Kategorie-Archiv: Ian und die (Musik-)Welt

Ian Anderson (Jethro Tull) & vieles mehr von dieser Welt

Lockwoods Top 22 & Zugabe

Nachdem bereits Alex uns seine persönlichen 10 besten Lieder präsentiert hat, und auch ich meine Top 10 bzw. Top 20 abgeliefert habe, hat sich nun auch Lockwood die Mühe gemacht, uns seine Lieblingslieder zu ‚beichten’. Abba, Psalm von Roxy Music (wenn hier auch als Exot vorgestellt) sind keine Überraschung mehr. Aber einige andere schon (Mort Shuman und Vicky Leandros). Nicht zu übersehen ist dabei auch die ungewöhnlich starke Präsenz holder Weiblichkeit, was mich natürlich durchaus erfreut. Ohne ein endgültiges Urteil abgeben zu wollen, aber Lockwood hat eine Vorliebe für dunkelhaarige Frauen …:-)

Was Sonny & Cher betrifft, so würde ich die beiden (oder die eine) nicht unbedingt zu meinen Lieblinge zählen, trotzdem hat das genannte Lied „I’ve got You Babe“ für mich in so weit eine gewisse Bedeutung, weil es eine nicht unerhebliche Rolle in meinem Lieblingsfilm „Und täglich grüßt das Murmeltier …“ spielt.

Aber lassen wir Lockwood zu Wort kommen (ich habe mir erlaubt, bei youtube zu den ausgewählten Liedern ein hoffentlich passendes Video herauszusuchen) – und der großen Mühe wegen auch in einem eigenen Beitrag:

Grüß Euch Gott alle miteinander,

es ist still geworden in unserer kleinen Schreiberrunde.
Ich habe die schöpferische Pause u.a. dazu genutzt, über die Liste meiner zehn Lieblingslieder nachzudenken. Das Ergebnis ist erschütternd: Ich bekomme sie nicht zusammen. Allein für meine Lieblingskünstler Jethro Tull, Kate Bush und die Pogues müsste ich mindestens je zehn Plätze belegen. Das wäre nicht im Sinne des Erfinders. Also muss ich tricksen. Unten findet Ihr eine Liste ohne meine Lieblinge, die ohnehin einen festen Stammplatz in meinem Herzen, meinem Hirn und meinem Trommelfell haben. Aber selbst diese abgespeckte Liste ist nicht vollständig. Bei dieser Aufgabenstellung merkt man erst, wie wenig „zehn“ sein kann. However, los geht’s (die Reihenfolge der Lieder sagt nichts über ihren Stellenwert aus):

Led Zeppelin: Kashmir (dramatischer Song in epischer Breite; begleitet mich seit frühester Jugend)
Led Zeppelin: The Battle Of Evermore (hätte auch von JT sein können; nicht aufgepasst, Mr. Anderson!)
Peter Gabriel: Solisbury Hill (schon seit 30 Jahren einer meiner absoluten Favoriten)
Fleetwood Mac: Never Going Back Again (tolle akustische Gitarren)
Roger Chapman: Run Like The Wind (schöne schnulzige Mike Batt – Produktion)
Rolling Stones: Paint It Black (die frühen Stones hatten einige schöne Melodien)
Mort Shuman: Le lac majeur (für die sentimentalen Momente im Leben)
BJH (Barclay James Harvest): Hymn (Neues Testament für Popfans)
Depeche Mode: Personal Jesus (wieder Thema Religion – diesmal kritisch)
B.Springsteen: Jersey Girl (Tom Waits – Cover; klingt am besten, wenn man frisch verliebt ist)
Sex Pistols: Holiday In The Sun (nicht gerade ein Opus, aber frische Gitarren und glaubwürdig vorgetragen)
Big Country: The Seer (mit Kate Bush im Backing Vocal – besser kann Rockmusik kaum sein)
Boston: More Than A Feeling (wurde für dieses Lied die Gibsongitarre erfunden?)
David Bowie: Sound And Vision (wie so oft: Die frühen Werke sind die Besten)
L. McKennit: Dante’s Prayer (zum Heulen schön)
Abba: Like An Angel Passing Through My Room (leise Töne von den Asen der Popmusik)
Abba: Slipping Through My Fingers (der Text treibt mir das Wasser in die Augen)
Stevie Nix: Stand Back (bin ich evtl. doch ein Popfan ???)
The Verve: Bitter Sweet Symphony (synthetische Geigen, eingängige Harmonien)
Liquido: Narcotic (deutsche Krachgitarre, aber nett)
Pink Floyd: Comfortably Numb (ich kann es selber kaum glauben, aber The Wall fehlt in meinem Schrank)
Elvis Presley: Always On My Mind (schönes Liebeslied, schöner Bariton)

Wenn ich die Liste durchzähle, stelle ich fest, dass es fast genau zehn Stücke sind. Sorry, weniger ging wirklich nicht. Neben meinen o.g. Lieblingen fehlen noch die Werke von Queen, Mike Oldfield, einigen Liedermachern und noch vieles mehr.

Außerhalb jeder Konkurenz möchte ich noch einige Exoten auflisten, für die sich garantiert niemand interessiert:

Don Kosaken: Legende von den zwölf Räubern; Der rote Sarafan (nur für Freunde von Männerchören)
Ehel. Ofarim: Cinderella Rockefella (Esther hat eine bemerkenswerte Stimme)
Vicky Leandros: Apres Toi (die Mutter aller Schnulzen, aber was für eine Stimme !)
Mikis Theodarakis: Sorba’s Dance (hellenistische Pseudofolklore mit Eignung zum Ohrwurm)
Sonny and Cher: I’ve got You Babe (mir gefallen die Blasinstrumente in dem Lied – Fagotte ?)
Roxy Music: Psalm (Schönling Ferry als inspirierter Prediger mit tuntigem Pianisten und Passion Play-Saxophon)

So, nach dieser Beichte fühle ich mich wohler.
Vielleicht liest man nochmal etwas voneinander.

Ich wünsche Euch den inneren Frieden
Lockwood

22.05.2008

Meine Lieblingslieder – Teil 2

Gestern stellte ich meine 10 Lieblingslieder vor. Heute nun weitere 10 Lieder, die ich ebenfalls sehr gut finde und sie daher dem geneigten Publikum vorstellen möchte – wenn auch in etwas kürzerer Form, aber wieder nur dem Alphabet nach.

Paul Brady ist vielleicht durch seine frühere Zusammenarbeit mit der irischen Band Planxty bekannt und seit Ende der 70-er Jahre meist solo unterwegs.

They say the skies of Lebanon are burning
Those mighty cedars bleeding in the heat
They’re showing pictures on the television
Women and children dying in the street
And we’re still at it in our own place
Still trying to reach the future through the past
Still trying to carve tomorrow from a tombstone…


Paul Brady: The Island

Zu Kate Bush keine weiteren Worte mehr. Ich habe hier ein Lied herausgesucht, das sie mit Peter Gabriel zeigt:


Kate Bush & Peter Gabriel: Don’t Give Up

Wie Kate Bush so ist auch Sandy Denny eine Sängerin mit einer ungewöhnlichen Stimme – leider gewesen. Sie verstarb früh. Bekannt ist sie u.a. auch durch die Zusammenarbeit mit Fairport Convention (der B-Mannschaft von Jethro Tull – wie ich es einmal nannte).


Sandy Denny – Who Knows Where The Time Goes (solo acoustic)

Alex, Kretakatze und auch Lockwood mögen mir verzeihen, wenn ich Dire Straits mit Mark Knopfler nicht unter den ersten zehn in meiner persönlichen ‚Hitparade’ aufgeführt habe. Aber es gibt so viele schöne Lieder, die es geschafft haben, die Sultane des Swings zu verdrängen.


Dire Straits mit Mark Knopfler: Sultans of Swing (live)

Von den Instrumentalisten der niederländischen Gruppe Flairck hatte ich vor einiger Zeit bereits Lockwood berichtet. Sie feierten jetzt eine Reunion, wie es wohl neu-deutsch heißt. Hier ein Ausschnitt aus dem neuen Programm – wundervolle Musik wie ich finde.


Flairck: Voorspel in Sofia

Richie Havens: License to Kill
Richie Havens wurde wohl durch seinen Auftritt in Woodstock 1969 bekannt und durch seine Coverversionen von Liedern – von den Beatles (Here comes the Sun – Strawberry Field Forever) bis hin zu Bob Dylan. Charakteristisch ist neben der tiefen, sonoren Stimme sein Gitarrenspiel mit offener D-Stimmung (beim Anschlagen der leeren Saiten erklingt der D-Dur-Akkord). Akkorde spielt er somit meist mit dem Daumen, wie auch nachfolgend zu sehen ist.


Richie Havens: License To Kill

Für meine Mark Knopfler-Fans: Dieses Bob-Dylan-Lied gibt es auch mit dem Meister persönlich – und von Herr Knopfler begleitet: License to Kill.

Wie schon angedeutet, so habe ich eine besondere Beziehung zu afrikanischer Musik – und das nicht nur in Klanggestalt afro-amerikanischer Musik (wie Soul, Reggae usw.), sondern nativ vom schwarzen Kontinent selbst. Ich hatte in diesem Blog bereits über Desert Blues – Musikprojekt aus Mali berichtet. Als einen weiteren musikalischen Vertreter Afrikas möchte ich hier Baaba Maal aus dem Senegal vorstellen mit dem Lied: Goongama

Baaba Maal: Goongama

Aimee Mann habe ich auch bereits zweimal vorgestellt (Calling it Quits und mit dem Weihnachtslied One More Drifter in the Snow).

Hier die kühle Blonde mit einem weiteren Lied, wohl meinem Lieblingslied von ihr:


Aimee Mann: Ghost World

Suzanne Vega: Luka
Eine weitere Sängerin und Songwriterin, Suzanne Vega, möchte ich nicht vergessen. Das Ungleichgewicht männlich – weiblich ist groß genug, auch bei mir. Aber nicht deshalb, sondern weil ich das Lied „Luka“ immer wieder gern höre (und auch viele der anderen Lieder von Suzanne Vega) … hier die Live-Fassung:


Suzanne Vega: Luka

Zuletzt Frank Zappa. In die Top Ten hat er es bei mir zwar nicht geschafft, aber würde ich ihn unterschlagen, dann täte ich auch einer meiner (vielen) Seelen Qual an. Zappa präsentiert den ironisch bis leicht zynischen Zug in mir. Don’t Eat the Yellow Snow kennen wir bereits. Bobby Brown ist zwar lange nicht das beste Lied aus der Feder des Meisters, aber das erfolgreichste (hier ebenso ‚erfolgreich’ verkörpert durch George W. Bush).

Da Frank Zappa auch ein großartiger Gitarrist war, hier ein Stück, in dem er etwas von dieser Kunst zeigen (hören) lassen darf: Cosmic Debris (ließe sich vielleicht mit „kosmischer Tinnef“ übersetzen).


Frank Zappa: Cosmic Debris

Meine Lieblingslieder – Teil 1

Da habe ich mich auf etwas eingelassen, als ich ankündigte, eine Art Top Ten, also die Charts meiner Lieblingslieder zu nennen, und es sollte immer nur ein Lied sein – pro Gruppe bzw. Interpret. Was sollte da z.B. das mir liebste Stück von Jethro Tull sein?

Und jetzt hat Alex auch noch vorgelegt, indem er uns mit Mein persönlicher Chart eine Liste seiner hörenswerter Lieder und Stücke präsentierte.

Nach einigem Hin und Her sind 20 Bands und Einzelinterpreten verblieben, die ich hier in zwei Gruppen vorstellen möchte. Die erste Gruppe entspricht meiner Top Ten, wobei ich auf Platzierungen wohlweißlich verzichtet habe (weil es mir einfach nicht möglich ist zu sagen, welches Lied ich besser als ein anderes finde). Daher die Auflistung nach dem Alphabet. Und die zweite Gruppe repräsentiert Lieder, die bei mir vielleicht nicht ganz oben anstehen, die ich aber doch so gut finde, um sie unerwähnt zu lassen (dazu morgen mehr).

Wie Lockwood erwähnte: „Eine Liste, die ich heute erstellen würde, sähe schon anders aus als eine Liste, die ich vor einem Jahr aufgestellt hätte. Aber es gibt Lieder, die man in allen Phasen des Lebens im inneren Ohr hat. Diese Songs gilt es aufzulisten.“ Genau das habe ich unter Berücksichtigung meiner unterschiedlichen Lebensabschnitte versucht zu tun.

Joan Armatrading: Down to Zero
Joan Armatrading habe ich bereits in mehreren Beiträgen vorgestellt. Für mich ist sie eine außergewöhnliche Songwriterin, die mich auch in einigen Live-Konzerten zu überzeugen wusste.


Joan Armatrading: Down To Zero (02/15/1979)

Ry Cooder: Get Rhythm
Erst dieser Tage habe ich mich in einem Beitrag seiner Gitarrenkünste angenommen. Ich finde seine Musik frisch und immer wieder aufmunternd. Es gibt auch bei ihm viele Lieder, die mir gefallen. Bleibe ich aber bei der Cover-Version des Johnny-Cash-Liedes „Get Rhythm“.


Ry Cooder: Get Rhythm

Cream: White Room
Hier haben sich drei Meister ihres Fachs getroffen: Ginger Baker, der mit seinen Trommelkünsten auch bei afrikanischen Musikern überzeugen konnte, und die haben den Rhythmus bekanntlich im Blut. Dann Jack Bruce, der den Bass aus seiner reinen Begleiterfunktion zu einem Soloinstrument erhob. Last not least Eric Clapton, der ‚Gott’ der Rockgitarristen. Hier eine Aufnahme der Reunion-Konzerte vom Mai 2005; die DVD dazu ist einfach super. Lange habe ich überlegt, ob ich nicht auch die Gruppe Colosseum mit dem Lied „Theme for an Imaginary Western“ hier aufnehmen sollte (wie „White Room“ stammt diese Lied aus der Feder von Jack Bruce). Dieses Lied von Cream soll genügen.


Cream: White Room ((Royal Albert Hall May, ’05)

Gentle Giant: The Advent of Panurge
Zusammen mit Gruppen wie Yes, Emerson, Lake & Palmer und natürlich auch Jethro Tull galt Gentle Giant als eine der Hauptvertreter des Progressive Rocks etwa Anfang bis Mitte der 70-er Jahre. Sicherlich ist es eine teilweise schwerverdauliche, da sehr ‚kompakte’ Musik mit vielen Finessen. Nichtsdestotrotz faszinierte mich besonders die Musik von Gentle Giant von Anfang an.


Gentle Giant: The Advent of Panurge

Im Alphabet folgt Jethro Tull … mit „Thick as a Brick“. Ja, hier tat ich mich besonders schwer. Ist sicherlich auch verständlich. Eines der ersten Stücke, das ich von meiner ‚Lieblingsband’ sah und hörte, war „Living in the Past“ 1969 im Fernsehen. Es war gewissermaßen die Initialzündung für meine Vorliebe für Jethro Tull. Daher wollte ich erst dieses Stück auch in meine Charts aufnehmen. Nach langer Überlegung habe ich mich dann doch für „Thick as a Brick“ entschieden, es ist ein geradezu geniales Stück Musik, und weil es ein etwas sehr langes Stück ist, so steht hier der Anfang des Stücks mit der akustischen Gitarre und dem Gesang von Ian Anderson (und ein bisschen mehr):

Really don’t mind if you sit this one out.
My words but a whisper your deafness a SHOUT.
I may make you feel but I can’t make you think.
Your sperm’s in the gutter your love’s in the sink.
So you ride yourselves over the fields and
you make all your animal deals and
your wise men don’t know how it feels to be thick as a brick.


Jethro Tull: Thick as a Brick – Part 1 (02/10/1977)

Es ist auch noch nicht so lange her, da berichtete ich hier über die drei Gitarrenheroen Paco de Lucia, John McLaughlin und Al di Meola. Ich denke alles für mich Wesentliche dort aufgeführt zu haben, was die gemeinsamen Auftritte der drei betrifft.

Ich habe nun einmal zwei Seelen in meiner Brust (wahrscheinlich sind es noch mehr), da kommt neben der Begeisterung für einfache Dinge, manchmal auch der Drang ‚nach Höherem’ hervor. Hier nochmals das Gitarrentrio mit „Mediterranean Sundance“.


Paco de Lucia – John McLaughlin – Al di Meola: Mediterranean Sundance

Schon früh kam ich mit der Musik von Schwarzen in Berührung (aber das ist schon wieder ein Thema für sich). Neben Soul (hier sei nur der Name Curtis Mayfield genannt) war es besonders der Reggae, der mir immer wieder sehr gut gefällt. Bekanntester Vertreter dieser Musik der Insel Jamaika ist bzw. war natürlich Bob Marley. Hier ein Lied, das wohl jeder schon einmal gehört hat:


Reggae – Bob Marley: No Woman No Cry

Auch zu Herman van Veen möchte ich keine weiteren Worte verlieren. Seine Musik hat mich eine längere Zeit begleitet. So zählt das Lied „Ich habe ein zärtliches Gefühl“ (die zarte Seele in meiner Brust meldet sich hier) zu meinen absoluten Lieblingsliedern. Hier die holländische Fassung des Liedes:


Herman van Veen – Ik heb dat tedere gevoel

Das folgende Lied findet sich hier, nicht weil ich besonders Hannes Wader mag, sondern weil es auf wunderbare Weise meine Wahlheimat, den Norden Deutschlands spiegelt. Ich mag die plattdeutsche Sprache, die leider vom Hochdeutschen fast gänzlich abgelöst wurde. Und speziell an diesem Lied mag ich die leise Melancholie: Min Jehann.


Hannes Wader: Min Jehann (aus: Plattdeutsche Lieder – 1974)

Zuletzt in meinen Top Ten findet sich Tom Waits. Für diejenigen, die mich kennen, ist das klar: Der gute Tom darf nicht fehlen. Und es sind gleich zwei Lieder, die sich ähneln und es mir schwer machen, mich zu entscheiden: „In the Neighborhood“ und „Take Care Of All My Children“. Ich habe mich für das ältere der beiden Lieder entschieden:


Tom Waits – In The Neighborhood – 1983

Profaner Jesus und profaner Teufel

Hallo Kretakatze, (und natürlich auch: Hallo, Lockwood)

Mein Blog ist kein reines Jethro Tull-Blog. Und bisschen Wind aus anderen Richtungen wird nicht schaden. Sicherlich „klinge ich etwas gereizt“, denn DSDS und all die Idol-Sachen finde ich schlechtweg „unter aller Sau“. Es ist einfach nicht meine Welt, nicht nur, weil es nicht meine Musik ist. Hier versucht die Musikindustrie billig an Talente zu kommen, schlachtet die dann aus – und lässt sie schnell wieder fallen, wenn ein Talent wie eine Zitrone ausgepresst ist. Das Du nicht noch zusätzlich auf DSDS zu sprechen kommst, war mir schon klar. Wie solltest Du das auch wagen :-).

Zu Clay Aiken: Natürlich kann der gute Mann singen, sonst hätte er nicht diesen Erfolg. Aber was Du schreibst, unterstützt nur noch mehr meinen Verdacht, hier ein typisch amerikanisches Phänomen zu betrachten. Der religiöse Bezug ist mir natürlich nicht entgangen. Auch ohne die Hinweise bei Wikipedia hatte ich einen entsprechenden „Verdacht“. Das er sich für geistig behinderte Kinder einsetzt, ehrt ihn ungemein. Aber alles andere sieht für mich doch sehr nach Sektierertum aus. Das, was Dich, Kretakatze, an dem Mann vielleicht fasziniert, stößt mich eher ab. Ich reagiere leicht allergisch auf religiös-verbrämte Lebensansichten. Natürlich muss jeder selbst wissen, was er aus seinem Leben macht. Ich bemühe mich zumindest, ein „guter Mensch“ zu sein und meinen Kindern ein halbwegs akzeptables Vorbild zu sein.

Clay Aiken, wenn er so „pure“, so rein und „sauber“ ist, wie die Jurorin meint, also ein Heiliger (oder?), dann bekomme ich eher Schüttelfrost. Wenn sich ein so Heiliger mit dem Teufel einlässt (Musikbranche), dann ist da doch etwas faul.

Clay Aiken ein Idol? Wer so rein ist, der ist wahrscheinlich mit dem Schmutz noch nicht in Berührung gekommen. Nicht, dass er nicht die Schattenseiten dieses Lebens kennen gelernt hat. Aber hat er diese auch wirklich wahrgenommen? Ich will hier nicht den Stab über Herrn Aiken brechen. Dazu kenne ich ihn viel zu wenig (ich kenne ihn nicht). Es gibt aber einiges, was ihn mir und seine „Bewegung“ („kirchenähnlich“ schreibst Du – ähnlich wie eine Sekte?) suspekt erscheinen lässt.

Wahrscheinlich ist er aber nur ein „armer Teufel“, der es gut meint, der sich freut, Geld für seine Kinder zu sammeln und der keiner Fliege etwas zu Leide tun kann.

Gruß
Wilfried

02.04.2008

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

Inzwischen wünsche ich mir, ich hätte Euch den Namen Clay Aiken für alle Zeiten verheimlicht. Es scheint wie verhext, je mehr ich über ihn schreibe desto mehr Missverständnisse gibt es. Und die muss ich dann natürlich wieder aufklären. Hoffentlich bekomme ich das jetzt dieses Mal auf die Reihe…

Ich muss zugeben, lieber Wilfried, dass mich Deine Mail vom 02.04. ziemlich ratlos hinterlassen hat. Vieles von dem, was Du schreibst, verstehe ich nicht, es erscheint mir schwammig oder abstrakt, ich weiß einfach nicht wovon Du sprichst. Was sind z.B. „religiös-verbrämte Lebensansichten“, hat Mr. Aiken solche, und wenn ja, welche? Könntest Du ein Beispiel nennen? Was meinst Du mit „Sektierertum“, was sieht für Dich danach aus? Mit welchem „Schmutz“ ist er „noch nicht in Berührung gekommen“, welche „Schattenseiten“ hat er „nicht wirklich wahrgenommen“? Dann vergleichst Du die Musikbranche mit dem Teufel – geht das nicht doch ein bißchen weit? Nur deshalb weil Mr. Aiken gern ein bißchen singt und ein paar CDs verkauft hat, ist er doch nicht gleich mit dem Teufel im Bunde, oder? Das sind ja fast radikal-islamistische Ansichten… Manche Worte haben mich geradezu erschaudern lassen – da sprichst Du von seiner „Bewegung“, „kirchenähnlich?“, eine „Sekte“? Hilfe, was habe ich da nur angerichtet!?!

Also fangen wird noch mal von vorne an. Hier noch einmal das Video zu Somewhere Out There mit der Prophezeiung, in der die von uns noch nicht identifizierte Dame in der Jury Mr. Aiken als „mystery“ und „pure“ bezeichnet. Das englische Wort „pure“ hast Du gleich einmal mit „heilig“ übersetzt – ich glaube da schießt Du übers Ziel hinaus, ich würde da nicht soviel hineininterpretieren wollen. „Pure“ bedeutet für mich erst einmal „rein“, „klar“, „ohne überflüssiges Beiwerk“, „die Essenz von etwas“. Paula bezeichnet ihn zuvor in ihrem Kommentar als „natural“, und ich glaube da meint sie praktisch das Gleiche. Es ist dies vermutlich auch das erste Mal, dass im Zusammenhang mit Mr. Aiken der Begriff „sexy“ fällt. Und das ist genau der springende Punkt. Mystery – natural/pure – sexy – diese Worte gehören zusammen. Man könnte das auch so schreiben: mystery + pure = sexy, oder anders ausgedrückt: Jesus ist sexy. Es ist natürlich verständlich, dass Dir als Mann das entgangen ist, und es hat Dich wohl auf die völlig falsche Fährte gesetzt. Es geht hier nicht um eine „Sekte“, es geht um einen „Sexiest Singer“.

Die „Bewegung“ des Mr. Aiken hat mit Religiosität nichts zu tun. Ich weiß, ich habe Worte wie „kirchenähnlich?“ und „Jünger“ gebraucht – das war grob fahrlässig und ich bereue es zutiefst. Natürlich war das ironisch gemeint um eine entfernte Parallele zu Jesus herzustellen. Auch meine Erwähnung von „Aktionen“, zu denen er im Fernsehen aufruft, hat vielleicht einen falschen Eindruck erweckt. Soweit ich das bisher mitbekommen habe, handelte es sich dabei immer um Interviews im Rahmen seiner Tätigkeit als UNICEF-Botschafter, und in dieser Funktion ist das auch schlicht und einfach seine Aufgabe.

Tatsächlich sind seine „Claymates“ oder „Clay Nations“ einfach gut organisierte Fanclubs, und ihre Qualität beruht vor allem auf der Qualität der Fans. Wenn man bei seinen Auftritten in die Zuschauerräume sieht, dann sitzen da weit überwiegend Frauen, nicht wenige davon über vierzig, Teenager sind kaum dabei. Da Mr. Aiken von klein auf verlacht und verspottet wurde, abgelehnt und ausgegrenzt, es nun aber trotzdem zu sagenhaftem Ruhm, Erfolg und Beliebtheit gebracht hat, ist er natürlich eine Identifikationsfigur und strahlendes Leitbild für jeden, der sich nicht ernst genommen, ausgegrenzt oder unverstanden fühlt (auch das übrigens eine Parallele zu Jesus) – und das sind in unserer Gesellschaft nicht wenige. Dieses Publikum ist zuverlässig, diszipliniert, anhänglich und einsatzwillig.

Überhaupt war mein ganzer Vergleich mit Jesus viel profaner gemeint, als Du das offensichtlich aufgefasst hast. Auch Jesus war ein Lehrer und Entertainer. Er ist von Ort zu Ort gezogen und hat die Menschen unterhalten, so wie Mr. Aiken das heute auf seinen Konzerttourneen auch tut (vielleicht nicht ganz genauso, aber so ähnlich). Er hat Geschichten erzählt und mit den Menschen diskutiert, das war bestimmt eine unterhaltsame Abwechslung in Zeiten, als das Leben fast ausschließlich aus Arbeit bestand und es auf dem Lande weder Kino noch Disco gab. Und er hat Wunder vollbracht, so etwas hat einen unerhörten Unterhaltungswert.

Wunder vollbringt Mr. Aiken natürlich nicht. Aber er unterhält sein Publikum, und er unterhält sich mit seinem Publikum. Wenn man sich Videos von seinen Konzerten anschaut, gewinnt man den Eindruck, dass er mehr redet als er singt. Hier ein kurzes Beispiel dafür, wie christlich-besinnlich es auf seiner Weihnachtstournee zugeht, und dann noch der Lehrer-Entertainer in Aktion mit seiner Mega-Schulkasse – man merkt, das sind alles seine Kinder.

So ungefähr, stelle ich mir vor, muss das bei Jesus vor 2000 Jahren auch gewesen sein, abgesehen davon, dass er etwas tiefgründigere Dinge von sich gegeben hat. Aber zwischendurch hat er vielleicht auch einmal geblödelt. Man muss sein Publikum dort abholen, wo es steht, da kann man nicht ständig nur hochgeistig sein, sonst läuft es davon. Wenn man heutzutage eine Botschaft an den Mann (oder die Frau) bringen will, dann muss man sie schon ziemlich gut verpacken, sonst wird sie nicht geschluckt. Deshalb ist der moderne Jesus ein Verpackungskünstler. Er verpackt seine Botschaft so gut, dass man sie schon kaum noch bemerkt, sie besteht eigentlich nur noch aus seiner Person und ihrer Biographie und wird daher mehr durch die Medien transportiert als durch ihn selbst.

Was ist denn nun eigentlich der wesentliche Unterschied zwischen einem modernen Jesus und irgendeinem x-beliebigen (meist selbst ernannten) Propheten oder Erweckungsprediger? Der Erweckungsprediger erreicht nur die, die sowieso bereits „bekehrt“ sind, oder die bereit sind sich „bekehren“ zu lassen. Jesus erreicht alle und sammelt auch die noch ein, die gegen jegliche Art von Missionierung resistent sind und den bloßen Versuch bereits als Belästigung empfinden, die Kritischen, die Zweifler, diejenigen, die in allem und jedem sofort die Fehler, Mängel und Schwächen erkennen, diejeningen, die alles bereits wissen, und das besser, die immer recht haben und sich von niemandem etwas sagen lassen – also mich zum Beispiel. Er überzeugt nämlich vor allem dadurch, dass er nicht predigt. Und mit Religion hat das auch alles nichts zu tun.

Übrigens hat Mr. Aiken schon früh verkündet, wie er seinen Einfluss in der Öffentlichkeit zu nutzen gedenkt, lange bevor er irgendwelchen Einfluss hatte und als es noch in den Sternen stand, ob er jemals irgendwelchen Einfluss haben würde, nämlich bei einer seiner Auditions in Hollywood im Vorfeld von AI2. Als Randbemerkung zu diesem Video: Hier meint Mr. Aiken scherzhaft, er klänge als wäre er bei Miss America, ein Dreivierteljahr später war er tatsächlich bei Miss America. Ich finde solche „Zufälle“ faszinierend, besonders wenn sie sich häufen. Dir, lieber Wilfried, ist das suspekt?

Kommen wir von Jesus zum „armen Teufel“ – so hat Wilfried Mr. Aiken bezeichnet, und der Ausdruck passt meiner Meinung nach überhaupt nicht. Er klingt nach einem Opfer, nach jemandem, „mit dem man es machen kann“, und das ist Mr. Aiken bestimmt nicht. Schon für sein erstes Album nach AI mussten z.B. Songtexte eigens für ihn umgeschrieben werden, denn „er singt nicht von Sex, und er singt das sonst nicht“ (und seine Auslegung ist da ziemlich kleinlich). Das hätte nicht jeder in seiner Position gewagt, er war nicht der Gewinner der Show und hatte keinen Anspruch darauf, dass man überhaupt eine CD mit ihm produziert, er hatte Anspruch auf garnichts. Auch seine häufig wiederholte Aussage, über sein Aussehen würden Andere entscheiden, kaufe ich ihm schon lange nicht mehr ab – das hat vielleicht für seine Anfangszeit bei AI gegolten. Wenn er dann mal anfängt zu erzählen, merkt man schnell, dass das doch alles ein bißchen anders ist. Da wollte ER bei einem Überraschungs-Auftritt in American Idol 5 nicht genauso aussehen wie sein Double, das bei dieser Gelegenheit mit einem Scherz-Preis für die „Best Impersonation“ ausgezeichnet wurde. Also berief ER seine Stylisten ein, es wurde „verschiedenes ausprobiert“, bis der Herr mit seinem neuen Look zufrieden war. Es war dies sein erstes Erscheinen in der Öffentlichkeit mit langen dunklen Haaren.

Für sein letztes Album „A 1000 Different Ways“ hatte seine Plattenfirma zunächst lauter neue Songs schreiben lassen. „Aber dann kamen WIR zu dem Schluss, dass die meisten der neuen Songs von der Qualität her mit den Klassikern nicht mithalten konnten.“ Ich glaube eher, dass ER zu diesem Schluss gekommen ist, seine Produzenten legen ihm doch nicht Songs vor und bemerken dann erst, dass sie nicht gut genug für ihn sind. Es wurden dann überwiegend Covers von Klassikern aufgenommen (vermutlich nach Auswahl von Mr. Aiken). Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass er es letztlich immer schafft, dass alle das machen, was er will, nur stellt er das so geschickt an, dass es kaum auffällt. Ein „armer Teufel“ sieht jedenfalls anders aus.

Was fasziniert mich nun also an Mr. Aiken? Du meinst es wäre das Gleiche, das Dich abstösst. Das kann ich nicht beurteilen, zumal ich nicht behaupten wollte, dass ich schon restlos verstanden hätte, was mich an ihm fasziniert. Zunächst einmal bin ich natürlich an ihm hängengeblieben, weil ich einige Ähnlichkeiten mit mir selbst entdecken konnte. Da Ihr mich bereits bestens kennt, könnt Ihr Euch vielleicht denken, was das ist (und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm). Dann bewundert man üblicherweise Menschen, die Eigenschaften oder Fähigkeiten besitzen, die man an sich selbst vermisst. Ich persönlich bin z.B. obercool, wie Euch sicher schon aufgefallen ist, und das hauptsächlich deshalb, weil ich viel zu feige bin zu riskieren eine Angriffsfläche zu bieten. Menschen, die das nicht nötig haben, imponieren mir irgendwie.

Darüber hinaus bin ich auch noch Analytiker, und ich bin erst zufrieden, wenn ich alles bis ins Detail zerlegt und verstanden habe. Mit Mr. Aiken ist mir das bislang noch nicht gelungen. Insbesondere irritiert mich seine chamäleonartige Wandlungsfähigkeit, und das nicht nur äußerlich. Oder bilde ich mir das nur ein? Wenn ich mich mal an jemanden gewöhnt habe, dann möchte ich mich gerne jedesmal, wenn ich ihn sehe, in ihm wiederfinden. Ihr erinnert Euch sicher noch an John Fogerty und das karierte Hemd… Da ist Mr. Aiken eine echte Herausforderung. Das eine Mal denke ich, den kenne ich, beim nächsten Video frage ich mich „Wer ist denn das nun schon wieder?“. Das macht mich ganz kirre! Soweit zu meiner nicht immer restlos ungetrübten Beziehung zu Mr. Aiken.

Zusammenfassend könnte ich vielleicht sagen: Mir scheint Mr. Aiken ein Mensch zu sein, der sehr genau weiß, was er will. Das bin ich im Prinzip auch. Nur bin ich nicht sehr geschickt darin, es auch zu bekommen. Er scheint da wesentlich erfolgreicher zu sein als ich. Und ich wüßte gern, wie er das macht.

Nun doch noch einmal zu DSDS und AI. Von Wilfried stammt folgendes Zitat: „Hier versucht die Musikindustrie billig an Talente zu kommen, schlachtet die dann aus – und lässt sie schnell wieder fallen, wenn ein Talent wie eine Zitrone ausgepresst ist.“ Zu DSDS kann und möchte ich in dieser Beziehung eigentlich nichts sagen – ich habe mich nicht näher damit beschäftigt und möchte das auch nicht, es ist zu deprimierend. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Deutschland in der derzeitigen Musiklandschaft eine Sonderstellung einnimmt, wir sind durch einflussreiche Musikproduzenten auf qualitativ unterstem Niveau zur musikalischen Bananenrepublik verkommen. Talente mit Persönlichkeit und Niveau haben zurzeit in Deutschland keine Chance. Der deutsche Markt saugt Musik aus dem Ausland an wie ein Vakuum. Dazu vielleicht ein andermal ein paar Beispiele.

Was z.B. American Idol und die amerikanische Musikindustrie betrifft, habe ich inzwschen in mancher Hinsicht meine früheren Ansichten revidiert. Wenn man 100.000 Bewerber durchsieben muss, um letztlich ein oder zwei Talente zu finden, mit denen man Geld verdienen kann, dann ist dieser Aufwand immens, da kann man nicht mehr von „billig“ sprechen. Da ist es bestimmt billiger im Plattenstudio zu sitzen und darauf zu warten, dass junge Musiker ihre auf eigene Kosten erstellten Demo-Aufnahmen einreichen.

Und es ist ja auch nicht so, dass man einfach die Leute von der Strasse holt und auf die Bühne stellt. AI ist spätestens ab der Runde der letzten 12 ein 7-Tage-die-Woche-10-Stunden-am-Tag Crash-Kurs in Showbiz. Die Kandidaten bekommen Stimmtrainer und Gesangslehrer zur Seite, die Performance wird geübt. Jede AI-Show steht unter einem anderen Motto, bei der „Movie Night“ muss z.B. jeder eine Filmmusik singen, worum es bei „Country Night“, Rock Night“, „Musical Night“ etc. geht, könnt Ihr Euch sicher denken – die Bewerber werden durch alle Stilrichtungen der Musik gejagt. Jede Woche wird ein anderer Star aus der entsprechenden Musikrichtung eingeladen um die Kandidaten zu coachen und ihnen Tipps für den Auftritt zu geben. Für die „Bon Jovi Night“ ist das natürlich kein anderer als Jon Bon Jovi selbst, und der macht das sicher auch nicht für umsonst. Hier ein Beispiel dafür, wie man dabei aus einem schüchternen kleinen Mäuschen eine neue Tina Tuner macht. Melinda wurde übrigens in diesem Wettbewerb die Dritte und hat jetzt auch einen Plattenvertrag. Zu ihrer Audition kam sie noch zitternd herein.

Ich will jetzt nicht diese American Idol Show glorifizieren. Sie produziert eine völlig andere Art von Musikern, als wir das aus der guten alten Zeit mit „handgemachten“ Bands wie Jethro Tull gewöhnt sind. Es sind fast ausschließlich reine Interpreten, es ist ein Wettbewerb für Pop-Sänger, nicht für Rock-Bands, und nur gelegentlich ist mal ein Musiker dabei, der auch ein Instrument spielt oder selbst Songs schreibt. Taylor Hicks war einer von dieser Sorte, er hat AI 2005 gewonnen, mich aber weder durch seinen Gesang noch durch seine Songs vom Hocker gerissen. (Übrigens: In den letzten Runden, wenn die Kandidaten mehr als einen Song pro Abend darzubieten haben, ist auch Gelegenheit dafür die eigenen Kompositionen vorzutragen – Mr. Hicks hat das getan.) Was ich eigentlich sagen will – hier wird keine neue Musik geschaffen, aber diese Show ist trotzdem ein Fortschritt gegenüber der Zeit, als ausschließlich Musikproduzenten darüber entschieden haben, wer vor ein Mikrophon darf, denn jetzt haben auch Talente eine Chance, die sonst nie das Licht eines Fernsehscheinwerfers erblickt hätte. Norwegen hat einen neuen Nationalhelden, Amerika hat einen neuen Jesus – das ist doch was. (Und was haben wir? Dieter Bohlen – es ist zum Ko…!)

Zu Wilfried’s Problem mit den Song-Lizensen – ich glaube, da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Wie wir schon gesehen haben – zur „Bon Jovi Night“ betätigt sich Mr. Bon Jovi selbst als Coach, bei der „Neil Sedaka Night“ (Solitaire) sitzt Mr. Sedaka mit in der Jury, bei der „Bee Gees Night“ (To Love Somebody) ist es Robin Gibb. Da werden die Herren bestimmt ihr Scherflein abbekommen. Das kann heutzutage niemand machen, dass im Fernsehen vor Millionen von Zuschauern Songs dargeboten werden, und die Rechteinhaber bekommen kein Geld – das würde Klagen hageln. Für die paar gekrächzten Takte, die die „skurrilen Nichtskönner“ bei den Castings vortragen, wird es allerdings wohl kaum was geben, lieber Wilfried. Das wirst Du aber auch nicht ernsthaft erwartet haben – oder?

Soweit ausführlich dazu, wie die heutige Musikindustrie „billig“ an Talente kommt. Beschäftigen wir uns nun noch kurz mit dem „Ausschlachten“, „Auspressen“ und „Fallenlassen“. Das ist sicher alles schon vorgekommen, aber ich würde bezweifeln, dass es die Regel ist. Die Musikproduzenten haben kein Interesse daran ihre Stars zu verheizen, sie haben Geld in sie investiert und möchten möglichst lange an ihnen verdienen. Natürlich werden sie einen Musiker fallenlassen, wenn er beim Publikum nicht (mehr) ankommt, sie sind keine Wohltätigkeitsunternehmen. Aber das „Ausschlachten“ besorgen Andere – die Medien. Auf der ständigen Suche nach Schlagzeilen und Stories durchwühlt die Boulevard-Presse das Privatleben der Stars (das betrifft natürlich nicht nur die Musiker sondern genauso auch Schauspieler) bis sie eigentlich kein Privatleben mehr haben – es wird öffentlich – und jede kleine Ungeschicklichkeit oder Peinlichkeit wird aufgegriffen, aufgebauscht und breitgewalzt.

Zu diesem Thema vielleicht eine harmlose kleine Episode aus dem Leben des Mr. Aiken. In oben verlinktem Video sagt er zu der Dame, der er gerade das Fernglas abgenommen hat: „You’re close enough to smell the … I ate earlier.“ (leider verstehe ich nicht, was er da gegessen hat). Das ist bestimmt eine Anspielung darauf, dass sich wenige Wochen zuvor irgendjemand öffentlich darüber beschwert hatte, dass er bei irgend einer Gelegenheit nach irgendetwas gestunken hätte (vermutlich gerade dieses von mir nicht identifizierbare Lebensmittel oder Gericht). Es gab tatsächlich eine Schlagzeile nach dem Motto „X sagt: Clay Aiken stinkt!“. Das ist so doof, dass es eigentlich jeder Beschreibung spottet, aber das Thema beschäftigte Presse und Fernsehen auf sämtlichen Kanälen. Nach so einem „Skandal“ kann er sicher davon ausgehen, dass er in den nächsten 10 Interviews gefragt wird, ob er wirklich gestunken hat, nach was er gestunken hat und warum er gestunken hat usw.. Das nur als Beispiel dafür, auf welchem Niveau da geschossen wird.

Früher oder später wird jeder, der einem solchen Leben ausgesetzt ist, zum Nervenbündel. Dadurch macht er nur noch mehr Fehler und die „Skandale“ häufen sich. Nach und nach wird das Ansehen dieser Person in der Öffentlichkeit demontiert – wer möchte schon eine CD kaufen von jemandem, der stinkt? Und so geht es mit der Karriere darnieder, wenn der Betreffende nicht schon vorzeitig wegen Nervenzusammenbruch, Alkohol- oder Drogenkonsum ausscheidet. Das liegt aber nicht an der Musikbranche.

Du meine Güte, jetzt bin ich schon wieder ausgeufert. Und dabei habe ich noch nicht einmal auf Wilfried’s neue Themen reagiert oder auf Lockwoods Vorstellung von Tom Waits. Das wird jetzt wohl erst noch warten müssen…

Seid ganz lieb gegrüßt bis demnächst
Kretakatze

PS.:So, lieber Wilfried, nun habe ich Deine letzte Mail wieder einmal restlos zerpflückt und in den Boden gestampft, ich hoffe Du bist nicht allzu deprimiert. Deshalb zum Schluss nun noch ein Video, das Dich hoffentlich wieder aufbaut. Es beweist, dass Du zumindest in einem Punkt absolut recht hast: Mr. Aiken ist sehr amerikanisch (wenn ich auch noch nicht so ganz verstanden habe, was Du damit eigentlich meinst).

07.04.2008

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

in Euren letzten mails tauchen häufiger die Begriffe Jesus, Hölle, heilig auf. Ich denke, hier erhebt Ihr die Musikindustrie und ihre Protagonisten auf ein Level, das ihnen eine Nummer zu groß ist.

Auch wenn Mr. Aiken eine charismatische Ausstrahlung besitzt und durch seine Wohltätigkeiten ein gottgefälliges Leben führt, so kann ich doch nichts Messianisches an ihm entdecken. Darüber hinaus erscheint sich sein Sendungsbewusstsein auf die Staaten zu reduzieren; ohne Eure Beiträge hätte ich noch von ihm gehört.

Auch der Begriff Hölle für die Widrigkeiten des Showbiz scheint mir etwas übertrieben. Wir wissen alle, dass es im modernen Arbeitsleben nicht immer leicht ist, im Schweiße seines Angesichtes sein Brot zu verdienen. Das gilt nicht nur für die Musikbranche. Ein Superstar ist in meinen Augen ebenso ein Werktätiger wie ein Bäcker oder Buchhalter. Alle stellen ihre Fähigkeiten zur Verfügung und werden dafür entlohnt.

Weit mehr kann ich mich mit Kretakatzes Ausführungen über die Wandlungsfähigkeit einiger Künstler identifizieren. Jaaa, das Karohemd von Mr. Fogerty steht für einen hohen Wiedererkennungswert, ebenso die Bärte von ZZ Top, der Pferdeschwanz von Status Quo oder die blonde Mähne von Led Zeppelin. Da weiß man, woran man ist.

Mit einem wandlungsfähigen Künstler habe ich auch so meine Probleme. Im Zusammenhang mit Ian Anderson habe ich darüber schon geschrieben. Die Grenzen zwischen künstlerischem Fortschritt und wirtschaftlichem Opportunismus sind in vielen Fällen verwischt. Ich fordere nicht, dass ein füllig gewordener Künstler in seinen 50ern die gleichen engen Klamotten trägt wie in Zeiten seiner schlanken Jugend. Aber die abrupten Stilwechsel eines Mr. Anderson haben mir schon zu schaffen gemacht. Genau wie Kretakatze bei Mr. Aiken habe ich mich gefragt, wer das denn jetzt sei. Möglicherweise gefällt einigen Fans die Vielseitigkeit ihres Künstlers; mehr fehlt dazu die geistige Flexibilität.

Das war es auch schon von meiner Seite für heute.
Lasst es Euch gut gehen.
Lockwood

08.04.2007

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Hallo Ihr Lieben,

es ist schon erstaunlich, wie viel Kretakatze immer wieder zu schreiben weiß. Nicht das ich denke, Du, Kretakatze, hättest nichts Besseres zu tun. Aber es erstaunt schon, wie sehr Du Dich z.B. an diesen Clay Aiken ‚hängst’. So ausführlich werde ich Dir, zumindest in dieser Sache, natürlich nicht antworten wollen.

Also zunächst zu Deinem Vorwurf, ich äußere ‚fast’ radikal-islamische Anschichten! Wieso ‚fast’, es sind radikal-islamische Ansichten. Zumindest verstehe ich immer besser, wenn islamische Radikale nicht gut auf Amerika zu sprechen sind. Aber im Ernst:

Ich möchte nicht so sehr auf den Herrn Aiken eingehen, sondern mich eher zu der Frage äußern, was ich als typisch amerikanisch ansehe. Und ich möchte nur ein Detail aufgreifen, denn sonst wird das hier einfach zu lang.

Etwa wie Israel sehen viele Amerikaner ihr Land als das ‚gelobte Land’ an. Gott ist besonders ihrem Land wohlgesonnen. Das ist der reinste Calvinismus, nachdem nur bestimmte Menschen (hier ‚fast’ ein ganzes Land) dazu prädestiniert sind, den Weg zur Seligkeit zu gehen. Der Rest (wir Europäer eingeschlossen) kommt in die Hölle. Da kann er machen, was er will.

Natürlich hat das Ganze öfter einen Knacks bekommen; z.B. als Kennedy ermordet wurde, war das für viele Amerikaner geradezu unfassbar. Unfassbar allein deshalb, weil Gott den Amerikanern doch so etwas nicht antun kann. Und ähnlich ist es jetzt mit dem weltweiten Terror, dessen Hauptziel Amerika ist. Allein der Begriff „Achse des Bösen“ zeigt für mich die religiöse „Verbrämtheit“ auf, die das Ganze gewonnen hat.

Und so ist nach meiner Sicht vieles in Amerika religiös verbrämt (bemäntelt, ‚verziert’, ausgeschmückt). Ist Gott mit dir, dann wird sich das auch in deiner steilen beruflichen bzw. geschäftlichen Karriere zeigen. Daraus lässt sich eine Selbstherrlichkeit vieler Amerikaner ableiten, die sicherlich nicht nur mich abstößt.

Ein Aspekt nur, aber ein wesentlicher. Natürlich kann das nicht für alle Amerikaner gelten. Aber es ist eine ‚Grundhaltung’, die durch viele Alltäglichkeiten fundamentalisiert wird (z.B. das ständige Bekenntnis zur Nation schon in der Schule hat diesen halbreligiösen Charakter und ‚schult’ dieses Gefühl, zu etwas ‚Großem’ zu gehören).

Wenn Du, Kretakatze, Deinen Vergleich Clay A. mit Jesus C. auch „viel profaner gemeint hast“, so denke ich doch, dass einige Amerikaner (wahrscheinlich eher unbewusst) das Auftreten des Clay A. in einem religiösen Sinne ‚begreifen’. Und: Ich weiß, ich bin manchmal sehr abstrakt. Aber wie soll ich das in wenigen Worten sagen. Genug.

Noch einen Satz (oder zwei) zu dem Vergleich Musikbranche und Teufel. Natürlich meine ich das nicht wortwörtlich, eher auch im Sinne von profan, materialistisch ausgerichtet (Geld und noch einmal Geld): Ein profaner Jesus gerät in profane Versuchung (Plattenvertrag) durch den profanen Teufel (Musikindustrie).

Natürlich hat Kretakatze Recht: Das Aussieben von ein, zwei Talenten aus einer Masse von 100.000 Kandidaten ist immens aufwändig. Anderseits ist die entsprechende Präsentation im Fernsehen sehr publikumswirksam. American Idol, Pop Idol, DSDS und wie diese Sendungen noch heißen werden von einer breiten Öffentlichkeit angeschaut (auch wenn viele das nicht zugeben). Selbst Lockwood wirft öfter einen Blick hinein. Das Ausschlachten der wenigen Talente ist dann nur noch ein ‚Abfallprodukt’, dem sich die Musikindustrie dann aber um so lieber widmet. Das Ganze (TV-Show und Musikproduktion) stellt einen großen Markt da. Wäre das nicht so gewinnbringend, würden sowohl TV-Sender als auch Musikindustrie schnell ihre Finger davon lassen. Überhaupt TV- und Musikbranche – sind diese beiden in den USA nicht besonders eng verwoben (und die Filmindustrie kommt da auch noch hinzu)?

Kretakatze sieht hier eine unaufhaltsame Tendenz zu Einzelkünstlern. Diese Tendenz wird aus meiner Sicht von der Musikbranche beeinflusst, ja ich behaupte: gesteuert (eben durch solche Sendungen). Musikgruppen, eben Bands, müssen zusehen, wo sie bleiben. Denen bleiben meist nur noch ‚unabhängige’ Labels oder (zunehmend) der Eigenvertrieb. Eine Ausnahme davon bilden vielleicht die „etablierten“ Bands, also die mit großen Namen. Ein Grund mehr für mich, Sony & Co. nur der Geldschneiderei zu bezichtigen.

Und es gibt noch einen Trend: Vieles wird zum x-ten Mal wiedergekäut und bis zum letzten Exzess ausgeschlachtet. Single-Auskopplungen gab es schon immer. Aber heute sind viele Alben nur noch Vorab-Samplers von Single-Scheiben ohne Ende. Dann die x-te Version eines Liedes (Langfassung, Single-Fasssung, Disco- und sonst wie-Fassung). Alles muss sich mehrfach verwerten lassen. Die Filmindustrie ist hier vielleicht noch etwas erfolgreicher: Nach dem Kinofilm kommt die DVD, dann verdient man mit TV-Rechten (und zunehmend mit Rechten für Online-Film-Dienste), und bei besonders erfolgreichen Filmen kommt dann später noch der Director’s Cut als Doppel- und Dreifach-DVD auf den Markt. Und wenn sich die Technik wandelt, dann kommt ein solcher Film auch noch auf den neuen Medien (z.B. Blu-Ray) heraus. Da will und kann sich die Musikindustrie nicht hintanstellen: alles noch einmal in Super-Technik als Musik-DVD (5.1 Dolby Digital oder Surround DTS). So viele Ohren hat man nicht, um zu hören.

Da z.B. Sony nicht nur die Software liefert (sprich: Musik) sondern auch die Hardware (Player aller Art), ist der Verdienst ein doppelter. Früher wurden Plattenfirmen von Idealisten gegründet und geleitet. Heute sind das bei den großen Firmen nur noch Kaufleute. So rückte auch zunehmend der Geschmack der breiten Massen in den Vordergrund. Und wenn diese keinen Geschmack haben, dann wird denen schon etwas schmackhaft gemacht.

Auch wenn wir hier vom Thema Ian Anderson und Jethro Tull weit entfernt sind (so weit nun auch wieder nicht – auch Herr Anderson hat neben seinem Musikschaffen regen Geschäftssinn bewiesen – und um Musik geht es letztendlich ja auch immer noch), so lautet die Beschreibung zur Rubrik „Was ist bloß mit Ian los?“ immerhin doch „Jethro Tull & vieles mehr“ (siehe Quickinfo – mit der Maus auf den Rubrikentitel zeigen).

Damit wir für heute den Faden zu Jethro Tull nicht völlig verlieren, hier einige Infos, die ich beim Surfen im weltweiten Netz aufgegabelt habe. Entgegen der Meinung, das Thema Jethro Tull wäre erschöpft, denke ich nach wie vor, dass sich immer noch etwas finden lässt, was lohnenswert ist, hier angemerkt zu werden.

Was mich immer schon interessierte ist, welche „Schnittstellen“ es zu anderen Gruppen gab und gibt. Zum einen kommen solche Schnittstellen dadurch zu Stande, dass Gruppenmitglieder ausgetauscht wurden. Die bringen gewissermaßen eine Vorgeschichte mit. Dazu gibt es z.B. einen Stammbaum (Family Tree) bei collecting-tull.com. Und bereits im Beitrag Was ist bloß mit Ian los? Teil 29: Sexy Ian schreibt Noten verwies ich auf die interessante Website bandtoband.com, die die Verzweigungen der Bands untereinander anschaulich darstellt. Ich habe außerdem ein großformatiges Buch zu Hause: Pete Frame ’s Rock Family Tree aus dem Jahre 1979 (also schon bisschen alt, es gibt aber wohl auch neuere Auflagen), da ist in grafischer Übersicht der Stammbaum z.B. von Fleetwood Mac, Fairport Convention (u.a. durch Dave Pegg zu einer JT-Schnittstelle geworden) und Eric Clapton zu finden. Jethro Tull selbst findet sich da noch nicht. Ich habe aber einen entsprechenden Stammbaum irgendwo im Internet gesehen (nur wo?). Soviel zu Vorgeschichte:

Ian Anderson hatte öfter Frank Zappa als einen der Musiker erwähnt, die er mag. Oft weiß man zwar nicht, ob der Meister das wirklich ernst meint. Ich glaube aber: ja. Und zwischen Jethro Tull und Zappa gibt es bekanntlich das Bindeglied Eddie Jobson, wie ebenso in einem früheren Beitrag in diesem Blog festgestellt wurde (Was ist bloß mit Ian los? Teil 39: Widmungen und mehr). Das bestätigt natürlich nicht unbedingt die Aussage von Herrn Anderson (Jobson war ja nicht der typische Tull-Musiker). Vor einiger Zeit las ich aber, dass Ian Anderson in den 70-er Jahren ein Plattenprojekt einer Gruppe aus dem Umfeld von Captain Beefheart finanziell unterstützt hätte. Captain Beefheart steht ähnlich wie Zappa für avantgardistische Musik und beide haben auch öfter gemeinsam musiziert. Ich habe also nachgeforscht, weil mir das doch sehr kurios vorkam. Und tatsächlich. Im April 1972 tourte Jethro Tull durch die USA, abwechselnd mit der Gruppe Wild Turkey (mit Ex-Tull Bassist Glenn Cornick) und Captain Beefheart als Vorgruppe. Am Rande: u.a. wurde „Thick as a Brick“ dabei mehrmals vollständig aufgeführt. Hier lernte Anderson also Don Van Vliet und seine Jungs kennen.

Als Begleitband von Captain Beefheart spielten u.a. Bill Harkleroad (Zoot Horn Rollo) und Mark Boston (Rockette Morton) von 1968 bis 1974 in der so genannten Magic Band. 1974 kamen die beiden mit dem Schlagzeuger Artie Tripp III (Ed Marimba) nach England, um dort als MALLARD ein Album aufzunehmen. Die Gruppe nahm dann 1975 und 1976 insgesamt zwei LPs auf. Und die erste hat tatsächlich Ian Anderson finanziert. Angeblich soll Anderson den Jungs auch einen Song geschrieben haben. Was daraus wurde, ist aber wohl nicht ganz klar (immerhin soll das Lied aufgenommen worden sein und das Band sich dazu im Besitz von Bill Harkleroad befinden). Nachzulesen ist alles in einem Interview mit Bill Harkleroad (Zoot Horn Rollo); u.a. steht dort:

didn’t ian anderson initially back the mallard project?

totally. he set up a situation where we got signed to virgin records. through being the opening act and making the connection early on, he got hold of bill shumow, our manager at the time, and said: ‚hey, where are these guys and what are they doin‘?‘ he got us into the studio and wrote a song for us. a bizarre song. i’ve got the tape of it (laughs). real ian anderson-sounding! anyway, he says: ‚hey, here you go. i’ll give you the money. here’s a tune.‘

so ian anderson wrote a song for mallard?

one song. it never showed up anywhere. he was in town and the way i thought of it is: here’s this guy who works twenty hours a day and needs to be busy [laughs]. he had a day off, so he wrote us a song. anyway, he was very nice and i appreciated what he did. we went to england and recorded the first album in his studio with his engineer.

Ian Anderson also als Sponsor. Man glaubt es kaum. Die CD ist sogar käuflich zu erwerben: Mallard – in a Different Climate.

Noch einige Worte zum Thema „Wandlungsfähigkeit und Wiedererkennungswert“. Letzteres hat sicherlich auch etwas mit dem Erfolg eines Musikers bzw. eine Band zu tun. Trotz der vielen Verwandlungen (optisch wie musikalisch) hat auch Ian Anderson einen hohen Wiedererkennungswert: Klar, durch sein Flötenspiel auf einem Bein. Kein Wunder also, wenn er dann mit Bezeichnungen wie Hans Huckebein, der Bluesrabe oder Der Rattenfänger der Rockmusik benannt wird. Wer selbst die Namen Anderson oder Jethro Tull und deren Musik nicht kennt (oder nur am Rande), wird zumindest wissen, wo er den Mann mit Flöte auf einem Bein unterzubringen hat. Da spielt es keine Rolle, in welcher Kostümierung er sich zeigt.

Komme ich zum Schluss für heute: In einem anderen Zusammenhang bin ich auf die Frage (besser: Antwort) gestoßen, welchen Hintergrund das Plattencover zu “War Child” bildet. Hinter Ian Anderson im „Minstrel“-Outfit ist die Skyline einer Großstadt zu sehen. Die Frage lautet, ist klar, um welche Stadt es sich dabei handelt. Mit dieser Frage verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch nicht zu stressige Arbeitstage.

Cheerio und Tschüss
Euer Willi

09.04.2008

English Translation for Ian Anderson

Ian und die (Musik-)Welt

Hallo, liebe Besucher dieses Weblogs,

wer von Euch die Rubrik „Was ist bloß mit Ian los?“ vermissen sollte, keine Angst, diese gibt es immer noch, wenn auch unter einem neuen Namen: „Ian und die (Musik-)Welt“. Da sich das Thema Ian Anderson und Jethro Tull mit der Zeit doch ziemlich erschöpft hat und sich – wie von Euch sicherlich nachzulesen war – die genannte Rubrik „thematisch erweitert“ hat (schön gesagt, gelt?), sollte sich auch der Titel den neuen Gegebenheiten anpassen und nicht umgekehrt, oder?

Ian Anderson (Jethro Tull)

Nein, wirklich! IAN lupft gelegentlich noch den Kopf. So ganz ohne ihn soll es auch weiterhin nicht gehen. Aber die Welt der Musik ist weit und die Welt insgesamt sowieso. Bei „Ian und die (Musik-)Welt“ geht es also wie gewohnt weiter. Kretakatze bleibt unerschöpflich, Lockwood und ich meist knorrig – und für ‚Nachwuchs’ scheint auch gesorgt (Alex, wir begrüßen Dich!)

In diesem Sinne (welchem?)
Auf ein Neues (was?)

Wilfried (auch im Namen von Kretakatze & Lockwood)

Was ist bloß mit Ian los? Teil 94: Superstars & Idole Teil 2

Hi, Kretakatze & Lockwood – und allen Besuchern ein fröhliches Hi-ho,

Lockwood lebt noch, wie schön – und willkommen zurück im Club.

Heute möchte ich zwei Fäden vom letzten Mal wieder aufnehmen und miteinander verknüpfen. Zunächst der 1. Faden: Lockwood beschrieb die Endkandidaten aus DSDS der aktuellen Staffel als kompatibel, wohl im Sinne von austauschbar. Dagegen wären Musiker z.B. wie Tom Waits „Typen“, die sicherlich nirgends einen Schönheitspreis gewinnen werden (so übel sah er früher aber gar nicht aus), auch für ihren Gesang nicht, die aber durch ihre Musik als solches zu überzeugen wissen. Ich denke, Lockwood trifft hier den Nagel auf dem Kopf. Selbst der schönste Singsang sagt mir nur wenig zu, wenn so etwas wie Authentizität fehlt. Waits singt Waits, Ian Anderson singt Ian Anderson. Ein Clay Aiken singt in erster Linie nur ein Lied eines anderen. Natürlich gibt es Sängerinnen und Sänger, die vornehmlich Lieder anderer Interpreten vortragen (z.B. Joe Cocker, auf den ich noch kurz zu sprechen kommen werde) und dabei doch ganz „typisch“, echt, also authentisch sind. Diesen Grad hat Clay Aiken für mich nicht erreicht (und wird ihn wahrscheinlich auch nie erreichen).

So nebenbei: Als Nachtrag hier die von Lockwood angesprochenen Versionen des Tom Waits’ Liedes „Jersey Girl“:


Bruce Springsteen Jersey Girl


Tom Waits – Jersey Girl

Das bringt mich zu einem schon früher diskutierten Thema zurück: Coverversionen. Ian Anderson und seine Mannen haben selbst schon gecovert und wurden es. Hier eine längst nicht vollständige Liste der Stücke.

Tom Waits selbst hat ebenfalls Lieder anderer Autoren gecovert – und ist selbst reichlich gecovert worden (nicht nur vom „Boss“ Bruce Springsteen): auch hier eine Liste der Stücke. Und neulich las ich, dass selbst die Schauspielerin Scarlett Johansson (u.a. bekannt aus „Lost in Translation“) ein ganzes Album mit Waits-Liedern auf den Markt bringen will. Interessant vielleicht in diesem Zusammenhang die „Kontroverse“ Rod Stewart vs. Tom Waits.

Meist sind die Originale besser als die nachgespielten bzw. nachgesungenen Lieder. Aber einige Stücke haben dem Original den Rang abgelaufen, haben nicht nur höhere Verkaufszahlen erzielt, sondern das Original ‚förmlich’ in den Schatten gestellt. Mir fällt da z.B. „Black Magic Woman“ von Santana ein, ein Lied aus der Feder von Peter Green, der das Lied damals mit Fleetwood Mac veröffentlichte. Und ich denke da an Richie Havens, wenn einer von Euch den kennt, der besonders durch Versionen von Beatles-Liedern bekannt wurde (Joe Cockers Version von With a Little Help From My Friends werdet Ihr aber kennen). Die gecoverten Versionen waren wohl deshalb „besser“ (wenn man das so überhaupt sagen kann), weil diese die Authentizität haben, von der ich eben sprach.

Nun, was ist mit dem 2. Fädchen? Bei dem ganzen „DSDS“-, „Amercan Idol“-, „Pop Idol“- und sonstigen Kram wird doch auch nur gecovert. Ich kenne mich zwar mit diesen Sendungen nicht aus, aber ich denke, dass es geradezu nicht erwünscht ist, mit eigenen Stücken dort aufzutreten, oder? Also werden Lieder aus der großen Grabbelkiste hervorgeholt. So fällt es dem Zuschauern in der Regel leicht, sein Votum abzugeben, da die vorgetragenen Lieder oft bekannt sind oder zumindest einen entsprechenden Wiedererkennungswert besitzen. Nun habe ich die beiden Fäden am Wickel und knüpfe daraus einen Galgenstrick, denn ich komme zu einem meiner Lieblingsthemen in diesem Zusammenhang: Urheberrechte! Denn wie sieht es mit den Urheberrechten der Autoren dieser Lieder aus? Bekommen die einen müden Euro (Pfund, US-Dollar) dafür, dass ihre Lieder u.a. von skurrilen Nichtskönnern dargeboten werden, wie Kretakatze sagt? Oder geht alles „aufs Haus“, d.h. Sony & Co. schauen zu und lassen hier einmal Urheberrechte Urheberrechte sein.

Wenn ich richtig informiert bin, so haben ja auch nicht die Künstler, die eigentlichen Urheber, die Urheberrechte, sondern treten diese gezwungenermaßen an die Firmen ab (in Form von Nutzungsrechten in Deutschland, da Urheberrechte bei uns nicht übertragbar sind). Dafür bekommen sie dann 9,009 % des Verkauferlöses (wenn ich mich nicht täusche). Also von einer CD für 12,99 € sind das dann 1,17 €. Kein Wunder also, wenn manche Künstler den Vertrieb ihrer Musik selbst in die Hand nehmen wollen (wofür sich das Internet natürlich bestens eignet). Ansonsten dürfen sich auch Nichtskönner an geborgtem Liedergut vergehen, ohne dafür Gebühren zu zahlen (wie gesagt: es geht „aufs Haus“!).

Und damit ich noch mehr vom Kurs abkomme, an dieser Stelle einen kleinen Exkurs: Was die GEMA in etwa ist, solltet Ihr wissen. Die kassiert im Namen der bei ihr vertretenen Künstler für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte; u.a. gehen mehrere Cent pro CD/DVD-Rohling an die GEMA. Und so kassiert die GEMA auch, wenn z.B. die evangelische Kirche bei uns so genannte Bandabende veranstaltet. Und zwar nicht gerade wenig (etwa 200 €). Kassiert wird auch dann, wenn die Bands, die übrigens kostenlos auftreten, keine Titel covern, sondern nur Eigenkompositionen vortragen. Ich nenne so etwas hanebüchen.

Ich gerate in Schlingern. Komme ich so noch einmal kurz auf Tom Waits zurück: So singt Wolfgang Ambros auf seinem Album „Nach mir die Sintflut“ wienerische Versionen von Tom-Waits-Songs, u.a. wird aus Tom Waits‘ „In the Neighborhood“ „Durt bin i daham“. Klingt durchaus interessant.

„In the Neighborhood“ würde ich übrigens zu meinen Lieblingsliedern zählen. Es ist schlicht und trotzdem durch die Bläser sehr schön arrangiert. So komme ich auch gleich zum nächsten Thema des Abends (bei Kretakatze müsste es wohl „des Morgens“ heißen): Lieblingslieder. Es ist gar nicht so einfach, aus der langen Liste der Lieder, die man im Laufe seines Lebens vernommen hat, die Lieder herauszusuchen, die man – immer wieder – am liebsten hört. Einige kann ich natürlich gleich auf Anhieb nennen. Und von Herrn Anderson und seiner Combo ist natürlich auch eines dabei. Aber da fängt das Problem schon an, denn es sollte immer nur ein Lied sein – pro Gruppe bzw. Interpret. Und was sollte da das mir liebste Stück von Jethro Tull sein? Welche Lieder sind denn Eure Lieblinge? Nur frei heraus damit und ohne falsche Scham.

Mit dieser kleinen Hausaufgabe entlasse ich Euch heute. Wir bleiben am Ball bzw. an der Tastatur und hören voneinander.

Bis dahin
Euer Wilfried

01.04.2008

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Kretakatzes Beitrag hat sich mit dem meinen überschnitten. Von daher schreiben wir etwas aneinander vorbei.

Wilfried

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Hallo Ihr Lieben,

„Wellcome Back“ Lockwood – da hattest Du ja wohl in letzter Zeit einigen Stress an der Backe. Auch von mir noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Hauptsache, Du hast alles gut überstanden.

Lieber Wilfried, es tut mir leid, wenn ich Dich mit meinem „American Idol“-Kram auf’s Glatteis geführt habe, wie Du schreibst. Das war nicht meine Absicht. Deine Reaktion klang ein wenig gereizt. (Immerhin hat es Mr. Aiken damit wohl geschafft wieder etwas Feuer und Schwung in unsere fast eingeschlafene Diskussion zu bringen – wer hätte ihm das nun wieder zugetraut?) Ich hatte auch bereits den Verdacht, dass ich mich mit meinem Beitrag über Clay Aiken zu weit vom eigentlichen Thema Deines Weblogs entfernt habe, deshalb auch mein Kommentar in der zugehörigen Mail. Veröffentliche ihn einfach nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Jethro Tull Fans, die in Dein Weblog surfen, noch genervter sind als Du, wenn sie dort mit Clay Aiken konfrontiert werden. Jethro Tull Fans sind, glaube ich, überhaupt recht schnell genervt. Und aus Deiner Reaktion auf meine Geschichte schließe ich, dass einmal wieder vieles von dem, was ich eigentlich deutlich machen wollte, überhaupt nicht angekommen ist. Da habe ich also mal wieder mein Ziel verfehlt – sechs – setzen!

Vorneweg – Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich bei DSDS lande. Ist Dir tatsächlich entgangen, dass ich dieses Thema bereits behandelt hatte, und zwar abschließend? Zur Erinnerung: Es war dies mein Beitrag, in dem ich Judith Lefeber vorgestellt hatte.

Jetzt sind also wohl doch noch ein paar Erläuterungen angebracht… Es war nicht meine Absicht Euch Clay Aiken als neue musikalische Offenbarung zu präsentieren. Seine Musik ist nicht mein Stil. Ein paar der Klassiker, die er im Programm hat – z.B. Without You, Everything I Do (I Do It For You) oder die Elton John Titel – höre ich ganz gerne, aber die Originale sind für mich völlig ausreichend, zumal sich seine Covers von den Originalen kaum unterscheiden. (Über Sinn und Unsinn von Covers könnte ich auch noch einiges schreiben, aber das wäre ein eigenes Thema). Die meisten seiner sonstigen Songs oder Hits würde ich in die Kategorie „seichte Schlager“ einordnen, Vieles klingt für mich einfach langweilig. Dazu kommen einige Titel, die deutlich jenseits meiner Toleranzgrenze für Sentimentalität liegen (wie z.B. „Mary Did You Know“, und es gibt da noch Krasseres). Und dann finde ich es auf die Dauer ziemlich anödend, wenn jemand ausschließlich Liebeslieder singt (und das dann gar noch in Kombination mit Weihnachtsliedern). Ich höre gerne Mal Titel mit einem geistreichen Text.

Jetzt fragt Ihr Euch sicher, was ich dann eigentlich mit Mr. Aiken am Hut habe. Genau das habe ich mich auch gefragt, und ich habe versucht dieser Frage nachzugehen. Sie ist mehr oder minder identisch mit der Frage, was halb Amerika mit Mr. Aiken am Hut hat. Allein durch seine Musik ist seine Popularität nicht zu erklären. Leider ist die Frage garnicht so leicht zu beantworten, ich möchte nicht behaupten, dass ich das Phänomen Clay Aiken – und als solches würde ich ihn bezeichnen – schon restlos verstanden hätte. Und vor allem – es hat mit Musik und erst recht mit Jethro Tull nichts zu tun und gehört daher nicht in Dein Weblog. Aber bleiben wir erst einmal noch bei der Aufklärung weiterer Missverständnisse.

Wilfried schrieb: „Die Brille wich schon früh einem Satz Kontaktlinsen.“ Genau das tat sie eben nicht (waren die verlinkten Photos vielleicht doch teilweise so klein, dass man die Brille nicht mehr erkennen konnte?). Für American Idol musste Mr. Aiken natürlich auf Kontaktlinsen umstellen, sonst hätte man ihn nicht auf die Bühne gelassen. Aber kaum war AI vorbei, da kramte er seine Brille wieder raus (vielleicht nicht genau das gleiche Modell). Seither hat er sie in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufgesetzt, die Abstände werden eher kürzer. Besonders Interviews gibt er gerne bebrillt, und bei seiner letzten Konzerttournee stand er wohl mindestens bei der Hälfte seiner Auftritte mit Brille auf der Bühne. Zur Information: Brille ist im Gegensatz zu Kontaktlinsen teurer, unpraktischer, lästiger und man sieht damit auch noch schlechter (eingeschränktes Gesichtsfeld, verzerrte Linien). Das sage ich als Kontaktlinsenträgerin, die über 25 Jahre lang ausschließlich Brille getragen hat. Wer trotzdem Brille trägt, noch dazu als „Künstler“ auf der Bühne, der hat dafür einen bestimmten Grund. Zum einen verleiht eine Brille natürlich Autorität und einen intellektuellen Anstrich. Für Mr. Aiken dient sie nach meiner Einschätzung vor allem dazu sein altes „Nerd“-Image zu pflegen, so als wollte er sagen: „Ich habe mich nicht wirklich verändert, ich bin immer noch der Gleiche.“

Dann hat mich einmal mehr verwundert, lieber Wilfried, dass Du die Frage, ob jemand ein „Superstar“ ist, an der Höhe seines Kontostands festmachst. Wenn das wirklich das Kriterium ist, dann ist mit Sicherheit Mr. Anderson der zigfach, wenn nicht hundertfach, größere Superstar, und das nicht nur, weil er bereits ein paar Jahre länger Zeit hatte Geld zu verdienen. Mr. Aiken investiert sein Geld nämlich nicht in Lachsfarmen, er steckt es in die von ihm selbst gegründete Stiftung für geistig behinderte Kinder und wird daher im Vergleich zu Mr. Anderson wohl immer ein armer Schlucker bleiben. Er ist im Übrigen auch kein Superstar, der Ausdruck passt für ihn nicht, und er sieht sich selbst auch ganz sicher nicht als solchen.

Überhaupt zum Begriff „Superstar“ – nach meiner Erinnerung ist er keineswegs so neu, wie Du das zu empfinden scheinst. Auch wenn ich 1970 noch ein „Jungspund“ war, wie Du das zu formulieren beliebtest, kann ich mich an dieses Jahr doch noch sehr gut erinnern. Seit 1970 war ich regelmäßige Leserin der Bravo (und damit natürlich bestens informiert), habe die Charts beobachtet und regelmäßig die Disco besucht (ja, ich war ziemlich früh dran). Neben CCR waren Elton John und Uriah Heep meine Favoriten („Easy Living“ war der erste Song, auf den ich je in einer Disco getanzt habe). Um’s kurz zu machen – den Begriff Superstar gab es damals schon, die Bravo war voll davon. Die Beatles und die Stones gehörten dazu, aber auch für Neil Diamond wurde nach meiner Erinnerung dieser Begriff gebraucht. Ob er amerikanisch ist, weiß ich nicht, Pop- und Rockmusik waren damals überwiegend britisch. Auf jeden Fall liegen auch meine musikalischen Wurzeln in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, allerdings waren sie weniger von Progressive Rock geprägt als Deine. Zu Jethro Tull bin ich, wie ich ja bereits erwähnt habe, erst 1978, also in meiner musikalischen Spätzeit gestossen, als ich eigentlich schon erwachsen war (na ja, wie Ihr wisst bin ich niemals wirklich erwachsen geworden…). Aber das nur am Rande.

Dann hat Dich interessiert, lieber Wilfried, wie bekannt Mr. Aiken wohl in Europa (bzw. in Deutschland) ist. Das weiß ich auch nicht, aber ich würde vermuten, dass ihn kaum Einer kennt. Ich glaube nicht, dass er hier schon einmal aufgetreten ist oder im Fernsehen zu sehen war – so etwas ist für den Bekannheitsgrad entscheidend. Der Austausch von „Stars“ über den Atlantik hinweg funktioniert auch nicht mehr so wie noch vor 30 Jahren. Abgesehen von den „wirklichen Superstars“, zu denen ich Mr. Aiken eben nicht zähle, sind die USA und Europa weitgehend getrennte Märkte (auch das ist übrigens ein interessantes Thema). Außerdem ist das Interessante an Mr. Aiken’s nicht seine Musik, sondern so ziemlich alles andere – und davon ist in Europa vermutlich nie etwas angekommen. Der Verkaufsrang für Mr. Aiken’s letztes Werk bei Amazon wundert mich daher nicht. Man sollte dabei auch bedenken, dass das Album bereits anderthalb Jahre alt ist, da kann man die Chart-Position schlecht mit etwas vergleichen, das erst vor ein oder zwei Monaten herausgekommen ist.

Dann möchte ich doch noch betonen, dass man meiner Meinung nach Mr. Anderson und Mr. Aiken in ihrer Eigenschaft als Musiker nun wirklich nicht miteinander vergleichen kann, das ist als vergleiche man Äpfel mit Kartoffeln – beide sind pflanzlich und man kann sie essen, zweitere allerdings erst nach vorheriger Garung. Scherz beiseite – die Herren spielen nicht die gleiche Sportart. Mr. Anderson ist ein Musiker, der seine Songs selbst schreibt und er ist allein dadurch einzigartig und unersetzlich – ohne ihn würde es diese Musik nicht geben. Mr. Aiken ist ein reiner Interpret, der singt was andere geschrieben haben, und damit ist er prinzipiell austauschbar. Singen können Viele, und die auf Hochtouren laufende Idol-Industrie (es gibt da ja auch noch x-factor, America’s Got Talent und andere) spuckt neue Talente in immer kürzeren Abständen aus, und die werden immer unglaublicher und immer jünger (auch zu diesem Thema habe ich in letzter Zeit einiges Material gefunden). Da wird es immer wieder einen Anderen geben, der besser ist, jünger oder auch einfach nur neuer, und den Favoriten vom letzten Jahr verdrängt, wenn dieser nicht neben seinen gesanglichen Fähigkeiten noch andere aufweisen kann oder durch seine Persönlichkeit einzigartig und unersetzlich ist.

Vor diesem Hintergrund meinst Du, Mr. Aiken wäre ein „Sänger, der sich schnell verbraucht“. Nun, auf 40 Jahre Musikerdasein kann er noch nicht zurückblicken, er ist halt auch noch nicht einmal 30, da hat er schlechte Karten… Dafür, dass er 31 Jahre jünger ist als Mr. Anderson, kann er nichts. Aber ich wäre bereit, lieber Wilfried, mit Dir darum zu wetten, dass in 31 Jahren, wenn wir beide bereits als Tattergreise im Altersheim sitzen und selbst Mr. Aiken nicht mehr ganz jung ist, der Name Clay Aiken in den USA immernoch ein Begriff sein wird. Und das selbst dann, wenn er morgen seine Stimme verlieren und nicht mehr besser klingen sollte als der Mr. Anderson der heutigen Tage. Clay Aiken ist nämlich nicht einfach irgendein amerikanischer Schnulzensänger, er ist eine Symbolfigur, ein „echtes Idol“ im deutschen Sinn des Wortes. Dass das so ist, und warum das so ist, konnte allerdings zugegebenermaßen aus meinem letzten Beitrag über ihn nicht hervorgehen.

Das liegt daran, dass das alles mit Musik nichts zu tun hat, ein Idol hat mit Musik überhaupt nichts zu tun. Mr. Anderson war nie Dein Idol, hast Du geschrieben, lieber Wilfried – meins auch nicht. Ein Idol braucht nämlich einen Vorbild-Charakter und eine Botschaft, und das kann Mr. Anderson nicht bieten – Mr. Aiken schon. Im Fall von Mr. Aiken war die Musik nur das Medium, das ihn an die Öffentlichkeit katapultiert hat, damit sie ihn kennenlernen konnte. Gut, natürlich singt er und verkauft auch CDs, aber ich könnte mir vorstellen, dass in seinem Fall manche die CD mehr wegen ihm als wegen der Musik darauf kaufen. Um das zu verstehen, muss man seine Vorgeschichte kennen und alles, was seither über ihn durch die Presse gegangen ist (oder zumindest einen Teil davon, denn ich habe mit Sicherheit auch nicht alles mitbekommen), auch seine Aktivitäten außerhalb der Popmusik (die schon erwähnte Stiftung, die Tätigkeit als UNICEF-Botschafter usw.) gehören dazu.

In meinem letzten Beitrag hatte ich Mr. Aiken mit Superman verglichen – das war mehr als Gag und scherzhafte Annäherung an die Wahrheit gedacht. Tatsächlich hat er nämlich viel mehr Ähnlichkeit mit einem ganz anderen Helden der Weltgeschichte. Dazu zwei Bilder aus dem Claymania-Video:

Ich glaube man braucht keine besondere Phantasie, damit einem das wie eine moderne Illustration zum Neuen Testament erscheint. Da war Zachäus in einen Baum gestiegen, von dem er wußte, dass Jesus an ihm vorbeikommen würde, denn er wollte zumindest einmal einen Blick auf den Messias werfen. Hier sind gleich mehrere Zachäus auf’s Sims gestiegen, damit sie ihrem Idol wenigstens einmal die Hand schütteln können. Und das sind keine ausgeflippten Teenies, die heute für den Einen kreischen und morgen für einen Anderen. Die sehen aus wie gestandene Männer, älter als der Messias, der eingerahmt von seinen Sicherheitsleuten an ihnen vorüberschreitet.

Die Symbolik in der Geschichte des Mr. Aiken und die Zahl der Parallelen zu Jesus ist wirklich frappierend. Da gibt es z.B die Weissagung nach seinem Vortrag von „Somewhere Out There“ bei American Idol (das Video hatte ich verlinkt), sie kommt von der farbigen Dame in der Jury (ich weiß nicht einmal, wer das ist, aber sie muss wohl hellseherische Fähigkeiten haben). Sie erklärt Mr. Aiken zum Mysterium und prophezeit ihm eine außergewöhnliche Zukunft, denn „You are pure“. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Kaum ist seine Idol-Zeit vorbei, der bekehrt er auch schon Saulus zum Paulus. Es ist dies Jimmy Kimmel, der Talkshow-Gastgeber, der sich im Claymania-Video als „Leader of the Claymates“ outet und Mr. Aiken anschließend in seiner Show als „My best friend in the whole world“ ankündigt. Das war nicht immer so. Dazu muss man wissen, dass Mr. Aiken zu Zeiten seiner Idol-Auftritte nicht nur mit Euphorie gefeiert, sondern auch mit jeder Menge Spott von Seiten der Medien bedacht wurde, so wie er überhaupt in seinem ganzen Leben noch nie über Mangel an Spott hat klagen müssen. Insbesondere wurde schon früh vermutet er müsse wohl schwul sein, denn er sähe so „gay“ aus und würde sich so „gay“ benehmen. Von den Spöttern war Mr. Kimmel einer der Vorderen. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen Bemerkungen Kimmel’s in der Show von 2006 wie „…the man whose poster adorns my bedroom“, „This is why there are rumors about you and me together.“ und „I would never have imagined, when you where a young man on American Idol…“ eine ganz neue Bedeutsamkeit. Es klingt als läge diese AI-Zeit Jahrzehnte zurück, es ist gerade einmal 3 Jahre her.

In diesem Video, das den ersten Auftritt Mr. Aikens in Kimmels Show nach American Idol zeigt, kann man sehen, wie der inzwischen geläuterte 40-Jährige Kimmel den Kniefall vor seinem (fast) 25-Jährigen Meister macht, dem er fortan freudig dienen wird. Das Video ist noch aus anderem Grund interessant, denn Mr. Aiken kommt hier neben Britney Spears zu sitzen. Britney war zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa 5 Jahren im Geschäft, und ich finde sie sieht schon ziemlich fertig aus. Jedenfalls ist sie so angemalt, dass man von ihrem Gesicht kaum noch etwas sieht. Sie ist 3 Jahre jünger als Mr. Aiken und auf mich wirkt sie kindisch und naiv. Mr. Aiken sieht zwar aus als wäre er höchstens 16, aber man merkt ziemlich schnell, dass er weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen ist. Die beiden sollten in den nächsten Jahren zu Haupt-Zielscheiben der Boulevard-Presse werden, und da zeigt sich, dass man nicht intelligent sein muss um Popstar zu werden, aber es ist sicher hilfreich, wenn man im Haifischbecken Hollywood ein paar Jahre ohne Nervenzusammenbruch überleben will. Britney Spears war diesen Anforderungen nicht gewachsen.

Inzwischen sind bereits 5 Jahre vergangen und es ist immer noch nicht geklärt, ob Mr. Aiken nun eigentlich schwul ist oder nicht und wie sich sein nicht existentes (oder doch nur im Geheimen verborgenes?) Liebesleben im Detail gestaltet – und die Bemühungen der Boulevardpresse Licht in dieses Dunkel zu bringen und diese ganz Amerika bewegende Frage zu beantworten könnten sich noch einige Jahre hinziehen. Nein, so jemand wird nicht langweilig, er wird „Sexiest Singer“. Aber das nur am Rande.

Habe ich hier schon einmal den Satz „Zeige mir Deine Fans, und ich sage Dir, wer Du bist“ gebraucht? Kein anderer mir bekannter Star kann auf eine vergleichbare Fangemeinde herabschauen – sie ist auch in Amerika bereits sprichwörtlich. Seine Fans haben sich in durchstrukturierten (soll ich sagen „kirchenähnlichen“) Gruppen zusammengeschlossen und sind bestens organisiert. Da wird nicht nur dafür gesorgt, dass, wo immer der Meister erscheint, eine ausreichend große Abordnung zur Stelle ist, um für den ihm gebührenden Geräuschpegel zu sorgen. Tritt Mr. Aiken bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Fernsehen auf, dann werden schon im Vorfeld 30.000 $ an Spenden gesammelt und zu seinen Ehren in seinem Namen überwiesen. Ruft er im Fernsehen zur Beteiligung an einer Aktion auf, kann er sicher sein, dass schon am nächsten Tag seine Jünger zahlreich ausströmen werden, um seiner Bitte Folge zu leisten.

Selbst Präsident Bush hat schon erkannt, dass Mr. Aiken eine nicht zu unterschätzende Größe darstellt. Auf einem seiner Popularitätstiefs (bestand seine Amtszeit nicht eigentlich nur aus Populariätstiefs?) hielt er es für vorteilhaft, Mr. Aiken in eine eigens gegründete Kommission zur Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen für die Förderung und Integration von geistig Behinderten zu berufen – das war natürlich ein PR-Gag, um ein bißchen von der Popularität Clay Aikens zu profitieren. Wie wir in dem von mir im letzten Beitrag verlinkten Interview bei Jimmy Kimmel gehört haben, hat es Mr. Bush nicht einmal für nötig gehalten Mr. Aiken zum Dank dafür, dass er sich mit seinem Namen schmücken darf, zumindest einmal persönlich die Hand zu schütteln. So wird in den USA Politik gemacht. Aber Politik ist ja auch nicht unser Thema.

Ich könnte noch eine Weile so weiter erzählen, aber ich denke es reicht, Ihr werdet mich sowieso schon für total übergeschnappt erklärt haben. Fassen wir also zusammen: Der moderne amerikanische Jesus ist von Hause aus Lehrer für geistig behinderte Kinder (seelig sind die geistig Armen) und verdient sein Geld als Entertainer. Predigen tut er nicht, das ist total out und würde in der heutigen Zeit nicht gut ankommen. Hin und wieder ein Spendenaufruf oder die Bitte, sich an einer caritativen Aktion zu beteiligen – das reicht – und seine Fangemeinde kommt diesen Bitten freudig nach. Ansonsten tut er lieber selber etwas, z.B. für seine Stiftung oder als UNICEF-Botschafter. Er ist bekennender Christ, steht der Kirche allerdings kritisch gegenüber. Seit er 2004 das sich am schnellsten verkaufende Weihnachtsalbum der Neuzeit herausgebracht hat, ist er außerdem der all-amerikanische, singende Weihnachtsengel, der alljährlich eine spezielle Weihnachtstournee ausschließlich mit Weihnachtsliedern absolviert (davon habt Ihr ja auch bereits ein Kostprobe abbekommen). Er hatte noch nie eine Freundin und hält nichts von vorehelichem Sex, lebt also in völliger Enthaltsamkeit. Seit 5 Jahren bemüht sich die Boulevardpresse ihm irgendetwas anzuhängen – man hat sogar schon seine Stiftung wegen angeblicher Verschwendung von Spendengeldern durchleuchten lassen – es konnte noch kein Makel an ihm gefunden werden. Spott und Häme aus den Medien perlen inzwischen an ihm ab wie Regen auf einem frischgewachsten Rolls Royce und lassen seinen Heiligenschein nur noch heller erstrahlen. Soweit zu Mr. Aiken.

Also wie Ihr seht, hat das alles höchstens noch am Rande mit Musik zu tun, es würde eher in eine Rubrik „Dies und das“ oder „Leute von heute“ passen. Eigentlich ist das schon länger mein Thema. Seit nunmehr einem Jahr durchstreife ich diesen Menschenzoo, den man YouTube nennt, und stoße dabei auf Persönlichkeiten, an denen ich aus irgendeinem Grund hängen bleibe. Der Erste dieser Art war Mr. Anderson, und so bin ich im letzten April schließlich in Deinem Weblog gelandet, lieber Wilfried. Aber Jethro Tull und Mr. Anderson können mich nicht auf ewig fesseln, so ziemlich alle Aspekte seiner Person haben wir inzwischen durchgekaut, und viel Neues ist von seiner Seite nicht mehr zu erwarten. So bin ich denn weiter gesurft und über John Fogerty, k.d. Lang und Andere inzwischen zu Clay Aiken gelangt. Kein Mensch weiß, wie lange er mich noch beschäftigen wird und auf wen ich danach stoßen werde.

Tatsächlich interessiert mich zurzeit wie sich die Musikbranche seit den 70ern verändert hat und wie sie heute funktioniert, und da spielen nun einmal Talentshows eine große Rolle. Die Entwicklung ist allgemein von den Bands weg hin zu Einzelmusikern und Interpreten gegangen. Irgendetwas mit Jethro Tull Vergleichbares gibt es nicht mehr (jedenfalls bin ich bisher noch nicht darauf gestoßen). Wenn mich die Person oder die Story interessiert, dann habe ich auch keine Probleme damit, wenn die zugehörige Musik nicht hundertprozentig meinem Geschmack entspricht.

So lebt denn nun wohl, meine lieben Freunde
Kretakatze

PS.:Zum Lebewohl kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen Euch noch ein kleines Video mit auf den Weg zu geben. Es ist ein Kuriosum, denn in ihm ist Musik von Jethro Tull (ca. ab 0:30) und danach auch noch Clay Aiken zu hören (da könnt Ihr ja dann abschalten). Der Hintergrund: Zum letztjährigen Weihnachtsfest wurde im amerikanischen Fernsehen eine „Holiday On Ice“-Show gesendet, zu der Clay Aiken live gesungen hat. Hier werden Bilder vom Training der amerikanischen Meisterin im Eiskunstlauf gezeigt, die zu Clay Aiken’s Version von „Winter Wonderland“ (darauf könnt Ihr sicher gut verzichten) auf dem Eis ihre Vorführung übt. Mr. Aiken singt zu ihrem Training natürlich nicht live sondern kommt aus der Konserve. Zuvor werden – passend zum Thema Eiskunstlauf – ein paar Takte von „Skating Away (On The Thin Ice Of A New Day)“ angespielt. Der alte Tull-Klassiker ist in den USA also auch noch nicht ganz in Vergessenheit geraten.

01.04.2008

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 93: Superstars & Idole

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun ist es mir doch nicht mehr gelungen diesen Beitrag rechtzeitig zu Ostern fertigzustellen, und daher kann ich Euch jetzt nur noch nachträglich wünschen frohe Ostern verbracht zu haben. Im Schnee waren die bunten Eier ja sicher auch für Euch leicht zu finden…

Wilfried hat sich in letzter Zeit verdient gemacht, indem er zu Ehren des 40-jährigen Jubiläums von Jethro Tull zahlreiche neue Videos erstellt und auf YouTube geladen hat – einen Überblick über die gesamte Schaffenszeit von 1968 bis heute und Raritäten aus den frühen Jahren (z.B. die Aufnahmen aus dem Chateau D’Herouville). Vielen Dank für diese Kostbarkeiten! Und in seinem letzten Beitrag hat er wieder viele neue Details und Links zu Jethro Tull Seiten geboten. Da kann ich leider nicht mithalten.

Ich hatte Euch letztes Mal versprochen noch ein paar Einblicke in die internationale Superstar-Suche zu geben, und so kommt hier also heute die Folge „American Idol“ (wenn ich auch eher bezweifle, dass Ihr darauf großen Wert legt…). Simon Cowells Bemerkung über die teilweise bescheidene Qualität der Teilnehmer an World Idol hat mich dazu veranlasst einmal einen Blick über den großen Teich zu werfen, was denn die Amerikaner diesbezüglich so zu bieten haben. Und ich muss zugeben – wer bei American Idol in die Endausscheidung unter die Top 12 kommen will, der muss schon wirklich singen können.

Natürlich hat so ein großes Land auch ein großes Reservoir an Talenten, und die Konkurrenz ist hier besonders hart. Jedes Jahr werden zwischen 70.000 und 100.000 Bewerber für die Show gecastet – zurzeit läuft gerade die 7. Staffel. Ich habe einmal überschlagen, dass eine Jury bei 100.000 Bewerbern und 3 Minuten Dauer je Casting bei 10 Stunden Arbeitszeit am Tag ziemlich genau 2 Jahre (500 Arbeitstage) benötigt, um sich alle Kandidaten anzuhören. Das wäre natürlich so nicht machbar, die Castings müssen innerhalb von ein paar Wochen abgewickelt werden. Die Kandidaten müssen daher schon zwei Hürden bei örtlichen Musikproduzenten o.ä. genommen haben, damit sie vor der Jury aus Simon Cowell und Co. vorsingen dürfen.

Da aus diesen zeitaufwändigen und teuren Castings wenigstens ein bißchen Geld wieder hereinkommen soll, werden die Auftritte vor der Star-Jury gefilmt. So können die ersten Anfänge der späteren Popstars dokumentiert werden, aber auch die Darbietungen skurriler Nichtskönner werden festgehalten und zur Belustigung im Fernsehen gesendet. Teilweise habe ich da ja fast Mitleid mit Mr. Cowell bekommen – es muss schon hart sein, wenn man sich tagelang von morgens bis abends solche Aufführungen ansehen und anhören muss.

Und da ich nun einmal so gerne Geschichten erzähle – hier jetzt ein Beispiel dafür, wie man dieser Tage in den USA ein Pop-Star wird. Diese Geschichte wird Euch wahrscheinlich ein wenig an Kurt Nilsen erinnern, und tatsächlich haben sich beide Geschichten im gleichen Jahr zugetragen und auch die Hauptdarsteller sind gleich alt.

Ende 2002 erscheint in Charlotte, North Carolina, ein junger Mann mit Namen Clay Aiken zu den Castings (die auf englisch übrigens Audition heißen) für die zweite Staffel von American Idol. Er singt Somewhere Over The Rainbow (meiner Meinung nach keine sehr glückliche Wahl), und da kann er seine „Startnummer“ 88 drehen und wenden, wie er will, er wird nicht einmal bis zu den Juroren vorgelassen. Er ist halt auch Einer von denen, die nie einen Plattenvertrag bekommen werden, weil bei ihrem Aussehen sowieso niemals jemand eine Platte von ihnen kaufen würde. Unvorstellbar, dass sich dieser Mr. Aiken schon bald kaum noch vor den Scharen seiner kreischenden, weiblichen Fans würde retten können. Kein Mensch würde vermuten, dass er hier einen künftigen Gewinner der Wahl zu „America’s sexiest Singer“ vor sich hat. Aber machen wir erst einmal der Reihe nach…

Von seiner Absage in Charlotte lässt sich Mr. Aiken nicht entmutigen. Er nimmt den Flieger nach Atlanta, Georgia, wo die nächsten Castings stattfinden, wartet dort 36 Stunden in der Schlange und campiert auf der Strasse. Diesmal schafft er es tatsächlich bis zu Simon und Randy vorzudringen, und was er zu hören bekommt, nachdem er Always And Forever vorgetragen hat, kommt uns bekannt vor: „Großartige Stimme, aber Du siehst nicht aus wie ein Pop Star“. Bemerkenswerterweise sagt Mr. Cowell den Satz allerdings genau anders herum: „Du siehst nicht aus wie ein Pop Star, aber großartige Stimme“. Und bekanntermaßen bringt man das schlagende Argument immer zum Schluss. Das Video zeigt nicht die komplette Audition, da wurde einiges herausgeschnitten, aber trotzdem scheinen mir doch die Amerikaner weniger zögerlich als die Norweger, den unkonventionell aussehenden Kandidaten durchzulassen. Am Aussehen kann man was machen, meint Randy, und tatsächlich wird Mr. Aiken im Laufe seiner Karriere sein Aussehen noch ganz erheblich verändern.

Jetzt hat er erst einmal eines der heißbegehrten goldenen Tickets nach Hollywood ergattert, aber damit ist er natürlich noch lange nicht im Fernsehen. Zusammen mit über zweihundert anderen Kandidaten muss er über Tage hin in endlosen Vor-, Zwischen- und Endrunden vorsingen, es wird gesichtet und gesiebt. Letztlich gelangt er in die Runde der 32 Kandidaten, die live im Fernsehen vorsingen dürfen, doch er kann die Zuschauer zunächst nicht überzeugen – er fällt durch. Allerdings bekommt er noch eine letzte Chance, er darf zusammen mit 5 weiteren Kandidaten um eine Publikums-Wildcard antreten (wurde die eigentlich extra für ihn erfunden?). Er singt Don’t Let The Sun Go Down On Me, und keine Sorge, das haben sie auch nicht getan. Ganz im Gegenteil, seine Sonne hatte gerade erst angefangen aufzugehen. Und so betritt Pumuckl, Markenzeichen abstehende Ohren, die Bühne von American Idol: Somewhere Out There.

Ja, Pumuckl hat etwas Magisches, man könnte auch sagen etwas Charismatisches. Und er lernt schnell. Nur wenige Wochen später, bei To Love Somebody, sieht er zwar immernoch aus wie Pumuckl, aber der Auftritt erinnert bereits mehr an Frank Sinatra. Ich will’s kurz machen – diese Musik ist ja wahrscheinlich auch nicht so ganz Euer Stil. Überraschenderweise gewinnt Mr. Aiken den Titel NICHT. Er wird mit einem denkbar knappen Rückstand von 0,5% Zweiter. Hinterher wurde von verschiedener Seite angezweifelt, ob das Ergebnis korrekt war. Tatsächlich waren wohl zum Zeitpunkt der Abstimmung die Telefonleitungen und der Wahlcomputer überlastet, viele Clay Fans beschwerten sich darüber, dass sie mit ihrem Anruf nicht durchgekommen seien. Die Produzenten der Sendung gaben später auch an, dass Clay Aiken in allen vorangegangenen Abstimmungen vor dem späteren Sieger Ruben Studdard gelegen habe. Aber letztlich kann das Mr. Aiken auch gleichgültig sein. Er war nach American Idol 2 ein gemachter Mann. Der Gewinner Ruben Studdard hatte dagegen eher bescheidenen Erfolg.

Clay Aiken gilt heute nach Kelly Clarkson und Carrie Underwood als der dritterfolgreichste Teilnehmer an American Idol. Wen es interessiert, der kann sämtliche von ihm gehaltenen Verkaufsrekorde und gewonnenen Preise bei Wikipedia nachlesen. Was mich an der Geschichte des Mr. Aiken so fasziniert hat, ist zweierlei. Zum Einen die unglaubliche Ironie des Schicksals, die sich durch sie hindurchzieht wie ein roter Faden und alle Erwartungen auf den Kopf stellt. Da kommt Mr. Aiken zu seiner Audition herein und antwortet auf die Frage, warum er da sei, achselzuckend und lachend mit den Worten „Well, I am the American Idol“. Das war sicher selbstironisch gemeint, und die Juroren können über diesen Scherz nicht einmal müde lächeln, aber es sollte sich als eine nackte Tatsache entpuppen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erklärt er dann noch im Rückblick auf American Idol 1, er hätte in dieser Konkurrenz gut der Erste oder mindestens der Zweite sein können (das wurde bei obigem Video herausgeschnitten). Präziser hätte er seine spätere Platzierung nicht voraussagen können.

Und so geht es gerade weiter: Mehr als einmal hat Mr. Aiken in frühen Interviews betont, dass ihm schon klar sei, dass er nicht auf einen Schönheitwettbewerb gehöre. Wo fand einer seiner ersten großen Auftritte nach American Idol statt? Auf einem Schönheitswettbewerb. Natürlich ging es dabei (This Is The Night) nicht um seine eigene Schönheit, aber offensichtlich fanden es die Veranstalter von „Miss America“ nicht unpassend, diesen „hottest guest star ever“ mitten zwischen die geballte „American Beauty“ zu stellen. So furchtbar „hot“ sieht er für meine Begriffe hier ja noch nicht gerade aus, aber das sollte sich auch noch ändern. Anfänglich wirkte es auf mich eher rührend, wie dieser Junge, der eigentlich noch aussieht wie ein halbes Kind, auf der Bühne steht und schmettert, dass die Halle bebt. Schon ein Jahr später wirkt er allerdings merklich gereift, und noch einmal drei Jahre später ist er nicht mehr wiederzuerkennen: Drei Versionen von Solitaire (2003 – 2004 – 2007).

Das Bemerkenswerteste an der Geschichte des Mr. Aiken ist aber wahrscheinlich seine geradezu unglaubliche Transformation vom kopflastigen, spießig-ungelenken Außenseiter (amerikanisch Nerd) zum witzig-unterhaltsamen Frauenschwarm mit Sex-Appeal. Eigentlich sollte man das für unüberbrückbare Gegensätze halten, Mr. Aiken schaffte die komplette Verwandlung innerhalb von etwa drei Jahren. Und hier das Ergebnis: Claymania Anno 2006 mit anschließendem Talkshow-Auftritt. Das hat mich ein wenig an die Metamorphosen des Mr. Anderson erinnert, wobei es da ein paar wesentliche Unterschiede gibt, und das nicht nur, weil die äußerliche Entwicklung der beiden Herren in umgekehrte Richtung verlaufen ist – bei Mr. Aiken spiegelt sie den Effekt von Erfolg und zunehmender Reife wider, bei Mr. Anderson sind die Ursachen wohl eher nachlassender Erfolg und zunehmendes Alter.

Dazu kommt, dass Mr. Aiken nach eigener Aussage kaum Einfluss darauf hat, wie er aussieht. Seine Aufgabe sei es zu singen, um sein Aussehen kümmern sich Andere. Und so kommt es, dass er inzwischen so ziemlich alle Haarfarben, Haarlängen und Frisuren durch hat, da haben sich seine Stylisten nicht lumpen lassen. Hier eine kleine (unvollständige!) Auswahl der Erscheinungsbilder des Mr. Aiken aus den letzten 5 Jahren in etwa chronologischer Reihenfolge. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er wohl einer der meistphotographierten Männer der letzten Jahre sein muss, und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Er ist einfach so ergiebig, denn er sieht ständig anders aus.

Jetzt fehlt aber noch ein wichtiger Aspekt. Oben habe ich geschrieben, Mr. Aiken habe sich vom „Nerd“ (mir fehlt irgendwie das passende deutsche Wort, so eine Art spießiger, zurückgezogener, intellektueller Bücherwurm…) zum „Hottie“ (braucht, glaube ich, keine Übersetzung…) entwickelt. Das stimmt so nicht ganz. Eigentlich ist es eher so, dass er gelernt hat, wie man sich jederzeit bedarfsgerecht vom Einen ins Andere verwandelt. Als ich neulich auf YouTube auf ein Video mit der Überschrift „Clay Aiken = Superman“ gestossen bin, habe ich zuerst gedacht, jetzt sind seine Fans völlig übergeschnappt. Bis mir aufgefallen ist, dass das garnicht so abwegig ist. Es ist vor allem diese rasend schnelle Verwandlung von Clark Kent in Superman, die auch er inzwischen perfekt beherrscht. Dazu kommt die verblüffende Ähnlichkeit der Namen Clark Kent und Clay Aiken. Das hat mir zu denken gegeben. Hier zum Vergleich:

Clark Kent

Superman

Clay Aiken

Superclay

Ist also Mr. Aiken der Superman unserer Tage? Oder geht hier einmal wieder meine überschwängliche Phantasie mit mir durch? Und mit dieser uns alle bewegenden Frage verabschiede ich mich für heute.

Es grüßt Euch ganz herzlich bis zum nächsten Mal Eure Kretakatze

PS.: Passend zu weißen Ostern möchte ich Euch nun doch zum Schluss noch ein kleines Weihnachtslied kredenzen. Natürlich wird es von niemand anderem gesungen als unserem wandlungsfähigen Mr. Aiken. Es heißt Mary, Did You Know, und wenn Ihr Euch noch an John Fogerty und „Mary, Don’t You Weep“ erinnert, dann ahnt Ihr schon, was Euch erwartet. Bleibt mir nur noch Euch einen guten Rutsch in die Sommerzeit zu wünschen…

27.03.2008

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Hallo Ihr beiden Hübchen,

so langsam werde ich wohl die Handbremse betätigen, sonst landet unsere gute Kretakatze auch noch bei der deutschen Variante von „American Idol“, DSDS mit Dieda Bohlen. Also Mark Madlook, oder wie der heißt, kommt mir nicht in mein Blog.

Okay, ich finde Deine „Geschichte“, wie Du es selbst nennst, liebe Kretakatze, rund um diesen Clay Aiken ganz witzig. Sie zeigt, dass so etwas wie der „amerikanische Traum“ durchaus noch möglich ist. Und nicht nur die Karriere von Clay Aiken, er selbst, ist sehr amerikanisch – für mich etwas zu sehr amerikanisch. Ich bestätige gern, dass er eine außergewöhnliche Stimme hat – trotz seiner Schmalbrüstigkeit. Aber alles klingt für mich sehr nach Gospelchor oder Musical. Wobei mir Gospel als solche besser gefallen als der Singsang von Herrn Aiken. Wem das gefällt, okay. Wenn es Dir, Kretakatze, gefällt, so ist das auch okay. Aber da höre ich doch lieber die leicht nasale Stimme von Herrn Anderson (aus alten Tagen, versteht sich).

Superstar? Für viele ist er sicherlich ein Superstar. Und wenn man das Bankkonto von Herrn Aiken einsehen könnte, dann dürfte dieses der Höhe nach das eines Superstars sein. Aber schon allein mit dem Begriff Superstar habe ich meine Probleme (wie vor allem mit dem Begriff Idol). Ian Anderson war und ist nie mein Idol gewesen. Und er selbst wird sich nie als Superstar gefühlt haben. Ich denke, dass das ganze Superstar-Gerede auch ziemlich typisch amerikanisch ist, das sich leider mit den Jahren auch bei uns eingebürgert hat (z.B. DSDSuperstar). Um in Deutschland ein Superstar nach amerikanischem Vorbild zu werden, dann müsste schon jeder zweite Deutsche die Scheiben von einem kaufen.

Natürlich hat uns Kretakatze Clay Aiken auch deshalb präsentiert, weil das anfängliche Äußere des guten Mannes bestimmt nicht die spätere Karriere erahnen ließ. Nun wurde uns durch Dich, Kretakatze, Herr Aiken gewissermaßen in Zeitraffer vorgestellt. Die Bilder aber stammen aus einem Zeitraum von fünf bis sechs Jahren. Da ist der anfangs recht junge Mann schon allein äußerlich gereift (fülliger geworden mit leichtem Bartwuchs). Die Brille wich schon früh einem Satz Kontaktlinsen. Und die großen Ohren wurden dann von längeren Haaren kaschiert. Den Rest besorgten Stylisten. Nein, so verwunderlich findet ich den Wandel gar nicht. Und ein halbwegs forsches Auftreten war schon am Anfang vorhanden, wenn auch noch etwas ungelenk. Aber auch das lässt sich mit der Zeit ‚korrigieren’. – Was mich interessiert: Wie bekannt ist Clay Aiken eigentlich in Deutschland? (Lt. Amazon.de ist der Verkaufsrang von der CD „A 1000 Different Ways“ bei 145205 – da schneidet ja Jethro Tulls „Live in Montreux“ auf Platz 29874 besser ab, die CD, nicht die DVD, die sich weit besser platziert hat – und Medlock/Bohlens Machwerk „Dreamcatcher“ ist z.B. auf Platz 276 bei den CDs) Bisher habe ich von ihm nichts gehört, aber das ist nicht verwunderlich, weil mich diese Art von Musik (samt dem ganzen Klimborium) nicht sonderlich interessiert. Und wenn ich das richtig sehe, so gehen die Verkaufszahlen selbst in den USA doch gewaltig zurück, wenn sie auch noch sehr hoch sind. Clay Aiken ist, so denke ich mir, ein Typ Sänger, der sich schnell ‚verbraucht’. Und ich sage (schreibe) es noch einmal: Da ist mir ein Ian Anderson lieber, der es immerhin auf 40 Jahre Musikerdasein gebracht hat.

Ich selbst, wie in diesem Blog der letzten Tage ablesbar ist, bin musikalisch in die 70-er Jahre abgetaucht. Da ward Ihr beiden noch junge Spunde, wie man bei uns sagt. Das waren natürlich auch die besten Jahre von Jethro Tull. Überhaupt boten besonders die ersten Jahre der 70-er viel erstklassische Musik. Flowerpower und Psychedelische Musik wurden ad acta gelegt. Es wurde experimentiert, Stile gemischt (besonders Jazz und Rock) und viele auch technisch hervorragende Musiker betraten die Bühne. Es wurde – einfach gesagt – wieder Musik gemacht. Der Großteil meiner Plattensammlung stammt aus dieser Zeit. Sicherlich werdet Ihr nicht an allem Gefallen finden, was mich damals begeistern konnte (und was ich heute noch gern höre, wenn vieles auch den etwas indiskreten Charme jener Jahre hat). Da aber viele alte Scheiben technisch aufpoliert den Weg zurück in die Verkaufregale gefunden haben, deutet doch einiges darauf hin, dass diese Musik auch heute noch ihr Publikum findet (und nicht nur bei den alten Hasen).

Ach, Kretakatze hat mich mit ihrem „American Idol“-Kram irgendwie aufs Glatteis gebracht. Und da finde ich den Weg nicht mehr zurück. So soll es für heute genügen.

Und: Kretakatze beginnt sich langsam Sorgen um Lockwood zu machen. Ich weiß nur, dass er vor einigen Tagen seinen 45. Geburtstag gefeiert hat: Und ich habe das glatt vergessen. Tut mir Leid: Von dieser Seite also alles Gute für Dein neues Lebensjahr, Lockwood.

Heute keine Links und keine Bildchen (damit hat uns Kretakatze ja reichlich eingedeckt). Nein, so kann ich mich nicht verabschieden. Hier also ein Video mit einem uralten Micky Maus-Cartoon und … mit Locomotive Breath unterlegt (nun ja, so ganz passt das eigentlich nicht, wenn ich mir auch Herrn Anderson durchaus in der Rolle von Donald Duck vorstellen könnte):


Locomotive Breath – Jethro Tull

Man liest voneinander
Viele Grüße aus der norddeutschen Tiefebene
Euer Willi

P.S. Lockwood – ein Lebenszeichen, bitte! Nur ein kurzes Lebenszeichen!

28.03.2008

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Meine lieben Freunde,

ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass ich mich so lange nicht mehr gemeldet habe. Das ist wirklich kein guter Stil. Eure Sorge um mich rührt mich, sie ist aber Gottseidank unbegründet; es geht mir ganz gut. Zwar hatte ich wie wir alle mit den Tücken des Alltags zu kämpfen, aber eigentlich bin ich ok.

Zu Eurem aktuellen Thema „DSDS“ möchte ich auch noch meinen Senf zugeben:
Ich habe die letzten Sendungen der laufenden Staffel in Ausschnitten gesehen. Und ich muss sagen: Die Kandidaten, die jetzt noch im Rennen sind (zurzeit acht) sind alle jung, attraktiv und sehr gut bei Stimme. Besonders die Mädels. Trotzdem oder gerade deswegen kann ich mich nicht für sie erwärmen. Sie sind sich alle zu ähnlich, zu kompatibel. Es sind keine „Typen“ darunter. Sie scheinen alle aus der selben Form gegossen. Wer aussieht wie Tom Waits oder Shane MacGowan und es trotzdem schafft, der ist ein Superstar. Und wenn man schon das Pech hat, gut auszusehen, sollte man sich durch besondere Fähigkeiten unverwechselbar machen, wie z.B. Kate Bush.

Tom Waits (von dem ich durch Wilfried zum ersten Mal hörte) ist wirklich ein interessanter Typ, weit weg von jedem Mainstream, äußerlich wie inhaltlich. Nach Mr. MacGowan ist er vielleicht der häßlichste Mann, der sich je dem Rampenlicht ausgesetzt hat. Diesem Neandertaler-Schädel sind aber einige schöne Melodien entsprungen. So entstammt z.B. Springsteens „Jersey Girl“ Waits’ Feder. Mir als agnostischem Pseudo-Katholiken gefällt auch sein Chocolate Jesus .

Ansonsten hat sich bei mir in Sachen Musik nicht viel getan. In einem bekannten Internet-Auktionshaus habe ich für eine Handvoll Euros ein CD-Album der Don Kosaken ersteigert. Dieses Album habe ich seit ca. 25 Jahren auf Vinyl, aber deren Qualität wird im Laufe der Jahrzehnte nicht besser. CDs sind halt auch praktischer. Es packt mich jedesmal, wenn ich diesen Chor höre. Hier könnten die Superstars dieser Welt lernen, wozu die menschliche Stimme in der Lage ist.

Lieber Wilfried, vielen Dank für Deine guten Wünsche zu meinem Geburtstag ! Der Zahl nach bin ich der Jüngste von uns Dreien, aber nachdem ich heute vier Fahrräder und zwei Autos geputzt habe, schmerzt mein Rücken wie bei einem Greis. Na ja, das vergeht auch wieder.

Ich beende mein Schreiben mit einem Gefühl der Erleichterung. Das schlechte Gewissen ob meiner langen Abwesenheit ist erst einmal wieder besänftigt. Habt Dank für Eure Treue !

Es grüßt Euch herzlichst
Lockwood

29.03.2008

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 92: Von Vermarktung, Grammys etc.

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich mich zuerst einmal wieder selbst korrigieren – das war jetzt für meine Verhältnisse schon erstaunlich lange nicht mehr nötig. Um’s kurz zu machen: Simon Cowell ist kein Amerikaner, er ist Brite. Da er in der Jury von World Idol die USA vertrat und außerdem von Beginn an als Juror bei American Idol fungierte (er tourt dort auch selbst durch die Lande um die Kandidaten zu rekrutieren), hatte ich ihn als von jenseits des Atlantik stammend eingestuft. Sein Stil erinnerte mich auch mehr an Wildwest als an die feine englische Art. So kann man sich täuschen. Und ein noch schlimmerer Fehler ist mir unterlaufen. Nicht Simon Cowell hat die Idol-Shows erfunden, sondern sein Kollege Simon Fuller. Beide Simons sind Briten, fast gleich alt, bei der gleichen Plattenfirma (Sony BMG) engagiert, als wenig feinfühlige Kritiker bekannt und titulieren sich gegenseitig als „my friend Simon“. Da kann man sie natürlich schon mal verwechseln. Diese Verwechslung ist übrigens nicht mir passiert, sondern jemandem, bei dem ich ohne Nachkontrolle abgeschrieben habe. Das sollte man halt nicht tun.

Bleiben wir zunächst einmal noch bei der Talentsuche und World Idol – an dem Thema habe ich mich inzwischen festgebissen, damit werdet Ihr noch ein Weilchen leben müssen – und wenden uns dem spektakulären Auftritt unseres deutschen Superstars Alexander Klaws zu. Bezeichnenderweise war auch bei ihm der Titel seines Songs Programm: Maniac. Welcher Wahnsinnige hatte ihm dazu geraten, dieses eintönige, langweilige, kaum bekannte Lied vorzutragen, und das in dieser unvorteilhaften Kostümierung in Kombination mit einem Veitstanz? Ich kann mir kaum vorstellen, dass man ihm eine solche Entscheidung allein überlassen hat, wenn er überhaupt Mitspracherecht hatte. Die Prügel für den misslungenen Auftritt und die „Blamage Deutschlands“ durfte er aber weitgehend allein einstecken. Bei Wikipedia kann man dazu Folgendes nachlesen: „Jury-Mitglied Ian Dickson (meine Anmerkung: Das ist der Australische Juror, eigentlich auch Brite und natürlich bei Sony BMG beschäftigt, der uns bereits bestens bekannt ist als der Erfinder des „Middle Earth Idol“) veranlasste seine Vorstellung zu der Bemerkung, wenn Alexander das deutsche Pop-Idol sei, verstehe er nicht, wie jemand behaupten könne, die Deutschen hätten keinen Humor“. Mr. Dickson kann also auch ganz schön gemein sein. Aber wenigstens haut er nicht allein auf den armen Jungen, sondern auf die Deutschen allgemein.

Nicht ohne Grund kam nach diesem Auftritt von verschiedener Seite die Frage auf, ob das wirklich das Beste war, was man in Deutschland hatte finden können. Nein, war es nicht! Es gab da zum Beispiel auch noch diese junge Dame: Judith Lefeber (DSDS): Unbreak My Heart. Da geht einem doch das Herz auf, wenn man das Mädchen nur sieht, und wenn sie dann gar noch zu singen beginnt mit dieser dunklen, vollen und warmen Stimme, muss man doch einfach dahinschmelzen – oder? Auch wenn sie hier ihr Lied ein bißchen zu schnell vorgetragen hat – was soll sie auch machen, sie kann ja schlecht langsamer singen als die Begleitung, und wer ihr die so schnell eingestellt hat, weiß man nicht. Wie man sieht liegt ihr auch die Jury schon zu Füßen, noch bevor die Endrunde begonnen hat. Eigentlich sollte man meinen, dass der Weg zum „Superstar“ für sie bereits mit dem roten Teppich ausgelegt ist.

Sicher wäre Fräulein Lefeber für Herrn Nilsen eine harte Konkurrenz gewesen. Kelly Clarkson, so würde ich einfach mal vermuten, hätte sich mit dem dritten Platz begnügen müssen. Zufällig haben beide Damen im Rahmen ihrer Idol-Auftritte das gleiche Lied gesungen, so dass man einen direkten Vergleich hat: Judith Lefeber – Think Twice und Kelly Clarkson – Think Twice (das Lied beginnt leider erst bei 1:10, vorher muss man sich noch typisch amerikanisch-hysterischen Möchtegern-Starrummel anschauen). Miss Clarkson’s Stimme klingt vergleichsweise dünn und eindimensional, vor allem aber macht sie gleich mehrere Fehler. Sie versucht Celine Dion zu übertreffen, indem sie sie übertrieben akzentuiert kopiert und jede Menge Extra-Träller und Notenschlenker einbaut – für meine Begriffe ist das einfach zu viel. Mit pathetischen, divenhaften Gesten meint sie ihrer Show Ausdruck zu verleihen, aber es wirkt nur aufgesetzt, und schließlich verwechselt sie gar noch Geschrei mit Gefühl. Ihre Schreierei zum Schluss ist für mich einfach entnervend. Ich kann nicht verstehen, wie der Jury und dem Publikum so etwas gefallen kann. In dem Video wirkt Miss Clarkson auf mich fortwährend aufgekratzt und überdreht, was ist an ihr eigentlich echt?

Das alles hat Fräulein Lefeber nicht nötig. Sie singt das Lied einfach in ihrem Stil mit wunderschöner Stimme und natürlicher Ausstrahlung, so dass es Einem immer zu kurz vorkommt und man es nochmal und nochmal hören möchte. So geht es mir jedenfalls gerade.

Nun habt Ihr Euch sicher auch schon gefragt, was denn aus Judith Lefeber geworden ist, und warum sie uns nicht bei World Idol vertreten hat. Nach den ersten beiden Runden, in denen sie in der Publikumsgunst jeweils meilenweit vor der gesamten Konkurrenz lag, ist sie „freiwillig ausgeschieden“ – was auch immer man darunter verstehen soll. Der „psychische Druck“ sei ihr zu hoch geworden. Wer hat sie denn unter Druck gesetzt? Ist ihr vielleicht klar geworden, dass ihr Hauptgewinn darin bestehen würde, dass sie mit Dieter Bohlen als Produzent und Manager Bohlen-Liedchen singen darf, und das wollte sie nicht mitmachen? Andeutungen ihrerseits, in denen sie davon sprach ihre „Unabhängigkeit bewahren“ zu wollen, legen diese Vermutung nahe. Ihr hätte das gleiche Schicksal geblüht, das schließlich Alexander Klaws nach seinem Titelgewinn ereilte – da hat sie lieber das Weite gesucht. Es gibt auch Berichte, nach denen sie von manchen ihrer Konkurrenten gemobbt worden sein soll, dabei fiel der Name Kübelböck. In Anbetracht ihrer haushohen Überlegenheit sahen wohl Andere ihre Felle davonschwimmen – da hat man sie rausgeekelt, um in seiner Mittelmäßigkeit wieder unter sich zu sein. Die genauen Hintergründe werden wir wohl nie erfahren. Und so blieb Judith Lefeber für uns One Moment In Time.

Fazit des Vergleichs der Talentsuche in Norwegen und in Deutschland: In Norwegen ist es gelungen einen Schatz zu heben, der aufgrund seines unerwarteten Aussehens nicht sofort als solcher zu erkennen war. In Deutschland wurde uns ein juwelenbesetztes Schmuckkästchen auf dem silbernen Tablett überreicht, und es ist uns gelungen es auf dem Weg ins Ziel einfach zu verlieren. Ob aus Unachtsamkeit, grober Fahrlässigkeit, Missgunst, Dummheit, rücksichtsloser Verfolgung von Eigeninteressen oder allem miteinander – es ist ein Armutszeugnis. Ein halbwegs ernstzunehmender Musiker wird sich für diesen Affenzirkus bestimmt nicht mehr bewerben.

Zurück vom deutschen Superstar-Desaster zu World Idol. Nachdem ich mich ein bißchen durch die aufgetretenen Interpreten durchgeklickt habe muss ich zugeben, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmer nicht dem Pop-Star Klischee entsprachen, das ich erwartet hätte. Eigentlich fielen nur Kelly Clarkson (USA), Will Young (Großbritannien) und unser Alexander Klaws in diese Kategorie, und bezeichnenderweise waren genau diese drei zuvor als Favoriten gehandelt worden. Zu den „hässlichen Leuten“, deren Anblick Simon Cowell’s Sehnerv strapazierte, gehörten außer Kurt Nilsen (Norwegen) wohl auch noch der Canadier Ryan Malcolm (der sich auch einige diesbezügliche Kommentare anhören musste), der Australier Guy Sebastian (dem Aussehen nach zu urteilen wohl zumindest teilweise ein Aborigine), der erst 17-jährige Jamai Loman aus den Niederlanden (eine optisch geglättete Variante von Kurt Nilsen mit schräger Brille) und der langhaarige Belgier Peter Evrard (von der Jury als „Heavy Metal Auslaufmodell“ tituliert). Irgendwo dazwischen rangierten noch der bieder-gutaussehende Heinz Winckler aus Südafrika sowie die beiden Damen: Diana Karazon als arabische Kandidatin (hübsch, aber deutlich übergewichtig) und die Polin „Alex“ Janosz (nicht unsympatisch vom Typ „freche Göre“, aber für World Idol zu stark zurechtgemacht). In dieser Konkurrenz war Alexander Klaws nach meiner Meinung der mit Abstand Schwächste und Farbloseste. In anderen Ländern scheint die Talentsuche besser zu funktionieren.

Nicht zuletzt deshalb habe ich mich gefragt, warum es bei dieser ersten und einzigen World Idol Veranstaltung geblieben ist. War sie kein Erfolg? Hat sie nicht das gewünschte Ergebnis gebracht? Inzwischen läuft die von Sony BMG initiierte (und lizensierte) Superstar-Suche weltweit in über 30 Ländern, da sollte man doch meinen, dass ein derartiger Wettbewerb der (natürlich alle bei Sony BMG unter Vertrag befindlichen) nationalen Pop-Idole für größeren Bekanntheitsgrad, weitere Publicity und gesteigerte Plattenverkäufe sorgen würde. Aber wie es scheint war kaum einer der Beteiligten mit der World Idol Veranstaltung zufrieden.

Zunächst blieben die Zuschauerzahlen teilweise deutlich unter den Erwartungen, vor allem in den USA und in Großbritannien. Das wurde darauf zurückgeführt, dass die Kandidaten aus diesen Ländern bereits anderthalb, bzw. zwei Jahre „alt“ waren. Bei World Idol traten die Gewinner der jeweils ersten Sendestaffel ihres Landes gegeneinander an, und in Großbritannien und den USA lag diese schon (fast) zwei Jahre zurück. Inzwischen war in diesen Ländern bereits die zweite Staffel abgeschlossen oder die dritte angelaufen. Die zeitliche Synchronsation der Superstars verschiedener Länder stellte sich also als Problem heraus. Die bereits im Musikgeschäft arrivierten Kandidaten Kelly Clarkson und Will Young waren auch nur noch schwer zu einer Teilnahme zu überreden.

Aber auch von den Juroren kam Kritik. Originalton Simon Cowell: „You don’t have to be a brain surgeon to realize this competition is ridiculous. The gulf between these singers is enormous – it’s like comparing donkeys to racehorses. I honestly don’t know why I’m here.“ (Antwort des veröffentlichenden Redakteurs: „Simon, we can answer that question in three words: money and publicity.“)

Auch waren die Pop-Stars mit der Veranstaltung nicht zufrieden. Die überwiegend Lob gewohnten Gewinner ihrer nationalen Wettbewerbe waren darüber konsterniert, wie sie von der elfköpfigen Jury mit allerlei Nettigkeiten bedacht wurden. Der Australier Guy Sebastian drückte das so aus: „I must admit I was disappointed. I thought this was going to be a beautiful thing, a celebration of music from around the world, of different cultures coming together. Instead we got a slagging match that upstaged all the idols.“

Tatsächlich versuchten wohl die elf Star-Juroren ihrer jeweiligen Länder untereinander einen Wettkampf darüber auszutragen, wem die witzigsten, originellsten und bissigsten Kommentare einfielen. Nachdem sich Simon Cowell über das Aussehen des kanadischen Kandidaten lustig gemacht hatte, wagte es der kanadische Juror als einziger die als unantastbar geltende Kelly Clarkson zu kritisieren mit den Worten, ihr Gesang klänge wie „shouting with tone“ (meiner Meinung nach nicht ganz falsch). Das verärgerte Mr. Cowell derart, dass er den Kanadier anfuhr, er habe von Musik keine Ahnung. Über die Art und Weise, wie die Juroren die Kandidaten herunterputzten und schließlich gar noch gegenseitig übereinander herfielen, waren auch die Produzenten der Sendung nicht besonders glücklich. Sie gaben zu, dass ihnen die Dinge etwas aus der Hand geglitten waren, und sie die Aufzeichnungen „stark editieren“ mussten. Da nicht live gesendet wurde, konnten sie die schlimmsten Ausrutscher der Jury noch herausschneiden.

Zusammenfassend kann man wohl sagen, dass eigentlich keiner der Beteiligten diese Veranstaltung als besonders erfolgreich empfunden hat, und so muss man wohl nicht mit einer Fortsetzung rechnen.

Kommen wir noch kurz zu einem anderen musikalischen „Großereignis“, der Grammy-Verleihung vom vorletzten Wochenende. Da waren auch ein paar Namen vertreten, die uns nicht ganz unbekannt sind. Wilfried wird es freuen zu hören (falls es ihm noch nicht bekannt war), dass in der Kategorie „Best Contemporary Blues Album“ unter anderem Joan Armatrading (Into The Blues) nominiert war, gewonnen haben allerdings JJ Cale & Eric Clapton (The Road To Escondido). In der Kategorie „Best Contemporary Folk/Americana Album“ durfte Ry Cooder (My Name Is Buddy) auf einen Preis hoffen, der ging dann allerdings an Steve Earle (Washington Square Serenade). Für „The Best Long Form Music Video“ wurde Madonna (The Confessions Tour) ausgezeichnet (Das war der Auftritt der dürren Dame mit dem dünnen Stimmchen zusammen mit den jungen Kerlen). Die Kategorie „Best Rock Album“ war mit Bruce Springsteen (Magic) und John Fogerty (Revival) hochkarätig besetzt, die glücklichen Gewinner waren allerdings die Foo Fighters (Echoes, Silence, Patience & Grace). Bruce Springsteen konnte dafür in drei anderen Kategorien („Best Solo Rock Vocal Performance“, „Best Rock Instrumental Performance“ und „Best Rock Song“) den Preis mit nach Hause nehmen. Und selbst Bill Clinton und Jimmy Carter gehörten zu den Nominierten, und zwar in der Kategorie „Best Spoken Word Album“. Sie gingen allerdings beide leer aus, den Sieg trug Barack Obama davon. Ob das schon ein Omen für die nächsten Präsidentschaftswahlen war?

Und noch ein uns bekannter Name tauchte bei der Preisverleihung auf: Ann Marie Calhoun wurde „My GRAMMY Moment 2008“ Winner. Herzlichen Glückwunsch an die junge Dame, die letztes Jahr noch zusammen mit Jethro Tull in Südamerika gefiedelt hat. Und hier nun ihr großer Grammy-Auftritt: The 50th Grammy Awards-Foo Fighters/My Grammy Moment Winner. Ich muss zugeben, dass mich dieses Video etwas ratlos hinterlassen hat. Von Miss Calhoun habe ich kaum etwas gesehen und noch weniger gehört. Die kurze Orchester-Einlage schien mit dem Rest des Songs nichts zu tun zu haben – gab es da irgendwelche Zusammenhänge oder Ähnlichkeiten in der Melodie? Insoweit man bei diesem Titel von einer Melodie sprechen kann. Und warum oder wofür waren die Foo Fighters dieses Jahr für fünf! Grammys nominiert, von denen sie immerhin zwei („Best Rock Album“ und „Best Hard Rock Performance“) auch gewonnen haben? Etwa für ihr stümperhaftes Gekreische und diesen eintönigen Lärm? Aber das muss ich wahrscheinlich auch nicht verstehen.

Das soll für heute genug sein, wenn ich auch mit dem Idol-Thema noch nicht fertig bin. Ihr könnt Euch schon auf die Fortsetzung freuen.

Es grüßt Euch ganz herzlich bis zum nächsten Mal Eure
Kretakatze

PS.: Zum Abschluss für heute noch mein Dank an Wilfried, der sich in seinem letzten Beitrag intensiv und umfassend mit der Geschichte des Songs Morning Has Broken beschäftigt hat. Zu diesem Lied kann nun eigentlich wirklich keine Frage mehr offen sein.

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

also was diesen ganzen Superstar-Idol-Kram betrifft, da habe ich eine innere Blockade. Was Kretakatze schreibt, deckt sich im Wesentlichen mit meinen bisher gewonnenen Eindrücken. Und die sind eben nicht die besten. Wenn ich einige Sekunden von diesem Murx im Fernsehen gesehen haben, dann nur zufällig, weil ich beim Umschalten auf einem falschen Sender (falsch im wahrsten Sinne des Wortes) gelandet war. Allein der Gedanke, dieses Knittergesicht Bohlen sehen zu müssen, verursacht bei mir Übelkeit. Wenn er dann noch seine Sprüche loslässt, muss ich mich bestimmt übergeben. Dabei ist der gute Dieda fast mein Nachbar. Er wohnt in Tötensen an der B 75, die auch durch Tostedt führt und Bremen mit Hamburg verbindet. Von uns bis Bohlen sind es vielleicht gut 20 km. Da Tostedt ein Amtsgericht hat, war er schon öfter dort, um sich z.B. wieder einmal scheiden zu lassen.

Tötensen - Tostedt

Judith Lefeber ist sicherlich eine hervorragende Sängerin. Wenn sich wie jetzt in der neuesten Staffel von DSDS weit über 20.000 Leute casten lassen, dann sollte darunter mindestens auch eine annehmbare Stimme sein. Dass Judith Lefeber dann „freiwillig ausgeschieden“ ist, verwundert schon, aber angesichts des ganzen Drumherums von DSDS ist das durchaus nachvollziehbar. Nicht jeder ist bereit, seine Seele an den Teufel zu veräußern (Bohlen, Sony, RTL). Die Lieder selbst von Judith Lefeber sind allerdings nicht meine Geschmacksrichtung. Schon allein deshalb ist dieser ganze Superstar-Idol-Kram nicht mein Ding. Das soll allerdings nicht heißen, dass ich Kretakatzes Ausführung uninteressant finde. Nur, liebe Kretakatze, erwarte nicht, dass ich mich dazu bis auf das bisher Geschriebene weiter äußern werde.

Das mit der Grammy-Verleihung an Ann Marie Calhoun habe ich irgendwie nicht so ganz verstanden. Ich weiß nur, dass es im Vorfeld eine Abstimmung via Internet gab. Es muss sich also um eine Art Publikumspreis handeln, oder? Und die Foo Fighters? Die haben zwei Grammys eingeheimst? Für ein solches Gegröhle? Sind schon verkehrte Welten.

Diese ganzen Preisverleihungen finde ich eigentlich auch eher zum Kotzen. Ich habe den Eindruck, dass sich da jeweils eine Branche selbst feiert. Das sind im Grunde nichts anderes als Werbeveranstaltungen (so heißt es u.a.: „Der ECHO ist Wegbereiter für die großen Erfolge der Stars“). Und in Deutschland gehen die Preise (Bambi, Echo usw.) doch seit Jahren immer an die gleichen „Künstler“ (oder täusche ich mich da?). Also keinen Preis zu bekommen ist da schon fast eine Auszeichnung. Nur so nebenbei: Der Executive Producer des ECHO, Gerd Gebhardt, ist gleichzeitig Chef der deutschen Sektion der IFPI, des Weltverbandes der Phonoindustrie.

Aber genug. Komme ich doch noch etwas auf das Hauptthema unseres Gedankenaustausches zurück: Herrn Anderson und seine Musikkapelle namens Jethro Tull. Passend zum 40. Jahrestag gibt es jetzt ein neues Layout der Website. Okay, die ist wohl noch kräftig in Arbeit, aber eine Testversion ist bereits öffentlich zugängig: New Tull Website Open for Testing. Allzu aufregend neu finde ich diese allerdings nicht. Und was da so viel zu testen sein soll, weiß ich auch nicht. Andrew Giddings, der Ex-Keyboarder, zeichnete bisher als Webmaster. Mit seiner Entlassung muss sich ja wohl ein neuer um den Webauftritt kümmern. Hoffentlich bekommt unser Meister da keine feuchten Augen, wenn er die monatlichen Kostenabrechnungen dafür ins Haus bekommt.

Vielleicht kann man Herrn Anderson damit helfen, Geld in die Kasse zu bekommen, wenn man eines der vielen Utensilien erwirbt, die unter dem Stichwort Merchandising angeboten werden. Ich muss gestehen, mich mit T-Shirts und dergleichen bisher nicht eingedeckt zu haben. Nach dem letzten Konzert, das ich mir von Jethro Tull im Jahre 2005 angeguckt habe, reichte es gerade für ein Baseball-Käppi, wie unten zu sehen ist, und das war mir eigentlich schon zu teuer. Ich will nun wirklich keine Werbung machen, aber das aktuelle Merchandising Programm ist zumindest interessant zu betrachten. Vielleicht möchtet Ihr Euer Büro mit einem Kaffeebecher (Haferl wie man in süddeutschen Gefilden sagt) ala Jethro Tull schmücken. Hier könnt Ihr einen solchen bestellen: Jethro Tull Merchandising Program online

Willi unterm Jethro Tull-Käppi

Komme ich noch einmal zum Thema Grammy zurück. Als Jethro Tull ihren Grammy bekamen, schaltete deren damalige Plattenfirma Chrysalis eine Werbung u.a. im Billboard Magazine mit der Schlagzeile: „The flute is a heavy metal instrument“. Die entsprechende Werbung habe ich nun im Internet gefunden und möchte sie Euch nicht vorenthalten:

The flute is a heavy metal instrument

Zuletzt vielleicht noch einige interessante Links zu Jethro Tull:


Video: The History of Progressive Rock – Jethro Tull (und Moody Blues)

Da ich denke, dass Ihr nur teilweise eingefleischte Tull-Fans seid und nicht alle Alben der Gruppe habt, hier noch einige Links, über die Ihr sogar das eine oder andere Stück herunterladen bzw. im Netz anhören könnt:

Downloads u. zum Abspielen [1] [2] [3]

Dank dem Laufi-Forum bin ich über folgende Site gestolpert, die ein ziemlich breites Angebot an Musik zum Anhören im Netz hat: deezer.com. Hier findet Ihr auch viele Tull-Scheiben, u.a. Thick as a Brick – A Classic Case.

Und zu allerletzt eine deutsche Site (wahrscheinlich kennt Ihr die längst), die neben vielen Infos auch jede Menge Bilder von Anderson & Co bietet: beggars-farm.de

Jetzt aber wirklich genug. Wir bleiben am Ball.
Bis bald – und viele Grüße
Euer Willi

27.02.2008

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 91: The Bunessan Tune

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

zuerst einmal Dank an Lockwood, dass er mir mit dem Text zu „Rocks On The Road“ ausgeholfen hat. Da hatte ich ja doch auch noch ein paar andere Stellen falsch verstanden. Und auf die Website von CupOfWonder hätte ich eigentlich auch selbst kommen können…

Nun zu Lockwoods übersinnlicher Story von der mysteriösen „Uhrenheilung“. Jedes Wort, das man dazu sagt, kann eigentlich nur Spekulation sein. Herrn Uri Geller kenne ich nur vage vom Hörensagen und möchte mir kein Urteil über ihn erlauben. Prinzipiell halte ich paranormale Phänomene für möglich, wäre aber erst einmal misstrauisch. Andererseits erscheint mir auch die Theorie von der statistischen Wahrscheinlichkeit und der Wirkung von Körperwärme und Bewegung ziemlich hergeholt. So leicht bringt man eine kaputte Uhr nicht wieder zum Laufen. Wenn es sich um eine Armbanduhr handelt, wird sie üblicherweise während der Einwirkung von Körperwärme und Bewegung stehen geblieben sein. Da könnte ich mir noch eher vorstellen, dass die elektromagnetische Spannung in der Nähe des Fernsehers einen Einfluss auf die Elektronik ausüben könnte. Aber um das Thema noch etwas auszuweiten, hier zunächst eine parapsychologische Story aus meinem eigenen Bekanntenkreis.

Vor Jahren steckte eine Freundin von mir in einer Beziehungskrise und war sich unschlüssig, wie es weitergehen sollte. In dieser Situation rief sie eine Wahrsagerin an, die Ihre Dienste per Telefon anbietet. Die Telefonnummer hatte sie von einer Bekannten, die ihr diese Hellseherin empfohlen hatte, da alle ihre
Prophezeihungen bei ihr eingetreten waren.

Die Wahrsagerin erwähnte zunächst einige Details aus dem Vorleben meiner Freundin, die eigentlich niemand wissen konnte. Sie stimmten alle. Dann wusste sie auch bereits den Grund des Anrufs – es ging um ihren Freund. Sie sagte meiner Freundin klipp und klar, dass sie sich getrost von ihm trennen könne, die Geschichte habe sowieso keine Zukunft. Außerdem werde sie schon bald einen anderen Mann kennenlernen. Dieser wäre Südländer, jünger als sie, und er würde ihr „die Welt zeigen“.

Als meine Freundin mir das damals erzählte, waren wir uns beide einig, dass diese Frau sich ja wohl ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hatte, denn die Wahrscheinlichkeit, dass diese Kombination ungewöhnlicher Umstände eintreten würde, tendierte gegen Null. Meine Freundin hatte noch nie etwas mit Südländern am Hut gehabt, und dann auch noch einer, der jünger als sie wäre?!? Bis zu diesem Zeitpunkt war sie noch nie weiter als bis nach Griechenland gekommen, und die vorangegangenen 5 bis 10 Jahre war sie aus Geldmangel praktisch überhaupt nicht mehr verreist.

Wenige Monate später lernte sie den Mann kennen, mit dem sie jetzt seit etwa 7 Jahren zusammenlebt. Er ist 11 Jahre jünger als sie, hat dunkle Haare und stammt aus Kroatien. Seither war sie mit ihm mehrmals in den USA, in Puerto Rico, auf Kuba, auf Sri Lanka, in Tunesien, in der Türkei und ich weiß nicht sicher wo sonst noch. Das kann natürlich alles auch Zufall sein…

Einige Zeit später hat meine Freundin diese Wahrsagerin übrigens nochmals angerufen, um sie nach der Zukunft zu befragen. Diesmal waren alle ihre vermeintlichen Kenntnisse aus dem Privatleben meiner Freundin falsch. Anschließend gab sie eine Allerwelts-Prophezeihung ab im Stile „Wenn der Hahn kräht auf dem Mist…“.

Um mich jetzt auch noch selbst ziemlich weit aus dem Fenster zu lehnen, würde ich folgende gewagte Theorie aufstellen: Es gibt tatsächlich Menschen mit übersinnlichen Fähigkeiten, allerdings können sie diese nicht wirklich kontrollieren. Manchmal funktioniert es halt und manchmal nicht. Wenn man aber sein Geld damit verdienen will, muss man eben so tun als ob es immer funktioniert. Besagte Hellseherin beginnt ihre Gespräche stets damit, dass sie ihren Kunden auf einige private Details anspricht. Das scheint mir fast wie ein Cross-Check, in dem sie herauszufinden versucht, ob sie gerade in der Spur ist oder eher auf dem Holzweg. Bekommt sie vom Kunden die Rückmeldung, dass das, was sie aus Vergangenheit und Gegenwart „sieht“, richtig ist, dann kann sie sich wahrscheinlich ziemlich sicher sein, dass auch ihre Ahnungen über die Zukunft stimmen, und wird diese entsprechend präzise und bestimmt vorbringen. Fällt das Feedback negativ aus, dann gibt sie eben irgendeine allgemeingültige Wettervorhersage ab.

Die Hellseherei ist sowieso ein heikles Metier. Es ist ja sicher sehr angenehm, wenn man seiner Kundin weissagen kann, dass sie demnächst einen gutaussehenden, jungen Mann kennenlernt, mit dem sie schöne Reisen unternehmen wird (klingt ja wirklich wie das klassische Klischee aus der Jahrmarkt-Bude…), aber was macht man, wenn man Krankheit, Unfall oder Tod sieht? Wie bringt man seinem Kunden schonend bei, dass er demnächst ermordet wird? Das kann man eigentlich fast nicht tun. Auch für solche Fälle muss man noch ein paar unverfängliche Zukunftsszenarien in petto haben, die Wahrheit ist manchmal nur die zweitbeste Lösung. Zumal wir ja spätestens seit Ödipus wissen, dass man die Zukunft eben nicht ändern kann, und die Weissagung derselben sogar eine wesentliche Voraussetzung für ihre Erfüllung sein kann.

Was den Herrn Uri Geller betrifft: Die Tatsache, dass sein Repertoire so begrenzt ist, könnte ein Indiz dafür sein, dass er tatsächlich übersinnliche Fähigkeiten besitzt. Wenn er nur ein Taschenspieler wäre, der durch Tricks Geld verdienen will, dann würde er sich doch mal etwas Neues und Interessantes ausdenken. Löffel verbiegen ist doch wirklich ziemlich öde, das braucht doch eigentlich niemand. David Copperfield lässt Elefanten verschwinden – das hat was! (Das braucht allerdings eigentlich auch niemand.) Hat aber Herr Geller tatsächlich Fähigkeiten im telekinetischen Verändern von Besteck und Uhren, dann ist er auf dieses Spektrum festgelegt, da kann er nicht einfach noch einen indischen Seiltrick dazunehmen. Andererseits sind offensichtlich seine übersinnlichen Kräfte, wenn er denn welche hat, nicht jederzeit uneingeschränkt einsatzfähig. Was tun, wenn Millionen vor den Fernsehschirmen sitzen, und es klappt gerade nicht? Für diesen Fall braucht er natürlich noch Plan B, sprich ein paar angesägte Gabeln, in der Hinterhand…

Soweit von mir ein paar völlig unverbindliche Gedanken zu den parapsychologischen Mysterien des Universums…

Schnitt – kommen wir noch einmal zu Herrn Nilsen. Lockwood fand, dass er tatsächlich wie ein Hobbit aussieht, hatte aber Bedenken, ob man derartige Vergleiche vor einem Millionenpublikum anstellen sollte. Ich glaube diese Bedenken kann ich zerstreuen. Um zu veranschaulichen was ich meine, werde ich eine Anekdote aus meinem bewegten Leben erzählen.

Als ich im Alter von 9 Jahren ins Gymnasium kam, hatte ich so eine Art Pippi-Langstrumpf-Frisur, ich trug eine Brille, hatte ein Grinsen von einem Ohr bis zum anderen und ziemlich große Schneidezähne (eigentlich waren meine Zähne damals auch nicht größer als heute, nur der Rest von mir war kleiner). Zur Illustration hier ein Bild von mir aus dieser Zeit, das genau wie Jethro Tull in diesem Jahr 40-jähriges Jubiläum feiert. Es zierte meinen ersten Schülerausweis.

In der ersten Turnstunde suchte unsere Lehrerin jemanden, an dem sie eine Übung vorführen konnte, und es sollte jemand möglichst kleines und leichtes sein, damit sie nicht so viel Mühe mit dem Halten halte. Ich war die Kleinste, Schmächtigste und Mickrigste in der Klasse, also fiel ihr Auge auf mich. Da sie unsere Namen noch nicht kannte, rief sie mich “ Hey Micky-Maus, kannst Du mal herkommen!“. Ich fühlte mich überhaupt nicht angesprochen, zumal mir nicht aufgefallen war, dass sie mich anschaute. Aber meine Klassenkameradinnen hatten sofort verstanden, wer gemeint war. Von allen Seiten wurde ich angeschubst „Hey Micky-Maus, Du sollst nach vorne kommen!“.

Von diesem Tag an hieß ich Micky-Maus, was bald auf Micky gekürzt wurde. Noch heute sprechen mich alle Freundinnen aus Schul- oder Studienzeit ausschließlich mit diesem Namen an, Briefanreden eingeschlossen. Mein richtiger Name geriet bei Vielen völlig in Vergessenheit. Aber mein neuer Name hatte noch weitere Effekte. Schnell sprach es sich in der ganzen Schule herum, dass es in der 5a eine Micky-Maus gäbe. Lehrer, die neu in die Klasse kamen, kannten mich bereits bei diesem Namen. Auf dem Schulhof wurde ich von Schülern anderer Klassen angesprochen, ob ich nicht die Micky-Maus wäre. Ich war plötzlich berühmt und beliebt, und das Image der Micky-Maus – clever und sympathisch – hatte sich auf mich übertragen.

Übrigens war ich ausgesprochen froh über meine damalige Umbenennung, da ich meinen richtigen Namen noch nie leiden konnte. Noch heute trage ich meine Micky-Maus-Identität mit Stolz, wenn es mir denn möglich ist. So war ich z.B. bis vor YouTube im Internet ausschließlich unter dem Pseudonym micky_the_cat unterwegs – ob nun in diversen Foren, bei ebay, amazon oder wo auch immer. Bei YouTube war der Name leider schon vergeben, und so bin ich auf Kretakatze umgestiegen – aber das nur am Rande.

Ich denke mit dem Hobbit-Image des Herrn Nilsen ist es ähnlich. Der australische Juror (hier noch einmal das Video) hat ihm mit diesem Vergleich den größten Gefallen getan. Er hat Mr. Nilsen mit etwas äußerst Erfolgreichem und Beliebtem in Verbindung gebracht und damit dessen Image auf ihn übertragen. Der Ausspruch über „die Stimme eines Engels und das Aussehen eines Hobbits“ würde Schlagzeilen machen – das war klar. Sicher stand er am nächsten Tag in allen Zeitungen (warum habe ich das eigentlich nicht gelesen – den singenden Hobbit hätte ich mir allein schon aus Neugier auch mal angeschaut…). Auch jemand, der Herrn Nilsen noch nie gesehen oder gehört hatte, würde aufgrund dieses Vergleichs neugierig auf ihn werden (siehe oben), er würde eine Vorstellung davon bekommen wie er singt und wie er aussieht und ihn sympathisch finden. Der Australier spricht hier von einer Herausforderung für das Marketing und zeigt dann den Verkaufsstrategen gleich, wie man’s machen muss, indem er die genialste PR-Idee direkt kostenlos hinterher liefert. Eigentlich gebührt ihm dafür ein Orden. Im Übrigen hat auch Herr Nilsen selbst in Interviews bereits betont, dass er diesen Ausspruch als Kompliment aufgefasst hat und stolz darauf ist ein Hobbit zu sein. Das wäre ich an seiner Stelle auch.

Im krassen Gegensatz dazu steht der Stil, den der Amerikaner Simon Cowell (Sony BMG Records) hier an den Tag legt. Er sagt nicht direkt „Sie sind hässlich“, nein, er sagt so etwas wie „Sie sind noch schlimmer als hässlich“, denn „Wir haben schon einer Menge hässlicher Leute Plattenverträge gegeben“, aber „Sie hätten nie einen bekommen“. Das ist brutal und demütigend, auch wenn er seine Worte anschließend durch Anerkennung der Leistung wieder auszugleichen meint. Manche Worte kann man durch nichts mehr ausgleichen. Seine gesamten Ausführungen zeugen vom Feingefühl eines Bulldozers. Der grundlegende Unterschied in den Beurteilungen der beiden Juroren zeigt sich im Übrigen auch in der Reaktion des Herrn Nilsen. Während der Vergleich mit einem Hobbit und das Angebot einer Rolle als „Middle Earth Idol“ bei ihm lediglich unbeschwerte Heiterkeit auslöst, zuckt er unter den Worten des Mr. Cowell sichtbar zusammen, um ihn dann aus einer Art Schutzhaltung heraus von unten anzuschauen in Erwartung der Schläge, die noch kommen könnten. Wenn ich das sehe, würde ich am liebsten Mr. Cowell eins über den Schädel ziehen. Sorry, wenn ich hier jetzt militant klinge, ich bin natürlich prinzipiell ein Befürworter strikter Gewaltlosigkeit…

Dabei verstehe ich durchaus, was Mr. Cowell meint. So richtig klargeworden ist es mir beim Betrachten des folgenden Videos. Auf YouTube gibt es alles, auch das original Casting des Herrn Nilsen mit Untertiteln. Da kommt er also rein, der Klempner Kurt Nilsen, und möchte Superstar werden (eigentlich möchte er wahrscheinlich garnicht unbedingt Star werden, er möchte nur Musik machen und davon leben können). Er singt etwas vor, das er selbst geschrieben hat – das werden wohl auch die Wenigsten tun. Erstaunlich dann der ältere Herr in der Runde, der nur eine kurze Nachfrage hat und ihn dann ohne Bedenken in die nächste Runde durchwinkt. Die anderen Drei sind sich eigentlich alle einig: Er singt zwar verdammt gut, aber er taugt nicht zum Pop Star. Der Erste winkt gleich ab, die Lady zaudert und schwankt. Dann fällt der entscheidende Satz „Ich denke wir sollten es mal versuchen“. Der Letzte in der Runde wiederholt ihn fast exakt. Ja, versuchen wir’s doch einfach mal, es kostet ja praktisch nichts, also was soll’s? Warum nicht dem Publikum noch ein Kontrastprogramm bieten, wenn’s ihm nicht gefällt kann es ihn ja abwählen.

Das ging nur, weil es nichts gekostet hat und es nichts zu verlieren gab. Hätte man Geld in ihn investieren müssen für Studioaufnahmen, Promotion, vielleicht gar noch ein Video, dann hätte man die Finger davon gelassen. „Ich sehe Sie nicht als Pop Star“ heißt soviel wie „Ich glaube nicht, dass Sie beim Publikum ankommen“. Nach so einem kurzen 3-Minuten-Auftritt ist das ja auch kaum zu beurteilen, wie hätte man da ahnen sollen wie er sich noch entwickelt und zu welcher Höchstform er vor der Kamera noch aufläuft. Mal kostenlos und unverbindlich antesten, die Hürde hat er gerade eben noch geschafft.

Das hat mich auch diesen ganzen DsdS-Rummel in einem anderen Licht sehen lassen. Ich hielt das bisher für ausgemachten Blödsinn, bei dem sowieso nichts Gescheites herauskommen kann. Das ging Euch wohl genauso, denn offensichtlich hat sich keiner von uns Dreien dieses internationale 100 Millionen-Zuschauer-Spektakel angeschaut. In Deutschland, wo dieses Format von einem Dieter Bohlen dominiert wird, ist da wohl auch wirklich nichts zu erwarten. Aber in Norwegen hat diese Show dazu geführt, dass jemand eine Chance bekommen hat, die er anders nie bekommen hätte. Und damit hat sie ihre Daseinsberechtigung bewiesen.

Weiteren Deiner Ausführungen, lieber Lockwood, kann ich mich so nicht anschließen. Ich finde nicht, dass alle Videos des Herrn Nilsen wie synchronisiert wirken, lediglich das Hallelujah wartet für mich immer wieder mit diesem überraschenden Effekt auf. Er wirkt auf diesen Aufnahmen auch so besonders geistreich (teilweise auch geistesabwesend) und hatte wohl rein optisch nicht seinen besten Tag. Ansonsten ist das natürlich auch eine Sache der Gewöhnung.

Auch den Ausspruch vom Sieg des Ohrs über das Auge ich würde so nicht unterschreiben. Wenn ein Fernsehpublikum abstimmt, dann nicht nur über das, was es hören will, sondern mindestens genauso über das, was es sehen will. Mr. Cowell spricht von den vielen „hässlichen“ Leuten, denen er an diesem Abend schon beim Singen zuschauen musste, und ich hoffe das hat ihm zu denken gegeben. Es ist eben nicht so, dass das Publikum immer nur gutaussehende, dem aktuellen Schönheitsideal entsprechende Sänger(innen) sehen will. Langsam hat es sich wohl an durchgestylten Schönlingen und glattgebügelten Babypopo-Gesichtern sattgesehen. Ich kann sie auch alle garnicht mehr auseinander halten, Britney Spears, Christina Aguilera, Shakira, sicher gibt es noch mehr von der Sorte. Sie sehen doch alle gleich aus und klingen alle gleich, jedenfalls für mich. Macht es irgend einen Unterschied, ob ein Lied nun von der Einen oder der Anderen gesungen wird (außer für die betreffende Dame selbst natürlich)? Könnte man nicht problemlos mindestens zwei von ihnen wegrationalisieren? Da brauche ich doch nicht auch noch eine Kelly Clarkson. Ist nicht ein netter Junge von nebenan, auch wenn ihm ein paar Zähne fehlen, wesentlich attraktiver als der fünfundzwanzigste eitle, affektierte Selbstdarsteller? Auf jeden Fall ist er einzigartig und unverwechselbar, und das ist genau das, was einen „Superstar“ von der Dutzendware unterscheidet. Ich habe den Eindruck ich bin nicht die Einzige, die so denkt (und fühlt, denn eigentlich ist das wohl mehr eine Gefühlssache).

Aber irgendwie scheinen Männer wohl überhaupt mehr Wert auf Äußerlichkeiten zu legen. So war ich verwundert, lieber Wilfried, von Deiner Theorie zu lesen, nach der es einen Zusammenhang zwischen der Körperfülle Deines ehemaligen Schulfreunds und Anzahl sowie insbesondere Aussehen seiner weiblichen Eroberungen geben sollte. Nun weiß ich ja nicht wieviele Zentner Dein Kumpel seinerzeit abgespeckt hat – so von 150 kg an aufwärts kann die Attraktivität eines Mannes schon langsam nachlassen – aber ob ein Mann nun 10 cm Bauchumfang mehr oder weniger hat, wirkt sich meiner Meinung nach nicht auf das Aussehen von Frauen aus… Wie auch immer, ich verstehe nicht was Ihr alle für Probleme mit Zahnlücken und ein paar Kilos zuviel habt. Was mich angeht kann Herr Nilsen gerade so bleiben wie er ist, ich habe betreffend sein Äußeres weder Beanstandungen noch Verbesserungsvorschläge.

Vielen Dank auch noch dafür, dass Du das Video When the Stars Go Blue verlinkt hast – hier greift Herr Nilsen tatsächlich mal ein paar Akkorde. Das Video hatte ich übersehen, genauer gesagt hatte ich es einmal angeklickt, aber dann fing dieses Mädchen an zu singen, und ich finde ihre Stimme einfach furchtbar – das habe ich nicht lange ausgehalten. Außerdem ist das ganze Lied einschließlich Video so kitschig-schmalzig und das Mädelchen so zuckersüß – da sträuben sich mir die Nackenhaare. Aber was tut man nicht alles zum Wohle der Erforschung des saitenverkehrten Gitarrenspiels (wirklich ein sehr passender Ausdruck), und man kann ja den Ton abstellen. Zuerst habe ich verzweifelt versucht vor meinem Bildschirm Kopfstand zu machen, bis mir einfiel, dass es vielleicht einfacher wäre den Rechner umzudrehen… Scherz beiseite, ich habe natürlich sofort erkannt, dass Herr Nilsen hier G, D und wohl auch noch Am und evt. C spielt. Ich habe dann versucht das an meiner eigenen Gitarre nachzumachen, und wie ich schon vermutet hatte – nicht einmal mit der Brechstange könnte ich meine Finger so hinbiegen. Vielleicht, wenn ich schon vor 35 Jahren damit begonnen hätte… Mein Ausflug ins Reich der saitenverkehrten Gitarre ist damit beendet.

Von Paul Potts hatte ich noch nie etwas gehört, die ganze Geschichte mit seinem Auftritt bei der Talentshow ist wirklich ziemlich dubios. Beim Betrachten des Videos wurde mir wieder einmal deutlich bewußt, dass gutes Aussehen und Attraktivität doch zwei ganz verschiedene Dinge sind. Mr. Potts hat für mich leider keines von beidem. Zwischen seiner Welt und meiner gibt es wohl keine Berührungspunkte. Das beginnt damit, dass ich Opern und Arien nicht mag und diesen Gesangsstil entnervend finde. Das Einzige, was mir bei diesem Video Gänsehaut verursacht, ist Mr. Potts‘ weinerlich-unterwürfige Art. Nein, so etwas möchte ich weder sehen noch hören.

Auf jeden Fall sieht das Ganze stark nach einer inszenierten Sensation aus. Nach 3 gesungenen Tönen schon Beifallsstürme des Publikums? Der Jurorin treten Tränen in die Augen? Allerdings ist das nicht der einzige Kandidat bei dem sie heult, sie scheint überhaupt ziemlich nahe am Wasser gebaut zu haben. Wahrscheinlich hat man sie hauptsächlich wegen ihrer telegenen Tränen in die Jury aufgenommen. Parallelen zu World Idol und Herrn Nilsen sind natürlich zu erkennen, wenn diese Talentshow auch wesentlich kitschig-schwülstiger inszeniert ist, sie zielt wohl auch eher auf ein älteres Publikum (so ab unserem Alter wahrscheinlich – oh, mein Gott…). Bemerkenswert auch, dass sich Mr. Cowell, den wir ja bereits als Verächter hässlicher Sänger kennengelernt haben, überhaupt nicht über das Aussehen des Kandidaten beschwert. Könnte es sein, dass er seit World Idol dazugelernt hat, dass sich Hobbits gut verkaufen, und jetzt versucht Hobbits zu züchten? Andererseits ist da sein geistreicher Gesichtsausdruck während des Auftritts des Mr. Potts:





Wenn das gespielt ist, hat er auch Talent. Außerdem würde es ja fast von einer Fähigkeit zur Selbstironie zeugen, wenn er sich selbst eine solche Rolle verpasst, und die hätte ich ihm nicht zugetraut.

Wenn ich das richtig verstanden habe, ist Mr. Cowell ja der Erfinder all dieser Idol- und Superstar-Talentshows und hat damit Kreativität und Geschäftssinn bewiesen. Er muss jetzt nicht mehr selbst nach Nachwuchsmusikern Ausschau halten, in sie investieren und das Risiko tragen, dass sie floppen. Nein, Fernsehsender weltweit nehmen ihm jetzt die Suche ab, bilden die potentiellen Kandidaten im Showbiz aus (wie halte ich ein Mikrophon, wie lächle ich in die Kamera, wie bewege ich mich richtig etc.), geben ihnen jede Menge Übungsstunden vor Studiopublikum und Kamera und machen sie allgemein bekannt, und das alles auf ihre Kosten (ob er sich daran beteiligt?). Wenn dann der Beliebteste vom Publikum gekürt ist, muss er ihm nur noch den Vertrag zum Unterschreiben vorlegen und abkassieren. Wirklich ein geniales Verkaufskonzept. Allerdings nutzt sich die Idee im Laufe der Jahre allmählich ab. Der fünfte Superstar ist einfach nicht mehr so interessant wie der erste. Da muss man eventuell schon mit ein paar kleinen Tricks nachhelfen um das Interesse wachzuhalten.

Anderes Thema – heutzutage scheint es unter Musikern zum guten Ton zu gehören, dass man auf Myspace eine Seite unterhält. Auf dieser Werbe- und Kontakt-Plattform bietet man dann 4-5 Songs zum kostenlosen Anhören, vielleicht auch noch 1 oder 2 Videos und ein paar Basis-Informationen zur Band bzw. zur eigenen Person. Dann beginnt man „Freunde“ zu sammeln, indem man sich mit anderen Myspace-Seiten verlinkt. Außerdem können andere Myspace-Mitglieder Kommentare posten oder einem liebe Grüße schicken.

Seit Dezember 2007 zählen nun auch Jethro Tull zu den Gruppen, die auf Myspace vertreten sind (Jethro Tull – myspace) – vielleicht auch im Hinblick auf die anstehenden Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum. Wenn ich das richtig sehe, haben sie bislang noch überhaupt keine berühmten „Freunde“, aber die Seite ist ja auch noch sehr frisch und vermutlich noch kaum bekannt. Was mir wieder einmal auffiel, ist der Männerüberschuss bei den Fans, wenn er hier auch längst nicht so krass erscheint wie etwa im Laufi-Forum. Bei Mark Knopfler – myspace und John Fogerty – myspace scheint mir das Geschlechter-Verhältnis dagegen ziemlich ausgeglichen. Als ich vor Monaten schon einmal dieses Thema ansprach, meinte Lockwood bei Ricky Martin und Julio Iglesias sähe es bestimmt anders aus. Deshalb habe ich auch bei diesen Herren aus Neugier einmal geschaut. Tatsächlich sind bei Ricky Martin – myspace erwartungsgemäß die Frauen in der Mehrzahl, allerdings ist bei ihm überhaupt nicht viel los – er ist wohl gerade aus der Mode? Noch trister sieht’s bei Julio Iglesias – myspace (das scheint allerdings keine offizielle Seite zu sein) aus – der Ärmste sitzt auf seiner Seite ganz allein und niemand schickt ihm Grüße… Dagegen muss sich Kurt Nilsen – myspace nicht über Mangel an weiblichem Zuspruch beklagen, wenn es auch so aussieht als ob er aus seiner Postbox mal wieder die Spams herauslöschen sollte. Und was sagt uns das alles? Vermutlich nicht viel, repräsentative Aussagen kann man auf solche Feststellungen sicher nicht gründen. Und ich sollte mir vielleicht einmal abgewöhnen überall etwas hineininterpretieren zu wollen…

Kommen wir zum Schluss noch zu den Schätzen, die Wilfried exklusiv für uns aus seinen Archiven gehoben hat. Erst einmal vielen Dank, lieber Wilfried, dass Du Dir diese Mühe gemacht hast. „Black Out“ hatten ja offensichtlich ein bunt gemischtes Repertoire. Wobei „Morning Has Broken“ für mich eigentlich kein Cat Stevens Song ist – er hat dieses Lied nicht selbst geschrieben, er hat es nur „gecovert“. So würde man das wohl heute nennen. Mein Kommentar nun zu der „Black Out“ Version: Wenn ich gemein wäre, dann würde ich sagen, dass ich nun verstehe, warum Jo Landers nicht über den Start seiner Karriere hinaus gekommen ist – zumindest als Sänger. Aber natürlich sage ich so etwas nicht. Seit ich wieder selbst angefangen habe ein bißchen „Hausmusik“ zu machen, ist mir erst wieder bewußt geworden wie schwierig es ist einen Song auch nur halbwegs fehlerfrei zu spielen, geschweige denn stimmig zu interpretieren. Insofern: Hut ab vor Eurer Leistung!

Oh je, ich fürchte jetzt bin ich doch wieder ausgeschweift und -geufert. Ich hoffe auf Eure Nachsicht…

liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: Übrigens, lieber Wilfried, ist Dir in Deinem letzten Beitrag eine kleine Freud’sche Fehlleistung unterlaufen. Der Song von Kurt Nilsen, den übrigens auch ich für seinen besten halte – auch das Video ist atmosphärisch dicht und hat Format – heißt nicht „Nothing Easy“ sondern Never Easy. Da hattest Du wohl an Nothing Is Easy gedacht (hier eine live Version aus Lenox MA 1970). Abgesehen davon, dass in beiden Titeln das Wort „easy“ vorkommt und in beiden Fällen der Sänger blond ist, kann man sonst aber wohl kaum Parallelen zwischen beiden Musikstücken oder Videos entdecken. In der alten Tull-Aufnahme kommt das Beste übrigens erst gegen Ende. Ab etwa 7:40 turnt neben Ian plötzlich ein wildgewordener Fan herum, der unter Mühen von zwei Sicherheitskräften wieder von der Bühne gezerrt wird. Danach muss ca. ab 8:10 Mr. Anderson noch einen Ringkampf mit zwei Mikrophonen bestehen. Sein Kommentar zum Schluss: „Civil War again…“.

30.01.2008

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

vielen Dank für den Hinweis, dass dieser ungehobelte Typ in der Jury jener Amerikaner Simon Cowell (Sony BMG Records) ist, bei dem sich wohl auch Herr Bohlen in der deutschen Variante dieser Super- oder sonst wie Star-Suche ein negatives Beispiel genommen hat. Kretakatzes Anmerkungen werfen dabei auch ein etwas anderes Licht auf die Argumentation von Sony & Co., die bekanntlich den Hauptteil der Erlöse aus den CD-Verkäufen ihres Hauses einstreichen. Angeblich investiert Sony einen erheblichen Teil davon in Nachwuchskünstler und nimmt dabei auch Verluste in Kauf. Herr Simon Cowell nun ist sich nicht zu schade, selbst höchst persönlich an der Front zum Einsatz zu kommen (bei eben solchen Talent-Shows), kassiert dabei sicherlich (ähnlich Herrn Bohlen) nicht schlecht und kann sich für Sony dann am Ende die Rosinen aus dem Kuchen pieken. So sieht also die für Sony so kostspielige Unterstützung von Talenten aus.

Sicherlich werden die TV-Sender dabei auch ihren Schnitt machen. Solche Talent-Shows gibt es ja schon in (fast) allen Ländern, und die laufen nicht schlecht, sonst wären sie längst wieder abgesetzt. Und was bei den einen der Herr Sony-Cowell ist, das ist bei uns Dieda Bohlen (auch Herr Raab ist in das Geschäft eingestiegen). Bohlen kann zwar keine eigene Plattenfirma bieten, aber seine Beziehungen sind bestimmt die besten – und nebenbei macht er sein Geld, in dem er das ganze Zeug produziert, vielleicht auch noch das eine oder andere Liedchen komponiert.

Allein das ist ein Grund, mir solche Sendungen nicht anzugucken. Da mögen mir auch Perlen wie Kurt Nilsen durch die Lappen gehen. Aber wir haben ja Kretakatze, die uns solche Schätze zuführt, nicht wahr :-)?

Was übersinnliche Fähigkeiten anbelangt, da bin ich doch ziemlich skeptisch. Sicherlich hat Kretakatzes Theorie etwas, das nicht unbedingt von der Hand zu weisen ist. Sollte ein Mensch solche Talente besitzen, so dürften diese voraussichtlich (sic!) schwer zu kontrollieren sein. Aber beim Blick in die Zukunft, also die ganze Hellseherei, daran mag ich dann doch nicht glauben. Natürlich gibt es bei Wikipedia dazu interessante Informationen mit vielen weiterführenden Links. Danach hält die Physik Blicke in die Zukunft grundsätzlich für möglich. Aber das steht nach meiner Meinung unter dem Motto: Was möglich ist, ist auch „machbar“. Genug!

Ja, mit Spitznamen (heute nennt man die wohl auch Nickname) ist das so etwas. Auch mich hatten meine Mitschüler (nicht Lehrer) mit einem Namen aus dem Disney-Sortiment versehen: Pluto. Allerdings ist der Name nicht so haften geblieben, vielleicht weil meine Ähnlichkeit mit diesem Hund nicht sehr groß war (und ist). Meine Schulklasse sollte eine Klausur schreiben und irgendein Witzbold hatte meine Schultasche versteckt. Während meine lieben Mitschüler bereits ihre Federmappen herausholten, turnte ich noch durch den Klassenraum auf der Suche nach meinen Sachen. Und da rief dann ein weiterer Witzbold: „Pluto, such …!“. – Mindestens ein Schuljahr hieß ich dann Pluto. Dann verlor sich das aber so langsam. Ja ein Spitzname erhöht den allgemeinen Bekanntheitsgrad in der gesamten Schule. Ich war aber doch eher froh, wieder in der namenlosen Masse unterzutauchen. Solche Popularität hat Vor-, aber auch ihre Nachteile (man ist für jeden Hans und Franz ansprechbar).

Wie Ihr vielleicht schon gesehen habt, habe ich mir reichlich Arbeit gemacht, um den 40. Jahrestag unserer Lieblingsband entsprechend zu würdigen. Über das Ergebnis war ich dann selbst überrascht, speziell was die Veränderungen im Aussehen unseres Flötenmeisters betreffen. Ende der 80er Jahre zeigte er sich ergraut und mit größerer Körperfülle, um sich dann wie Phönix aus der Asche Anfang der 90er schlank, fast jungenhaft dem verehrten Publikum zu zeigen. Das hielt dann einige Jahre, bis er nach und nach zu dem wurde, was heute mit bedecktem Haupt über die Bühne wuselt.

Damit wären wir wieder bei Thema ‚Aussehen’. Sicherlich ist es richtig, dass Männer etwas mehr von Äußerlichkeiten halten. Aber das relativiert sich im Laufe der Jahre. Ich habe einige „schöne“ Menschen kennen gelernt. Aber sobald diese ihren Mund aufmachten, verflog der Zauber ihrer scheinbaren Schönheit sehr schnell. Deshalb habe ich auch keine Probleme mit dem heutigen Erscheinungsbild von Herrn Anderson. Da kann er gern im Schlafanzug auftreten und mit Pudelmütze. Wenn nur die Musik stimmt (noch stimmen würde) …

“Morning has broken” ist wirklich nicht aus der Feder von Cat Stevens. Aber er hat es bekannt gemacht. Ich habe etwas geforscht und eigentlich wäre ein eigener Blog-Beitrag fällig, aber hier in aller (möglichsten) Kürze das Ergebnis der Recherche:

Die Melodie stammt aus Schottland und hieß ursprünglich „Bunessan“ (nach einem Ort auf der Isle of Mull), damals bekannt mit dem Text des gälischen Weihnachtsliedes „Leanababh an aigh“ („Kind in der Krippe“), der von Mary MacDonald (1789-1872) geschrieben wurde.

Am 2.November 1931 beauftragte Percy Dearmer die englische Kinderbuchautorin Eleanor Farjeon, für die Liedersammlung „Songs of Praise“ einen neuen Text zur Bunessan-Melodie zu schreiben. Die ersten drei Strophen verwendete dann Cat Stevens für die Plattenaufnahme.

Und: Das Lied findet sich unter dem Titel „Morgenlicht leuchtet“ auch im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 455.

Zunächst die Version von Cat Stevens (in Text und Noten):

Cat Stevens: Morning has Broken

2. Sweet the rain’s new fall sunlit from heaven,
like the first dewfall on the first grass!
Praise for the sweetness of the wet garden,
sprung in completeness, where his feet pass.

3. Mine is the sunlight! Mine is the morning
born of the one light Eden saw play!
Praise with elation, praise every morning,
God’s recreation of the new day.

Hierzu die deutsche Übersetzung frisch aus dem Evangelischen Gesangbuch gescannt:

Morgenlicht leuchtet

Es gibt noch eine weitere Übersetzung von Teja Schwaner (aus: Cat Stevens Songbook – 56 Songs mit Noten – Zweitausendeins – 1976):

Der Morgen bricht an
Wie am Anfang der Schöpfung,
Die Amsel hebt an
Wie zum ersten Gesang.
Preiset ihr Singen,
Preiset den Morgen,
Preiset, wie sie geboren
Neu in die Welt.

Süß fällt der Regen
Funkelnd vom Himmel
Wie früher Tau
Morgens aufs Gras.
Preiset das Wunder
Des taufrischen Gartens,
Vollkommen entsprungen
Aus Seiner Spur.

Mein ist die Sonne,
Mein ist der Morgen,
Geboren von Licht,
das auch Eden erhellt.
Preiset mit Wonne,
Preist jeden Morgen
Gottes Erwecken
Des neuen Tags.

Außerdem fand ich folgende weitere Information (einschl. einiger Verse der englischen Übersetzung des gälischen Weihnachtslieder und der drei fehlenden Strophen von „Morning has broken“):

The tune is named for the town of Bunessan on the Isle of Mull in the Inner Hebrides, off the west coast of Scotland. Mull, close to Iona, is the island where the Irish monk Columcille (latinized as Columba) founded a monastery in the late sixth century from which monks brought Irish forms of Christianity to other parts of the British Isles and even to the mainland of Europe.

Before Percy Dearmer recruited Eleanor Farjeon to write a new text, BUNESSAN as a hymn tune was only known in association with the Gaelic text of a Christmas carol, „Leanababh an aigh,“ written by Mary MacDonald (1789-1872) and translated into English as „Child in the Manger“ by Lachlan Macbean for the collection „Songs and Hymns of the Gael” (1888). Here is part of that English translation:

Child in the manger, infant of Mary,
Outcast and Stranger, Lord of us all,
Child Who inherits all our transgressions,
All our demerits upon Him fall.

Prophets foretold Him, Infant of wonder;
Angels behold Him on His throne.
Worthy our Savior of all our praises;
Happy forever are His own.

When he sang „Morning Has Broken,“ Cat Stevens/Yusuf Islam actually sang only the first half of Eleanor Farjeon’s poem, and that is the text usually reprinted in hymnals. The second half of the text contains additional beautiful language:

Cool the gray clouds roll
peaking the mountains,
Gull in her free flight
swooping the skies:
Praise for the mystery
misting the morning
Behind the shadow
waiting to shine.

I am the sunrise
warming the heavens,
Spilling my warm glow
over the earth:
Praise for the brightness
of this new morning
Filling my spirit
with Your great love.

Mine is a turning,
mine is a new life;
Mine is a journey
closer to You:
Praise for the sweet glimpse
caught in a moment,
Joy breathing deeply
dancing in flight.

Und zu guter Letzt noch eine instrumentale Version des “Bunessan”-Liedes:

The Bunessan Tune (instrumental)

Damit ich nicht so ausschweife wie Kretakatze (bin ich ja fast schon), schließe ich hiermit:
Haltet Euch weiter wacker!

Viele liebe Grüße

Euer Wilfried

06.02.2008

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 90: 2x Aschenputtel

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

ein gutes Neues Jahr wünsche ich noch allerseits! Und dem Herrn Anderson gratuliere ich natürlich noch ganz herzlich zu seinen neuen Ehren als MBE (Member of the Order of the British Empire). Das mit dem „Sir“ kann ja noch werden…

Es freut Euch sicher zu hören, dass ich das Neue Jahr mit Jethro Tull begonnen habe. Ungefähr um Mitternacht kam mir der Gedanke, dass jetzt „Fires At Midnight“ passen könnte, inszumal sich allerlei „firework“ vor meinem Fenster abspielte. Da es sich hierbei wirklich um ein einfaches Lied handelt, habe ich auch keine 5 Minuten gebraucht, bis ich die Akkorde beieinander hatte, und so konnte ich bereits kurz nach Mitternacht folgendes spielen: Fires At Midnight (ich habe mir erlaubt den Text etwas an meine Gegebenheiten anzupassen…). Über die Tonart möchte ich auch garnicht mit Dir streiten, lieber Wilfried – E-Moll oder G-Dur, ganz wie es Dir beliebt. Da in diesem Lied ungefähr gleich viele Dur- und Moll-Akkorde vorkommen, würde ich mich da nicht festlegen wollen, und mein unzuverlässiges „Musikgefühl“ ist sowieso kein Kriterium. Für die Richtigkeit der Tonart übernehme ich auch keinerlei Garantie, ich habe meine Akkorde nicht mit dem Original abgeglichen.

Damit aber nicht genug, so ein einfaches Lied kann mich nicht lange fesseln. Also habe ich mich gleich auf das nächste gestürzt, das mir schon seit ein paar Tagen im Kopf herumging. Es hat den gleichen Rhythmus wie „Ride Across The River“ (vielleicht ein bißchen schneller) und fängt – für mich sehr passend – mit einer Katze an. Ich halte es für den letzten mir bekannten Geniestreich unseres Meisters: Rocks On The Road. Daran habe ich ein paar Tage geknabbert, und an einigen Stellen passen meine Akkorde immer noch nicht zum Original. Aber wenn ich es für mich allein spiele klingt’s ganz gut, und das reicht mir. Ach ja, vielleicht sollte ich noch kurz erwähnen, dass man das mit dem Kapodaster im 3. Bund spielt – das macht Mr. Anderson auch so, siehe dieses Video. Und noch etwas – ich konnte den Text nirgends finden und musste daher das aufschreiben, was ich vom Abhören verstanden habe. Das macht teilweise wenig Sinn. Vielleicht könnt Ihr mir da noch weiterhelfen? (Vor allem habe ich nicht verstanden, was ihn da am Morgen weckt…)

Der arme Lockwood tut mir langsam leid, er wird auch noch anfangen müssen Gitarre zu spielen, damit er sich über Harmonielehre, Barre-Griffen und Tonartwechseln nicht zu Tode langweilt. Also wechseln wir nicht die Tonart sondern das Thema.

Heute möchte ich Euch von einem jungen Mann berichten, über den ich auf Youtube gestolpert bin – wo auch sonst. Auch in seinem Falle war es Leonard Cohen’s Hallelujah, das mich zu ihm geführt hat. Das Video trägt die Überschrift Hallelujah (shrek song), und als ich das erste Mal seiner angesichtig wurde, da dachte ich das müsse wohl Shrek persönlich sein (anhand dieser Beschreibung werdet Ihr ihn unter den vier jungen Herren sicher sofort identifizieren können). Aber dann, oh Shrek, setzt er in der 3.Strophe gar noch zu singen an, und da wollte ich zuerst meinen Ohren kaum trauen. Ich konnte garnicht glauben, dass diese Klänge tatsächlich von ihm stammen sollten – die Stimme schien überhaupt nicht zum Aussehen zu passen.

Nach dieser bemerkenswerten Performance versuchte ich über YouTube herauszufinden, um wen es sich bei dem jungen Mann wohl handeln könne, und natürlich wurde ich fündig. Vielleicht kennt Ihr ihn ja schon längst und ich erzähle Euch hier alte Kamellen. Die Videos kennt Ihr vielleicht trotzdem noch nicht alle.

Also: Es handelt sich hier um Herrn Kurt Nilsen aus Bergen in Norwegen, seines Zeichens der Gewinner des ersten und einzigen World Idol Contest, der am 1. Januar 2004 stattfand. 11 bedeutende Nationen der uns bekannten westlichen und östlichen Welt schickten ihre in unzähligen Fernsehshows auf Herz und Nieren geprüften und auserwählten Superstars ins Rennen, um den größen unter ihnen zu ermitteln, und sie fanden – Herrn Nilsen. Wer hätte zu Beginn der Castings für die Shows vermutet, dass der ultimative Superstar, also sozusagen die Krone der Schöpfung und das strahlende Vorbild für die Jugend der Welt, so aussehen würde:





Wie hatte es so weit kommen können?

Nicht immer saß Herr Nilsen beim Singen so ruhig auf einem Stuhl wie ein Chorknabe. So konnte er bereits bei den norwegischen Superstar-Shows erste Erfahrungen beim Living The Vida Loca sammeln. Da störte es dann auch nicht mehr, dass er in der Finalrunde mit unpassendem Anzug und Halsentzündung antreten musste. Zwar entfahren ihm bei The Day After Tomorrow einige Krächzer und er verliert teilweise die Kontrolle über seine Stimme, aber trotzdem ist sein Cover immernoch besser als das Original. Er gewinnt den Titel.

So kommt es, dass er sich zusammen mit 10 durchgestylten Konkurrenten in der World Idol Ausscheidung wiederfindet. Er tritt als Letzter auf und singt Beautiful Day. Danach hätte es Bono nicht mehr gewagt den Mund aufzumachen. Ja, ein schöner Tag war es für Mr. Nilsen bestimmt. Zunächst muss er sich von den Juroren noch einige spitzzüngige Bemerkungen über sein Erscheinungsbild anhören: „Sie sehen aus wie ein Hobbit“…“wir haben schon eine Menge hässlicher Leute Platten aufnehmen lassen… unter normalen Umständen würden Sie nie einen Plattenvertrag bekommen…“ (was sind in dieser Branche eigentlich „normale Umstände“?), aber „what you don’t have, you don’t need it now“ – treffender hätte er es nicht singen können. Was er nicht hat, das braucht er auch nicht. Und alles, was er an diesem Abend braucht um das Publikum und die Juroren zu begeistern, das hat er – eine faszinierende Stimme, eine sympathische Austrahlung und die Fähigkeit sich in die Musik einzufühlen und sie überzeugend zu interpretieren. Und es wird entsprechend honoriert.

Das hat mich bis zu einem gewissen Grad mit unserer heutigen Musikbranche versöhnt. Ich hätte nicht erwartet, dass sich zwischen all die aufgeputzten Schaufensterpuppen, aufgezogenen Hüpf-Frösche und high-tech Sing-Marionetten auch noch echte Menschen mit Talent und Persönlicheit verirren könnten. Und schon garnicht hätte ich für möglich gehalten, dass so ein Musiker eine Chance hätte, wenn er nicht den aktuellen Schönheitsnormen entspricht. Es scheint noch Hoffnung zu geben.

Aber damit kam sie nun auf die Marketing-Experten zu – die Herausforderung mit Namen Kurt Nilsen. Ich habe den Eindruck, sie sind ihr nicht immer gerecht geworden. Zwar hatte er in Norwegen zunächst einen riesigen Erfolg – seine erste Single wurde die meistverkaufte in der Geschichte Norwegens, sein erstes Album das am schnellsten verkaufte aller Zeiten (es erreichte bereits am Tag der Veröffentlichung Platin-Status). Auch europaweit war seine erste Single in den Charts. Aber dann wurde es langsam ruhiger. In Norwegen ist er immer noch ein Star, aber über Norwegens Grenzen hinaus scheint Mr. Nilsen inzwischen weitgehend in Vergessenheit geraten zu sein. Seine deutsche Homepage – von Sony erstellt – wurde seit 2005 nicht mehr gepflegt, hier wird sein Album von 2004 noch als „neu“ angepriesen. Seine CD vom letzten Herbst hat bei Amazon 2 – 4 Wochen Lieferzeit – holen sie die zu Fuß in Norwegen ab? Wer schläft hier eigentlich?

Dabei hat man sich schon Mühe gegeben. Es ist nicht leicht mit diesem Hauptdarsteller ein MTV-taugliches Video zu erstellen. Für die Aufnahmen zu Here She Comes wurde er daher extra nach Hollywood gekarrt – und so sieht das Ergebnis auch aus. Natürlich wissen die Profis schon, wie sie ihn herrichten und filmen müssen, damit er nicht ganz so shrek-lich aussieht. Aber die Lady, die man für ihn ausgesucht hat, ist ja wirklich tiefstes Hollywood-Cliche und passt überhaupt nicht, weder zu ihm noch zum Song. Sie scheint mir das exakte Gegenteil von dem Mädchen zu verkörpern, von dem er singt. Von der Aufgabe für Mr. Hobbit ein schlüssige Story zu inszenieren waren die Herren Profi-Filmer offensichtlich überfordert.

Da wirkt das Video zu Never Easy doch schon viel glaubwürdiger. Außerdem ist es endlich Mal kein Cover sondern ein Song, den er selbst geschrieben hat. Das gilt auch für seine letzte Single Push Push. Was mir dabei auffällt: Er scheint immer jünger zu werden, teilweise wirkt er auf den Aufnahmen fast wie ein Kind. Vielleicht versucht man gerade eine Boygroup aus ihm zu machen… Und noch etwas sticht mir natürlich ins Auge: Er trägt ein blaukariertes Hemd und hält eine Telecaster (wenn auch verkehrt herum). Das erinnert mich doch an irgend jemanden…ach ja genau:




Ja, auch Mr. Fogerty sah in seinen jungen Jahren nicht immer so aus wie man sich gemeinhin eine Lichtgestalt vorstellt. Und auch er konnte mit einer Zahnlücke aufwarten, wenn sie auch deutlich schmaler war als die von Mr. Nilsen. Dafür gewann sie durch ihre asymetrische Lage einen ganz besonderen Reiz. Leider hat er sich schon vor Mitte der 80er Jahre von ihr getrennt. Für Mr. Nilsen ist seine Zahnlücke so etwas wie sein Markenzeichen, er würde es nicht wagen irgendwo ohne sie aufzutauchen – das hoffe ich jedenfalls stark.

Kommen wir noch auf Mr. Nilsen’s Gitarrenspiel. Als Linkshänder hält er die Gitarre natürlich verkehrt herum, aber er spielt sie außerdem auch noch „auf den Kopf gestellt“. Das heißt er hat die Saiten nicht umgespannt, er spielt mit den Baßsaiten unten und den Melodiesaiten oben. Das ist auch der Grund, warum er keine Linkshänder-Gitarren spielt – er spielt normale Gitarren einfach umgedreht. Ich kann mir garnicht vorstellen, wie das gehen soll, und habe deshalb schon nach Videos gesucht, in denen man sehen kann wie er die Akkorde greift. Aber da gibt es wenig brauchbares Material, entweder ist die Kamera zu weit entfernt oder die Gitarre nicht richtig im Bild. Das beste waren noch ein 10 Sekunden Schnipsel ca. ab 1:00 in diesem Video mit einem Interview und dieser Ausschnitt aus einer Talkshow. Aber so richtig schlau geworden bin ich aus keinem von beiden, ich bräuchte auf YouTube mal eine Zeitlupen-Funktion …

Nun soll zu guter Letzt in meiner heutigen Bildergalerie zum Thema „geistreicher Gesichtsausdruck mit Zahnfehlstellung“ auch Mr. Anderson nicht fehlen, schließlich ist dies ja eigentlich seine Seite:




Jetzt wird mich sicher Wilfried gleich wieder schelten, dass das ja überhaupt nicht vergleichbar sei. Da hat er natürlich völlig recht. Während sich die Gebisse der Herren Nilsen und Fogerty vor allem durch einen zu weiten Zahnstand auszeichnen, stehen bei Mr. Anderson die Zähne eher zu eng. Außerdem ist bei ihm der geistreiche Gesichtsausdruck beabsichtigt. Es handelt sich also einmal wieder um das exakte Gegenteil.

Genug der Blödelei, machen wir Schluss für heute. Irgendwie habe ich das Gefühl ich werde auch immer jünger…

seid gegrüßt bis demnächst
Kretakatze

PS.: Jetzt gibt’s als Gutenacht-Lied noch ein Video von Kurt Nilsen – versprochen, es ist das letzte (für heute). Dieser Mainstream Pop-Rock ist ja vielleicht nicht so Eure Sache. Zugegeben, diese Musik ist nicht besonders tiefschürfend, aber für mich hat sie Ohrwurm-Charakter und sie läuft mir rein wie Öl. Das Gute-Nacht-Lied fällt allerdings vom Stil her etwas aus dem Rahmen. Es ist ein Kiss-Cover, wobei man der Version von Herrn Nilsen nicht mehr anhört, dass der Song ursprünglich von Kiss stammt. Also, dann wünsche ich Euch jetzt noch recht geruhsame Crazy Crazy Nights.

18.01.2008

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Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

auch von mir die besten Wünsche, dass das neue Jahr mindestens so gut werden möge wie das vergangene !

Eure Ausführungen über Tonarten, Grifffolgen und Akkorde verfolge ich in der Tat mit offenem Mund. Aber das macht nichts, ich lasse mich gerne beeindrucken.

Kurt Nilson war für mich kein alter Hut. Ich kannte weder seinen Namen noch seine Stimme. Seine überaus beachtliche Stimme. Den Vergleich des Jurymitglieds mit einem Hobbit finde ich sehr treffend, wenngleich man darüber diskutieren kann, so etwas vor einem Millionenpublikum laut auszusprechen. Ich schließe mich in allen Punkten Kretakatzes Urteil an. Herr Nilsons Stimme passt wirklich nicht zu seiner Physiognomie. Seine Darbietungen wirken stets synchronisiert. Jedenfalls ist sein Erfolg ein Indiz dafür, dass das Ohr über das Auge siegen kann. Dafür wurde es wieder einmal Zeit. Gut so.

Liebe Kretakatze, im Song „Rocks On The Road“ wurde der Meister von alten Leitungsrohren („tired plumbing“) geweckt. Hier der komplette Text:

There’s a black cat down on the quayside.
Ship’s lights, green eyes glowing in the dark.
Two young cops handing out a beating:
know how to hurt and leave no mark.
Down in the half-lit bar of the hotel
there’s a call for the last round of the day.
Push back the stool, take that elevator ride.
Fall in bed and kick my shoes away.
Rocks on the road.

Can’t sleep through the wild sound of the city.
Hear a car full of young boys heading for a fight.
Long distance telephone keeps ringing out engaged:
wonder who you’re talking with tonight.
Who you talking with tonight ?
Rocks on the road.

Tired plumbing wakes me in the morning.
Shower runs hot, runs cold playing with me.
Well, I’m up for the down side, life‘ s a bitch
and all that stuff:

so come and shake some apples from my tree.
Have to pay for my minibar madness.
Itemised phone bill overload.
Well now, how about some heavy rolling ?
Move these rocks on the road.

Crumbs on the breakfast table.
And a million other little things to spoil my day.
Now how about a little light music
to chase it all away ?
To chase it all away.

Zu guter Letzt etwas in eigener Sache:
Vielleicht habt Ihr mitbekommen, dass das deutsche Fernsehprogramm es wieder für notwendig hielt, dem Löffelmagier Uri Geller ein Forum zu bieten. Eben jenem Herrn Geller, an dem andere Illusionisten und professionelle Taschenspieler kein gutes Haar lassen. Nun, zumindest bekommt Herr Geller bei den Öffentlich-Rechtlichen keinen Fuß mehr in die Tür. Jedenfalls, vor ca. zwei Wochen lief eine Show mit ihm im Fernsehen. Ich saß gerade in meinem Arbeitskämmerlei n, als einer meiner Söhne zu mir kam und mich fragte, ob ich eine defekte Uhr habe. Zufällig hatte ich eine. Bei dieser Uhr hatte ich im November die Batterie wechseln lassen, da sie überraschend stehen geblieben war. Nach dem Batteriewechsel lief sie immer noch nicht, also legte die Dame im Uhrengeschäft die alte Batterie wieder ein und meinte, die Uhr müsse zum Uhrmacher. Seither lag das Ding kaputt in der Ecke, bis ich sie meinem Jan gab, damit er sie von Herrn Geller heilen lassen konnte. Nach zwei Minuten vor dem TV-Gerät kam Jan zurück in mein Kämmerlein und brachte mir eine funktionierende Uhr zurück !!

Ich wiederhole: Die Uhr lief wieder.

Ich bin der letzte, der an die übersinnlichen Fähigkeiten eines Herrn Geller glaubt. Also suchte ich nach anderen Erklärungsmöglichkeiten. Im www fand ich die Website des Dachverbandes deutscher Magier (oder so ähnlich). Hier versuchen professionelle „Magier“; die Geller’schen Tricks zu durchleuchten. Auch für das Uhrenphänomen gab es eine Erklärung: Dadurch, dass die defekte Uhr zum Fernseher gebracht und einige Minuten in der Hand gehalten werden muss, erfährt das Uhrwerk Bewegung und Körperwärme. Das reicht manchmal aus, um eine kaputte Uhr (je nach Defekt) für einige Minuten zum Laufen zu bringen. Hinzu kommt ein rein statistischer Effekt: Angenommen, 10.000 Menschen sitzen mit ihren defekten Uhren vor der Glotze und bei 100 von ihnen würde der Chronometer wieder ticken. Von diesen 100 würden vielleicht 50 im Sender anrufen und vom Uhrenwunder berichten. Durch diese 50 Anrufer würde sich der Wunderheiler (und sein Sender) bestätigt sehen. Die von mir verwendeten Zahlen sind nur Beispiele, die ich mir gerade ausgedacht habe. Die tatsächlichen Werte kenne ich nicht. Aber so könnte das Uhrenwunder funktionieren. Gegen diese Theorie spricht bloß, dass meine Uhr nicht nur einige Minuten lief. Sie läuft immer noch. Und als ich sie im November zum Uhrenladen brachte, war sie auch Bewegungen und Wärme ausgesetzt, ohne sich davon beeindruckt zu zeigen. Vielleicht hat von Euch jemand eine Idee, was davon zu halten ist.

Übersinnliche Grüße entsendet Euch
Euer Lockwood

19.01.2008

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

das Jahr ist zwar nicht mehr ganz so jung, aber trotzdem schließe ich mich Euren Neujahrswünschen an: Alles Gute fürs neue Jahr.

Nun da habt Ihr ja gleich frischen, neuen Wind in die anderson-verstaubte „Was ist bloß…“-Thematik wehen lassen. Zu den Geller’schen Tricks fällt mir natürlich nicht viel ein. Mein Jüngster, Lukas mit Namen, hat wohl einmal eine Sendung mit dem guten Uri gesehen, fand es aber nicht so aufregend, wie wir es vor vielen, vielen Jahren gefunden haben, als Geller, der Urige, unser gesamtes Besteck zu Schrott verarbeitete (1974 war das wohl). Dass er es über ein Medium wie das Fernsehen schafft, defekte Uhren wieder in Gang zu setzen, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Da sind Bewegung und Körperwärme als Verursacher eher möglich. Nicht das ich alles für Humbug halte. Man weiß nie, welche magischen, also übersinnlichen Kräfte einige Menschen besitzen (Psi). Vor vielen Jahren habe ich einmal ein zumindest spannendes Buch zu diesem Thema gelesen: Colin Wilson – Das Okkulte (ist über dem Market-Place bei Amazon zu beziehen). Im Grunde zeigt Uri Geller seit Jahrzehnten die immer gleichen Tricks. Das ist heute wirklich langweilig und lockt kaum einem von seinem Besteckkasten weg.

Also den Kurt Nilsen (ja bei der deutschen Wikipedia gibt es auch einen Eintrag, wenn auch nicht viel zu erfahren ist, außer: in diesem Jahr wird er 30 Jahre alt) kannte ich wie Lockwood überhaupt nicht. Zum einen erfährt man bei uns wenig über das Kulturtreiben in Norwegen. Und DSDS-Formate im Fernsehen gucke ich nicht (schon allein deshalb, weil ich wochentags höchstens Nachrichten gucke, mehr nicht). Aber ich habe da ja einen von zwei Söhnen (gesagten Lukas, 14 Jahre alt), der erkannte den Wikinger sofort. Na klar, den hatte er schon im Fernsehen gesehen (vielleicht sollte ich mich doch mehr darum kümmern, was meine Jungs so im Fernsehen gucken).

Also ich schließe mich Eurem Urteil ohne Einschränkungen an. Eine wirklich außergewöhnliche Stimme, wenn mir die Musikrichtung auch nicht so ganz zusagt (richtig erkannt, Kretakatze). Das Lied Never Easy gefällt mir aber dann doch wirklich sehr gut. Irgendwie ist es mit viel Eigenironie gewürzt (das Mädel im Fahrstuhl guckt so verstohlen gen Himmel, wenn auch nur dem imaginären). Noch besser finde ich die Interpretation von Kurt Nilsen beim Hallelujah-Auftritt – allein der Stimmlage wegen. Wenn er nämlich im Bereich des Baritons singt, besitzt er noch mehr Ausdruckskraft.

Kurt Nilsen: Never Easy

Aussehen und Stimme mögen sich auf dem ersten Blick nicht decken. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran. Und ganz so übel finde ich den guten Kurt eigentlich gar nicht. Die Zahnlücke entstellt ihn zunächst. Aber als Markenzeichen sollte er diese wirklich behalten. Bisschen pummelig ist er allerdings. Für sein Alter etwas zu sehr. Aber das scheint die Wikinger im hohen Norden nicht ganz so zu stören. Mich (als Mann) auch nicht. Im Gegenteil. Kurt Nilsen erinnert mich an einen alten Schul-Kumpel, der nicht nur so blond wie Kurt war, sondern ebenso dicklich. Nur eine Zahnlücke kurt’schen Ausmaßes besaß er nicht. Er könnte fast sein Ebenbild sein. Später hatte er allerdings ganz tüchtig abgespeckt (mein alter Kumpel) und plötzlich einen enormen Erfolg bei Frauen (nicht bei irgendwelchen Frauen, sondern wirklich bei den besonders hübschen – aber kein Neid, Willi). Denken wir uns beim Kurt die Zahnlücke weg und etliche Kilos, dann würde er auch um einiges besser aussehen. Aber uns interessiert das Aussehen eines Künstlers ja weniger. Sein eigentliches Können muss und sollte uns überzeugen.

Was das Gitarrenspiel anbelangt, da hilft das Video Venke Knutson and Kurt Nilsen – When the Stars Go Blue vielleicht weiter. Als Linkshänder spielt er tatsächlich eine Rechtshändergitarre, die tiefen Saiten unten (statt oben). Und so greift er dann auch: saitenverkehrt! (ein schönes Wortspiel, gelt?).

Apropos Kurt: Da fällt mir eine ähnliche Geschichte ein. Schon einmal den Namen Paul Potts gehört? Wieder war es mein Jüngster Lukas, der mich darauf brachte: „Da gibt es auch einen Opernsänger, mit schiefen Zähnen und so …!“. Ja, den hatte auch ich schon einmal im Internet gesehen. Der war irgendwie eine Zeitlang Handyverkäufer, kommt aus Wales, besticht durch schlechte Zähne und Dicklichkeit – und machte in einem ähnlichen Format wie DSDS Furore. Eben jener Paul Potts. Als ich das Video dazu zum ersten Mal sah, hatte ich ähnlich Gänsehaut wie die Dame aus der Jury. Nicht zu glauben, da kommt ein Mann von der Straße und singt plötzlich auf atemberaubende Weise Opernarien.

Nun ganz so märchenhaft ist natürlich die Geschichte nicht. Um eine solche Stimme zu haben, muss man eine entsprechende Ausbildung absolviert haben (gilt in gewisser Hinsicht auch für Kurt Nilsen): Von nichts, kommt nichts! Aber selbst, wenn man die ganze Geschichte kennt, so bleibt sie ein Märchen. Paul Potts hatte viel Geld in seine Stimme investiert. Sang wohl auch dem inzwischen seligen Pavarotti vor. Plötzlich eine Krankheit und ein schwerer Unfall. An Weitermachen war nicht mehr zu denken. Dann diese komische Sendung im Fernsehen. Angemeldet und großer Auftritt!


Paul sings Nessun Dorma

Natürlich kann mir keiner erzählen, dass die Jury nichts von den besonderen Fähigkeiten des Paul Potts wusste. Auch die Standing Ovations des Publikums scheinen mir inszeniert. Trotzdem dürfte dieser Auftritt manche überrascht haben.

„Wunderkind, Betrüger – oder Opfer?“ wird da gefragt (diepresse.com), und: „Spätestens auf der Opernbühne dann, ohne Mikrofon und „Nessun dorma“, wird der Traum grausam enden.“ Mag ja sein, das kann ich nicht beurteilen. Aber das kümmert selbst Herrn Potts wenig. Er tritt zwar nicht in Opernhäuser auf, sondern findet auch so sein Publikum. Viele kommen vielleicht nur, weil sie von diesem Märchen vernommen haben und sind alles andere als Opernfans. Wunderkind – sicherlich nicht. Und Betrüger auch nicht. Auch als Opfer macht er sich schlecht, dafür hat er inzwischen gut Kasse gemacht.

Nur so zur Info: Was die Texte von Jethro Tull-Liedern betrifft, da gibt es ja im Internet gleich mehrere Adressen. Die wohl bekannteste, bei der angeblich auch Herr Anderson nachschaut, wenn er einen Text vergessen hat, ist cupofwonder.com, hier auch mit jeder Menge an Anmerkungen. Aber zz. ist die Wundertasse im Netz wohl nicht zu erreichen (kam schon öfter vor). So könnt Ihr hilfsweise bei rutgers.edu (State University of New Jersey) fündig werden.

Nun ich habe wie versprochen in meinem Archiv (klingt gut) nach Aufnahmen von meiner früheren Band nachgeschaut. Für Kretakatze hatte ich einen Cat Stevens-Titel angekündigt. Hier ist er. Gesungen hat unser Schlagzeuger, der später eine unvergleichliche Karriere als Jo Lander gestartet hatte (ist aber über den Start nicht hinausgekommen):



Black Out: Morning Has Broken (Cat Stevens-Cover)

Was mich wundert, ist, dass Ihr bisher nicht gewagt habt zu fragen, ob es da nicht auch einen Tull-Titel gibt, den wir damals gecovert haben. So komme ich Eurer Frage zuvor: Ja, wir hatten „We Used To Know“ im Programm. Leider gibt es davon keine wirklich gute Aufnahme. Bevor sich unsere Gruppe auflöste, hatten wir zwar noch Aufnahmen gemacht, auch „We Used To Know“, allerdings ist die Aufnahme nicht fertig geworden. So fehlt u.a. der Gesang. Ich könnte mich jetzt hinsetzen und den Gesang nachträglich einspielen. Aber das lasse ich dann doch lieber. Meiner Stimme will ich das nicht antun (und noch weniger Euch, sich das anhören zu müssen). Es gibt aber eine Aufnahme so ziemlich vom Anfang her, ist nicht toll, aber vorenthalten will ich Sie Euch dann doch nicht (ich habe die Aufnahme etwas gekürzt). Also bitte weder Beifallsstürme noch Gepfeife. Übrigens haben wir das Lied immer für längere Improvisationen genutzt frei nach dem Wilhelm Busch-Zitat:

„Musik wird oft nicht schön gefunden,
Weil sie stets mit Geräusch verbunden.“

Hier also Willi & Black Out irgendwann Anfang/Mitte der 70-er Jahre mit „We Used To Know“:



Black Out: We Used To Know (Jethro Tull-Cover)

Jetzt ist aber genug.
Viele Grüße
Euer Wilfried

21.01.2008

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 89: Dr. h.c. Ian Anderson, MBE

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun hat mich Lockwood doch total überrascht! Er war der Letzte, von dem ich erwartet hätte, dass er mir georgische Tänze präsentiert. Georgien liegt wohl nicht nur geographisch irgendwo zwischen Griechenland und Russland, auch Musik und Tanz scheinen mir Elemente aus beiden Kulturen zu enthalten. Die Kostüme erinnern mich stark an die Euch schon zum Überdruss bekannten pontischen Kriegstänzer. Kein Wunder, die pontischen Griechen waren ja praktisch Nachbarn.

Kurzer Einschub zum pontischen Tanz-Video, das eine Aufführung aus der Schlussfeier der Olympischen Spiele zeigt. Nach den Tänzern kommt noch kurz Jorgos Dalaras ins Bild, der gerade ein traditionelles Lied anstimmt. Mr. Dalaras, der seit mehreren Jahrzehnten als der bekannteste und beliebteste griechische Sänger gilt, ist einmal zusammen mit Ian Anderson aufgetreten, und zwar laut ministry of information am 14.05.1992 in Athen. Die Beiden trugen zusammen „John Barleycorn“ und „Ruby Tuesday“ vor. Soweit die nackten Tatsachen. Anschauungsmaterial liegt mir leider nicht vor.

Zurück zu Georgiern und Griechen – es muss da eine besondere Beziehung geben. Alle Georgier, die ich kenne, leben in Griechenland, in Deutschland habe ich noch keinen getroffen. Es scheint sich bei ihnen um so etwas wie Gastarbeiter zu handeln. So stammen z.B. sämtliche festangestellten Arbeiter am Tierheim in Chania aus Georgien. Aber das hat eigentlich alles nichts mit der Musik zu tun. Diese ist mir offen gesagt ein bißchen zu eintönig um sie ohne die für meinen Geschmack wesentlich interessanteren Tanzdarbietungen zu konsumieren.

Auch Wilfried hat uns Musik vorgestellt, und zwar ein schlichtes und einfaches Lied von Jethro Tull:

So einfach scheint es mir dann aber bei näherer Betrachtung garnicht zu sein. In E-Moll, wie Wilfried meinte, sind bestenfalls die ersten zwei Takte. Dann kommen zwei Takte in E-Dur, gefolgt von 4 Takten D-Dur. Die nächsten 4 Takte sind in C-Dur oder G-dur, anhand der vorliegenden Akkorde und der Melodie wäre beides möglich. Da aber als Grundtonart für das Lied G-Dur notiert wurde, würde ich mal von G-Dur ausgehen. Den Abschluss bilden 4 Takte in H-Dur. Das macht 5 verschiedene Tonarten in 16 Takten. Ob das nun so einfach ist? Von allein wäre ich nie darauf gekommen.

Als nächstes stechen mir diese vielen B- und F#-Akkorde ins Auge, das sind mir deutlich zuviele Barre-Griffe. Da ist mein erster Gedanke natürlich, das in eine andere Tonart zu transponieren. In eine? In fünf! Und es ist garnicht so einfach 5 passende Tonarten zu finden, in denen keine Barre-Griffe vorkommen. Genauer gesagt, es ist unmöglich. Das beste, was ich auf die Schnelle finden konnte: Einfach alles einen Ganzton tiefer spielen. Das sieht dann so aus: Dm A C G Bb F E E7 A und enthält mit Bb nur noch einen Barre-Griff. Aber damit sind meine Probleme immer noch nicht gelöst. Irgendwie komme ich mit diesen 4 Takten H-Dur (bei mir jetzt A-Dur) am Schluss nicht zurecht, ich liege ständig im Ton daneben und singe falsch.
Also wie man sieht, auch ganz einfache Tull-Songs können es ziemlich in sich haben.

Unter einem einfachen Song verstehe ich etwas anderes, ein Paradebeispiel dafür ist John Fogerty’s Rock ’n‘ Roll Girls. Das ist G-Dur par excellence in Reinkultur, wie es geradliniger nicht sein könnte. Man spielt 2 Takte G, 1 Takt C, 1 Takt D, und das ständig wiederholt über sämtliche Strophen, Refrains oder eventuelle Solos hinweg – eigentlich kann man sich nebenher schlafen legen. Besondere Konzentration ist beim Vortrag dieses Liedes jedenfalls nicht nötig. Das könnte auch Mr. Fogerty zum Verhängnis geworden sein. Im oben verlinken Video singt er die Zeile „Time out of time for you and no one else“ gleich dreimal, obwohl sie im Lied eigentlich nur einmal vorkommt. Er war wohl mit seinen Gedanken woanders – oder hatte er seinen eigenen Text vergessen? Jedenfalls finde ich es immer wieder herzerfrischend, wenn die Helden auf der Bühne auch mal Fehler machen, nicht immer nur ich…

Meine Probleme mit Barre-Griffen rühren übrigens nicht zuletzt daher, dass ich den kleinen Finger meiner linken Hand nur bedingt benutzen kann. Er ist irgendwie verkrümmt nach innen gebogen (der an der rechten Hand im Übrigen auch, aber da stört es nicht), und ich kann ihn nicht wirklich gezielt und koordiniert bewegen. Eigentlich ist es reine Glückssache, ob ich mit ihm eine Saite treffe, die Chance liegt bei höchstens 50%. Ich bin daher bemüht nur Griffe zu spielen, für die ich nicht mehr als 3 Finger brauche. Und das bringt mich – Ihr werdet es kaum glauben – auf Mr. Anderson.

Schon vor Monaten fiel mir bei einem Interview der kleine Finger seiner rechten Hand ins Auge: Bild 1 Bild 2 Bild 3. Er sieht aus als wäre er gebrochen gewesen und falsch wieder zusammen gewachsen. Der ganze Finger ist seitlich nach innen gedreht, ein Gelenk ist ständig in 90° abgewinkelt, das andere ist völlig gerade – vermutlich sind beide Gelenke so gut wie steif. Wie kann er mit diesem Finger Flöte spielen?

In diesem Zusammenhang fiel mir natürlich auch wieder die Geschichte ein, dass er niemandem die Hand gibt, da ihm sein Arzt davon abgeraten hat. An dieser Geschichte könnte durchaus etwas dran sein. Ich meine mich zu erinnern, in einem Interview von 2005 habe er gesagt, dass der Unfall etwa 15 Jahre zurückliege. Das wäre um 1990 gewesen. Ich habe daher versucht anhand von Videos aus verschiedenen Jahren den Zeitpunkt zu lokalisieren, zu dem der verdrehte Finger das erste Mal auftaucht. Und ich war erstaunt herauszufinden, dass er bereits auf dem ältesten mir bekannten Video aus dem Rock ’n‘ Roll Circus von 1968 zu erkennen ist. Der Finger war schon kaputt als Mr. Anderson erstmals zur Flöte gegriffen hat. Vermutlich ist er einmal aus dem Kinderwagen gefallen. Bleibt immer noch die Frage offen: Wie spielt er mit diesem Finger Flöte? Braucht man den nicht? Oder mit was kompensiert er das? Vielleicht weiß ja Wilfried mehr dazu.

Nun folgen meine wirklich letzten Grüße und Wünsche für dieses Jahr. Rutscht gut hinüber und feiert nicht zu doll!

bis nächstes Jahr
Kretakatze

PS.: Ich weiß garnicht, was ich hier schreiben soll … Fortsetzung folgt im Jahr 2008.

31.12.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

hoffentlich seid Ihr gut ins neue Jahr hineingekommen, ohne Verletzungen durch Knaller und Raketen und mit (halbwegs) klarem Kopf. Mir und meinen Lieben geht es bestens, Neujahr waren wir bisschen müde zwar (wir hatten uns bei Bekannten festgequatscht und so wurde es doch reichlich spät bzw. früh am Morgen), aber sonst doch gut gemut.

Ja, Kretakatze, mit Ian Andersons kleinem Finger sind Lockwood und ich Dir zuvor gekommen. Beginnend mit einem Was ist bloß …-Artikel vor über einem Jahr haben wir auch die frühe Vergangenheit des Meisters erforscht und feststellen müssen, dass er diesen krummen Finger schon von Anbeginn seiner Musikerkarriere haben muss.

Kretakatze, doch noch einige Worte zu Deinen Beispielen der hohen Kunst des Gitarrespielens. Ich mag beide nicht. Da sind mir zu viele Effektgeräte im Spiel, auch wenn es die Jungs ganz gut drauf haben. Weniger wäre auch in diesem Fall ‚mehr’.

Okay, „We Used to Know“ ist so einfach vielleicht nicht, kein ‚normaler’ Rocktitel mit lediglich drei Akkorden. Aber es ist eines der Lieder, die man von Ian Anderson auch als Amateur noch halbwegs hinbekommt (trotz Barré-Griffe, die aber nichts mit Martin Barre zu tun haben, soviel an Lockwood). Alles in einem durchgängigen ¾-Takt. Also ohne Änderung der Taktart, für Jethro Tull fast schon untypisch.

Ich will den musiktheoretischen Anmerkungen von Kretakatze nicht unbedingt widersprechen, ich bleibe aber bei der Meinung, dass das Lied durchgehend in E-Moll gefasst ist. Die Grundstimmung ist in Moll und das Lied beginnt mit E-Moll. Wie gesagt, es ist kein handelsüblicher Rocktitel mit drei Akkorden (Grundstufe oder Tonika, Subdominante und Dominante – wie man das wohl nennt). Es ist auch richtig, dass sich E-Moll und G-Dur in der Notenniederschrift (mit einem Kreuz notiert) decken. Daher passen Dur-Akkorde der gleichen Tonleiter auch in eine Moll-Abfolge (z.B. G-, C- und D-Dur bei E-Moll). Harmonisch unaufgelöst erscheinen die beiden Fis-Akkorde, aber als ‚verminderte’ Akkorde passen sie (wie ja auch das Lied zeigt) durchaus in eine entsprechende Abfolge und werden in diesem Fall durch die Dominante H (englisch als B bezeichnet) harmonisch ‚aufgelöst’. Bisschen seltsam dann auch der Dominantenakkord H am Ende des Liedes (steht für mich wie ein Fragezeichen im Raum und ließe sich mit dem Grundakkord, eben wieder E-Moll, beantworten).

Okay, mein Wissen zur Harmonielehre ist ziemlich eingestaubt, ich bin mir daher auch nicht so ganz sicher, ob ich richtig liege. Aber wenn mein (leider nicht absolutes) Gehör nicht völlig verkalkt ist, dann ist das Lied eben in Moll.

Wie auch immer: Selbst in seiner Anfangszeit als Rockmusiker hat Ian Anderson bewiesen, nicht nur im 4/4-Takt mit drei Akkorden auskommen zu müssen. Auch wenn ich glaube, dass er sich über harmonische Abläufe seiner Lieder nicht immer (von der Theorie her) im Klaren war, so genügte sein musikalische Gehör, praxisnah die richtigen Töne zu treffen.

Hier so zusagen als Einstimmung aufs neue Jahr 2008 (was gleichzeitig 40 Jahre Jethro Tull bedeutet) aus jüngster Zeit ein reiner Instrumentaltitel zweier alter Tull-Titel: Jethro Tull mit „Sossity, You are a Woman“ und „Reasons for Waiting“ (der Übergang ist etwas holprig, aber von all dem Kram, den Ian Anderson und Co. in letzter Zeit so auf die Bühne geworfen hat, gefällt mir dieser Doppeltitel doch noch am besten – trotz der leicht nervigen Orgelei – festzustellen wäre noch: Martin Barre ist wirklich stark gealtert in der letzten Zeit):


Jethro Tull: Sossity, You are a Woman/Reasons for Waiting

Aus der News-Kiste kommt die Mitteilung, dass sich Herr Anderson jetzt ein MBE an seinen Namen hängen darf (also nicht nur Dr. h.c. vorneweg). Er hat von der Queen einen Bonbon für seine Brust bekommen und ist jetzt Member of the Order of the British Empire (eben kurz MBE). Dazu las ich den etwas ironischen Kommentar: “Aber vielleicht kann er sich demnächst mit der Anstecknadel die Weste vor dem Bäuchlein zusammenhalten…” Nun, eine Anstecknadel direkt ist es nicht, sondern ein Orden, den man sich eigentlich an die Brust heftet. Aber auf der Bühne wird er damit wohl kaum erscheinen. Mitglied des Ordens zu sein, ist wohl auch nicht ganz so toll (also nichts mit Sir Ian und so).

Wow, da hat mich die gute Kretakatze doch dazu verleitet, mich einmal wieder nur dem Herrn und Meister aller Querflöten zu widmen. Soll als Antwort für heute auch genügen.

Wegen der Cat-Stevens-Coverei muss ich erst noch einmal forschen. Die alten Stücke habe ich leider auch nur auf alten Musikkassetten vorliegen (diese sind zwar auch auf guten alten Tonbänder gespeichert, aber ich habe mich hinreißen lassen, mein altes Tonbandgerät, dessen Tonköpfe im Eimer waren, gänzlich zu entsorgen – vielleicht hätte ich bei eBay einen Käufer finden können).

Bis bald
Euer Wilfried

02.01.2008

English Translation for Ian Anderson