Martin Walser: Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte

    Aber darstellen will ich mich nicht als Wortjongleur, sondern als Mensch, als Person.
    Martin Walser: Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte (S. 7)

Was das Sexuelle angeht, wird in der einschlägigen Literatur relativ gesichert festgestellt: Männer fantasieren anders als Frauen. Sie reagieren viel stärker auf optische Schlüsselreize. Frauen finden es erotischer, Geschichten zu hören. Männer reagieren auf das, was sie sehen. (Quelle: zeit.de/zeit-magazin/)

Ein gutes Jahr nach seinem Roman Statt etwas oder Der letzte Rank veröffentlichte Martin Walser sein nächstes Werk, den vor gut 10 Monaten erschienenen Roman Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte, 1. Auflage (27. März 2018) – Rowohlt, Reinbek bei Hamburg. Felicitas von Lovenberg schrieb in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: „Seit einem halben Jahrhundert ist Martin Walser unser Gewährsmann für Liebe, Ehe, Glaube und deutsche Befindlichkeiten. Ein Lustwandler seiner Ausdruckswelt.“ Und natürlich kommen dabei der Sex und speziell Männerphantasien nicht zu kurz. Walser beschreibt. Aber mit zunehmendem Alter, und Martin Walser ist inzwischen über 90 Jahre alt, wird ihm nunmehr das von ihm Geschriebene persönlich angelastet: das Wort, der Vorwurf der Altersgeilheit findet sich in vielen Rezensionen zu seinen Romanen.

Nein, ich will Martin Walser hier nicht verteidigen. Aber ich kann nicht den oft vernommenen Kritiken dieser lediglich den eigenen reflexhaften Vorurteilen erliegenden Walser-Beurteilern folgen, die mit Freuden den Köder schlucken, den Walser auslegt. Ich gestehe allerdings, dass es mir der Roman ‚ Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte‘ nicht leicht gemacht hat, wenn der Protagonist des Romans mit Donald Trump sympathisiert oder sich permanent von „Weibsattacken“ tyrannisiert fühlt.

Jener Justus Mall, der sich aufgrund eines ‚Vorfalls‘ vom Oberregierungsrat namens Dr. Gottfried Schall zum Philosophen ‚mausert‘, macht es dem Leser wirklich nicht leicht. Aber beginnen wir am Anfang. Im so genannten Klappentext steht geschrieben:

„Was, bitte, wäre ich lieber als ich? Alles andere als ich.“ Das sagt Justus Mall, der früher einmal anders hieß. Oberregierungsrat war er, zuständig für Migration, aber dann kam der Tag, an dem er etwas Unbedachtes machte, und seitdem ist er Philosoph, zuständig für alles und nichts. Doch das ist nicht das einzige Dilemma seines Lebens. Tag und Nacht liegt er im Streit mit den Umständen, zu denen er es als Liebender hat kommen lassen. Ist es vielleicht leichter, keine Frau zu haben als nur eine? Er jedenfalls liebt zwei, und weil das nicht gehen kann, beginnt er, einen Blog zu schreiben – auf der Suche nach einem Menschen, der genau das ist, was ihm fehlt.

Was für ein sagenhaftes Paradox. Ein Mann, für den Wirklichkeit ein Gespinst aus erfundenen Fäden ist, hofft, ausgerechnet in einem Weblog so etwas wie Nähe zu finden. Er richtet seine Selbstgespräche an eine unbekannte Geliebte und weiß doch, sie ist nicht mehr als eine Illusion. In früheren Romanen ließ Martin Walser noch Briefe und E-Mails hin und her gehen, in „Gar alles“ gibt es das nicht mehr. Hier ruft einer ins Irgendwo, ist zurückgeworfen auf sich selbst, hat für das, was er empfindet, keinen Adressaten mehr. Ein völlig geklärt geschriebener Roman über lauer Ungeklärtes, ein in seiner existenziellen Dringlichkeit ungeheuerliches, überwältigendes Buch.

Martin Walser: Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte
Martin Walser: Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte

Jener Justus Mall will „künftig nur noch Überflüssiges […] verfassen, um dadurch einen utopischen Kontrast zum zeitgenössischen Zweckrationalismus zu entwerfen.“

Aber konzentrieren wir uns auf jenen Vorfall, auf das Unbedachte, das Gottfried Schall tat, bevor er zum Philosophen Justus Mall wurde. Walser schreibt:

[…] Es geschah bei einem Opernbesuch, in der zweiten Pause von “Tristan und Isolde”. […]
Da sie auf einem Barhocker saß und er an der Bar stand, liefen an ihm in Brusthöhe vorbei ihre gleißenden Oberschenkel und ihr rot-schwarzes Rockrüschengewell. Auf einmal war sie nicht mehr der Bartheke zugewendet, sondern halb zu ihm gedreht. Warum, das erfuhr er erst später durch das von ihr verfasste Protokoll. Ein kleiner Wortwechsel zwischen ihr und ihrem Begleiter, der rechts neben ihr saß. Sie sagte: Franz, du spinnst, und drehte sich weg, also zu Justus Mall hin. Natürlich, ohne das zu wollen. Aber er, der dicht neben ihrem Hocker stand, erlebte das so, als habe sie sich zu ihm gedreht. Er wusste, dass sie ihn nicht meinte, nicht meinen konnte, aber er machte in der Laune, in der er durch „Tristan“ plus Alkohol war, einen Scherz, das heißt, er begrüßte sie, als habe sie sich absichtlich zu ihm gedreht, und mehr noch begrüßte er ihre Schenkel. Sink hernieder, Nacht der Liebe, singsangte er und tippte mit einem Zeigefinger auf die gleißende Schenkelrundung, als wolle er sagen: Du, Schenkel, bist die Nacht der Liebe. Dass er, was er da tat, selber als riskant empfand, drückte er dadurch aus, dass er ihr nur mit der Spitze des Zeigefingers seiner rechten Hand auf den Schenkel tippte, dann die Hand sofort zurückzog, als erschreckte er über das, was er da gerade getan hatte. Es war deutlich ein gespieltes Erschrecken! Er hatte doch die Hand so jäh zurückgezogen, als habe er die Zeigefingerspitze auf einer glühenden Herdplatte verbrannt. Um das Spielerische zu betonen, prostete er ihr sofort mit dem Champagnerrest zu, und sie, die auch ein Glas in der Hand hatte, erwiderte sein Prosit. Beide tranken. Dann drehte sie sich sofort wieder zur Bar und damit zu ihrem Begleiter. Auch er war gleich wieder bei seiner Frau, die auf dem Barhocker links neben ihm saß und nichts mitgekriegt hatte, weil sie sich vom Barkeeper sagen ließ, warum dieser Champagner so gut sei.

[…]

Natürlich hatte diese Frau ihn nicht wahrgenommen. Angeschaut hat sie ihn, wie man einen Irren anschaut. Jetzt noch spürte er, wie er sich, so angeschaut, gefühlt hat. Einsam. Er hatte gerade noch sein Um-bemerkt-werden-Betteln in etwas Lustiges hinübergelogen. Dieses Zugleich! Ihre Schenkel, die wilden Rockrüschen, sein Zeigefinger, der Satz aus der Oper, ihr Blick, sein Prosit, ihre Prosit-Entgegnung, das alles messbar kurz, unmessbar intensiv, unmessbar. (S. 79 ff.)

Dieser Vorfall, der stark an die Verbalattacke eines Herrn Brüderle erinnert, hatte Konsequenzen:

Einen Tag später gab es sie wieder. Und wie! In der Süddeutschen Zeitung berichtete die Praktikantin Suse Kranz, was ihr in der zweiten „Tristan“-Pause passiert ist. Ein Oberregierungsrat aus dem Justizministerium hat sie, die mit einem Freund an der Bar saß, grob begrapscht und hat dazu auch noch obszön geredet, nämlich: Ihr Rock sei kürzer, als es die Straßenverkehrsordnung erlaube, und jetzt sei dieser Rock auch noch so weit hochgerutscht, dass man von einer Schenkel-Emanzipation sprechen könne.

Am Tag darauf ein Interview mit der Praktikantin. Sie hat den Grapscher gekannt […].
Am Tag darauf war es in allen Zeitung: Frauen müssten geschützt werden vor den Grapschern der Altherren-Riege.
Die Süddeutsche brachte ein Interview mit dem Grapscher. Er konnte nicht abstreiten, was die Praktikantin zitiert hat, aber daran erinnern, dass er das und das gesagt habe, konnte er sich nicht. Dann wurde die Barszene genau rekonstruiert. Mit ihm. Im Gespräch. Er fand, dieses als Interview veranstaltete Gespräch sei ein Verhör. Das sagte er auch, und das stand dann auch in der Zeitung und was er zu seiner Rechtfertigung sagte.
Wie sehr ihn dieses Verhör aufregte, zeigen seine Formulierungen. Die Welt sei nicht mehr alles, was der Fall ist, sondern alles, was Frau ist! Wo du hinschaust, lächelt, lacht, grinst dir eine Frau entgegen und streckt dir alles hin, ihre Haare, ihre Brüste, ihre Beine. Er finde das, sagte er, nicht furchtbar, sondern herrlich. Aber er möchte auch reagieren dürfen. Er möchte sagen dürfen, dass er sich andauernd verführt fühle. Und wenn dann wirklich einmal ein solches Geschöpf in greifbare Nähe kommt, dann langt man eben eine Zehntelsekunde lang hin und sagt dazu noch irgendeinen Fast-Unsinn. Alles wegen dieses gleißenden Oberschenkels! Es gibt wahrscheinlich keinen Mann in der ganzen Welt, der, wenn ihm so ein Oberschenkel passiert, davon unberührt bleiben könnte. Vielleicht würde nicht jeder mit der Fingerspitze hintippen und dann den Erschreckten spielen, aber er könne, was er da getan hat, was ihm passiert sei, nicht nur nicht abstreiten, er müsse, was er mit einer Fingerspitze eine Zehntelsekunde lang vollbracht habe, immer noch bejahen, vertreten, ja sogar rühmen! Es sei eine Geste der Anbetung gewesen, der Verehrung, ein religiöser Akt. Allerdings gewidmet nicht einem unbekannten Gott, sondern dem wunderbaren Schenkel einer Frau.

Dann wurde er konfrontiert mit dem Wort Altersgeilheit. Er, wütend: Er bitte um Aufklärung! Nicht, dass er je mit so etwas zu tun habe, er wolle nur wissen, ob ein Fünfundfünfzigjähriger anders geil sein als ein Fünfundzwanzigjähriger! Gebe es dafür ein physiologisches Datum? (S. 82 f.)

Ohne Zweifel geht Martin Walser – auch in seiner Ausführlichkeit der Schilderung – viel zu weit. Wenn das sein Beitrag zur #MeToo-Debatte sein soll, dann hat er scheinbar nicht viel begriffen. Ich schreibe scheinbar, denn ich glaube immer noch, dass Walser sich hier bewusst in die Sichtweise des ‚Täters‘ versetzt hat, um – wie soll ich es sagen? – nicht allein das ‚Opfer‘ zu Wort kommen zu lassen. Christoph Schröder (Die Zeit) fasst es so zusammen:

Ganz im Unterschied zum vorangegangenen Buch Statt etwas oder Der letzte Rank, das in seiner Offenbarungskraft eine geradezu erschütternde Radikalität hatte, ist Gar alles ein matter Wiederaufguss. Der Tonfall ist nicht selbstreflexiv, sondern larmoyant. Statt etwas war ein hoch interessantes, poetologisch zu lesendes Buch; Gar alles ist bestenfalls der Versuch der Vorführung eines aktuell ins Visier der Öffentlichkeit geratenen Typus: Der alte, geile, weiße Mann zeigt sich in seiner ganzen Unappetitlichkeit.

Und dann ist da noch der Passus zu Donald Trump, dem derzeitigen US-Präsidenten:

[…] ich habe Mr. Trump von Anfang an, seit er im Wahlkampf gegen Mrs. Clinton angetreten ist, auch als eine Belebung erlebt. Nie hätte ich Hillary Clinton wählen können. Dass er Sätze gesagt hat, die peinlich sind, hat mich für ihn eingenommen. Nicht weil diese Sätze tatsächlich peinlich und unanständig waren, sondern weil er solche Sätze gesagt hat. Er hat sich deutlicher gezeigt als je ein Kandidat vor ihm. Er hat weniger gelogen als je ein Kandidat vor ihm. Ich wusste, woran ich bei ihm bin. Und das ist so geblieben. (S. 89).

Das Ganze steht unter dem Datum 1. April 2017. Also ein Aprilscherz? Wer halbwegs bei gesundem Menschenverstand ist, muss anerkennen, dass sich Trump tatsächlich deutlicher gezeigt hat und zeigt als je ein Kandidat vor ihm. Wie sonst lässt sich ein Urteil über ihn fällen, das ihn als Katastrophe ausweist. Wenn Trump lügt, dann lügt er offensichtlich und nachweisbar. Bei all den anderen Politikern ist der Nachweis ihrer Lügen weitaus schlechter zu führen.

Nun, Walsers Roman schmeckt nicht jedem. Auch bei mir verursachte er leichte Verdauungsstörungen. Wenn Walser provozieren wollte, so ist es ihm wohl gelungen. Er ist der immer noch der eloquente, in diesem Roman im Tonfall leider auch sentimental-weinerliche Wortjongleur.

Martin Walser: Statt etwas oder Der letzte Rank

Die Zeit seiner großen Romane ist längst vergangen. Aber trotz seiner mehr als 90 Jahre schreibt er immer noch: Martin Walser, einer der bekanntesten Nachkriegsliteraten (bezogen auf den 2. Weltkrieg und die Zeit nach 1945), wenn dieser Begriff auch lange schon nicht mehr verwendet wird. Heinrich Böll, Günter Grass, Max Frisch oder Uwe Johnson, um nur einige zu nennen, haben längst das Zeitliche gesegnet. Martin Walser ist der letzte noch lebende Autor, der sich als Berichterstatter der sich entwickelnden Bundesrepublik Deutschland hervorgetan hat. Mehrere seiner jüngsten Werke habe ich während meiner eher unfreiwillig freien Zeit in der 2. Jahreshälfte des letzten Jahres gelesen, so zunächst Statt etwas oder Der letzte Rank – 1. Auflage Januar 2017 – Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg.

Nach wie vor ist Walser ein Meister der deutschen Sprache, aber für Neueinsteiger in das Walser‘sche Werk sind diese letzten Bücher wenig geeignet. Da verweise ich auf die eingangs erwähnten großen Romane. Leser, die sich aber bereits ausführlich mit Martin Walser beschäftigt haben, kommen kaum um einen Roman wie diesen herum.

Die Gattung Roman trifft wenig auf dieses Buch zu. „Gedankenlyrik in Prosa“ wurde es genannt und es sind 52 Abschnitte voller Welt- und Selbstergründung, die nicht frei sind von einer ziemlich typisch Walser’schen Egozentrik. Das Werk handelt so von persönlichen Verletzungen und sexuellen Andeutungen und abstrahiert Biografisches in knappen pointierten Epigrammen. Und wenn diese oftmals ‚formlos, pathetisch, egozentrisch, sprachlich banal und dem intellektuellen Gehalt nach absolut uninteressant‘ erscheinen, ‚so faszinieren‘ sie ‚auf anderer Ebene. Mit „Statt etwas“ entsagt Walser allen Konventionen und wendet sich der Innerlichkeit zu, entblößt sich und seine Gedankenwelt und das in einer Konsequenz, die an Erbarmungslosigkeit grenzt‘. (Quelle: Roman Bucheli – Neue Züricher Zeitung vom 04.01.2017)

Zur Erklärung des Begriffs Rank – aus: Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm

rank, m. wendung, drehung
1. schweiz. rank, wendung, krümmung des weges
2. rank, namentlich auch im wettlaufe und bei der jagd, die wendung, die der verfolgte nimmt, um dem verfolger zu entgehen

„Mit der Unwahrheit ein Glückskunstwerk zu schaffen, das ist die menschliche Fähigkeit überhaupt.“ Wer sagt das? Seine Frau nennt ihn mal Memle; mal Otto, mal Bert, er versucht zu erkennen, wie aus Erfahrungen Gedanken werden. Den Widerstreit von Interessen hat er hinter sich gelassen, Gegner und Feinde auch, sein Wesenswunsch ist, sich herauszuhalten, zu schweigen, zu verstummen. Am liebsten starrt er auf eine leere, musterlose Wand, sie bringt die Unruhe in seinem Kopf zur Ruhe. „Mir geht es ein bisschen zu gut“, sagt er sich dann, „zu träumen genügt.“

„Statt etwas oder der letzte Rank“ ist ein Roman, in dem er in jedem Satz ums Ganze geht – von größter Intensität und Kraft der Empfindung, unvorhersehbar und schön. Ein verwobenes Gebilde, auch wenn es seine Verwobenheit nicht zeigen will oder sogar versteckt. Ein Musikstück aus Worten, das dem Leser größtmögliche Freiheit bietet, weil es von Freiheit getragen ist: der Freiheit des Denkens, des Schreibens, des Lebens. So nah am Rand der Formlosigkeit, ja so entfesselt hat Martin Walser noch nie geschrieben. Ein Höhepunkt in Martin Walsers Alterswerk, ein Roman als Summe und Bilanz. (aus dem Klappentext)

Das Buch beginnt wie folgt:

Mir geht es ein bisschen zu gut. Seit dieser Satz mich heimsuchte, interessierte ich mich nicht mehr für Theorien. Alles Besitzergreifende mied ich mühelos. Das war mein Zustand: ich merkte, dass mich auch das Umständliche nicht mehr interessierte. Dazu war ich von selbst gekommen. Glaube ich. Genau weiß ich nichts. Zum Glück war das Bedürfnis, etwas genau wissen zu wollen, erloschen.

[…]

Mir geht es ein bisschen zu gut.
Dass ich noch Sätze brauchte, war kein gutes Zeichen. Erstrebenswert wäre gewesen: Satzlosigkeit. Ein Schweigen, von dem nicht mehr die Rede sein müsste. Und ich hörte mich sagen: Unfassbar sein wie die Wolke, die schwebt.
Das war einer der Sätze, die mir den Wesenswunsch zu verstummen aufschiebbar machten.

Gewissensbisse? Dann ist dein Charakter deinen Taten nicht gewachsen!
Gewissen, das sei die innerste Einsamkeit des Menschen.

Und hier noch einige andere interessante ‚Buchstücke‘ aus dem Roman:

…, ich habe den wirklich elenden Zustand unserer Sprache, wenn es um Liebe geht, durch Sprachgirlanden ersetzt, die dem, der sie genießen kann, das Kompliment höherer Zurechnungsfähigkeit macht.

Wie lernt man vergessen, was man nicht erträgt?

Ich konnte nicht denken, was ich wollte.

Weitere Leseproben bei books.google.de

    Martin Walser: Statt etwas oder Der letzte Rank
    Martin Walser: Statt etwas oder Der letzte Rank

Hier erzählt einer, der auf sein Leben zurückblickt und begreift. Das fulminante Porträt eines Menschen, ein Roman, wie es noch keinen gab.

„In der schönsten und klarsten Sprache, die in Deutschland zurzeit geschrieben wird, verdichtet Martin Walser Erfahrung und Empfindung.“ Denis Scheck

„Es gibt keine Sätze außerhalb der Zeit. Und doch versucht Martin Walser, sich einem idealen Schreiben anzunähern, das so unmittelbar sein müsste wie Musik.“ Jörg Magenau, Die Tageszeitung

Worte zum Wochenende (3. KW 2019): Wochenend‘ und Sonnenschein

Für den, der im Berufsleben steht, gibt es kaum schönere Begriffe als Urlaub und Wochenende. Zum ersteren dichtete schon Heinz Erhardt: „Ich geh‘ im Urwald für mich hin… Wie schön, daß ich im Urwald bin: man kann hier noch so lange wandern, ein Urbaum steht neben dem andern. Und an den Bäumen, Blatt für Blatt, hängt Urlaub. Schön, daß man ihn hat!“

Worte zum Wochenende (3. KW 2019 – WilliZBlog)

Und vom letzteren sangen bereits Ende der 1920er, Anfang der 1930er Jahre die Comedian Harmonists und verbanden es mit dem von jedem von uns so geliebten Sonnenschein.

Nach trostlosen Tagen, nasskalt und verregnet (ich nenne es Totensonntagswetter), ist es endlich bei uns hier im Norden soweit: die Sonne lässt sich wieder blicken. Und das auch noch gerade recht zum Wochenende. Da packen wir unsere Alltagsdepression in den Koffer, verschließen diesen und verstauen ihn auf dem Dachboden (wenn wir einen haben, sonst im Keller).

Allen ein schönes, sonniges Wochenende!

Genutzte Zeit zum Lesen

So einmal gut sieben Monate ohne die werktägliche Arbeit zu tun oder gar tun zu müssen, nicht morgens viel zu früh aufzustehen, nicht in vollen Bahnen zu fahren und abends eher erschöpft nach Hause zu kommen – ich habe mich daran gewöhnt. Die Zeit nach der Knie-OP und der Rehabilitation hat mir viel freie Zeit beschert, die ich genutzt habe: Endlich bin ich wieder einmal zum Lesen gekommen, habe mir auch den einen oder anderen guten Film angeguckt, war wieder für Wochen da, wohin ich gern wollte. Und wo ich am Ende des Jahres wieder sein werde.

Willi lässt sich treiben
Willi lässt sich treiben

Liegengeblieben waren die letzten Werke von Martin Walser, der ja 2017 inzwischen seinen 90. Geburtstag feierte. Zunächst ein Gespräch zwischen Walser und seinem Sohn Jakob Augstein: Das Leben wortwörtlich

Dann drei Romane von Martin Walser:
Statt etwas oder Der letzte Rank (2017)
Gar alles oder Briefe an eine unbekannte Geliebte (2018)
Ehen in Philippsburg (sein erster Roman aus dem Jahre 1957)

Von Halldór Laxness hatte ich mir vor geraumer Zeit einmal ein ganzes Bündel Taschenbücher zum Sonderpreis zugelegt. Viele seiner Romane habe ich inzwischen gelesen – es verblieben trotzdem noch vier Romane und ein Band mit Erzählungen, die ich in der freien Zeit gelesen habe. Hinzu kommt noch eine Biografie Halldór Laxness – Sein Leben von Halldór Gudmundsson.

Die glücklichen Krieger (hier bereits besprochen)
Atomstation
Die Litanei von den Gottesgaben
Das wiedergefundene Paradies
Ein Spiegelbild im Wasser – Erzählungen

Verbleibt für mich nur noch ein Roman von Laxness, der bisher leider nicht verfügbar war, nun aber Ende Februar neu aufgelegt wird: Das Fischkonzert

Über Suzanne Vegas Album Lover, Beloved: Songs from An Evening With Carsonaus dem Jahr 2016 bin ich auf dem Roman Das Herz ist ein einsamer Jäger von Carson McCullers gekommen.

Im letzten Jahr war es fünfzig Jahre her, dass der Roman Deutschstunde von Siegfried Lenz erschien. Den Fernsehfilm dazu aus dem Jahre 1971 kannte ich. So wurde es Zeit, jetzt auch den Roman zu lesen. Inzwischen ist der Roman erneut verfilmt worden und wird ab 03.10.2019 in den Kinos gezeigt.

Außerdem hatte ich das letzte Werk von Günter Grass Vonne Endlichkait einige Zeit liegen – und während meiner ‚Freizeit‘ endlich gelesen.

Ich bin ein Freund der kleinen Bücher des Insel-Verlags. Diese muten etwas altmodisch an. Aber genau das mag ich an ihnen. Hermann Hesses Aufzeichnungen Wanderung mit Zeichnungen des Autors sind poetische Protokolle einer Wanderung und Wandlung und passen sehr gut in diese Reihe.

David Zane Mairowitz war es, der sich speziell Kafkas Roman Der Prozess annahm und daraus mit der französischen Comiczeichnerin Chantal Montellier eine Graphic Novel zauberte: Der Process – endlich habe ich das Buch zur Hand genommen.

Und wenn ich schon bei Kafka bin: Von Peter Weiss habe ich dessen Theaterstück Der neue Prozess, das am 12. März 1982 in Stockholm uraufgeführt wurde, erneut gelesen

1997 war es ein Bestseller, der Roman Die Asche meiner Mutter von Frank McCourt, in dem er seine Kindheitserinnerungen in Irland veröffentlichte. Einer meiner Schwager hatte das Buch ausgesondert, so habe ich es zu mir genommen – und im letzten Jahr gelesen.

Tom Coraghessan Boyle ist ein ziemlich schräger Vogel – und ein hervorragender Schriftsteller, der in Amerika dem historischen Roman zu neuem Ansehen verholfen hat. In seinem Roman Wassermusik erzählt er die Geschichte des (historischen) schottischen Afrikaforschers Mungo Park, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts zwei Entdeckungsreisen ins Innere Afrikas unternimmt. Er ist besessen von dem Wunsch, den Niger zu entdecken, was ihm nach allerlei Mühen auch gelingt.

Ich habe eine gewisse Vorliebe für Krimis (allerdings eher in Form von Filmen, lese aber ab und zu auch einmal einen Kriminalroman). So habe ich von Martha Grimes aus der Inspektor Jury-Reihe, von der bisher vier Folgen verfilmt wurden, den Roman Inspektor Jury geht übers Moor gelesen. Den Kriminalroman Eismond von Jan Costin Wagner habe ich erneut gelesen. Er begründete ebenfalls eine Krimi-Reihe, hier um den finnischen Kommissar Kimmo Joentaa.

Es las während meiner (unfreiwilligen) Freizeit noch das eine und andere Buch. Den hier erwähnten Bücher werde ich sicherlich noch etwas Aufmerksamkeit zukommen lassen, um diese zumindest in gewisser Kürze zu besprechen.

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (9): Ene meine muh und rein kommst du!

„Die Baumaßnahmen für das Bauprojekt ‚TO HUUS in 21255 Tostedt‘ haben bereits begonnen. Die Fertigstellung ist im Laufe des Jahres 2020 geplant.“

Noch ist nicht ein Stein gemauert, da wird bereits für das Bauvorhaben ‚Am Bahnhof 9/9a‘ durch ein großes Plakat, das bis zum Bahnhof in Tostedt gut sichtbar ist, geworben. Bis 2020 sollen dann insgesamt 90 Wohneinheiten (2- bis 4-Zimmer-Mietwohnungen) entstehen. Wer jetzt schon an eine der Wohnungen interessiert ist, kann Info-Material (Info-Blatt) anfordern.

Beispiel 2- und 4-Zimmer Mietwohnung
Beispiel 2- und 4-Zimmer Mietwohnung (Quelle: Info-Blatt to-huus-tostedt.de)

Da die insgesamt vier Wohngebäude sehr nah an den Gleisen der Bahnmagistrale zwischen Bremen und Hamburg liegen, erfolgt die ‚Ausstattung nach erhöhten Schallschutzanforderungen‘ und die ‚Schlafräume erhalten elektrische Außenroll[l]äden‘. Besonders die Gebäudeteile 1a und 1b in vorderer Reihe sind vom Bahnlärm betroffen.

Das angesprochene Info-Blatt wirbt vor allem mit der Lage der neuen Mietwohnungen. Gemeint ist Tostedt selbst, ein Ort, der sicherlich verkehrsmäßig günstig liegt und in vielerlei Hinsicht einiges zu bieten hat. Mit den angesprochenen Kultureinrichtungen sieht es allerdings eher mau aus. Da hat der Nachbarort Buchholz, z.B. mit der Empore Buchholz, etwas mehr zu bieten. Ansonsten steht Hamburg und auch Bremen für Kultur eher zur Verfügung. Auch ist es mit der gesundheitlichen Versorgung so eine Sache. Bestimmte Fachärzte (z.B. Orthopäde, HNO-Arzt und Hautarzt) fehlen ganz. Das nächste Krankenhaus ist wiederum nur in Buchholz zu finden. Außerdem nehmen einige Allgemeinmediziner wegen der großen Anzahl ihrer Stammpatienten keine neuen Patienten mehr auf. Wer also von außerhalb nach Tostedt ziehen möchte, sollte dies bedenken.

Nun, ich bin gespannt, wann die eigentlichen Bauarbeiten endlich beginnen. Seit den ersten Arbeiten auf dem Grundstück (Abriss verschiedener Gebäude) im Mai 2016 ist bereits viel Zeit vergangen. Und die Zeitangabe (Fertigstellung ist im Laufe des Jahres 2020 geplant) lässt sich so deuten, dass noch einiges nicht (z.B. die Bauanträge, Beauftragung von Baufirmen) ‚in trockenen Tüchern‘ gewickelt ist. Sonst sollte sich die Fertigstellung etwas genauer datieren lassen.

Also schauen wir ‚mal …!

Deutsche Bahn: drei ½ Stunden Stillstand in und um Hannover

Der ältere meiner beiden Söhne, der in Mannheim studiert, besuchte uns am Wochenende einmal wieder. Bereits bei seiner Anreise mit der Bahn hatte er am letzten Freitag eine halbe Stunde Verspätung. Das war nichts gegen das, was er gestern erlebte. In und um Hannover ging für drei ½ Stunden nichts mehr. Das Stellwerk am Hbf. Hannover war komplett ausgefallen. Auch anschließend kam es noch zu „starken Einschränkungen im Bahnverkehr Großraum Hannover“.

Was die Ursache für die Stellwerk-Probleme war, wurde bisher nicht mitgeteilt. Der Fernverkehr wurde gestern Nachmittag u.a. über Wunstorf und Lehrte umgeleitet. So stand der Zug meines Sohnes fast drei Stunden in Wunstorf. Nach 23 Uhr 30 meldete sich mein Sohn aus Mannheim. Endlich mit fast vier ½ Stunden Verspätung war er zu Hause angekommen.

Erst Anfang Dezember hatte ein Stromausfall den Zugverkehr im Bereich Hannover über mehrere Stunden lahmgelegt. Ursache des Stromausfalls waren wahrscheinlich zwei Kurzschlüsse in einem Kabelschacht in der Nähe des Hauptbahnhofs.

Worte zum Wochenende (2. KW 2019): Die Jungs kommen

Unsere zwei Söhne sind längst erwachsen und leben ihr eigenes Leben. Beide haben nette und hübsche Freundinnen. Der eine lebt und studiert in Mannheim; der andere wohnt bei uns im Ort, okay, zu Fuß in fünf Minuten zu erreichen (‚Dreimal lang hinschlagen und schon ist man da!‘).

Früher waren es meine Frau und ich, die Weihnachten zu unseren Eltern fahren mussten. Heiligabend waren wir noch unter uns. Am ersten Feiertag ging es dann zu meinen Eltern und am 2. Feiertag zu den Eltern meiner Frau. Jetzt sind wir es, meine Frau und ich, die zu Weihnachten besucht werden. Das ist eben der Lauf der Zeit.

So waren wir am Heiligabend zu sechst. Der jüngere der Söhne kochte (mit der Unterstützung seiner Freundin und mir). Alles war lecker und der Abend gemütlich und geruhsam. Der ältere der Söhne blieb mit seiner Freundin dann noch bis zum 28. Dezember, kochte ebenfalls etwas Leckeres für uns verbliebene Vier. Auch wenn das Wetter nicht berauschend war, so waren wir an zwei Tagen doch längere Zeit unterwegs.

Worte zum Wochenende (2. KW 2019 – WilliZBlog)

Weihnachten liegt nun schon über zwei Wochen hinter uns. Und an diesem Wochenende treffen wir uns wieder. Unsere Jungs kommen. Diesmal koche ich.

Bauplanung ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt (8): Neuer Bebauungsplan und Erdarbeiten

Es ist schon eine Zeit her, dass ich mich hier zu dem Bauvorhaben ‚Am Bahnhof 9/9a‘ in Tostedt geäußert habe. Zuletzt ging es im Frühjahr 2017 um die Öffentliche Auslegung zum „Entwurf der 2. Änderung zum Bebauungsplan Nr. 22 sowie der Entwurf der Begründung mit Anlagen“ im Rathaus der Samtgemeinde Tostedt. Und inzwischen hat nicht nur der Planungs- und Umweltausschuss der Gemeinde Tostedt getagt und über die Stellungnahmen der Bürger beraten. In der Ratssitzung am 13. Juni 2017 wurde über die Änderung des Bebauungsplanes endgültig beschlossen. Planzeichnung und Begründung zu dieser 2. Änderung des B-Plans 22 (Karlstraße, Tostedt) sind im Internet einsehbar bzw. als PDF abrufbar.

2. Änderung zum Bebauungsplan Nr. 22 Karlstraße, Tostedt
2. Änderung zum Bebauungsplan Nr. 22 Karlstraße, Tostedt

Anschließend hat sich im Jahr 2017 erst einmal so gut wie nichts getan (Es tat sich zumindest auf dem Grundstück nichts). Nach meinem Wissen sind auch die eigentlichen Bauanträge von der Bauherrengemeinschaft Tostedt GbR bei den zuständigen Stellen bis Ende 2018 nicht eingegangen.

Entgegen der Vorankündigung verspätet gab es dann im Mai wieder Arbeiten auf dem Grundstück, u.a. wurden die noch vorhandenen Baumstumpen entfernt. Mitte Oktober gab es dann weitere Arbeiten am Baumbestand. Und ab 1. November 2018 montags bis samstags pünktlich ab 7 Uhr wurden für mehrere Wochen (bis vor Weihnachten) Erdarbeiten durchgeführt. Dabei wurde ein Großteil der Muttererde, der in der Bauphase nur stören würde, kurz vor dem Grünstreifen zu den Häusern in der Morlaasstraße Ost (also auch zu uns) mehrere Meter hoch aufgeschüttet. Die vorgesehene Anpflanzung an den angrenzenden Grundstücken der Morlaasstraße Ost, die eigentlich in der Pflanzperiode November 2017 bis April 2018 erfolgen sollte und in Absprache mit dem Fachbereich „Bauen und Planung“ um ein Jahr verschoben wurde, wird so mit Sicherheit wieder nicht ausgeführt werden.

Muttererdeanhäufung – darf hier gerodelt werden?
Muttererdeanhäufung – darf hier gerodelt werden?

Bei diesen Erdarbeiten wurden auch die für die Bebauung vorgesehenen Flächen ausgehoben und mit Sand gefüllt, also für den späteren Bau der Häuser ‚präpariert‘. Seitdem liegt das Grundstück im Winterschlaf. Immerhin steht auf dem Grundstück schon ein Baukran, der auf baldigen Baubeginn der geplanten Häuser hindeutet.

Und zwischen den Jahren hat sich noch etwas getan: An übereinander gestapelten Container flattert bis zum Bahnhof gut sichtbar eine Leinwand: Ene meine muh – und rein kommst du. – steht dort geschrieben. Wer Interesse an einer Mietwohnung hat, kann sich Info-Material einholen: „Die Baumaßnahmen für das Bauprojekt „TO HUUS in 21255 Tostedt“ haben bereits begonnen. Die Fertigstellung ist im Laufe des Jahres 2020 geplant.“ Mehr dazu demnächst.

Der Preis ist Scheiß: Dynamic Pricing

Die Weihnachtszeit ist vorbei, die letzten nicht so gelungenen Geschenke umgetauscht. Endlich haben die Paketboten, die uns die online bestellte Ware ins Haus gebracht haben, etwas Zeit zum Verschnaufen.

Ich gestehe, dass ich früher so ziemlich alles bei Amazon gekauft habe, wenn das von mir Gewünschte dort angeboten wurde. Meist war es dort auch am günstigsten. Inzwischen hat sich das längst geändert, Dynamic Pricing heißt das vermaledeite Zauberwort.

    Der Preis ist Scheiß: Dynamic Pricing

Wer kennt es nicht, wenn er sein Auto betanken muss. Viele Male am Tag verändert sich dort der Preis für den Treibstoff. Oft erfolgt die Preisgestaltung nach einem bestimmten Muster. Morgens ist es am teuersten, abends oder in die Nacht hinein am preiswertesten. Natürlich wird ein solcher Zyklus von Zeit zu Zeit unterbrochen. Ähnlich wie mit diesen Tankstellenpreisen operiert Amazon. Überhaupt ist dynamische Preisanpassung im Netz gang und gäbe. Amazon gilt allerdings als Vorreiter, der Versandriese ändert seine Preise am Tag unzählige Male. Es handelt sich dabei um ein Modell, welches Preise anhand automatischer Algorithmen berechnet. Dabei werden Faktoren wie die Preisgestaltung der Konkurrenten, Angebot und Nachfrage und andere externe Faktoren miteinbezogen.

Vielleicht interessiert an dem Thema? Bei Amazon finden sich bestimmt jede Menge Bücher usw. hierzu (was soll das denn jetzt, Willi? 😉 ):

Natürlich denkt auch schon der Einzelhandel (hier besonders die Discounter und Einzelhandelsketten) darüber nach, eine personalisierte Preisgestaltung auch hier einzuführen. Wie könnte das aussehen?

Viele zahlen heute mit ec-Karte („electronic cash“), genauer Girocard. Und viele haben eine Payback-Karte (früher waren es die guten Rabattmarken, die die Käufer betulich sammelten). Dank Near Field Communication (zu deutsch Nahfeldkommunikation) lassen sich solche Karten heute schon zum kontaktlosen Austausch von Daten über kurze Strecken von wenigen Zentimetern lesen. Denkbar wäre es also, dass solche Karten auch über etwas größere Strecken ausgelesen werden könnten. Bedenkt man, dass z.B. die Payback-Karte nicht nur zum Sammeln von Punkten (jeder Punkt ein €-Cent), sondern besonders der detaillierten Analyse des Kaufverhaltens der Kartenbesitzer dienen, dann kann sich jeder ausdenken, in welche Richtung der Zug fährt:

Käufer A. hat eine Vorliebe für bestimmte Lebensmittel. Kommt er ins Geschäft, genauer: kommt er in die Nähe dieser Lebensmittel, so wird eine seiner Karten ausgelesen, seine Vorliebe erkannt und die Preise für diese Lebensmittel allein für ihn dynamisch ‚angepasst‘. Die Preisschilder sind dann durch kleine Displays ersetzt. Natürlich kennt auch die Kasse den für Käufer A. angepassten Preis.

Ich hatte kürzlich ein Gespräch mit einer Frau, die sich darüber erregte, dass es Menschen gibt, die sich gegen jede Art von Datenerfassung wehren. Früher, als sie jung war, hätte sie das auch getan, weil das junge Menschen eben so tun. Wenn sie nichts verbrochen hat, dann muss sie nichts befürchten. Überhaupt geben so viele Menschen in den sozialen Medien alles Mögliche von sich preis. Dass die massenhafte Datenerfassung der Manipulation von Menschen dient, war ihr nicht aufgegangen. Ihr Einwand, dass sie sich nicht manipulieren ließe, konnte ich leider nur mit Kopfschütteln beantworten.

Die Sinnkrise des Konservatismus

Vor geraumer Zeit las ich den folgenden Zeitungsartikel. Dieser konstatiert eine Krise des Konservatismus, die jedem Betrachter mit halbwegs gesundem Menschenverstand längst aufgefallen ist. Sogenannte Konservative übernehmen angesichts der Flüchtlingsdebatte rechte Positionen. Rechte geben sich als Konservative aus. Dabei, so der Tenor des Artikels, wollen Rechte nichts bewahren, nichts ‚konservieren‘, sie wollen die Abschaffung der Demokratie, die natürlich längst zur Debatte steht, sie wollen die Macht. Hier Auszüge aus dem Artikel der Berliner Zeitung von Dirk Pilz:

[…]

Der „Vertrauensvorschuss“, den jede Debatte braucht, wird hintergangen, wenn man mit falschen Fakten hantiert. „Meinung muss auf Fakten gegründet sein“, hat Hannah Arendt einst angemerkt, andernfalls sei Meinung eine Farce. Das ist noch immer richtig, denn im Rahmen einer Farce kann es keinen sinnvollen Streit geben. Wenn mein Partner von mir Respekt einfordert, ich ihn aber anlüge, ist die Antwort „Ich respektiere, dass du mich anlügst“ ein sinnloser Satz, sinnlos, weil er keine zukunftsstiftende, vertrauensfördernde Perspektive eröffnet.

Sinnkrise des Konservatismus

Deshalb wird in dieser Debatte so viel von Angst gesprochen. Die Angst davor, einer politischen Richtung zugeordnet zu werden, vor allem aber die Angst vor der Leere der eigenen Position. Sie scheint auf der konservativen Seite stärker ausgeprägt zu sein, vielleicht auch, weil man sich ihrer hier bewusster ist. Der Konservatismus hat immer von der Überzeugung gelebt, dass das Neue unter Begründungsdruck steht, nicht das Bewährte. Man kann es auf die Formel bringen, die Martin Mosebach mit Blick auf die Katholische Kirche geprägt hat: „Ihr schieres Alter spricht für sie.“

Was sich aber bewährt hat, lässt sich in unserer zersplitterten Gegenwart immer schwerer bestimmen. Die Geschichte hinterlässt ohnehin keine eindeutigen Botschaften. Je genauer man hinschaut, desto deutlicher treten die Ambivalenzen in Erscheinung. Man kann Goethe nicht loben, ohne auf sein merkwürdiges Frauenbild einzugehen. Man kann Luther nicht preisen, ohne an seine antisemitischen Schriften zu denken, Marx nicht, ohne an dessen Entehrung durch den Stalinismus.

Es gibt kein Christentum ohne die Kreuzzüge, es gibt auch keinen Islam ohne den Missbrauch durch Terroristen. Es gibt generell keine reine Vergangenheit, nichts, das sich ohne Abstriche feiern ließe. Das stete Anrufen der Vergangenheit wird damit zur Beschwörung einer Leerstelle. Die Krise des Konservatismus ist eine Sinnkrise, sie kreist um die Frage, was es zu bewahren gilt, was nicht. Jede formelhafte Antwort darauf weicht dieser Frage aus. Ein lebendiger Konservatismus prüft dagegen den Kanon des zu Bewahrenden, mit offenem Ausgang.

[…]

Im Grunde müssten gerade die Konservativen entschiedene Gegner aller rechtsradikalen Tendenzen sein. Dass es so nicht ist, verdeutlicht das Elend des Konservatismus: Er begeistert sich nur für die Erhaltung des Bewahrungswürdigen und nicht für das Bewahrungswürdige selbst, er verteidigt das Verteidigen als solches.

Gefährlich ist diese Entwicklung vor allem deshalb, weil längst auch die Demokratie zur Debatte steht – die rechtsradikale Auslegung des Konservatismus stellt die Grundlage jeder Debatte und jeder Vergangenheitsverständigung in Frage. Rechtsradikale wollen nichts bewahren, kein Gespräch, kein Aushandeln, sie wollen die Macht. […]

Willis Knie – Teil 2: Reha und weitere Entwicklung

Fortsetzung von: Willis Knie – Teil 1: Diagnose und OP

Willis rechtes Bein – wo sind die Weichteile?

Am Freitag aus dem Krankenhaus entlassen, so wurde ich am darauf folgenden Montag bereits in der Waldklinik Jesteburg – dem Zentrum für Rehabilitation aufgenommen. Im Vorfeld hatte ich mich für eine ambulante Reha entschieden. Morgens gegen 8 Uhr wurde ich durch einen Fahrdienst der Klinik abgeholt und nachmittags von diesem wieder nach Hause gebracht. So konnte ich den Abend in den eigenen vier Wänden verbringen und in meinem eigenen Bett schlafen. Das Mittagessen nahm ich in der Klinik ein. Für die Ruhepausen steht ein Ruheraum zur Verfügung. Bei dem schönen Wetter Ende April/Anfang Mai 2018 verbrachte ich viel Zeit draußen an der frischen Luft. Mit der Gehhilfe kein Problem. Und bei dem wäldlichen Umfeld der Klinik geradezu ein Muss!

Waldklinik Jesteburg – Zentrum für Rehabilitation
Waldklinik Jesteburg – Zentrum für Rehabilitation

Die Reha dauerte gut drei Wochen und beinhaltete neben der üblichen Krankengymnastik (einzeln und in kleinen Gruppen) und dem ‚Wasserballett‘ (Krankengymnastik im Bewegungsbad), Training auf dem Ergometer, Lymphdrainage und auch belehrende Vorträge zur gesundheitsbewussten Lebensgestaltung (!). Ich bestätige gern, dass ich die Zeit in der Reha durchaus genossen habe und die Waldklinik gern weiterempfehlen kann.

Willi ruht im Ruheraum der Waldklinik
Willi ruht im Ruheraum der Waldklinik

So wurde es Mitte Mai. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich nicht angenommen, dass ich noch weitere sechs Monate ‚krankfeiern‘ würde, obwohl der Chefarzt der Waldklinik in seinem Entlassungsbericht schrieb, dass „wir … von einem weiteren ambulanten Therapiebedarf von drei bis sechs Monaten aus[gehen].“

Apropos Entlassungsbericht! Ich fand es schon etwas komisch, wie hier unter Punkt 3.2 auch ein allgemeiner psychischer Befund zu meiner Person erstellt wurde. Demnach „[ist] Herr A. … dem Untersucher gegenüber freundlich zugewandt und macht adäquate Angaben. Aus dem Beschwerdebild ergeben sich keine Beeinträchtigungen der verbalen Kommunikation. Keine Orientierungsstörung. Keine Anzeichen einer depressiven Verstimmung oder weiterer psychiatrischer Erkrankungen. Keine Einschränkung bei der Bewältigung von Stress- und Krisensituationen.
Es bestehen keine Einschränkungen beim Lernen, der Anwendung des Erlernten, der Aufgabenlösung sowie der Kommunikation.
Herr A. zeigt sich zum Krankheitsverlauf ausreichend orientiert. Aus der Befragung ergeben sich keine Hinweise auf das Vorliegen psycho-sozialer Konfliktsituationen.“
– Nun denn, Herr Doktor!

Nach der Reha ging ich (zunächst noch auf Krücken) zweimal die Woche zur Krankengymnastik und wurde in der Praxis von Frau Ruth Brandt in Tostedt von Herrn Torsten Schulz bestens betreut. Späterhin nahm ich beim Todtglüsinger SV in der Fitnesshalle zweimal die Woche am Rehasport teil. Ich möchte mich hier bei Simone Barghusen, Karin Pinto da Silva und auch bei Tatjana Oshana-John für ihre Unterstützung bedanken. Ohne Zweifel haben mich Krankengymnastik und Rehasport (der übrigens von meinem Rententräger bezahlt wurde) ein großes Stück weiter gebracht.

Es dauerte lange, bis ich mein Knie wieder einigermaßen strecken und beugen konnte. In der Beugung schaffte ich lange Zeit gerade einmal einen Winkel von maximal 95 ° (etwas mehr als ein rechter Winkel). Zum Fahrradfahren werden mindestens 110° benötigt. Vom Orthopäden wurde so schon angedacht, eine Narkosemobilisation durchzuführen. Ich hatte so sechs Wochen bis zum nächsten Arzttermin Zeit, um die Beugung zu verbessern. Dank Heimtrainer, spezieller Dehnübungen (bis zur Schmerzgrenze) und dann auch durch den Erwerb eines E-Bikes (genauer: Pedelecs) der Firma Lehmkuhl (Serie P2 Classic 7-Gang) schaffte ich es dann: Der Orthopäde war zufrieden. Eine weitere Behandlung nicht mehr notwendig.

Und so arbeite ich seit dem 26. November 2018 wieder – zunächst je zwei Wochen a vier, dann sechs Stunden in einer Wiedereingliederung in das Erwerbsleben (läuft noch unter Krankmeldung und wird von der Krankenkasse bezahlt). Mit dem neuen Jahr arbeite ich wieder voll.

Was macht mein Knie heute? Es ist schon komisch, welche Antworten ich auf meine oft gestellte Frage bekam, wie lange es dauern wird, bis ich wieder beschwerdefrei laufen (sic!) kann. Zunächst war die Rede von drei, dann vier Monaten. Dann wurden es schon sechs Monate – bis zu einem Jahr. Von einem Bekannten hörte ich nun, dass er fast zweieinhalb Jahre brauchte, bis er wieder so gehen (sic!) konnte, wie er es sich wünschte. Heute nach fast neun Monaten seit der OP habe ich immer noch Beschwerden, leichte Schmerzen zwar nur, besonders in der Nacht beim Schlafen, beim Treppenhinabgehen oder beim Anziehen (Socken, Hose), aber immer noch zieht und ziept es. Im Grunde sollen durch ein neues Kniegelenk lediglich die Aktivitäten des täglichen Lebens wieder schmerzfrei ermöglicht werden. Wer mehr möchte, der muss selbst zusehen, wie er klarkommt. Ein menschliches Kniegelenk beinhaltet sehr komplexe Bewegungsabläufe, die durch eine Gelenkprothese nicht vollständig nachgebildet werden können. Bei einer Hüftprothese ist die ärztliche Kunst schon einen Schritt weiter. Schön, wenn man solches, wenn auch verspätet, doch noch erfährt.

Nun, ich will nicht klagen. In spätestens zehn Monaten gehe ich in Rente. Und bis dahin habe ich noch einige Zeit, um noch ein wenig mehr fit zu werden. Allerdings hat sich durch die Verlagerung des Firmensitzes mein Arbeitsweg fast verdoppelt. Morgens wie abends bin ich so bis zu zwei Stunden unterwegs, muss öfter umsteigen und dabei oft genug wegen Verspätungen hinter Bahn oder Bus hinterhersputen, was mit einem immer noch nicht ganz funktionsbereiten Knie nicht gerade ratsam ist.

Mein Rat für Leidensgenossen/-innen: Geht möglichst früh zum Orthopäden (wenn’s im Knie zu knirschen beginnt). Ist die Implantierung einer Totalendoprothese unumgänglich, dann kann damit gewartet werden, solange die Schmerzen nicht zu groß sind. Aber das muss jeder für sich (mit ärztlichem Rat) selbst entscheiden.