesamtergebnis einer Besetzung stimmt, und das ist bei JT bekanntlich stets der Fall. Darüber hinaus haben die Mannen hinreichend bewiesen, dass sie alles beherrschen, was eine sehr gute Live-Band können muss. Ein kleiner technischer Trick hin und wieder ist da durchaus hinzunehmen.

Vielen Dank für die mp3 – Datei des Auftritts in Japan ! Aus 1972; da hört man noch den hakligen Sound der frühen Jahre, bevor Dynamik und Drive bei den Liveaufnahmen Einzug gehalten haben. Ich habe (nicht zuletzt durch Deine Unterstützung) einige Tull-Konzerte auszugsweise oder komplett auf Video gesehen. Meine Nummer eins darunter ist nach wie vor das Konzert von 1977 aus dem Hippodrom.

In der Geschichte der Menschheit gibt es einige Ereignisse, bei denen ich gerne dabei gewesen wäre: Golgatha, Schlacht von Hastings, Prozess gegen Georges Danton, Fall der Berliner Mauer. Und: Hippodrom am 10.02.1977.

End game – Jethro Tull im Halbschatten:
Das ist wirklich ein hervorragender Beitrag zum Thema Jethro Tull. Auch wenn ich mit dem Autor Ralph Weber inhaltlich nicht in jedem Punkt übereinstimme, so ist dieser Beitrag eine Pflichtlektüre für jeden Tull – Fan. Der Autor scheint die Band schon eine ganze Weile zu beobachten und bündelt seine Wahrnehmungen in einem sehr fundierten Resümee zu Mr. Anderson’s Wirken. Er weiß um die Schwächen der Band, versucht aber nicht, sie zu kaschieren oder zu verharmlosen. Ralph Weber führt mir und allen, die an JT etwas auszusetzen haben, sehr deutlich vor Augen, dass die Stärken der Gruppe ihre Schwächen bei weitem überwiegen. Das war uns zwar schon klar, aber es tut gut, wenn diese Tatsache anhand konkreter Beispiele bewiesen und dokumentiert wird.

Ich werde mir „Roots to Branches“ noch einmal anhören, diesmal unter anderen Vorzeichen. Ich werde versuchen, bei diesem Album das von Ralph Weber diagnostizierte Genie des Meisters herauszuhören. Bisher mochte ich dieses Album überhaupt nicht, da es musikalisch zu weit von dem entfernt ist, was ich an der Anderson’schen Musik schätze (Folk, you know). Aber ich werde mich bemühen, das Album so unvoreingenommen wie möglich wahrzunehmen. An dieser Stelle mein besonderer Dank an Ralph für seine sehr gelungene Expertise ! Ein wahrer Meilenstein in der Tull-Kritik.

Ich habe gerade ein wenig bei Laufi reingeschaut. Die wissen natürlich schon von dem Konzert aus Maria Laach. Überraschenderweise scheint die halbe Laufi-Gemeinde, Laufi eingeschlossen, in räumlicher Nähe der Abtei zu wohnen. Wie ich gelesen habe, findet das Konzert am 16.12. unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass die Abtei an diesem Tag einen ungewohnten Besucherandrang erleben wird. Vielleicht erfahren wir bis dahin noch einige Details.

Wie kommt es eigentlich, dass Du kein Mitglied im Laufi-Forum bist ?

Mach’s gut !
Lockwood

25.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

Was die Teilnahme von Ian Anderson am Weihnachtskonzert des Bundespräsidenten betrifft, würde es mich sehr interessieren, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Sollte Herr Köhler vielleicht ein verkappter Tull-Fan sein (ich stelle ihn mir gerade mit Kopftuch bzw. Käppi vor)?

Ian Anderson und Fan Horst Köhler, Bundespräsident

Ja, das Konzert selbst findet bereits am Samstag, den 16. Dezember, statt und wird dann am Heiligabend vom ZDF ausgestrahlt. Ich denke, der Meister wird einiges aus dem „Christmas Album“ zum Besten geben. Aber lassen wir uns überraschen.

Überraschend sind auch schon die Ankündigungen zur Tull live on Tour 2007 in Deutschland, die im Juni/Juli 2007 stattfinden soll (zu sehen im Laufi-Forum). Auf der offziellen Tull-Website findet sich da bisher nichts, außer Termine bis April 2007 als Acoustic Tull-Tour. Also eine Fortsetzung auf deutschem Boden?

Und eine Acoustic Tull-CD ist auch in Planung mit einigen Live-Aufnahmen. Ich fürchte, es wird nichts Neues geben, wieder nur eine „Best of …“, wenn auch der Akustik-Titel. Gern lasse ich mich eines Besseren belehren.

Da wir gerade bei laufi.de sind: Es gibt wieder neue Videos dort zum Herunterladen. Zunächst ein Promo-Clip von „Moths“. Und dann wohl ein Beitrag aus der ZDF-Drehscheibe von 1982. Es hat beides seinen besonderen Reiz. Merkwürdig, wie oft Jethro Tull im deutschen Fernsehen zu sehen war (und weiterhin zu sehen ist).

Warum ich nicht Mitglied im Laufi-Forum bin? Zum Mitglied hat es nie gereicht. Ich weiß auch nicht. Man kann ja auch ohne Anmeldung die Beiträge lesen. Und wenn man seinen Senf dazu geben möchte, konnte man das zumindest früher auch ohne Anmeldung. Ich habe dort also durchaus meine Spuren hinterlassen und einige Kommentare verfasst. Neuerdings muss man sich dazu aber wohl anmelden. Da ich in letzter Zeit nichts zum Kommentieren auf dem Herzen hatte (okay zum Beitrag „End game – Jethro Tull im Halbschatten“ hätte ich etwas schreiben mögen – aber hatte dann keine Lust, mich anzumelden), so bin ich bis heute eben noch kein Mitglied. Dafür habe ich mich beim TullChat angemeldet – und bin dort seit langer Zeit nicht mehr gewesen. Es genügt mir, wenn ich mich hier äußere. Ich muss nicht allgegenwärtig sein.

Aber zurück zu Dir: Brian May und Queen sind mir nicht so geläufig. Ich hatte, als ich in Bremen lebte, einen Kumpel, der Queen-Fan war. Aber er konnte mich mit seiner Begeisterung nicht anstecken. youtube.com sei dank: ich habe mir „Bohemian Rhapsody“ angesehen und –gehört, Brian May spielt da ja wohl auch seine „Red Special“. Soviel habe ich zuvor gelesen, dass es sich dabei um einen Eigenbau handelt und die Gitarre wohl einen speziellen Klang hat. Nun, die Gitarre klingt weicher und erinnert mich irgendwie an die Gitarre (Steve Howe) von der Gruppe „Yes“ (z.B. in „Close to the Edge“).

Parallelen von „Bohemian Rhapsody“ zu „Thick as a Brick“ vermag ich nicht erkennen. Das Queen-Stück ist (oh, mamma mia) weitaus eingängiger als TAAB, das sich erst nach mehrmaligem Hören richtig erschließt. Allein die Gesangsstimmen von Freddie Mercury und Ian Anderson sind so unterschiedlich. TAAB ist zwar ein Konzeptalbum und solche werden oft wie Opern gehandelt. Wenn aber etwas opernmäßig ist, dann „Bohemian Rhapsody“. Nichts gegen Queen, irgendwie liegen die bei mir auf einer Linie mit „Who“ (und die haben ja auch Rockopern verfasst), was nicht abwertend ist. Aber so richtig erwärmen kann ich mich nicht für die. Ich gestehe aber, dass ich das Gitarrenspiel von Brian May nicht übel finde.

Zu Gitarrenheroen: Ich denke schon, dass Eric Clapton und auch Jimi Hendrix zu den ganz großen Gitarristen zu zählen sind. Clapton zeichnet sich durch einen gewissen Minimalismus aus. Nicht umsonst nennt man ihn auch „Slowhand“, was etwas irreführend ist. Er kann durchaus mit „schneller Hand“ spielen. Aber er spielt keine unnötige Note und hat den richtigen Drive, das richtige Rhythmusgefühl, das genaue Gefühl, den Blues … Auch versteht er es zu improvisieren. Angeblich hat er noch nie eine falsche Note gespielt (wobei man ‚falsche’ oder ‚richtige’ Noten immer im Kontext sehen muss; ich denke, dass er auch schon mal daneben gegriffen hat, aber die nächsten Noten so gespielt hat, dass sich die anscheinend falsche Note im Umfeld dieser nächsten Noten wieder als ‚richtig’ erwies). Ein ähnliches Improvisationstalent war Hendrix. Leider war er zu oft zu sehr vollgedröhnt, sodass manches dann doch eher unerträglich fürs Ohr war. In früheren Zeiten gab es ja das berühmte Schlagzeugsolo, ich erwähnte es bereits. Die richtige Zeit, um aufs Klo zu gehen. Ähnlich verhielt es sich mit schier endlosen Gitarrensoli. Die kamen manchmal einer in aller Öffentlichkeit vollzogenen Selbstbefriedigung gleich. Ein solcher Onanist war Hendrix.

Kommen wir mit frisch gewaschenen Händen von der Toilette zurück. Andersons Technik auf der akustischen Gitarre ist eine ganz besondere und vor allem individuelle. Ich weiß nicht, wie er sie entwickelt hat. Ich kenne auf jeden Fall keinen, der diesen Anschlag hat (es sei denn, dieser imitiert Herrn Anderson). Und mir ist diese Spieltechnik weitaus lieber als alle diese superschnellen Riffs, die mehr Demonstration darstellen als wirklich gefühlvolle Musik (John McLaughlin ist ein solches Beispiel – höre hierzu: Mahavishnu Orchestra: Open Country Joy – dieses Stück finde ich noch sehr schön; später wurde es dann aber richtig ätzend, es war so, als wolle die gute John einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen). Ein Solo auf der elektrischen Gitarre wie das von Martin Barre in „Aqualung“ hat natürlich auch etwas.

Ja das Hippodrom-Konzert aus 1977 gefällt mir auch sehr gut. Da hatten Anderson und Co. den richtigen Drive gefunden. Witzig auch, wie Barriemore Barlow sein Mini-Schlagzeug auf die Bühne zieht. Natürlich ist allein die Setlist vom feinsten. Sehr schön finde ich aber auch das Konzert von 1978 in Madison Square Garden, das damals über Satellit nach Europa übertragen wurde. Aber kein Wunder, beide Konzerte liegen zeitlich sehr eng beieinander. Allerdings würde ich schon einiges dafür geben, aus den Jahren 1972 und danach etwas in bewegten Bildern (und entsprechender Qualität) nachvollziehen zu können.

Was die besonderen Ereignisse in der Menschheitsgeschichte anbelangt, da würde mir das Hippodrom-Konzert vollständig ausreichen. Den Fall der Berliner Mauer habe ich zumindest indirekt miterlebt. Zum einen reichte die Trabi-Kolonne am besagten Tag im November 1989 bis zu uns nach Tostedt. Zum anderen war ich zum Jahreswechsel 1989/90 in Dresden und Umgebung (mit Interflug angeflogen) und habe etwas von der Stimmung dort mitbekommen. Golgatha, Schlacht von Hastings, Prozess gegen Georges Danton? Da genügt mir, was der Chronist überliefert hat. Alles etwas zu blutig für mich.

Für heute genug. Zum Beitrag End game – Jethro Tull im Halbschatten im Laufi-Forum später etwas mehr (aber der spricht ja eigentlich für sich selbst – da wundert es mich auch nicht, dass so wenige mit so wenigen Worten darauf geantwortet haben. Scham? Unverständnis?)

Bis bald
Wilfried

27.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 32: Von Tricks und Passionen

Hallo Wilfried,

Dein Mp3 – Quiz hätte ich nicht beantworten können. Ich hätte irgendetwas in Richtung Richie Blackmore getippt.

In der abgelaufenen Woche hattest Du einige bemerkenswerte Beiträge in Deinem Weblog. Das hast Du zwar immer, aber mir sind in den letzten Tage einige ganz besonders ins Auge gesprungen. Zuerst das mehrteilige Konzert des „Passion Play“. Ganz große Klasse ! Ich verstehe nicht, dass dieses Opus so zerrissen worden ist. Es ist vielleicht nicht das allergrößte Tull-Album, aber zumindest das, das ich am häufigsten gehört habe. Mir gefällt, wie bei allen Konzept-Alben, seine Durchgängigkeit. Fast schon eine Oper. Bei dem Konzert 1973 zeigte Mr. Anderson, warum und womit er sich den Titel eines Meisters verdient hat. Diese Kraft, dieses Genie, diese Stimme !

Das zweite Highlight der letzten Woche war Dein Beitrag zum 60. Geburtstag von Mr. Barre. Es erstaunt mich immer wieder, wie Du die Informationen und Bilder an Land ziehst. Jedenfalls ist daraus ein Würdigung entstanden, die der guten Seele von JT gerecht wird. Seine Solo-Musik (das wenige, was ich davon kenne) gefällt mir zwar nicht, aber ich bin mir bewusst, dass er einen großen Anteil daran hatte, aus Jethro Tull das zu machen, was wir heute kennen und schätzen. An dieser Stelle ein großes Lob an ihn, dass er soviel innere Stärke zeigt, seinen breiten Scheitel mit Würde zu tragen.

Zum parallelen Flötenspiel bei Anderson’s Gesang:
Deiner Erklärung, dass die zweite Flöte auf den Keyboards erzeugt wird, stand ich erst skeptisch gegenüber. Es klang einfach zu sehr nach Flöte. Aber ein aufmerksames Studium des Videos von „For a thousend Mothers“ brachte Gewissheit: Mr. Giddings spielt die Flötenstimme auf dem obersten Manual seiner Tasten-Batterie. Das wirft ein neues Problem auf: Wer sagt uns, dass er lediglich die zweite Stimme spielt ? Wird hier noch mit weiteren Tricks gearbeitet ? Was ist noch echt, was kommt von Synthi oder gar Tonband ? Lediglich der Gesang von Mr. Anderson ist unverkennbar echt.

Trotz allem: Die 2000er Version der tausend Mütter gefällt mir besser als die 1973er Version. Die jüngere Variante wirkt kraftvoller, dynamischer, druckvoller und gleichzeitig melodischer. Das ist vielleicht der Verdienst der zweiten Flötenstimme.

Deinem Hinweis, dass Mr. Giddings in Fragen „technischer Unterstützungen“ möglicherweise einen schlechten Einfluss auf den Meister hatte, kann ich nicht ganz folgen. Mr. Anderson hat auf mich nie den Eindruck gemacht, dass er leicht zu beeinflussen sei. Im Gegenteil: Er ist dafür bekannt, dass er innerhalb seiner Band ein hartes Regiment führt und das geschwungene Zepter auch mal auf Schädel niedersausen lässt. Wenn jetzt also ein wahrscheinlich nicht unersetzbarer Tastenmann daherkommt und einige Tricks vorschlägt, die dem Meister nicht zusagen, wird Mr. Anderson dem kaum um des lieben Friedens willen zustimmen.

Zum Schluss ein kurzer Themenwechsel:
Es gibt auch jenseits der anspruchsvollen Rockmusik Melodien, die einem gewissen Anspruch gerecht werden und / oder die man einfach gerne hört. Das wurde mir heute Morgen wieder deutlich vor Ohren geführt: Im Radio lief „If you don’t want my love“ von Elaine Paige. Tolle Melodie, großartige Stimme ! Diese Stimme erinnert ein wenig an Marti Webb, ebenfalls eine erstklassige Sängerin. Solche Stimmen vermisse ich heutzutage.

Ich wünsche Dir ein schönes Restwochenende und eine entspannte Woche

Lockwood

18.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

erst macht mein Bildschirm schlapp (war auch schon eine alte Krücke) und jetzt zickt auch noch mein PC. Ich hoffe er hält noch eine kurze Zeit.

Also ich will ehrlich sein: Die Gruppe Mountain ist mir so gut wie unbekannt. Irgendwann hatte ich zwar schon einmal das Lied „Mississippi Queen“ gehört – und gleich wieder vergessen. Das war es dann auch schon. Wenn man aber die kurzen Gitarren-Passagen der drei Stücke hört, dann erkennt man durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit der Spielweise von Martin Barre. Also Leslie West von der Gruppe Mountain ist so etwas ähnliches wie das Vorbild unseres Tull-Gitarristen. Wäre ich nie drauf gekommen.

Zum youtube-com-Video Jethro Tull: “For a Thousand Mothers (11/28/2000)” haben einige Leutchen ihre Kommentare abgegeben. Finde ich ganz interessant, z.B. „Jethro Tull are just the best damn live act ever!!!! Stick that in your pipe and smoke it!!!!”.

Ich pflichte Dir bei, dass Andersons Stimme nicht mehr die allerbeste ist. Aber instrumental sind Anderson und Barre wirklich eine Klasse für sich. Das siehst Du ja kaum anders, wenn Du die 2000-er Version von „For a 1000 Mothers“ für ‚kraftvoller, dynamischer, druckvoller und gleichzeitig melodischer’ hältst als die Versionen früherer Jahre. Besonders in den ersten Jahren fehlte es an der richtigen Dynamik, da klang alles noch sehr statisch und auch technisch (ich meine spieltechnisch) ziemlich unsauber und schlecht aufeinander abgestimmt.

Und deshalb haben Anderson und Co. auch heute noch diesen relativ großen Erfolg, wenn es um Live-Auftritte geht. Man weiß zwar, dass Andersons Gesang nicht mehr so toll ist, aber man weiß auch, dass man ansonsten, wenn man in eines der Konzerte geht, gut bedient wird. In diesem Sinne hatte ich mich ja auch zu meinem letzten Konzertbesuch im Juni 2005 geäußert.

Aber selbst die Tulls früherer Jahre hatten meiner Meinung nach schon mehr drauf als ihre Kollegen (ich will keine Namen nennen). Ich habe dieser Tage diverse Stücke anderer Bands aus den 70-er Jahren gehört. Besonders die Gitarrensoli waren für mich kläglich: bisschen Wischi-waschi mit viel Verzerrer! Mehr nicht. Da klingt Martin Barre bereits damals wie ein Gitarrengott und ließe sich höchstens von Clapton und Hendrix einholen.

Aber auch Gruppen aus dem letzten Jahrzehnt haben rein musikalisch gesehen viel weniger drauf als unsere lieben Tull-Brüder (ich habe mir in der vergangenen Woche geduldig Scheiben von ‚Nirvana’, ‚Placebo’ und ‚Panic in the Disco’ angehört, besonders Placebo war vor kurzem groß gefeiert). Nicht viel, was mich da vom Hocker riss. Und dabei bin ich durchaus aufgeschlossen für Neues.

Warum ich das eigentlich schreibe: ich habe ja selbst einmal in einer Gruppe blutiger Amateure gespielt. Und ich erinnere mich heute noch, dass wir uns bemüht haben, eine gewisse Dynamik in unsere Stücke hineinzubekommen (‚Drive’ nennt man das wohl auch). Aber es war nichts zu wollen. Bei Anderson, Barre und Co. klingt manches so leicht und locker. Aber damit es so klingt, muss man viele Jahre gespielt haben, um dieses Können und diese Routine zu erlangen. Wenn dann die Jungs auch noch richtig Spaß daran haben, dann klingt es noch etwas besser. Und den Spaß haben Anderson und Co. größtenteils noch, davon gehe ich aus. Gut, manche Abende ist man vielleicht nicht ganz so gut drauf (irgendwie klingt der Lugano-Auftritt so). Aber dafür sind es ja auch nur Menschen.

Ja, ob nun aus der Konserve oder wirklich live … Wie ich schon sagte, irgendwann hatte ich dazu in einem Interview gelesen, dass Jethro Tull auch auf Tricks zurückgreift (Wer würde das aber bei einem so komplexen Sound nicht tun). Der Original-Beginn von „Thick as a Brick“ lässt sich live nun einmal nicht so wiedergeben, dann brächten wir Ian Anderson zweimal (einmal den Sänger und gleichzeitig den Flötisten). Das Flötenspiel lässt sich also vom ‚Band’ abrufen (ist natürlich digital gespeichert – meist auch auf einem Keyboard) oder am Keyboard durch entsprechende Klangeinstellungen (MIDI, das Thema hatten wir in einem anderen Zusammenhang) bewerkstelligen. Ich denke, bei Jethro Tull halten sich diese Tricks im Rahmen und werden wirklich nur da verwendet, wo es nicht anders geht. In diesem Zusammenhang fällt mir die goldene Hochzeit meiner Schwiegereltern vor gut einem Jahr ein. Da spielte ein so genannter Alleinunterhalter … und der klang wie ein ganzes Orchester mit seinem Keyboard. Und obwohl er wirklich nicht singen konnte, vertuschte er dieses sehr geschickt, indem er seiner Stimme einen Chor beimischte. Also technisch ist heute selbst im Amateurbereich vieles möglich.

Okay, Herr Anderson wird sich schon nicht von Herrn Giddings in diesen Dingen unkritisch beeinflussen lassen. Aber ich traue Andrew Giddings mehr technisches Verständnis zu als dem Meister. Und wenn man die richtigen Argumente hat, dann wird sich auch Ian Anderson in bestimmten Dingen überzeugen lassen. Wie weit das geht, davon habe ich keine Ahnung. Vielleicht fragt er ja auch Herrn Giddings: „Hey, Andy, hier würde ich ganz gern die Flöte hören. Aber wer singt dann den Part? Und Martin kann zwar Flöte spielen, aber an dieser Stelle ist er noch mit den Ausläufern seines Solos beschäftigt. Also?“

Apropos Highlights! Nun die „A Passion Play“-Zusammenschnitte sind ja nicht auf meinem Mist gewachsen. Also Dank an den Bastler TullTapes. Aber wenn man sucht, dann wird man auch fündig (gilt im weitesten Sinne fürs Internet). Hierbei war dann doch eher der Zufall Herr des Geschehens: Von „Thick as a Brick“ gibt es aus dem Jahre 1972 Aufnahmen eines Konzertes in Japan. Nicht diese üblichen 10-12 Minuten, nein, ich habe es nicht zusammengerechnet, aber weit über 60 Minuten! Ich spreche von Audio-Aufnahmen. Natürlich ergibt sich diese lange Zeit durch Flöten-, Schlagzeug- und sonstige Soli, die eingebaut wurden. Das Schlagzeugsolo kann man getrost vergessen (war in den 70-er Jahren wohl so üblich, sich auch den Drummer einmal richtig austoben zu lassen). Ich habe bisher nur einmal quer hineingehört. Ist natürlich keine professionelle Aufnahme, aber immerhin mehr als ein Zeitdokument. Ich habe die Aufnahmen im so genannte FLAC-Format (steht für „Free Lossless Audio Codec“), dass sich u.a. mit WinAmp abspielen lässt, wenn man den entsprechenden Audio-Codec heruntergeladen hat. Die Größe der Dateien: ca. 500 Megabyte. Ich habe aber auch schon ein Progrämmelchen gefunden, das FLAC-Dateien in MP3 umwandelt. Hier eine kleine Kostprobe.

In diesem Zusammenhang erinnere ich mich auch an eine Diskussion im Laufi-Forum (auf die Schnelle finde ich nicht, wo), in der es um alte Videoaufnahmen (z.B. von „Thick as a Brick“ aus dem Jahre 1972) geht. Anscheinend lagern diese auf dem (schon legendären) Dachboden von Herrn Anderson (gleich neben dem Soprano-Saxophon) und liegen dort offentlich trocken und wohltemperiert. Einer der Mitstreiter alter Tage (ich glaube, es soll Jeffrey Hammond sein) verlangt bei Veröffentlichung eine Menge Knete, die der Meister aber nicht herausrücken will. Wie auch immer: Es muss noch einige alte Aufnahmen geben, die bisher den Weg in die Öffentlichkeit nicht gefunden haben (ähnlich dem Isle of Wight-Konzert von 1970, das dann endlich als CD bzw. DVD erschien). Ich bin nun nicht der Typ, der sein Geld aus dem Fenster wirft. Aber für eine ‚remastered’ Videoaufnahme von „Thick as a Brick“ aus dem Jahre 1972 (vielleicht noch in voller Länge – mit dem geigenden Damentrio – oder waren es vier Damen?) würde ich schon einige Euro locker machen wollen (lieber PC halte bitte noch ein Jährchen).

Und apropos Laufi-Forum: Ich bin da gerade über einen Beitrag gestolpert, den ich Dir wärmstens ans Herz legen möchte (und Dich damit sicherlich auch etwas ärgere): end game – Jethro Tull im Halbschatten. Da hat sich einer wirklich Gedanken gemacht um unseren Meister. Wir sollten darauf zu sprechen kommen. Lies es aber erst einmal in Ruhe. Werde mir „Roots to Branches“ einmal wieder in Ruhe anhören müssen.

Lass Dich nicht stressen.
Eine gute Woche
Wünscht Dir
Wilfried

P.S. Deine Anmerkung zu Elaine Paige (sie ist wie Marti Webb durch Musicals bekannt geworden) betreffend: Sicherlich gibt es schöne Frauenstimmen nicht gerade wie Sand am Meer, aber es gibt sie doch in unerwarteter Fülle. Bei meinen Anmerkungen zu den Reisevorbereitungen zu unserer Schottland-Tour vor einem Jahr hatte ich wegen des Tull-Lieder „Kelpie“ im Internet recherchiert und war dabei auf ein Duo gleichen Namens stoßen, die u.a. auch den Tull-Titel in ihrem Programm haben. Das Duo bildet der schottische Gitarrist Ian Melrose und die Deutsche Kerstin Blodig, die auch Gitarre spielt, aber gleichzeitig die Sängerin der Gruppe ist – auch mit einer sehr schönen Stimme, wie ich finde.

21.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

manchmal sollte man doch wieder einen Blick auf die offizielle Tull-Site werfen:

German TV Christmas Eve Performance

Ian will be performing for the German President’s Christmas TV concert and service from the beautiful monastery, Mariah Laach, Germany, to be broadcast on Christmas Eve. Details soon.

Also Heiligabend vor der Glotze? Lässt sich ja aufzeichnen.

Gruß
Wilfried

21.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 31: Dumm wie Bohnenstroh

Hallo Wilfried,

der Meister spielt neben Saiten- und Holzblasinstrumenten noch ein klein wenig Keyboards. Oder zumindest tut er so: Bei einem Auftritt während der „A“ – Tour stellte er sich an die Tasten, ebenso wie beim Konzert 1977 im Hippodrom. Aus der komplexen Klangfülle der Konzerte kann ich leider nicht heraushören, was er den Keyboards entlockt.

In Deiner letzten mail schriebst Du, dass derjenige, der über keinerlei Qualitäten verfügt, im Showbusiness schnell weg vom Fenster sei. Schön wär’s. Leider erlebe ich es immer wieder anders, sobald ich Fernseher oder Radio anmache. Aber ich habe mir vorgenommen, heute nicht zu lästern und niemanden zu schmähen.

Was Musik und Bühnenoutfit des Mr. Anderson betrifft, bin ich absolut Deiner Meinung:
Die Musik steht an erster Stelle, nicht die Klamotten. So sollte es bei einem Musiker nun mal sein. Die ausgefallenen Kostüme des Meisters haben lediglich dazu beigetragen, seinen Wiedererkennungswert zu erhöhen. Jemand wie er hat es nicht nötig, durch Randale und Exzesse aufzufallen. Er besticht ganz einfach durch Leistung; das ist die sicherste Methode, um anerkannt zu werden.

Vielen Dank für die Barre – Dateien. „A Trick of Memory” gefällt mir nicht. “The Dreamer“ schon eher. Wegen der akustischen Gitarren. 12saitig, wenn ich mich nicht irre. Der gute Martin. Einer der wenigen, der in unseren Fender-dominierten Zeiten seine Gibson in Ehren hält.

Ich habe einen Blick in Dein neues YouTube – Depot geworfen und mir hier u.a. das Video aus 2001 „For a Thousand Mothers“ angesehen. Dabei fiel mir auf, dass eine Flöte zu hören ist, obwohl der Meister gerade singt. Mr. Barre kommt als Flötist nicht in Frage, der ist mit der Gitarre beschäftigt. Es ist kein anderer Flötenspieler auf der Bühne, obwohl sie eindeutig zu hören ist. Was geht da vor ? Ein Fake ? Teilplayback ? Eine Karaoke-Veranstaltung ? Kannst Du das aufklären ?

Weißt Du, was es mit den Riesen-Ballons auf sich hat, die der Meister ins Publikum wirft ? Steckt eine Symbolik dahinter ?

Ich begreife nicht, warum sich noch niemand daran gemacht hat, eine deutschsprachige Biografie über Mr. Anderson herauszubringen. Man muss doch nur einige gezielte Blicke ins Internet werfen, um festzustellen, dass Mr. Anderson immer noch seine Anhängerschaft hat. Das Buch würde sich bestimmt gut verkaufen. Ich kenne schon zwei Menschen namentlich, die es kaufen würden. Dazu die gesamte Laufi-Gemeinde. Damit wäre die erste Auflage schon vergriffen. Im zweiten Schritt könnte man über die Verfilmung seines Lebens nachdenken. Obwohl, das ist vielleicht nicht in seinem Sinne.

Mach’s gut und bis bald

Lockwood

10.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

ja der Meister haut auch in die Tasten. Bei der Zugabe zum Konzert 1977 im Hippodrom spielte er einige Akkorde. Auch hörbar, wie ich finde, denn weder John Evan noch David Palmer sitzen an ihren Plätzen. Nun wer täglich mit Musik zu tun hat, dabei zwei Keyboarder um sich geschart hielt, der wird auch einmal selbst versuchen, einem Klavier halbwegs Wohlklingendes zu entlocken. Selbst ich als Amateur werde versuchen, ‚Hänschen klein …’ auf den Tasten zu klimpern, wenn ich irgendwo ein Klavier stehen sehe.

Ja das Showbusiness treibt seltsame Blüten. Wir dürfen dabei nicht von uns ausgehen: Musik ist Geschmackssache (selbst wir kommen da kaum auf einem gemeinsamen Nenner – auch bei Herrn Andersons Musik nicht) und da gibt es vieles, was wir scheußlich finden, das aber trotzdem seine „Abnehmer“ findet. Aber selbst da ist ein Mindestmaß an Qualität oder Können notwendig, um nicht schnell in der Versenkung zu verschwinden.

Zum Wiedererkennungswert von Ian Anderson (seine Mitstreiter sind dabei leider zu vernachlässigen): Das ist zunächst die Flöte! Und dann auf einem Bein gespielt. Wenn es dann noch zerrissene Klamotten oder dergl. sind, dann erhöht das den Wiedererkennungswert. Wem die Musik aber nicht anspricht, dem ist dann auch dieses schnell aufnehmbare Äußere von geringem Interesse. Immerhin erinnert man sich beizeiten an diesen flötenden Gnom. Man kann dann gewissermaßen mitreden, wenn einmal zufällig das Gespräch auf Jethro Tull kommen sollte.

Zum parallelen Flötenspiel bei Andersons Gesang: Du meinst das 2000er Konzert in Sao Paulo. Also Karaoke ist nun doch eine Schmähung. Ich habe noch einmal hineingeblickt und kenne es von „Thick as a Brick“ her: Andrew Giddings spielt die Flöte zu „1000 Mothers“ auf seinem Keyboard. Besonders bei TAAB finde ich es scheußlich, denn was wie eine Flöte klingen soll, klingt eben leider nicht so. Früher hat man dafür das „Glockenspiel“, vom Drummer gespielt, eingesetzt, was weitaus besser, da natürlich klang.

Ich habe hinsichtlich „Thick as a Brick“ noch einmal weiter geforscht:

Original: Querflöte

Konzerte 1972 USA Buffalo & Rochester NY +Toronto: Keyboards (wie 1977) und Glockenspiel

Live at Tampa stadium, 1976 (Tullavision): Glockenspiel

Konzert 1977 Hippodrome: eigentlich nichts, dann Keyboards, die wie Keyboards klingen

Konzert 1978 Madison Square Garden NY: Glockenspiel

DVD „Living with the Past“: Glockenspiel und Andrew Giddings’ undefinierbarer Sound

Konzert 2001 Wildhorse Saloon, Nashville, TN: Glockenspiel und von Andrew Giddings’ ebenso einen undefinierbaren Sound an den Keyboards, der nicht nach Flöte klingt

Besonders das 2000er Konzert in Sao Paulo hat es in sich. Ich muss nochmals nachhören, aber es gibt da Stellen, da wird der Gesang von Ian Anderson durch einen Chor unterlegt, der wiederum an den Keyboards von Herrn Giddings erzeugt wird.

Irgendwo habe ich gelesen, dass gerade in den letzten Jahren einiges auch vom Band wiedergegeben wird, aufgerufen von … na, von wem wohl: Andy Giddings. Ich will es einmal so sagen: Herr Giddings hat in solch technischen Spielereien einen schlechten Einfluss auf unseren Meister. Du kennst wahrscheinlich das Mini-Video, wo Herr Giddings sogar offensichtlich schummelt, in dem er so tut als ob …

Zur Anderson-Biografie: Das Buch vom „A New Day“-Herausgeber, Dave Rees, mit dem Titel „Minstrel in the Gallery“ ist doch wohl ins Deutsche übersetzt worden. Also gleich eines: da schreibe ich lieber einen Roman, als eine entsprechende Biografie. Vielleicht brauchst Du mich ja als kostenpflichtigen Berater?!

Noch kurz zu Martin Barre: Im Anhang eine kleine MP3 mit den Beginn zu insgesamt drei Liedern. Kennst Du rein zufällig die Gruppe, die das spielt? Kommen wohl aus den USA. „Mississippi Queen“ habe ich irgendwann vor vielen Jahren einmal gehört. Wie auch immer. Die Auflösung ist dann spätestens am 17. in meinem Geburtstagsbeitrag zu Martins 60. zu finden.

WilliZ Audio-Rätsel: Welche Gruppe aus den USA spielt diese drei Titel

Ach so: Die Ballons am Schluss. Beim 77-er Hippodrom-Konzert waren diese mit dem Pfund-Zeichen bemalt. Ansonsten weiß ich aber auch nichts zur Bedeutung. Werde beizeiten recherchieren. Bin gespannt, ob ich etwas Aussagekräftiges finde, außer diesem hier.

Guten Start in die neue Woche
Wünscht Dir
Wilfried

12.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 30: Nur verbale Exzesse

Hallo Wilfried,

es liegt also im Bereich des Möglichen, dass Mr. Anderson im Laufe seines künstlerischen Schaffens gelernt hat, Noten zu lesen und Partituren zu schreiben. Trotzdem habe ich in seiner Vita noch einige Lücken: Wann und vor allem wie hat er gelernt, so viele Instrumente zu spielen ? Soweit ich weiß, hat er eine Kunstschule besucht und auch mal daran gedacht, Journalist zu werden. Wo findet in diesem seinem Lebensweg die musikalische Ausbildung ihren Platz ? Sicher weißt Du hierüber mehr.

Die gute Mrs. Bush. Ihre Stimme. Ihre Ausstrahlung. Ihre Musik. Jeder dieser Faktoren ist bemerkenswert. Es wird Dich sicher überraschen, aber ich finde nicht alle ihrer Lieder gut. Ich denke sogar, dass das ein oder andere ihrer Alben von vorn bis hinten der reinste Schrott ist. Ihre Stimme empfinde ich auch nicht immer als angenehm. Stellenweise, wenn sie gar zu engagiert singt, klingt ihre Stimme hysterisch. Aber es sind die in meinen Ohren „guten“ Alben, die dafür gesorgt haben, dass ich Mrs. Bush seit über 25 Jahren nie ganz aus den Augen verloren habe. Wie bei anderen Künstlern auch sind es ihre Frühwerke, die es mir besonders angetan haben. Eben jene Werke, die ihren Ruf als Elfe begründet haben. Bei näherem Nachdenken sind es vielleicht nur 15 bis 20 Titel von ihr, die mir besonders gefallen. Aber die eben ganz besonders. Einen Vergleich zwischen Kate Bush und Aguillera, Spears, Madonna, Minogue, Anastacia oder wie sie alle heißen lehne ich ab. Nicht nur wegen der Musik. Es sind ganz verschiedene Welten. Auf der einen Seite Mrs. Bush, bei der sich Singstimme, Kompositionen, Performance, Texte, Talent, Körperbeherrschung zu einem fantastischen Gesamtkunstwerk zusammenfügen. Auf der anderen Seite Diseusen, die versuchen, mangelnde künstlerische Qualitäten durch auffällige Bühnenoutfits zu kompensieren.

Schon sind wir wieder beim Thema Erotik. Selbst wenn Madonna und Co. Kostüme tragen, deren Stoff nicht ausreichen würde, um eine Krawatte zu schneidern, werden sie nie die Ausstrahlung einer Kate Bush erreichen. Ich finde Kate Bush in einer fleckigen Küchenschürze anziehender als Mrs. Spears im Stringtanga. Nur so als Beispiel. Eines kann das beste Bühnenoutfit der Welt nicht ersetzen: Persönlichkeit. Und die, lieber Leser, hat Kate Bush ! Ich denke, in diesem Punkt wirst Du mir zustimmen.

Soviel zur Popmusik, zurück zu seriösen Themen, zu Jethro Tull: Dass die Mannen um Mr. Anderson in ihren Strumpfhosen Dich nicht anmachen, beruhigt mich irgendwie. Anders wär‘ s nämlich schlecht. Falls diese Beinkleider wirklich, wie von mir vermutet, so etwas wie eine sexuelle Signalwirkung haben sollten, dann wohl eher auf eine weibliche Zielgruppe. Bei strenger Betrachtungsweise haftet Mr. Anderson etwas Laszives an: Die unsittlichen Hosen, die obszönen Gesten mit der Flöte, die mehrfache Verwendung der Vokabel „sperm“. Ich kenne nicht alle Tull-Texte, aber ich bin sicher, dass sich hier noch mehr Ausdrücke finden ließen, die ein Kirchenchor nicht verwenden würde. Bevor wir uns falsch verstehen: All das stört mich nicht, ich stelle lediglich fest.

Das Heavy Horses – Video habe ich mir noch einmal angeschaut. Eine wirklich gute Qualität und ein wirklich starkes Lied. Gutes Thema, guter Text, sehr gute Stimme und natürlich sehr gute Musik. Mann, waren das Zeiten ! Der große Ohrring, den der Meister in diesem Video trägt, steht ihm übrigens sehr gut. Passt zum Outfit und zum situativen Kontext des Songs.

Das bringt mich zur heutigen Schmähung:
Endlich ! Endlich habe ich etwas gefunden, das noch lächerlicher und peinlicher wirkt als ein älterer Millionär mit Kopftuch: Mick Abrahams mit langen Hängeohrringen ! Das habe ich auf seiner Homepage gesehen, deren Link in Deiner letzten mail zu finden war. Du kannst es ruhig zugeben: Genau deswegen hast Du mir den link gesandt.

Ich wünsche Dir den inneren Frieden
Lockwood

PS: Ich würde sehr gerne etwas zu Mr. Barre schreiben. Selbstverständlich bin ich wie Du der Meinung, dass der alte Knabe jede Würdigung verdient hat. Aber leider fällt mir auf Anhieb nichts zu ihm ein. Der Kerl ist einfach zu unauffällig, ohne Ecken und Kanten. Tu‘ mir einen Gefallen: Erwähne ihn irgendwie in Deiner nächsten mail; ich werde das Stichwort aufgreifen und versuchen, ob ich etwas daraus machen kann.

Seine Soloplatten kenne ich nicht. Reine Rockmusik, vermute ich. Singt er ?

07.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

leider weiß ich nichts Genaueres zu Ian Anderson in seiner Eigenschaft als Multiinstrumentalist. Ich denke mir aber, dass man zum Spielen verschiedenster Instrumente nicht unbedingt eine musikalische Ausbildung im weitesten Sinne benötigt. Eigentlich sind es ja nur zwei Instrumente, die er spielt: Querflöte und akustische Gitarre. Nach eigener Aussage (wohl im Interviewteil zur DVD: Nothing is Easy: Live at the Isle of Wight 1970) hatte Anderson sich zunächst an der Gitarre versucht, wie fast alle Jungs, die einmal als millionenschwere Rockstars herauskommen wollen. Als er dann merkte, dass er z.B. einem Jimi Hendrix nicht das Wasser reichen könne, ist er auf Querflöte umgestiegen. So oder so ähnlich. Du weißt, man darf die Aussagen des Meisters nicht auf die Goldwaage legen.

Wer nun Gitarre spielen kann, kommt auch schnell mit anderen Zupfinstrumenten klar (Mandoline, Balalaika). Ähnlich ist es dann mit Querflöte und Saxophon (allgemein wohl als Holzblasinstrumente bezeichnet). Die Grifftechnik ist ähnlich (statt horizontal eben vertikal), nur der ‚Ansatz’, also die Blastechnik, ist anders, aber bei einem Talentierten schnell umzusetzen. Klavier hat er eigentlich nie gespielt. Auch keine Blechblasinstrumente. Oder wüsste Du, bei welchem Stück? Die Liste der Instrumente, die Anderson halbwegs gut beherrscht, ist sicherlich lang, lässt sich aber meines Erachtens auf diese zwei Instrumentarten beschränken.

Ich will hier keine der besagten Damen (Madonna usw.) in Schutz nehmen. Deren Musik und Bühnengetue gefällt mir auch nicht. Und der erotische Reiz hält sich auch bei einem alten Herrn wie mir in Grenzen. Aber wenn die Damen nichts auf der Rolle hätten, wären sie sehr schnell weg vom Fenster. Ob einem dabei der Gesang usw. gefällt, ist ein anderes Thema. Aber lassen wir das.

Mir würde sicherlich Ian Anderson und seine Musik auch gefallen, wenn er brav auf einem Barhocker sitzend im Stresemann seine Lieder vortrüge. Okay, damals vor nun über 37 Jahren fand ich sein Aussehen mit langer Mähne, Bart und abgelatschten Klamotten ganz stark. Und so bin ich dann auch herumgelaufen. Aber es war, da bin ich mir heute sicher, nicht sein Outfit, was mich begeisterte, sondern … seine Musik! Spätere Wandlungen im Äußeren konnte ich dann weniger nachvollziehen (am wenigsten am eigenen Leib). Manches sah eher bescheuert aus. Wenn ich hier und da meinen Söhnen ein altes Video von Anderson und Co. zeige, dann sind mir die Klamotten eher peinlich und ich sehe mich, wie ich ausdrücklich auf die Musik verweise.

Wie schon so oder ähnlich gesagt: Als junger Mensch sieht man das alles etwas anders. Da legt man mehr Wert aufs Aussehen. Und je auffälliger, desto besser. Das Ganze hat dann sicherlich auch etwas mit Gewöhnung und Zuordnung zu tun. Rockmusiker sind eben auffällig in jeder Beziehung (Sex, Drugs & Rock ‚n’ Roll). Und wenn man schon nicht durch Sex- und Drogenexzesse auffällt, dann eben durch entsprechende Klamotten. Je einfältiger ein Rockmusiker ist, um so mehr vermischt dieser Öffentlichkeit und Privatleben. Genau hier ist es bei Anderson und Co. alles anders. So auffällig sie beim öffentlichen Auftritt sein mögen, um so normaler waren und sind sie es im privaten Leben: Keine im Suff zerstörten Hotelzimmer und kein Lotterleben mit Groupies. Sobald sie die Bühne verließen, kehrte die Normalität wieder ein. Wenn es Exzesse gab, dann verbal, indem Anderson den Journalisten Märchen erzählte. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass Jethro Tull noch heute ständig über den Globus tourt. Wenn die Stones nach langer Zeit zu einer Tour aufbrechen, dann muss ein Keith Richards zunächst für Wochen in ein Schweizer Sanatorium zur Dialyse.

Mick Abrahams und die Schweine. Das grenzt wohl an eine Manie, wie der gute Mick immer wieder auf seine Schweine (in jedem 2. Songtitel) zurückkommt. Dann darf man sich nicht wundern, wenn er zunehmend selbst das Aussehen eines Schweines erlangt. Dazu gehören dann auch große Hängeohrringe, die Schweine bekanntlich in der Nase tragen. Dazu ist aber sein Näschen leider etwas zu klein geraten. Aber genug der Schmähungen auch von meiner Seite. Ich finde, Abrahams ist ein sehr passabler Gitarrist. Und er hat einige Stücke geschrieben (ich denke da an die ersten zwei Original-Blodwyn Pig-Scheiben), die es verdienen, in den Rock-Olymp aufgenommen zu werden. Immerhin hat er es ja auch geschafft, mit Musikern wie Ian Anderson und Jack Lancaster zusammen zu arbeiten. Was er heute noch so spielt, wird die Erde nicht mehr in ihren Grundfesten erschüttern. Wer Blues mag, der wird Abrahams mögen.

Für den 17. November bereite ich einen kleinen Beitrag zu Martin Barres 60. Geburtstag vor. Ich habe ein Video, in dem er während eines Tull-Konzertes auch einen eigenen Titel spielen durfte. Ist übrigens seit vielen Jahren so Usus. Zwei seiner drei Scheiben habe ich mir gekauft. Das ist technisch wohlfeile Gitarrenmusik, allerdings manchmal etwas verworren. Martins Gesang? Auf der ersten Scheibe (A Trick of Memory) singt er auch zweimal. Sonst lässt er singen. Und Mitstreiter sind Maartin Allcock, Andrew Giddings, Jon Noyce bzw. Matt Pegg (Dave Peggs Sohn) und andere aus dem Tull- und Fairport Convention-Umfeld.

Im Anhang ein Lied, nicht ganz so repräsentativ für das Barre’sche Musikschaffen, dafür sind die Stücke insgesamt zu unterschiedlich (’mal rockig mit E-Gitarre, dann wieder fast klassisch mit akustischer Gitarre): den Titelsong „A Trick of Memory“ des ersten Albums (Martin singt auch). Fröhliches Lauschen.


Martin Lancelot Barre: A Trick of Memory

Es reicht oder wie der Franzose sagt: ça suffit!
Am Ende des Tunnels erblicke ich wieder Licht: Das nächste Wochenende naht!
Also ein schönes solches.
Wilfried

P.S. Ich habe noch viele alte und neue Videos von Jethro Tull, die bisher bei youtube.com noch nicht zu finden sind (das „Heavy Horses“-Video gab es zwar schon in der Version, aber bisher nur in Kurzfassung). Da youtube.com nichts kostet, werde ich so nach und nach diese dort ‚einspeisen’. Ich habe auch einen eigenen Channel, wie sich das dort nennt, über den man auf alle meine Videos Zugriff erhält. Gestern habe ich allein 5 Videos (u.a. auch das mit Martin Barre) aufgearbeitet und überspielt.

09.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 29: Sexy Ian schreibt Noten

Hallo Wilfried,

ich habe Deinen ergänzten Beitrag zur Personalaffäre gelesen. Wenn ich die Zeilen richtig interpretiere, hast Du ganz schön Federn lassen müssen. Das tut mir Leid. „Der Gerechte muss viel leiden.“ Psalm 34, 20.

Disturbed Air gefällt mir nicht, das vermutest Du richtig. Diese Musik enthält keine Elemente, die ich als Wohlklang empfinden würde. Langsam komme ich mir vor wie der gute alte Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets verneint…“

Den Text der Hasenfabel als nicht schwierig und tiefsinnig zu bezeichnen ist eine sehr wohlwollende Umschreibung. Gleichgültig, wer dieses skurrile Intermezzo verbrockt hat, Anderson, Hammond oder Evan, Mr. Anderson trägt die Verantwortung dafür. Wenn er eines fernen Tages Einzug in den Pantheon der Musikgötter hält, werden Euterpe und Aoide in deswegen in die Zange nehmen.

Richtig froh bin ich über Deinen freiwilligen Hinweis auf die mannigfaltigen Einnahmequellen des Mr. Anderson. Sonst bin ich oft derjenige, der darauf hinweist.

Mr. Anderson’s Auftritt mit Hut und Anzug kannte ich bereits aus Deiner Videosammlung. Wenn er mir mit diesem Outfit in Düsseldorf auf der Kö entgegengekommen wäre, hätte ich ihn sicher nicht erkannt.

Anderes Thema:
Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass ich die Musik von Kate Bush mag. Nach dem Genuss von einigen Bush-Videos in YouTube sind mir einige Gemeinsamkeiten zwischen Kate Bush und Ian Anderson aufgefallen: Beide beziehen sich in ihren Texten und ihrer Musik stark auf ihre britische Heimat und bringen ihre Liebe zu den Inseln zum Ausdruck. Beide sind sehr ausdrucksstarke Künstler. Ihre Darbietungen sind sehr körperbezogen und arbeiten mit extensiver Mimik und Gestik. Beide verfügen über eine große körperliche Geschicklichkeit. Bei Mr. Anderson wirkt(e) der körperliche Einsatz kraftvoll-intuitiv, bei Mrs. Bush bemerkt(e) man ihre Ballettausbildung. Beide Künstler verfügen über eine gewisse erotische Aura. Darauf sind wir im Zusammenhang mit Mr. Anderson noch nie eingegangen. Wenn man sich seine Auftritte in Stretch- oder Strumpfhosen, teilweise mit farblich abgesetzten Suspensorien, vor Augen hält, wird vielleicht klar, was ich meine. An der Erotik der Mrs. Bush wird wohl kein Zweifel bestehen.

Auf Deine Stellungnahme zu diesen Zeilen freue ich mich schon jetzt.

In Erwartung Deiner Gegenrede verbleibe ich
mit schmunzelnden Grüßen

Dein
Lockwood

04.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

ob ich ein Gerechte bin, möchte ich bezweifeln. Aber ich mühe mich. Und Leid tun muss ich Dir nicht, die Personalaffäre war auch sehr lehrreich. Aber wirklich genug.

Zu „Tallis“ und dem Lied Disturbed Air: Es enthält viele klassische Elemente und beweist dadurch, dass David Palmer daran seinen Anteil hatte. Aber mir gefällt es auch nicht. Allein den Gesang finde ich scheußlich. Es kommt aus einer musikalischen Nische, in der sich weitere Tull-Ableger getummelt haben. Ich denke da an den Saxophonisten (und auch Flötisten) Jack Lancaster, der zwar direkt nichts mit Jethro Tull zu tun hatte, aber bei Blodwyn Pig mit Mick Abrahams spielte und auch später immer wieder gern auf Ex-Tull-Musiker zurückgriff (z.B. den Drummer Clive Bunker).

Ich will Jack Lancaster nicht mit Ian Anderson vergleichen. Lancaster ist zwar auch Flötist, aber in erster Linie spielt er Saxophon in den unterschiedlichsten Stimmungen und das Lyricon. Außerdem kommt er mehr aus der Jazz-Rock-Ecke.

In diesem Zusammenhang komme ich kurz auf Deine Frage (und die anderer) zurück, ob Anderson Noten lesen und schreiben kann. Zu meinem Youtube-Video „Ian Anderson/Dee Palmer: Elegy live“ fragt in den Kommentaren jemand an: „Does anyone know if Ian ever learned to read music? He claimed to not know how to read music back in the early 70’s, nonetheless he must have an incredible memory to remember such long pieces by rote.“

Also das unglaubliche Gedächtnis braucht man auch, wenn man Noten lesen kann (aber ohne Notenblätter auftritt). Nach der Aussage konnte also Anderson zunächst keine Noten lesen. Ich erinnere mich, Ähnliches schon woanders gelesen zu haben (Forum von laufi.de?!). Es gibt aber diverse handgeschriebene Notenblätter, die anscheinend die Handschrift Andersons tragen. Ich denke also, dass er sich mit seinem Hang zur Perfektion auch das Notenlesen und –schreiben mit der Zeit angeeignet haben muss. Vielleicht mit Unterstützung von David Palmer.

Jack Lancaster dürfte das Lesen und Schreiben von Musik auf jeden Fall beherrschen, denn er hat sich u.a. durch Adaptionen klassischer Stücke hervorgetan, z.B. in der Neuinterpretation von Sergei Prokofjews ‘Peter und das Wolf’, einem Projekt, an dem u.a. auch Manfred Mann, Phil Collins, Gary Moore, Alvin Lee und Cozy Powell teilnahmen. Oder mit dem niederländischen Keyboarder Rick van der Linden 1979 in der elektronischen Umsetzung von Carl Orffs Chorsatz „O Fortuna“ aus Carmina Burana.

Der Gruppe Tallis ähnlich klingen die Produktionen der Gruppe „Aviator“ ebenfalls aus dem Jahre 1979, in der neben Jack Lancaster auch Clive Bunker spielte. Danach gab es dann wohl noch u.a. die Solo-CD „Skinningrove Bay“ aus 1981 von Lancaster, auf der u.a. auch wieder Phil Collins und Clive Bunker mitmischten. Es handelt sich dabei wohl um alte Seilschaften (u.a. besteht eine Verbindung zwischen Collins und Lancaster über die Gruppe ‚Brand X’). Danach spielte er wohl wieder mit Mick Abrahams’ Blodwyn Pig zusammen.

Ähnlich wie Maartin Allcock, der 1988/89 bei Jethro Tull u.a. die Keyboards gespielt hatte („Rock Island“) und aus der Fairport Convention-Ecke kommt, hat sich Lancaster eine Zeitlang mit Komposition für Videospiele und Soundtracks über Wasser gehalten und als Studiomusiker bei diversen Plattenveröffentlichungen mitgewirkt. Zumindest letzteres ist bestätigt.

Genug des Exkurses. Aber die Tull-Landschaft beschränkt sich nicht nur auf Herrn Anderson.

Wie bescheiden Du bist: „Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass ich die Musik von Kate Bush mag.“ Du hast es bereits öfter erwähnt und mehr als nur ‚erwähnt’. Ich gestehe, dass ich auch mehrere Scheiben von Kate Bush habe (auch diese als Vinyl -LPs). Es ist wohl die Stimme, die mich fasziniert hatte: engelsgleich. Und sicherlich wird mich auch „eine gewisse erotische Aura“ an der guten Kate nicht gestört haben. Bevor ich in diesem Zusammenhang auf Herrn Anderson zu sprechen komme, eine sehr banale Feststellung: Wer heute als Musiker bzw. Sänger seine Lieder an die Leute bringen will, muss auch in seinem ‚körperlichen Einsatz’ einiges bieten. Guck Dir einmal Videos von Britney Spears oder Christina Aguilera an, dann weißt Du, was ich meine. Da spielt allerdings das ganze Dumherum meist eine größere Rolle als die Musik.

Wer also etwas werden will, muss nicht nur gut singen, sondern muss in den Video- und Live-Auftritten auch die optischen Wünsche des Hörers/Zuschauers befriedigen können. Besonders für ‚Außenstehende’ wird Jethro Tull in erster Line durch Ian Anderson verkörpert: Der Mann, der die Flöte auf einem Bein spielt! Und Kate Bush ist neben dem engelsgleichen Gesang auch körperlich eine Feengestalt.

Optik hat dabei sicherlich viel mit Erotik zu tun. Bei Kate Bush ohne Frage. Bei Herrn Anderson und seinen Jungs … Also mich haben seine Strumpfhosen nicht gerade angemacht. Und seine obszönen Gesten mit der Flöte fand und finde ich besonders heute eher peinlich, gehört aber eben dazu (und ist heute eine Art der Selbstparodie). Für meine Frau, die dazu eher etwas sagen könnte, ist und war Ian Anderson nie ‚ihr Typ’. Vielleicht bin ich zu sehr heterosexuell orientiert, aber viel Erotik kam da für mich nicht ’rüber. Es war lustig anzuschauen, mehr aber auch nicht. Und wenn ich meiner Interpretierlinie treu bleiben soll: Es war nicht viel anderes als die Verarschung sexueller Symbolik. Herrn Mick Jagger sagt(e) man nach, mit einer Hasenpfote an entsprechender Stelle nachzuhelfen. Bei Ian Anderson hätte es mich nicht verwundert, wenn er aus seinem Schritt z.B. ein weißes Kaninchen gezaubert hätte.

Sexy Ian

Vielleicht hast Du es schon gesehen: Das „Heavy Horses“-Video habe ich in etwas besserer Qualität jetzt bei youtube.com abgelegt. Bisher gab es dort nur eine Kurzfassung. Auch auf meiner Website rufe ich jetzt das Video von youtube.com aus auf.

Jetzt ist aber genug.
Eine gute Woche
wünscht Dir Wilfried

P.S. Im Zusammenhang mit Jack Lancaster bin ich auf eine interessante Site gestoßen, die die diversen Verbindungen (Family Trees) einzelner Musiker zu den Bands, in denen sie gespielt haben, aufzeigt. Leider nicht vollständig, aber immerhin. Apropos Family Tree: Etwas Entsprechendes muss ich auch in meiner Sammlung haben.

P.P.S. Lass Dir aus gegebenem Anlass etwas Angemessenes einfallen: Am 17. November wird Martin Barre 60 Jahre alt. Über ihm haben wir bisher nur am Rande (stage left) geschrieben. Er hat ohne Zweifel mehr verdient. Kennst Du übrigens seine Solo-Alben?

06.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 28: Back to the Roots?

Hallo Wilfried,

Deinen Beitrag über die unverständliche Personalentscheidung habe ich gelesen. Auch in meinem Betrieb kann man hin und wieder beobachten, wie der Betriebsrat unverständliche Entscheidungen fällt oder zumindest mitträgt. Ich habe schon erlebt, dass Betriebsratmitglieder ihre besonderen Schützlinge auf Kosten anderer Kollegen protegieren. Ich fürchte, dieses Problem ist so alt wie das Betriebsverfassungsgesetz und wird sich so schnell nicht lösen lassen. Vielleicht bei den nächsten Betriebsratswahlen, aber wer weiß…

Über den englischen Wikipedia-Beitrag zu Mr(s) Palmer habe ich mich gefreut. Wenigstens im anglikanischen Sprachraum weiß man ihn durch einen Eintrag zu würdigen. Aus diesem Beitrag habe ich erfahren, dass Palmer zusammen mit John Evan die Band verlassen hat, als Mr. Anderson meinte, sich dem elektronischen Zeitgeist unterwerfen zu müssen. Das lässt doch tief blicken und hätte auch Mr. Anderson, selbst bei voller Berücksichtigung seiner total(itär)en Autorität, zu denken geben müssen. Hat es aber nicht und die Folgen sind bekannt.

Meine Aussage, dass kein Künstler so schlecht mit Playback umgehen kann wie Mr. Anderson, ziehe ich zurück: In der Zwischenzeit habe ich einige Videos von Gary Glitter angesehen. Dessen Playback-Künste bewegen sich jenseits aller Kritik. Allerdings macht Gary Glitter deutlich, dass meine „Guter Musiker = schlechter Playbackartist“ – Theorie nicht uneingeschränkt gilt.

Deine Übersetzung der Hasenstory finde ich sehr gelungen ! Du musst damals etwa Mitte 20 gewesen sein. Eine reife Leistung ! Mindestens eben so groß wie die Leistung der Übersetzung finde ich Deine Fähigkeit, auf 30 Jahre alte Manuskripte zurückgreifen zu können. Ich finde schon nicht mehr wieder, was ich vor zwei Wochen geschrieben habe.

Die Geschichte des Hasen finde ich wirklich etwas skurril. Okay, das ist eben der Stil des Meisters. Aber die Brillen-Posse zerreißt das Album in zwei Hälften. Die Durchgängigkeit des Passion Play leidet darunter sehr. Es ist nicht länger „ein Stück aus einem Guss“. Der Hase drängt sich zwischen die Harmonien wie das Richtbeil zwischen die Halswirbel. Falls Mr. Anderson seine Fabel an den Schluss des Albums platziert hätte, wäre weniger Schaden angerichtet worden. Zu Beginn der Platte hätte es nicht sein dürfen; dann hätte kaum jemand das Album zu Ende gehört. (Das war meine Anderson-Schmähung für heute.)

Als Hintergrundmusik eignen sich die Göttertänze in der Tat. Die ganze CD hat etwas von Meditationsmusik, zumindest in weiten Teilen. Indem das Album spirituelle Energien freisetzt, wird es seinem Titel voll gerecht. In den letzten Wochen und Monaten habe ich gelernt, dass Mr. Anderson über zu viel Kreativität verfügt, um sich ausschließlich mit Folkmusik zu befassen. Jedenfalls ist sein musikalischer Horizont weiter gesteckt als mein Musikgeschmack. Ich kann mich eben nur an einer Teilmenge seines Schaffens erfreuen.

Viele Künstler gehen in ihren reiferen Jahren „back to the roots“. So vielleicht auch irgendwann Mr. Anderson. Möglicherweise überrascht er uns eines Tages mit einem neuen Folk-Album.

Es sieht so aus, als müssten wir mit dem Schreiben einen Zahn zulegen. Der Vorrat an mails für Dein Weblog schmilzt schneller als wir tippen können. In den nächsten Tagen werde ich mich verstärkt um die schulischen Leistungen meiner Söhne kümmern. Ich hoffe, dass mir noch Zeit bleiben wird, Mr. Anderson in den Himmel zu loben.

Ich lese, also bin ich.
Viele Grüße an die Familie !
Lockwood

03.11.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

wir hatten vor kurzem Betriebsratswahlen. Hilft also auch nichts. Vergessen wir das Thema. Es ist einfach traurig, so viel Missgunst, Ignoranz und Inkompetenz an einer Stelle zu sehen. Und das betrifft nicht nur den Betriebsrat, sondern auch die Betriebsführung. Übrigens habe ich den Beitrag den Umständen ‚angepasst’. Zumindest der Personalchef kennt meine Website und könnte auf dumme Ideen kommen …

Na, jetzt hast Du es offen gelegt: Elektronischer Zeitgeist und so und der Weggang von David Palmer, dem halbväterlichen Mentor, und Alt-Kumpel John Evan, das konnte ja nur in die Hose gehen. Aber mit der Gruppe „Tallis“ wurden David Palmer und John Evan, auch Drummer Barriemore Barlow war daran beteiligt, nicht gerade glücklich, sodass sich Palmer mit dem Arrangieren der Orchesteralben (neben Jethro Tull ja auch Queen, Genesis usw.) befasste. Übrigens, Williz Tull-Archiv hat eine Aufnahme von der Gruppe ‚Tallis’, heißt ‚ Disturbed Air’ und … dürfte Deinem Geschmack nicht gerade entsprechen, oder? Die MP3-Datei als Anhang. Ich bin irgendwie über mein zeitweises Abo von dem Tull-Fan-Magazin „A New Day“ an eine CD gekommen, die u.a. auch noch andere interessante Stück enthält. Leider finde ich die Inhaltsangabe der Scheibe nicht (ist in einer Ausgabe von ‚A New Day’).

Tallis: Disturbed Air

Mit ‚Passion Play’ im Zusammenspiel mit der Hasengeschichte gebe ich Dir Recht. Als ich mir die CD zugelegt habe, ich hatte diese Scheibe lediglich als LP, hoffte ich, dass man „The Story of the Hare“ als eigenen Track behandeln würde. Aber wie auf der LP gibt es ja nur zwei Tracks. Das hat mich etwas geärgert. Gut, man kann sich das Ganze ggfs. selbst zusammenschneidern.

Zum Text: Der ist natürlich nicht so schwierig und tiefgründig wie andere Anderson-Texte, wobei ich denke, dass dieser auch gar nicht von Anderson ist, zumindest nicht allein. Auf der Scheibe werden als Autoren Jeffrey Hammond-Hammond, John Evan und Ian Anderson genannt – in dieser Reihenfolge. Also dürfte der gute Jeffrey der Urheber sein. Die Übersetzung lag im Cover der LP, also dort, wo man ihn zur passenden Zeit wiederfindet. Damals hatte ich mich auch an die Übersetzung von ‚Thick as a Brick’ gemacht. Bin, wie schon einmal erwähnt, bis zu der Biggles-Textstelle gekommen („Where the hell was Biggles …!“). Den Text habe ich dann nach diversen Umzügen wohl doch versusst (verlegt, verloren).

„Back to the roots“ – in gewisser Hinsicht könnte man die Orchestertouren so sehen. Zum einen ist das eine ganz ordentliche Einnahmequelle (das Copyright an den Tull-Stücken und am Trademark ‚Jethro Tull’ dürften Anderson gehören): zeitweise war die CD (oder DVD) sogar in den deutschen Charts vertreten. Zum anderen braucht Herr Anderson nicht mehr wie ein Derwisch über die Bühne turnen – mit einem Orchester im Rücken gehört sich das eben nicht. Und trotzdem darf und kann der Meister seine alten Stücke vortragen. Aber an ein Folk-Album glaube ich dann doch nicht.

In diesem Zusammenhang: Ende dieses Monats ist Ian Anderson ja mit einer Acoustic Tull Tour with Ann Marie Calhoun in den Niederlanden und Skandinavien unterwegs. Neben der Geige und Anderson wird wohl auch Martin Barre mitmischen. Ansonsten? Keine Ahnung. Aber immerhin ist es erfreulich, den Namen Martin Barre einmal wiederzuhören, wenn es um Konzertauftritte geht.

Mit Deinen Anderson-Schmähungen kommen meine Lockwood-Ärgernisse kaum mit. Aber Du lässt Dich ja nicht ärgern. Der Meister hatte sich anlässlich der ZDF-Spendengala des ZDF für die Tsunami-Opfer bereit erklärt teilzunehmen und mit Mandokis ‚Soulmates’ irgendwann im Januar 2005 einen Kurzauftritt mit Lennons ‚Imagine’. Und da er nicht nur auf eigene Kosten angereist war und auf Gage verzichtete, so ließ er auch seine Kopftuch-Sammlung zu Hause. Stattdessen kreierte er einen neuen Gutsherrenlook mit legerem Jackett, (Stroh-?/Panama-?) Hut und Sonnenbrille. Ja, Ian Anderson entpuppt sich mehr und mehr als Meister der Verkleidung. Oder hättest Du auf Anhieb erkannt, wer der schicke Herr mit Flöte ist?

Ian Anderson bei der ZDF Spendengala 2005

Ein schönes Wochenende Dir und Deinen Lieben.
Auch viele Grüße.
Wilfried

04.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 27: Playback & Die Hasengeschichte

Hallo Wilfried,

es mag Dich befremden, aber nach Deiner letzten mail hatte ich ganz einfach den Eindruck, mich rechtfertigen zu müssen.

Deine Einschätzung zum überzogenen Bombast von Pink Floyd teile ich. Zumindest was The Wall betrifft. Aber ich denke, The Wall ist für PF ebenso wenig repräsentativ wie Locomotive Breath für Jethro Tull. PF haben auch ruhigere, bescheidenere Alben herausgebracht. Ich denke da an Dark Side of the Moon oder Wish you were here. Allerdings würde ich nicht soweit gehen, mich als Pink Floyd – Fan zu bezeichnen. In meinen Augen liegt der größte Verdienst von David Gilmour darin, Kate Bush auf den Weg gebracht zu haben.

In einem Punkt bin ich wieder einmal anderer Ansicht als Du. Ich fürchte, Du unterschätzt Bohlen & Co: Leute wie diese könnten selbst Locomotive Breath noch versauen. Obwohl: So schlecht finde ich den Song gar nicht. Da hat Mr. Anderson schon ganz andere Sachen produziert…

Vielen Dank für den Link auf Elegy. Hierbei habe ich gestutzt. In Deiner mail schreibst Du „Noch-David“; die Aufnahme ist aus 2002 und liegt damit deutlich vor seiner Operation. Allerdings hatte ich bei dem Video den Eindruck, er habe den Geschlechtswechsel schon vollzogen: Andere Frisur, bartlos, geschlechtsunspezifische Kleidung (oder vielleicht ein Damen-Kostüm; konnte ich nicht genau erkennen). Vielleicht hat er diesen schweren Schritt in mehreren kleinen Schritten vollzogen: Erst eine Änderung der Physiognomie und dann erst zum Chirurgen. Wie Du schon sagtest: Eine solche Entscheidung erfordert sehr viel Mut und verdient unseren Respekt. Ob Mrs. Palmer nun besser aussieht als Mr. Palmer in der Vergangenheit, ist dabei vollkommen nebensächlich. So oder so: Mit Elegy hat er sich unsterblich gemacht. Ein hervorragendes Stück Musik. Falls ich es nicht vergesse, werde ich testamentarisch verfügen, dass dieses Lied bei meiner Beisetzung gespielt wird. Mit Querflöte natürlich.

Während ich diese mail schreibe, läuft JT – Musik von YouTube. Dort sah ich eben einen Fernsehauftritt der Gruppe aus den 70er Jahren: Solstice Bells. An dieser Stelle erfolgt nun meine obligatorische Kritik: Ich kenne keinen Profi-Musiker, der so schlecht mit Playback umgehen kann wie Mr. Anderson. Dies ist allerdings keine reine Kritik, sondern eine ambivalente Feststellung: Das Unvermögen, eine Musikdarbietung „vorzutäuschen“, spricht in meinen Augen für die Qualität des Musikers !!

Ich gebe zu, dass meine Frage nach einem repräsentativen Stück von JT nur schwer zu beantworten ist. Das kann vielleicht nicht einmal Mr. Anderson. Ich denke, das repräsentative Stück von JT gibt es nicht, gibt es von keinem Künstler. Gerade deswegen danke ich Dir für Deine Antwort. Ich beantworte diese Frage mit Heavy Horses. Erstens, weil das eines der ersten Lieder von JT ist, die ich bewusst wahrgenommen habe und zweitens, weil mir Mr. Anderson in seinem Farmer- oder Gutsherrenlook besonders gut gefällt und damit auch glaubwürdig wirkt. Jedenfalls authentischer als mit …..Aber lassen wir das !

An dieser Stelle ein Minuspunkt für Wikipedia: Über Dave Palmer ist hier nichts zu finden, wohl aber über G.G. Anderson (der nicht mit dem Meister verwandt ist !). Das ist grotesk. Dieser Zustand ist unerträglich. Falls ich genug Material zusammentragen kann, werde ich einen Artikel für Wikipedia über Mr. Palmer schreiben.

Spätestens, wenn ich die Partituren zu den JT-Liedern sehe, frage ich mich, wann und wie Mr. Anderson das alles gelernt hat. Musik gehörte doch nicht zu seiner beruflichen Ausbildung, oder ? Weißt Du mehr hierüber ?

Vor einer Minute entdeckte ich auf YouTube einen Auftritt von JT aus 1972: Thick as a Brick. Es ist die bisher älteste Version dieses Stücks, die ich gesehen habe. Die Choreographie der Anderson’schen Bewegungsabläufe ist hier noch eine Andere als 3 Jahre später. Es ist interessant zu sehen, wie sich so etwas im Laufe der Jahre entwickelt.

Bleibe anständig, so lange es irgendwie geht.
Yours tulltruly
Lockwood

25.10.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

hat etwas gedauert, bis ich Dir endlich antworte. Vielleicht hast Du meinen Beitrag von heute gelesen. Das hat mich wirklich diese Tage lang geradezu geschafft. Da arbeitet bei uns ein junges Mädel (25 Jahre alt), wird von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag vertröstet, macht sogar ein Abendstudium mit gutem Abschluss und weil es die böse Kollegin nicht will, sitzt sie plötzlich auf der Straße. Das ist eine äußerst verwickelte Sache. Sie zeigt mir nur, wie viele Arschlöcher frei herumlaufen. Ich habe mich inzwischen an Betriebsrat und Geschäftsstellenleitung gewandt, aber ich ahne jetzt bereits, dass man sich nur herausreden wird. Am Ende ist alles vergebliche Liebesmüh, zum Kotzen eben! Da hatte Herr Anderson zunächst hinten anzustehen.

Wikipedia und Palmer – wenigstens im englischsprachigen Bereich gibt es einen kurzen Artikel: Dee Palmer. Palmer und Jethro Tull, das ist schon eine Beziehung, die man noch genauer betrachten müsste.

Anderson und Playback-Auftritte: Es gibt da die DVD „The Rolling Stones – Rock and Roll Circus“. Ein kurioses Musikdokument, wie ich finde. Da sind doch tatsächlich Ian Anderson und seine Mannen von Mick Jagger und Co. zu diesen TV-Auftritt eingeladen worden. Und so findet man plötzlich auch John Lennon zwar nicht neben, aber doch in der Nähe von Jethro Tull. Der Vortrag von „A Song for Jeffrey“ ist aber eindeutig Playback. Ich habe die DVD-Aufnahme und da sieht man es etwas besser. Da spielt Tony Iommi, der für Mick Abrahams kam, aber schon Tage darauf durch Martin Barre ersetzt wurde. Gottlob! Das Gitarrenspiel klingt aber eindeutig nach Abrahams (ist wohl das Original von dem Album „This was“). Und Glenn Cornick bläst die Mundharmonika? Was der gute Tony Iommi da auf der Klampfe herumhantiert, ist reichlich ungelenk. Andersons Bewegungen usw. laufen dagegen sehr viel synchroner mit der Musik ab. Es kann natürlich sein, dass Anderson und Mannen (außer Tony) das zuvor etwas ausführlicher geübt haben. Wenn man schon von den Stones eingeladen ist, so will man sich keine Blöße geben. Zu Deinem Beispiel „Solstice Bells“ findet man bei Laufi.de folgendes Info:

„Top Of The Pops“ (UK TV) 25.12.1976

Recht überraschend -wahrscheinlich auch für die Band- und vor allem kurzfristig schaffte es die in limitierter Auflage veröffentlichte Single „Ring Out, Solstice Bells“ Weihnachten 1976 in die UK Charts und somit auch in die Weihnachtsausgabe von „Top Of The Pops“. Das -vorerst- letzte mal, daß Jethro Tull in dieser Show dabei waren. Die Show wurde am 25.12.1976 ausgestrahlt, das genaue Datum der Aufzeichnung ist mir nicht bekannt, kann aber nur wenige Tage vorher gewesen sein.

Das lässt vermuten: Tull hatte keine Playback-Übung in dieser Zeit und der Auftritt kam kurzfristig: daher lief das nicht so wie gedacht. Grundsätzlich stimme ich Dir zu: „Das Unvermögen, eine Musikdarbietung „vorzutäuschen“, spricht in meinen Augen für die Qualität des Musikers !! “

Und recht fruchtlos ist es, wenn man zu Playbacks von alten Stücken mimen soll, Stücke, die man längst umarrangiert hat (z.B. Locomotive Breath).

Zu der Frage nach einem repräsentativen Stück von JT. Eine Gemeinsamkeit haben wir: Du empfiehlst auch ein Stück, das Du als eines der ersten Lieder von JT bewusst wahrgenommen hast.

Auch wenn Du „The Story of the Hare” nicht so besonders findest, es ist einige Jahre her, da hatte ich mich daran gesetzt, den Text zu übersetzen. Jetzt habe ich meine bescheidene Übersetzung tatsächlich wiedergefunden. Wie genau diese nun ist, habe ich nicht erneut überprüft. Ich habe zumindest versucht, ein bisschen die Sprachmelodie beizubehalten, was bekanntlich alles andere als einfach ist. Hier der Versuch:

Die Geschichte vom Hasen, der seine Brille verlor

Eule liebte es, in Ruhe zu verweilen, wenn keiner sie beobachtete. Eines Tages saß sie auf einer Hecke, war überrascht als plötzlich ein Känguru ganz dicht bei ihr vorbeirannte.

Nun das mag nicht seltsam erscheinen, aber als Eule Känguru zufällig zu sich selbst flüstern hörte: „Der Hase hat seine Brille verloren“, nun, da begann sie sich zu wundern.

Bald kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und dort liegend im Rasen war Hase. In dem Bach, der beim Grase floss … ein Wassermolch. Und mit gespreizten Beinchen bei einem Zweige eines Busches saß … eine Biene.

Scheinbar antriebslos (regungslos) zitterte vor Erregung der Hase, ohne seine Brille schien er völlig hilflos zu sein. Wo war seine Brille? Sollte einer sie gestohlen haben? Hatte er sie verlegt? Was hatte er getan?

Die Biene wollte helfen. Und mit dem Gedanken, die Antwort zu haben, begann sie: „Du hast sie wahrscheinlich gegessen, dachtest sie wäre eine Mohrrübe.“

„Nein!“ unterbrach die Eule, sie war weise. „Ich habe gute(s) Weitsicht (Sehvermögen), Einsicht und Voraussicht. Wie kann ein intelligenter Hase solch einen dummen Fehler machen?“ Während der ganzen Zeit saß Eule mit finsterer Miene auf der Hecke.

Da Känguru musste wie wild springen: bei so einer Art von Gespräch! Sie dachte sich, was Intelligenz anbelangt weit den anderen überlegen zu sein. Sie war deren Führer, deren Guru. Sie hatte die Antwort: „Hase, du musst dich auf die Suche nach einen Optiker machen.“

Aber dann merkte sie, dass Hase völlig hilflos ohne seine Brille war. Und so verkündigte das Känguru voller Stolz: „Ich kann den Hasen zu nichts auf die Suche schicken!“

„Du kannst, Guru, du kannst!“ rief der Wassermolch. „Du kannst ihn mit der Eule schicken.“ Aber die Eule war schon schlafen gegangen.

Der Molch wusste zu viel, um sich von so einem kleinen Problem beirren zu lassen. „Du kannst ihn in den Beutelbauch nehmen.“ Aber, oh, weh, der Hase war viel zu groß, um in den Kängurubeutel zu passen.

Die ganze Zeit über war es dem Hasen ganz klar, dass die anderen nichts über Brillen wussten. Und was all ihre verlockenden Ideen betraf, so konnte sich Hase nicht darum kümmern.

Die verlorene Brille war seine eigene Angelegenheit.
Und schließlich hatte der Hase eine Ersatzbrille.

übersetzt von Willi 26.05.1977 (das ist ja schon Jahre her)

Meinem großen Sohn Jan hatte ich, als er noch klein war, das Video vorgespielt. Er fand „Die Geschichte …“ ganz witzig und wollte sie öfter wiedersehen.

youtube.com: Ist ja eine schöne Möglichkeit, etwas eigenen Webspace, wie man die Speicherkapazitäten auf einem Web-Server nennt, zu schonen. Leider ist der nicht unbegrenzt und kostet auch bisschen was. Und youtube.com hat ja auch schon einiges an sehenswerten Tull-Videos, die man dann ganz einfach in seine eigene Website einbauen und somit nutzen kann.

Hierzu – ich weiß: Die Solo-Scheiben von Anderson finden auch nicht Deinen ungeteilten Beifall. Die Musik der „Divinities“-CD eignet sich aber sehr gut z.B. für die Hintergrundmusik von Urlaubsvideos. Und so habe ich ein längeres Stück für das Urlaubsvideo Kalabrien 2001 genommen (auch hierfür habe ich jetzt youtube.com genutzt). Klingt mit den Bilder doch ganz passabel, oder?

Für heute genug. Du liest, ich lese (lebe) noch.
Bis bald

Wilfried

30.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 26: Kashmir & Elegy

Hallo Wilfried !

Gegensätzliche Meinungen und kein Ende abzusehen !

Wenn ich Mr. Anderson durch die Mühlen meiner persönlichen Kritik drehe, werde ich damit dem Anspruch gerecht, den Du im Prolog zur neuen Rubrik formuliert hast: „…eine unkritische Anbetung wird es nicht geben…“.

Wenn Du konstatierst, dass ich Mr. Anderson wieder und wieder kritisiere, darfst Du nicht vergessen, dass er der einzige Künstler ist, mit dessen Werk ich mich sehr intensiv befasse. Warum befasst man sich intensiv mit einem Künstler ? Weil man ihn schlecht findet, ihn ablehnt, ihn nicht mag ?

Ich habe es an anderer Stelle bereits geschrieben: Mr. Anderson ist für mich der Größte. Aber auch er steht nicht jenseits aller Kritik; zumindest nicht bei mir. Ich denke, in einer Schriftensammlung, die nach eigener Aussage kritisch mit einem Thema umgeht, sollte Kritik auch erlaubt sein. Natürlich, das sei an dieser Stelle noch einmal ausführlich erwähnt, handelt es sich bei meinen negativen Äußerungen stets um persönliche Eindrücke; sie erheben keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Zu Kashmir:
Das Gekrächze auf der Geige der guten Mrs. Micarelli trägt in meinen Augen wirklich nicht dazu bei, die Coverversion von JT gut zu finden. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass einige Lieder so eng mit ihren Original-Interpreten verbunden sind, dass alle potentiellen „Coverer“ gut beraten wären, die Finger davon zu lassen. Kashmir ist ein solches Lied. Dieser Song gehört zu Led Zeppelin wie der Schwanz zum Hund. Jeder andere kann sich daran nur die Finger verbrennen. Stell‘ Dir vor, Modern Talking hätten damals Locomotive Breath gecovert. Hätte dabei etwas Gutes herauskommen können ?

Dass Mr. Palmer auf dem Warchild-Cover Gottvater darstellt, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern steht, wenn ich mich recht erinnere, im Booklet dieses Albums. Natürlich in englischer Sprache. Möglich wäre, dass meine bruchstückhaften Kenntnisse dieser Sprache mir einen Streich gespielt haben.

In meiner letzten mail fragte ich Dich nach dem Lied von JT, dass in Deinen Augen die Gruppe am besten repräsentiert. Hast Du das überlesen oder war die Frage zu dumm, um darauf zu antworten ?

Es bleibt dabei: Ian Anderson ist der Größte !
In dieser Gewissheit verbleibe ich
Lockwood

24.10.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

was rechtfertigst Du Dich so ausführlich? Habe ich Dir den Mund verboten, nein! Es ist doch schön, wenn wir so gegensätzlich debattieren können. Aber genug …

Zu Kashmir mag ich eigentlich nichts Weiteres sagen. Led Zeppelin waren mir damals schnuppe und sind es mir heute auch. Natürlich kenne auch ich das eine oder andere Stück von denen. Aber es hat mich nichts wirklich vom Hocker reißen können. Ähnlich geht es mir mit Pink Floyd. Die waren mir z.B. zu pompös, wenn Du weißt, was ich meine: zu dick aufgetragen! Ähnlich geht es mir mit der Cover-Version von Kashmir. Das liegt in erster Linie an meiner subjektiven Einstellung und weniger an den Fähigkeiten der Musiker (ich höre gerade im Hintergrund Pink Floyds „The Wall“, na ja …).

Modern Talking und Locomotive Breath? Warum eigentlich nicht. Es ist nicht unbedingt das Stück von Tull, das ich repräsentativ und überhaupt gut finde. Da können auch Bohlen und Co. nicht viel kaputt machen.

Von Warchild habe ich nur (nur ist gut) die Vinyl-LP. Es liegt zwar ein Blättchen bei, aber das enthält nur die Texte. Von daher bin ich auch gar nicht auf die Idee gekommen, David Palmer entsprechend zu klassifizieren. Aber er war sicherlich so etwas wie ein väterlicher Freund von Ian Anderson, der ihn auch in musikalischen Dingen unterstützend zur Seite stand. Gottvater ohne Gott. Auch übrigens: Das wohl 2002 aufgenommene Video mit Noch-David Palmer und Ian Anderson habe ich gefunden (ich muss meine Festplatte wirklich einmal ausmisten, ist schlimmer als in den Ställe des Augias). Ich habe mich bei youtube.com angemeldet. Dort findest Du das gute Stück namens Elegy.

„Stell‘ Dir vor, Du müsstest jemandem, der JT nicht kennt, ein Lied der Gruppe nennen, das repräsentativ für das musikalische Werk der Gruppe steht. Nur ein Lied.“ Deine Frage habe ich nicht vergessen. Was soll ich darauf antworten? Eiskalt wie ich bin: Living in the Past. Unbedingt repräsentativ ist das nicht. Aber es war das erste Stück, das ich von Tull gehört habe und das das Feuer in mir gelegt hat, das heute noch brennt – um es einmal ganz dick aufgetragen zu formulieren. Damals war an „Thick as a Brick“ und dergleichen noch gar nicht zu denken. „Living in the Past“ ist in einem schönen 5/4-Takt, was auch nicht alle Tage vorkommt und so schon etwas aus dem 4/4-Takt-Einerlei heraussticht.

Jethro Tull: Living in the Past - Notenauszug

Für heute genug.
Bis bald
Wilfried

24.10.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

Ein Nachtrag zu Palmer und Gottvater: Das englische godfather (so wird es doch wohl im Booklet heißen) hat nicht viel mit dem deutschen Gottvater zu tun. Es bedeutet nur Pate, Patenonkel usw. und ist sinngemäß ein Vater, der von Gott eingesetzt wird. Also ein Ersatzvater. Das kommt meiner Einschätzung der Rolle Palmers zu Ian Anderson sehr nahe. Er war eine Art Vaterfigur, wenn auch im Wesentlichen musikalischer Art.

Gruß
Wilfried

25.10.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Wilfried,

den genauen Wortlaut des Booklets kriege ich im Moment nicht hin. Ich halte es für denkbar, dass dort nicht der Begriff Godfather stand, sondern Gott, und ich das nur mit Gottvater übersetzt habe.

Die Kostümierung des Mr. Palmer auf Warchild zeigt eher eine Figur, die an Gott erinnert (oder so, wie er Jahrhunderte lang in der Kunst dargestellt wurde) als an einen Patenonkel. Ich werde es im Booklet nachlesen, dann haben wir Klarheit.

Viele Grüße
Lockwood

25.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 25: Warchild, Mrs. Palmer & Kashmir

Hallo Wilfried,

wie es meine Art ist, komme ich direkt und ohne Umschweife auf Deine letzte mail zu sprechen:

Zu Queen: Diese Gruppe, die nach Deiner Einschätzung meine Lieblingsband ist, hat das kommerzielle Gebaren von JT bei weitem übertroffen. Dazu gehört nicht nur das Queen-Musical; diese Entwicklung setzte bereits viel früher ein: In den 80er Jahren hatte die Gruppe keine Skrupel, auf den Zug der disco-orientierten Popmusik aufzuspringen. Das war unverzeihlich. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, wie der Tod von Freddy Mercury von der hinterbliebenen Band vermarktet worden ist, merkt man sehr deutlich, dass das Musik-Geschäft auch nur ein Geschäft ist. Auch zu Idolen aufgestiegene Rockmusiker sind nicht davor gefeit, um das goldene Kalb zu tanzen. Mit Queen geht es mir übrigens ähnlich wie mit Jethro Tull: Die frühen Werke, mit Ausnahme der ganz Frühen, erachte ich als die Besten. Danach war für mich nichts mehr dabei. Bei beiden Bands sind es jeweils nur eine Handvoll Alben, die die Qualität der Gruppe für mich ausmachen.

Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie Mr. Anderson zu anderen Musikern steht. Einzig den Namen Led Zeppelin erwähnte er hin und wieder in seinen Livekonzerten. Dabei scheint ihn eine Art Hass-Liebe mit dieser Gruppe zu verbinden: Oft verballhornt er den Namen oder einige Lieder von LZ, andererseits hat er in der jüngerer Vergangenheit eine (grauenhafte) Coverversion von Kashmir live zu Gehör gebracht.

Da hast Du’s: Wie von Dir befürchtet, bringe ich wieder negative Attribute mit Mr. Anderson in Verbindung. Es hat den Anschein, als hätten wir uns in unserem kleinen Gedankenaustausch auf unsere Rollen festgelegt: Ich greife Mr. Anderson fast zwangsläufig an und Du verteidigst ihn ebenso automatisch. Advocatus diaboli versus Advocatus Dei. Gleichwohl: Wenn ich Mr. Anderson so negativ einschätzen würde, wie es bei Dir den Anschein hat, würde ich kaum so viel Zeit auf ihn verwenden. Er ist in meinen Augen ein herausragender Musiker, Entertainer (und Geschäftsmann!), aber keine Lichtgestalt. Wenn wir uns auf diese Formel einigen können, müssen wir nicht befürchten, dass uns unsere gemeinsame Basis unter den Füßen zerbröckelt.

Zu Mr(s). Palmer: Auf der Rückseite des Warchild-Covers ist er gar an exponierter Stelle zu sehen. Auf diesem Cover sind etliche Personen (natürlich auch Shona) in Kostümen zu sehen, die einen Bezug zum Album haben. So stellt Mr. Palmer so etwa wie Gottvater dar. Bezeichnenderweise steht er in dieser Rolle gleich neben dem Meister, fast auf gleicher Höhe mit ihm. Aber eben nur fast.

Zurück zur Musik von Mr. Anderson:
Stell‘ Dir vor, Du müsstest jemandem, der JT nicht kennt, ein Lied der Gruppe nennen, das repräsentativ für das musikalische Werk der Gruppe steht. Nur ein Lied. Kein zweites und erst recht kein Album. Welches Lied würdest Du auswählen ?

Das war’s für heute.
Wir bleiben in Verbindung.

Lockwood

21.10.2006

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Hallo Lockwood,

da bin ich wieder. Zu Queen, Kommerz und Musikindustrie will ich mich nicht so ausführlich äußern. Das würde viel zu weit führen. Wie so vieles so wird auch hier global vermarktet, was es zu vermarkten gibt. Und die gute Firma Sony ist für mich da nur eine Art Stellvertreter für all die Firmen, denen es eigentlich nicht um die Musik an und für sich, sondern nur ums Geldscheffeln geht. Damit habe ich eigentlich schon genug gesagt.

Ich habe nichts gegen Queen, auch nichts gegen Led Zeppelin. Es ist richtig, dass Anderson z.B. „Thick as a Brick“ einmal als „Whole lotta Brick“ angekündigt hat (so 1977 im Golders Green Hippodrome zu London). Und beim Tampa Konzert von 1976 ist es wiederum „Thick as a Brick“ als das berühmte Lied von Johnny Cash.

Zur Cover-Version von Led Zeppelins Kashmir: Dein Urteil ist wieder einmal vernichtend: grauenhaft. Ich weiß nicht, woher Du das Stück kennst. Ich denke, es ist die Amateuraufnahme, die im Internet kursiert (www.cupofwonder.com). Allein die Aufnahme ist schon grauenhaft, ein Soundbrei, der nicht unbedingt ein objektives Urteil zulässt. Also um es gleich zu sagen: Mein Lieblingsstück wird das auch nie werden. Und eigentlich ist es eine Solonummer der guten Lucia Micarelli, die von Tull mehr oder weniger gut begleitet wird. Von daher war ich bisher nicht in der Verlegenheit, das Stück mit zu den anderen Tull-Videos auf meine Website zu nehmen. Du magst das Gedudele einfach nicht und damit basta: grauenhaft! Den meisten Zuschauern muss es aber gefallen haben, sonst hätten die nicht so geklatscht. Vielleicht hörte es sich dort im Saal auch wesentlich besser an, als auf der Videoaufnahme … Wenn es Dir nicht gefällt und Du es als grauenhaft einstufst, so ist das Deine Einschätzung. Mir gefällt schon das Stück als solches nicht sonderlich. Da brauche ich also nicht noch eine Tull-Lucia-Coverversion.

Also was ich von der Idolisierung von Musikern usw. halte, habe ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben. Nicht so viel! Daher kann selbst ein Ian Anderson, den ich sehr hoch schätze, nicht so etwas wie eine Lichtgestalt für mich sein. Von daher habe ich auch keine Probleme, wenn Du wieder und wieder Herrn Anderson mit negativen Attributen belegst. Das ist Deine Meinung. Ich habe manchmal eine andere. Ist nun einmal so im Leben.

Jethro Tull: War Child

David/Dee Palmer und War Child: Da bin ich mir nicht so ganz sicher, ob das Palmer ist, der wie Gottvater neben Anderson steht. Gandalf (aus Herr der Ringe) wäre vielleicht passender. Aber er muss es sein, da er wieder einmal für die Orchesterbearbeitung sorgte und so auch namentlich auf dem Cover erwähnt ist. Allerdings finde ich für ihn keinen Songtitel, der seiner Darstellung entsprechen könnte. Oder? Anderson und Palmer, das ist schon ein eigentümlich musikalisches Paar. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Ian Anderson gern etwas andere Musik gemacht hätte, wenn man ihn nur gelassen hätte. Palmer hat das irgendwie kompensiert. Aber Palmer selbst ist nicht so richtig zu fassen. Mit Bart und Pfeife war er/sie eigentlich der typische Mann. Und dann in dem Alter noch an sich herumschnippeln zu lassen: Da gehört schon einiges an Mut zu. Es gibt irgendwie noch eine Aufnahme des Stückes „Elegy“, ziemlich neu – und nur mit Frau Palmer am Keyboard und Anderson an der Querflöte.

Mr. David Palmer Mrs. Dee Palmer
Mr. David Palmer Mrs. Dee Palmer

Ach, das Kopftuch. Da habe ich doch bei www.youtube.com eine gar nicht so schlechte Coverversion von „Crosseyed Mary“ gefunden – von einem Typ mit den Initialen LC. Und zu Ehren des Meisters trägt der Typ – ein Kopftuch! Sag also nichts: Kopftücher kommen in Mode!

Lass Dich nicht erschüttern.
Wilfried

23.10.2006

English Translation for Ian Anderson