Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Was ist bloß mit Ian los? Teil 30: Nur verbale Exzesse

Hallo Wilfried,

es liegt also im Bereich des Möglichen, dass Mr. Anderson im Laufe seines künstlerischen Schaffens gelernt hat, Noten zu lesen und Partituren zu schreiben. Trotzdem habe ich in seiner Vita noch einige Lücken: Wann und vor allem wie hat er gelernt, so viele Instrumente zu spielen ? Soweit ich weiß, hat er eine Kunstschule besucht und auch mal daran gedacht, Journalist zu werden. Wo findet in diesem seinem Lebensweg die musikalische Ausbildung ihren Platz ? Sicher weißt Du hierüber mehr.

Die gute Mrs. Bush. Ihre Stimme. Ihre Ausstrahlung. Ihre Musik. Jeder dieser Faktoren ist bemerkenswert. Es wird Dich sicher überraschen, aber ich finde nicht alle ihrer Lieder gut. Ich denke sogar, dass das ein oder andere ihrer Alben von vorn bis hinten der reinste Schrott ist. Ihre Stimme empfinde ich auch nicht immer als angenehm. Stellenweise, wenn sie gar zu engagiert singt, klingt ihre Stimme hysterisch. Aber es sind die in meinen Ohren „guten“ Alben, die dafür gesorgt haben, dass ich Mrs. Bush seit über 25 Jahren nie ganz aus den Augen verloren habe. Wie bei anderen Künstlern auch sind es ihre Frühwerke, die es mir besonders angetan haben. Eben jene Werke, die ihren Ruf als Elfe begründet haben. Bei näherem Nachdenken sind es vielleicht nur 15 bis 20 Titel von ihr, die mir besonders gefallen. Aber die eben ganz besonders. Einen Vergleich zwischen Kate Bush und Aguillera, Spears, Madonna, Minogue, Anastacia oder wie sie alle heißen lehne ich ab. Nicht nur wegen der Musik. Es sind ganz verschiedene Welten. Auf der einen Seite Mrs. Bush, bei der sich Singstimme, Kompositionen, Performance, Texte, Talent, Körperbeherrschung zu einem fantastischen Gesamtkunstwerk zusammenfügen. Auf der anderen Seite Diseusen, die versuchen, mangelnde künstlerische Qualitäten durch auffällige Bühnenoutfits zu kompensieren.

Schon sind wir wieder beim Thema Erotik. Selbst wenn Madonna und Co. Kostüme tragen, deren Stoff nicht ausreichen würde, um eine Krawatte zu schneidern, werden sie nie die Ausstrahlung einer Kate Bush erreichen. Ich finde Kate Bush in einer fleckigen Küchenschürze anziehender als Mrs. Spears im Stringtanga. Nur so als Beispiel. Eines kann das beste Bühnenoutfit der Welt nicht ersetzen: Persönlichkeit. Und die, lieber Leser, hat Kate Bush ! Ich denke, in diesem Punkt wirst Du mir zustimmen.

Soviel zur Popmusik, zurück zu seriösen Themen, zu Jethro Tull: Dass die Mannen um Mr. Anderson in ihren Strumpfhosen Dich nicht anmachen, beruhigt mich irgendwie. Anders wär‘ s nämlich schlecht. Falls diese Beinkleider wirklich, wie von mir vermutet, so etwas wie eine sexuelle Signalwirkung haben sollten, dann wohl eher auf eine weibliche Zielgruppe. Bei strenger Betrachtungsweise haftet Mr. Anderson etwas Laszives an: Die unsittlichen Hosen, die obszönen Gesten mit der Flöte, die mehrfache Verwendung der Vokabel „sperm“. Ich kenne nicht alle Tull-Texte, aber ich bin sicher, dass sich hier noch mehr Ausdrücke finden ließen, die ein Kirchenchor nicht verwenden würde. Bevor wir uns falsch verstehen: All das stört mich nicht, ich stelle lediglich fest.

Das Heavy Horses – Video habe ich mir noch einmal angeschaut. Eine wirklich gute Qualität und ein wirklich starkes Lied. Gutes Thema, guter Text, sehr gute Stimme und natürlich sehr gute Musik. Mann, waren das Zeiten ! Der große Ohrring, den der Meister in diesem Video trägt, steht ihm übrigens sehr gut. Passt zum Outfit und zum situativen Kontext des Songs.

Das bringt mich zur heutigen Schmähung:
Endlich ! Endlich habe ich etwas gefunden, das noch lächerlicher und peinlicher wirkt als ein älterer Millionär mit Kopftuch: Mick Abrahams mit langen Hängeohrringen ! Das habe ich auf seiner Homepage gesehen, deren Link in Deiner letzten mail zu finden war. Du kannst es ruhig zugeben: Genau deswegen hast Du mir den link gesandt.

Ich wünsche Dir den inneren Frieden
Lockwood

PS: Ich würde sehr gerne etwas zu Mr. Barre schreiben. Selbstverständlich bin ich wie Du der Meinung, dass der alte Knabe jede Würdigung verdient hat. Aber leider fällt mir auf Anhieb nichts zu ihm ein. Der Kerl ist einfach zu unauffällig, ohne Ecken und Kanten. Tu‘ mir einen Gefallen: Erwähne ihn irgendwie in Deiner nächsten mail; ich werde das Stichwort aufgreifen und versuchen, ob ich etwas daraus machen kann.

Seine Soloplatten kenne ich nicht. Reine Rockmusik, vermute ich. Singt er ?

07.11.2006

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Hallo Lockwood,

leider weiß ich nichts Genaueres zu Ian Anderson in seiner Eigenschaft als Multiinstrumentalist. Ich denke mir aber, dass man zum Spielen verschiedenster Instrumente nicht unbedingt eine musikalische Ausbildung im weitesten Sinne benötigt. Eigentlich sind es ja nur zwei Instrumente, die er spielt: Querflöte und akustische Gitarre. Nach eigener Aussage (wohl im Interviewteil zur DVD: Nothing is Easy: Live at the Isle of Wight 1970) hatte Anderson sich zunächst an der Gitarre versucht, wie fast alle Jungs, die einmal als millionenschwere Rockstars herauskommen wollen. Als er dann merkte, dass er z.B. einem Jimi Hendrix nicht das Wasser reichen könne, ist er auf Querflöte umgestiegen. So oder so ähnlich. Du weißt, man darf die Aussagen des Meisters nicht auf die Goldwaage legen.

Wer nun Gitarre spielen kann, kommt auch schnell mit anderen Zupfinstrumenten klar (Mandoline, Balalaika). Ähnlich ist es dann mit Querflöte und Saxophon (allgemein wohl als Holzblasinstrumente bezeichnet). Die Grifftechnik ist ähnlich (statt horizontal eben vertikal), nur der ‚Ansatz’, also die Blastechnik, ist anders, aber bei einem Talentierten schnell umzusetzen. Klavier hat er eigentlich nie gespielt. Auch keine Blechblasinstrumente. Oder wüsste Du, bei welchem Stück? Die Liste der Instrumente, die Anderson halbwegs gut beherrscht, ist sicherlich lang, lässt sich aber meines Erachtens auf diese zwei Instrumentarten beschränken.

Ich will hier keine der besagten Damen (Madonna usw.) in Schutz nehmen. Deren Musik und Bühnengetue gefällt mir auch nicht. Und der erotische Reiz hält sich auch bei einem alten Herrn wie mir in Grenzen. Aber wenn die Damen nichts auf der Rolle hätten, wären sie sehr schnell weg vom Fenster. Ob einem dabei der Gesang usw. gefällt, ist ein anderes Thema. Aber lassen wir das.

Mir würde sicherlich Ian Anderson und seine Musik auch gefallen, wenn er brav auf einem Barhocker sitzend im Stresemann seine Lieder vortrüge. Okay, damals vor nun über 37 Jahren fand ich sein Aussehen mit langer Mähne, Bart und abgelatschten Klamotten ganz stark. Und so bin ich dann auch herumgelaufen. Aber es war, da bin ich mir heute sicher, nicht sein Outfit, was mich begeisterte, sondern … seine Musik! Spätere Wandlungen im Äußeren konnte ich dann weniger nachvollziehen (am wenigsten am eigenen Leib). Manches sah eher bescheuert aus. Wenn ich hier und da meinen Söhnen ein altes Video von Anderson und Co. zeige, dann sind mir die Klamotten eher peinlich und ich sehe mich, wie ich ausdrücklich auf die Musik verweise.

Wie schon so oder ähnlich gesagt: Als junger Mensch sieht man das alles etwas anders. Da legt man mehr Wert aufs Aussehen. Und je auffälliger, desto besser. Das Ganze hat dann sicherlich auch etwas mit Gewöhnung und Zuordnung zu tun. Rockmusiker sind eben auffällig in jeder Beziehung (Sex, Drugs & Rock ‚n’ Roll). Und wenn man schon nicht durch Sex- und Drogenexzesse auffällt, dann eben durch entsprechende Klamotten. Je einfältiger ein Rockmusiker ist, um so mehr vermischt dieser Öffentlichkeit und Privatleben. Genau hier ist es bei Anderson und Co. alles anders. So auffällig sie beim öffentlichen Auftritt sein mögen, um so normaler waren und sind sie es im privaten Leben: Keine im Suff zerstörten Hotelzimmer und kein Lotterleben mit Groupies. Sobald sie die Bühne verließen, kehrte die Normalität wieder ein. Wenn es Exzesse gab, dann verbal, indem Anderson den Journalisten Märchen erzählte. Vielleicht ist das auch ein Grund, dass Jethro Tull noch heute ständig über den Globus tourt. Wenn die Stones nach langer Zeit zu einer Tour aufbrechen, dann muss ein Keith Richards zunächst für Wochen in ein Schweizer Sanatorium zur Dialyse.

Mick Abrahams und die Schweine. Das grenzt wohl an eine Manie, wie der gute Mick immer wieder auf seine Schweine (in jedem 2. Songtitel) zurückkommt. Dann darf man sich nicht wundern, wenn er zunehmend selbst das Aussehen eines Schweines erlangt. Dazu gehören dann auch große Hängeohrringe, die Schweine bekanntlich in der Nase tragen. Dazu ist aber sein Näschen leider etwas zu klein geraten. Aber genug der Schmähungen auch von meiner Seite. Ich finde, Abrahams ist ein sehr passabler Gitarrist. Und er hat einige Stücke geschrieben (ich denke da an die ersten zwei Original-Blodwyn Pig-Scheiben), die es verdienen, in den Rock-Olymp aufgenommen zu werden. Immerhin hat er es ja auch geschafft, mit Musikern wie Ian Anderson und Jack Lancaster zusammen zu arbeiten. Was er heute noch so spielt, wird die Erde nicht mehr in ihren Grundfesten erschüttern. Wer Blues mag, der wird Abrahams mögen.

Für den 17. November bereite ich einen kleinen Beitrag zu Martin Barres 60. Geburtstag vor. Ich habe ein Video, in dem er während eines Tull-Konzertes auch einen eigenen Titel spielen durfte. Ist übrigens seit vielen Jahren so Usus. Zwei seiner drei Scheiben habe ich mir gekauft. Das ist technisch wohlfeile Gitarrenmusik, allerdings manchmal etwas verworren. Martins Gesang? Auf der ersten Scheibe (A Trick of Memory) singt er auch zweimal. Sonst lässt er singen. Und Mitstreiter sind Maartin Allcock, Andrew Giddings, Jon Noyce bzw. Matt Pegg (Dave Peggs Sohn) und andere aus dem Tull- und Fairport Convention-Umfeld.

Im Anhang ein Lied, nicht ganz so repräsentativ für das Barre’sche Musikschaffen, dafür sind die Stücke insgesamt zu unterschiedlich (’mal rockig mit E-Gitarre, dann wieder fast klassisch mit akustischer Gitarre): den Titelsong „A Trick of Memory“ des ersten Albums (Martin singt auch). Fröhliches Lauschen.


Martin Lancelot Barre: A Trick of Memory

Es reicht oder wie der Franzose sagt: ça suffit!
Am Ende des Tunnels erblicke ich wieder Licht: Das nächste Wochenende naht!
Also ein schönes solches.
Wilfried

P.S. Ich habe noch viele alte und neue Videos von Jethro Tull, die bisher bei youtube.com noch nicht zu finden sind (das „Heavy Horses“-Video gab es zwar schon in der Version, aber bisher nur in Kurzfassung). Da youtube.com nichts kostet, werde ich so nach und nach diese dort ‚einspeisen’. Ich habe auch einen eigenen Channel, wie sich das dort nennt, über den man auf alle meine Videos Zugriff erhält. Gestern habe ich allein 5 Videos (u.a. auch das mit Martin Barre) aufgearbeitet und überspielt.

09.11.2006

English Translation for Ian Anderson

WilliZ VideoZ @ youtube.com

DSL-Anschlüsse machen es möglich: Dank youtube.com kann man sich Videos in einer wirklich akzeptablen Qualität anschauen. Und welche Video-Schätze im Privaten schlummerten und jetzt der Öffentlichkeit zur Ansicht gestellt werden, ist erstaunlich. So nutze ich natürlich auch die kostenlos zur Verfügung gestellten Ressourcen bei youtube.com für meine Zwecke. Videomaterial gibt es auch bei mir genug. So nebenbei schone ich meinen Webspace, der leider nicht unerschöpflich ist.

WilliZ VideoZ @ youtube.com: Viel Spaß beim Gucken!

WilliZ VideoZ @ youtube.com

Hier bereits von Willis Jethro Tull Site her bekanntes Material:

Jethro Tull: For a Thousand Mothers (11/28/2000)

Jethro Tull live 28th November 2000 in São Paulo, Brazil with „For a Thousand Mothers“ from Album „Stand Up“ or Viva Via Funchal! or A New Day In São Paulo – broadcast by DirecTV

Jethro Tull: Fat Man (11/15/1983)

Jethro Tull live with „Fat Man“ Rock Classic Nacht/Night at german TV 15.11.1983 – Circus Atlas, München/Munich

Jethro Tull: Back to the Family (1/9/1969)

Jethro Tull live 9th Jan. 1969 at Stockholm Konserthuset with „Back to the family“

Ergänzend hier ein weiteres Video:

Jethro Tull: Living in the Past (5/1/2001)

Jethro Tull live 1st May 2001 with „Living in the Past“ at Wildhorse Saloon, Nashville, TN – Classic Rock at TNN TV

Was ist bloß mit Ian los? Teil 29: Sexy Ian schreibt Noten

Hallo Wilfried,

ich habe Deinen ergänzten Beitrag zur Personalaffäre gelesen. Wenn ich die Zeilen richtig interpretiere, hast Du ganz schön Federn lassen müssen. Das tut mir Leid. „Der Gerechte muss viel leiden.“ Psalm 34, 20.

Disturbed Air gefällt mir nicht, das vermutest Du richtig. Diese Musik enthält keine Elemente, die ich als Wohlklang empfinden würde. Langsam komme ich mir vor wie der gute alte Mephisto: „Ich bin der Geist, der stets verneint…“

Den Text der Hasenfabel als nicht schwierig und tiefsinnig zu bezeichnen ist eine sehr wohlwollende Umschreibung. Gleichgültig, wer dieses skurrile Intermezzo verbrockt hat, Anderson, Hammond oder Evan, Mr. Anderson trägt die Verantwortung dafür. Wenn er eines fernen Tages Einzug in den Pantheon der Musikgötter hält, werden Euterpe und Aoide in deswegen in die Zange nehmen.

Richtig froh bin ich über Deinen freiwilligen Hinweis auf die mannigfaltigen Einnahmequellen des Mr. Anderson. Sonst bin ich oft derjenige, der darauf hinweist.

Mr. Anderson’s Auftritt mit Hut und Anzug kannte ich bereits aus Deiner Videosammlung. Wenn er mir mit diesem Outfit in Düsseldorf auf der Kö entgegengekommen wäre, hätte ich ihn sicher nicht erkannt.

Anderes Thema:
Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass ich die Musik von Kate Bush mag. Nach dem Genuss von einigen Bush-Videos in YouTube sind mir einige Gemeinsamkeiten zwischen Kate Bush und Ian Anderson aufgefallen: Beide beziehen sich in ihren Texten und ihrer Musik stark auf ihre britische Heimat und bringen ihre Liebe zu den Inseln zum Ausdruck. Beide sind sehr ausdrucksstarke Künstler. Ihre Darbietungen sind sehr körperbezogen und arbeiten mit extensiver Mimik und Gestik. Beide verfügen über eine große körperliche Geschicklichkeit. Bei Mr. Anderson wirkt(e) der körperliche Einsatz kraftvoll-intuitiv, bei Mrs. Bush bemerkt(e) man ihre Ballettausbildung. Beide Künstler verfügen über eine gewisse erotische Aura. Darauf sind wir im Zusammenhang mit Mr. Anderson noch nie eingegangen. Wenn man sich seine Auftritte in Stretch- oder Strumpfhosen, teilweise mit farblich abgesetzten Suspensorien, vor Augen hält, wird vielleicht klar, was ich meine. An der Erotik der Mrs. Bush wird wohl kein Zweifel bestehen.

Auf Deine Stellungnahme zu diesen Zeilen freue ich mich schon jetzt.

In Erwartung Deiner Gegenrede verbleibe ich
mit schmunzelnden Grüßen

Dein
Lockwood

04.11.2006

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Hallo Lockwood,

ob ich ein Gerechte bin, möchte ich bezweifeln. Aber ich mühe mich. Und Leid tun muss ich Dir nicht, die Personalaffäre war auch sehr lehrreich. Aber wirklich genug.

Zu „Tallis“ und dem Lied Disturbed Air: Es enthält viele klassische Elemente und beweist dadurch, dass David Palmer daran seinen Anteil hatte. Aber mir gefällt es auch nicht. Allein den Gesang finde ich scheußlich. Es kommt aus einer musikalischen Nische, in der sich weitere Tull-Ableger getummelt haben. Ich denke da an den Saxophonisten (und auch Flötisten) Jack Lancaster, der zwar direkt nichts mit Jethro Tull zu tun hatte, aber bei Blodwyn Pig mit Mick Abrahams spielte und auch später immer wieder gern auf Ex-Tull-Musiker zurückgriff (z.B. den Drummer Clive Bunker).

Ich will Jack Lancaster nicht mit Ian Anderson vergleichen. Lancaster ist zwar auch Flötist, aber in erster Linie spielt er Saxophon in den unterschiedlichsten Stimmungen und das Lyricon. Außerdem kommt er mehr aus der Jazz-Rock-Ecke.

In diesem Zusammenhang komme ich kurz auf Deine Frage (und die anderer) zurück, ob Anderson Noten lesen und schreiben kann. Zu meinem Youtube-Video „Ian Anderson/Dee Palmer: Elegy live“ fragt in den Kommentaren jemand an: „Does anyone know if Ian ever learned to read music? He claimed to not know how to read music back in the early 70’s, nonetheless he must have an incredible memory to remember such long pieces by rote.“

Also das unglaubliche Gedächtnis braucht man auch, wenn man Noten lesen kann (aber ohne Notenblätter auftritt). Nach der Aussage konnte also Anderson zunächst keine Noten lesen. Ich erinnere mich, Ähnliches schon woanders gelesen zu haben (Forum von laufi.de?!). Es gibt aber diverse handgeschriebene Notenblätter, die anscheinend die Handschrift Andersons tragen. Ich denke also, dass er sich mit seinem Hang zur Perfektion auch das Notenlesen und –schreiben mit der Zeit angeeignet haben muss. Vielleicht mit Unterstützung von David Palmer.

Jack Lancaster dürfte das Lesen und Schreiben von Musik auf jeden Fall beherrschen, denn er hat sich u.a. durch Adaptionen klassischer Stücke hervorgetan, z.B. in der Neuinterpretation von Sergei Prokofjews ‘Peter und das Wolf’, einem Projekt, an dem u.a. auch Manfred Mann, Phil Collins, Gary Moore, Alvin Lee und Cozy Powell teilnahmen. Oder mit dem niederländischen Keyboarder Rick van der Linden 1979 in der elektronischen Umsetzung von Carl Orffs Chorsatz „O Fortuna“ aus Carmina Burana.

Der Gruppe Tallis ähnlich klingen die Produktionen der Gruppe „Aviator“ ebenfalls aus dem Jahre 1979, in der neben Jack Lancaster auch Clive Bunker spielte. Danach gab es dann wohl noch u.a. die Solo-CD „Skinningrove Bay“ aus 1981 von Lancaster, auf der u.a. auch wieder Phil Collins und Clive Bunker mitmischten. Es handelt sich dabei wohl um alte Seilschaften (u.a. besteht eine Verbindung zwischen Collins und Lancaster über die Gruppe ‚Brand X’). Danach spielte er wohl wieder mit Mick Abrahams’ Blodwyn Pig zusammen.

Ähnlich wie Maartin Allcock, der 1988/89 bei Jethro Tull u.a. die Keyboards gespielt hatte („Rock Island“) und aus der Fairport Convention-Ecke kommt, hat sich Lancaster eine Zeitlang mit Komposition für Videospiele und Soundtracks über Wasser gehalten und als Studiomusiker bei diversen Plattenveröffentlichungen mitgewirkt. Zumindest letzteres ist bestätigt.

Genug des Exkurses. Aber die Tull-Landschaft beschränkt sich nicht nur auf Herrn Anderson.

Wie bescheiden Du bist: „Ich habe vielleicht schon erwähnt, dass ich die Musik von Kate Bush mag.“ Du hast es bereits öfter erwähnt und mehr als nur ‚erwähnt’. Ich gestehe, dass ich auch mehrere Scheiben von Kate Bush habe (auch diese als Vinyl -LPs). Es ist wohl die Stimme, die mich fasziniert hatte: engelsgleich. Und sicherlich wird mich auch „eine gewisse erotische Aura“ an der guten Kate nicht gestört haben. Bevor ich in diesem Zusammenhang auf Herrn Anderson zu sprechen komme, eine sehr banale Feststellung: Wer heute als Musiker bzw. Sänger seine Lieder an die Leute bringen will, muss auch in seinem ‚körperlichen Einsatz’ einiges bieten. Guck Dir einmal Videos von Britney Spears oder Christina Aguilera an, dann weißt Du, was ich meine. Da spielt allerdings das ganze Dumherum meist eine größere Rolle als die Musik.

Wer also etwas werden will, muss nicht nur gut singen, sondern muss in den Video- und Live-Auftritten auch die optischen Wünsche des Hörers/Zuschauers befriedigen können. Besonders für ‚Außenstehende’ wird Jethro Tull in erster Line durch Ian Anderson verkörpert: Der Mann, der die Flöte auf einem Bein spielt! Und Kate Bush ist neben dem engelsgleichen Gesang auch körperlich eine Feengestalt.

Optik hat dabei sicherlich viel mit Erotik zu tun. Bei Kate Bush ohne Frage. Bei Herrn Anderson und seinen Jungs … Also mich haben seine Strumpfhosen nicht gerade angemacht. Und seine obszönen Gesten mit der Flöte fand und finde ich besonders heute eher peinlich, gehört aber eben dazu (und ist heute eine Art der Selbstparodie). Für meine Frau, die dazu eher etwas sagen könnte, ist und war Ian Anderson nie ‚ihr Typ’. Vielleicht bin ich zu sehr heterosexuell orientiert, aber viel Erotik kam da für mich nicht ’rüber. Es war lustig anzuschauen, mehr aber auch nicht. Und wenn ich meiner Interpretierlinie treu bleiben soll: Es war nicht viel anderes als die Verarschung sexueller Symbolik. Herrn Mick Jagger sagt(e) man nach, mit einer Hasenpfote an entsprechender Stelle nachzuhelfen. Bei Ian Anderson hätte es mich nicht verwundert, wenn er aus seinem Schritt z.B. ein weißes Kaninchen gezaubert hätte.

Sexy Ian

Vielleicht hast Du es schon gesehen: Das „Heavy Horses“-Video habe ich in etwas besserer Qualität jetzt bei youtube.com abgelegt. Bisher gab es dort nur eine Kurzfassung. Auch auf meiner Website rufe ich jetzt das Video von youtube.com aus auf.

Jetzt ist aber genug.
Eine gute Woche
wünscht Dir Wilfried

P.S. Im Zusammenhang mit Jack Lancaster bin ich auf eine interessante Site gestoßen, die die diversen Verbindungen (Family Trees) einzelner Musiker zu den Bands, in denen sie gespielt haben, aufzeigt. Leider nicht vollständig, aber immerhin. Apropos Family Tree: Etwas Entsprechendes muss ich auch in meiner Sammlung haben.

P.P.S. Lass Dir aus gegebenem Anlass etwas Angemessenes einfallen: Am 17. November wird Martin Barre 60 Jahre alt. Über ihm haben wir bisher nur am Rande (stage left) geschrieben. Er hat ohne Zweifel mehr verdient. Kennst Du übrigens seine Solo-Alben?

06.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 28: Back to the Roots?

Hallo Wilfried,

Deinen Beitrag über die unverständliche Personalentscheidung habe ich gelesen. Auch in meinem Betrieb kann man hin und wieder beobachten, wie der Betriebsrat unverständliche Entscheidungen fällt oder zumindest mitträgt. Ich habe schon erlebt, dass Betriebsratmitglieder ihre besonderen Schützlinge auf Kosten anderer Kollegen protegieren. Ich fürchte, dieses Problem ist so alt wie das Betriebsverfassungsgesetz und wird sich so schnell nicht lösen lassen. Vielleicht bei den nächsten Betriebsratswahlen, aber wer weiß…

Über den englischen Wikipedia-Beitrag zu Mr(s) Palmer habe ich mich gefreut. Wenigstens im anglikanischen Sprachraum weiß man ihn durch einen Eintrag zu würdigen. Aus diesem Beitrag habe ich erfahren, dass Palmer zusammen mit John Evan die Band verlassen hat, als Mr. Anderson meinte, sich dem elektronischen Zeitgeist unterwerfen zu müssen. Das lässt doch tief blicken und hätte auch Mr. Anderson, selbst bei voller Berücksichtigung seiner total(itär)en Autorität, zu denken geben müssen. Hat es aber nicht und die Folgen sind bekannt.

Meine Aussage, dass kein Künstler so schlecht mit Playback umgehen kann wie Mr. Anderson, ziehe ich zurück: In der Zwischenzeit habe ich einige Videos von Gary Glitter angesehen. Dessen Playback-Künste bewegen sich jenseits aller Kritik. Allerdings macht Gary Glitter deutlich, dass meine „Guter Musiker = schlechter Playbackartist“ – Theorie nicht uneingeschränkt gilt.

Deine Übersetzung der Hasenstory finde ich sehr gelungen ! Du musst damals etwa Mitte 20 gewesen sein. Eine reife Leistung ! Mindestens eben so groß wie die Leistung der Übersetzung finde ich Deine Fähigkeit, auf 30 Jahre alte Manuskripte zurückgreifen zu können. Ich finde schon nicht mehr wieder, was ich vor zwei Wochen geschrieben habe.

Die Geschichte des Hasen finde ich wirklich etwas skurril. Okay, das ist eben der Stil des Meisters. Aber die Brillen-Posse zerreißt das Album in zwei Hälften. Die Durchgängigkeit des Passion Play leidet darunter sehr. Es ist nicht länger „ein Stück aus einem Guss“. Der Hase drängt sich zwischen die Harmonien wie das Richtbeil zwischen die Halswirbel. Falls Mr. Anderson seine Fabel an den Schluss des Albums platziert hätte, wäre weniger Schaden angerichtet worden. Zu Beginn der Platte hätte es nicht sein dürfen; dann hätte kaum jemand das Album zu Ende gehört. (Das war meine Anderson-Schmähung für heute.)

Als Hintergrundmusik eignen sich die Göttertänze in der Tat. Die ganze CD hat etwas von Meditationsmusik, zumindest in weiten Teilen. Indem das Album spirituelle Energien freisetzt, wird es seinem Titel voll gerecht. In den letzten Wochen und Monaten habe ich gelernt, dass Mr. Anderson über zu viel Kreativität verfügt, um sich ausschließlich mit Folkmusik zu befassen. Jedenfalls ist sein musikalischer Horizont weiter gesteckt als mein Musikgeschmack. Ich kann mich eben nur an einer Teilmenge seines Schaffens erfreuen.

Viele Künstler gehen in ihren reiferen Jahren „back to the roots“. So vielleicht auch irgendwann Mr. Anderson. Möglicherweise überrascht er uns eines Tages mit einem neuen Folk-Album.

Es sieht so aus, als müssten wir mit dem Schreiben einen Zahn zulegen. Der Vorrat an mails für Dein Weblog schmilzt schneller als wir tippen können. In den nächsten Tagen werde ich mich verstärkt um die schulischen Leistungen meiner Söhne kümmern. Ich hoffe, dass mir noch Zeit bleiben wird, Mr. Anderson in den Himmel zu loben.

Ich lese, also bin ich.
Viele Grüße an die Familie !
Lockwood

03.11.2006

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Hallo Lockwood,

wir hatten vor kurzem Betriebsratswahlen. Hilft also auch nichts. Vergessen wir das Thema. Es ist einfach traurig, so viel Missgunst, Ignoranz und Inkompetenz an einer Stelle zu sehen. Und das betrifft nicht nur den Betriebsrat, sondern auch die Betriebsführung. Übrigens habe ich den Beitrag den Umständen ‚angepasst’. Zumindest der Personalchef kennt meine Website und könnte auf dumme Ideen kommen …

Na, jetzt hast Du es offen gelegt: Elektronischer Zeitgeist und so und der Weggang von David Palmer, dem halbväterlichen Mentor, und Alt-Kumpel John Evan, das konnte ja nur in die Hose gehen. Aber mit der Gruppe „Tallis“ wurden David Palmer und John Evan, auch Drummer Barriemore Barlow war daran beteiligt, nicht gerade glücklich, sodass sich Palmer mit dem Arrangieren der Orchesteralben (neben Jethro Tull ja auch Queen, Genesis usw.) befasste. Übrigens, Williz Tull-Archiv hat eine Aufnahme von der Gruppe ‚Tallis’, heißt ‚ Disturbed Air’ und … dürfte Deinem Geschmack nicht gerade entsprechen, oder? Die MP3-Datei als Anhang. Ich bin irgendwie über mein zeitweises Abo von dem Tull-Fan-Magazin „A New Day“ an eine CD gekommen, die u.a. auch noch andere interessante Stück enthält. Leider finde ich die Inhaltsangabe der Scheibe nicht (ist in einer Ausgabe von ‚A New Day’).

Tallis: Disturbed Air

Mit ‚Passion Play’ im Zusammenspiel mit der Hasengeschichte gebe ich Dir Recht. Als ich mir die CD zugelegt habe, ich hatte diese Scheibe lediglich als LP, hoffte ich, dass man „The Story of the Hare“ als eigenen Track behandeln würde. Aber wie auf der LP gibt es ja nur zwei Tracks. Das hat mich etwas geärgert. Gut, man kann sich das Ganze ggfs. selbst zusammenschneidern.

Zum Text: Der ist natürlich nicht so schwierig und tiefgründig wie andere Anderson-Texte, wobei ich denke, dass dieser auch gar nicht von Anderson ist, zumindest nicht allein. Auf der Scheibe werden als Autoren Jeffrey Hammond-Hammond, John Evan und Ian Anderson genannt – in dieser Reihenfolge. Also dürfte der gute Jeffrey der Urheber sein. Die Übersetzung lag im Cover der LP, also dort, wo man ihn zur passenden Zeit wiederfindet. Damals hatte ich mich auch an die Übersetzung von ‚Thick as a Brick’ gemacht. Bin, wie schon einmal erwähnt, bis zu der Biggles-Textstelle gekommen („Where the hell was Biggles …!“). Den Text habe ich dann nach diversen Umzügen wohl doch versusst (verlegt, verloren).

„Back to the roots“ – in gewisser Hinsicht könnte man die Orchestertouren so sehen. Zum einen ist das eine ganz ordentliche Einnahmequelle (das Copyright an den Tull-Stücken und am Trademark ‚Jethro Tull’ dürften Anderson gehören): zeitweise war die CD (oder DVD) sogar in den deutschen Charts vertreten. Zum anderen braucht Herr Anderson nicht mehr wie ein Derwisch über die Bühne turnen – mit einem Orchester im Rücken gehört sich das eben nicht. Und trotzdem darf und kann der Meister seine alten Stücke vortragen. Aber an ein Folk-Album glaube ich dann doch nicht.

In diesem Zusammenhang: Ende dieses Monats ist Ian Anderson ja mit einer Acoustic Tull Tour with Ann Marie Calhoun in den Niederlanden und Skandinavien unterwegs. Neben der Geige und Anderson wird wohl auch Martin Barre mitmischen. Ansonsten? Keine Ahnung. Aber immerhin ist es erfreulich, den Namen Martin Barre einmal wiederzuhören, wenn es um Konzertauftritte geht.

Mit Deinen Anderson-Schmähungen kommen meine Lockwood-Ärgernisse kaum mit. Aber Du lässt Dich ja nicht ärgern. Der Meister hatte sich anlässlich der ZDF-Spendengala des ZDF für die Tsunami-Opfer bereit erklärt teilzunehmen und mit Mandokis ‚Soulmates’ irgendwann im Januar 2005 einen Kurzauftritt mit Lennons ‚Imagine’. Und da er nicht nur auf eigene Kosten angereist war und auf Gage verzichtete, so ließ er auch seine Kopftuch-Sammlung zu Hause. Stattdessen kreierte er einen neuen Gutsherrenlook mit legerem Jackett, (Stroh-?/Panama-?) Hut und Sonnenbrille. Ja, Ian Anderson entpuppt sich mehr und mehr als Meister der Verkleidung. Oder hättest Du auf Anhieb erkannt, wer der schicke Herr mit Flöte ist?

Ian Anderson bei der ZDF Spendengala 2005

Ein schönes Wochenende Dir und Deinen Lieben.
Auch viele Grüße.
Wilfried

04.11.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 27: Playback & Die Hasengeschichte

Hallo Wilfried,

es mag Dich befremden, aber nach Deiner letzten mail hatte ich ganz einfach den Eindruck, mich rechtfertigen zu müssen.

Deine Einschätzung zum überzogenen Bombast von Pink Floyd teile ich. Zumindest was The Wall betrifft. Aber ich denke, The Wall ist für PF ebenso wenig repräsentativ wie Locomotive Breath für Jethro Tull. PF haben auch ruhigere, bescheidenere Alben herausgebracht. Ich denke da an Dark Side of the Moon oder Wish you were here. Allerdings würde ich nicht soweit gehen, mich als Pink Floyd – Fan zu bezeichnen. In meinen Augen liegt der größte Verdienst von David Gilmour darin, Kate Bush auf den Weg gebracht zu haben.

In einem Punkt bin ich wieder einmal anderer Ansicht als Du. Ich fürchte, Du unterschätzt Bohlen & Co: Leute wie diese könnten selbst Locomotive Breath noch versauen. Obwohl: So schlecht finde ich den Song gar nicht. Da hat Mr. Anderson schon ganz andere Sachen produziert…

Vielen Dank für den Link auf Elegy. Hierbei habe ich gestutzt. In Deiner mail schreibst Du „Noch-David“; die Aufnahme ist aus 2002 und liegt damit deutlich vor seiner Operation. Allerdings hatte ich bei dem Video den Eindruck, er habe den Geschlechtswechsel schon vollzogen: Andere Frisur, bartlos, geschlechtsunspezifische Kleidung (oder vielleicht ein Damen-Kostüm; konnte ich nicht genau erkennen). Vielleicht hat er diesen schweren Schritt in mehreren kleinen Schritten vollzogen: Erst eine Änderung der Physiognomie und dann erst zum Chirurgen. Wie Du schon sagtest: Eine solche Entscheidung erfordert sehr viel Mut und verdient unseren Respekt. Ob Mrs. Palmer nun besser aussieht als Mr. Palmer in der Vergangenheit, ist dabei vollkommen nebensächlich. So oder so: Mit Elegy hat er sich unsterblich gemacht. Ein hervorragendes Stück Musik. Falls ich es nicht vergesse, werde ich testamentarisch verfügen, dass dieses Lied bei meiner Beisetzung gespielt wird. Mit Querflöte natürlich.

Während ich diese mail schreibe, läuft JT – Musik von YouTube. Dort sah ich eben einen Fernsehauftritt der Gruppe aus den 70er Jahren: Solstice Bells. An dieser Stelle erfolgt nun meine obligatorische Kritik: Ich kenne keinen Profi-Musiker, der so schlecht mit Playback umgehen kann wie Mr. Anderson. Dies ist allerdings keine reine Kritik, sondern eine ambivalente Feststellung: Das Unvermögen, eine Musikdarbietung „vorzutäuschen“, spricht in meinen Augen für die Qualität des Musikers !!

Ich gebe zu, dass meine Frage nach einem repräsentativen Stück von JT nur schwer zu beantworten ist. Das kann vielleicht nicht einmal Mr. Anderson. Ich denke, das repräsentative Stück von JT gibt es nicht, gibt es von keinem Künstler. Gerade deswegen danke ich Dir für Deine Antwort. Ich beantworte diese Frage mit Heavy Horses. Erstens, weil das eines der ersten Lieder von JT ist, die ich bewusst wahrgenommen habe und zweitens, weil mir Mr. Anderson in seinem Farmer- oder Gutsherrenlook besonders gut gefällt und damit auch glaubwürdig wirkt. Jedenfalls authentischer als mit …..Aber lassen wir das !

An dieser Stelle ein Minuspunkt für Wikipedia: Über Dave Palmer ist hier nichts zu finden, wohl aber über G.G. Anderson (der nicht mit dem Meister verwandt ist !). Das ist grotesk. Dieser Zustand ist unerträglich. Falls ich genug Material zusammentragen kann, werde ich einen Artikel für Wikipedia über Mr. Palmer schreiben.

Spätestens, wenn ich die Partituren zu den JT-Liedern sehe, frage ich mich, wann und wie Mr. Anderson das alles gelernt hat. Musik gehörte doch nicht zu seiner beruflichen Ausbildung, oder ? Weißt Du mehr hierüber ?

Vor einer Minute entdeckte ich auf YouTube einen Auftritt von JT aus 1972: Thick as a Brick. Es ist die bisher älteste Version dieses Stücks, die ich gesehen habe. Die Choreographie der Anderson’schen Bewegungsabläufe ist hier noch eine Andere als 3 Jahre später. Es ist interessant zu sehen, wie sich so etwas im Laufe der Jahre entwickelt.

Bleibe anständig, so lange es irgendwie geht.
Yours tulltruly
Lockwood

25.10.2006

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Hallo Lockwood,

hat etwas gedauert, bis ich Dir endlich antworte. Vielleicht hast Du meinen Beitrag von heute gelesen. Das hat mich wirklich diese Tage lang geradezu geschafft. Da arbeitet bei uns ein junges Mädel (25 Jahre alt), wird von Arbeitsvertrag zu Arbeitsvertrag vertröstet, macht sogar ein Abendstudium mit gutem Abschluss und weil es die böse Kollegin nicht will, sitzt sie plötzlich auf der Straße. Das ist eine äußerst verwickelte Sache. Sie zeigt mir nur, wie viele Arschlöcher frei herumlaufen. Ich habe mich inzwischen an Betriebsrat und Geschäftsstellenleitung gewandt, aber ich ahne jetzt bereits, dass man sich nur herausreden wird. Am Ende ist alles vergebliche Liebesmüh, zum Kotzen eben! Da hatte Herr Anderson zunächst hinten anzustehen.

Wikipedia und Palmer – wenigstens im englischsprachigen Bereich gibt es einen kurzen Artikel: Dee Palmer. Palmer und Jethro Tull, das ist schon eine Beziehung, die man noch genauer betrachten müsste.

Anderson und Playback-Auftritte: Es gibt da die DVD „The Rolling Stones – Rock and Roll Circus“. Ein kurioses Musikdokument, wie ich finde. Da sind doch tatsächlich Ian Anderson und seine Mannen von Mick Jagger und Co. zu diesen TV-Auftritt eingeladen worden. Und so findet man plötzlich auch John Lennon zwar nicht neben, aber doch in der Nähe von Jethro Tull. Der Vortrag von „A Song for Jeffrey“ ist aber eindeutig Playback. Ich habe die DVD-Aufnahme und da sieht man es etwas besser. Da spielt Tony Iommi, der für Mick Abrahams kam, aber schon Tage darauf durch Martin Barre ersetzt wurde. Gottlob! Das Gitarrenspiel klingt aber eindeutig nach Abrahams (ist wohl das Original von dem Album „This was“). Und Glenn Cornick bläst die Mundharmonika? Was der gute Tony Iommi da auf der Klampfe herumhantiert, ist reichlich ungelenk. Andersons Bewegungen usw. laufen dagegen sehr viel synchroner mit der Musik ab. Es kann natürlich sein, dass Anderson und Mannen (außer Tony) das zuvor etwas ausführlicher geübt haben. Wenn man schon von den Stones eingeladen ist, so will man sich keine Blöße geben. Zu Deinem Beispiel „Solstice Bells“ findet man bei Laufi.de folgendes Info:

„Top Of The Pops“ (UK TV) 25.12.1976

Recht überraschend -wahrscheinlich auch für die Band- und vor allem kurzfristig schaffte es die in limitierter Auflage veröffentlichte Single „Ring Out, Solstice Bells“ Weihnachten 1976 in die UK Charts und somit auch in die Weihnachtsausgabe von „Top Of The Pops“. Das -vorerst- letzte mal, daß Jethro Tull in dieser Show dabei waren. Die Show wurde am 25.12.1976 ausgestrahlt, das genaue Datum der Aufzeichnung ist mir nicht bekannt, kann aber nur wenige Tage vorher gewesen sein.

Das lässt vermuten: Tull hatte keine Playback-Übung in dieser Zeit und der Auftritt kam kurzfristig: daher lief das nicht so wie gedacht. Grundsätzlich stimme ich Dir zu: „Das Unvermögen, eine Musikdarbietung „vorzutäuschen“, spricht in meinen Augen für die Qualität des Musikers !! “

Und recht fruchtlos ist es, wenn man zu Playbacks von alten Stücken mimen soll, Stücke, die man längst umarrangiert hat (z.B. Locomotive Breath).

Zu der Frage nach einem repräsentativen Stück von JT. Eine Gemeinsamkeit haben wir: Du empfiehlst auch ein Stück, das Du als eines der ersten Lieder von JT bewusst wahrgenommen hast.

Auch wenn Du „The Story of the Hare” nicht so besonders findest, es ist einige Jahre her, da hatte ich mich daran gesetzt, den Text zu übersetzen. Jetzt habe ich meine bescheidene Übersetzung tatsächlich wiedergefunden. Wie genau diese nun ist, habe ich nicht erneut überprüft. Ich habe zumindest versucht, ein bisschen die Sprachmelodie beizubehalten, was bekanntlich alles andere als einfach ist. Hier der Versuch:

Die Geschichte vom Hasen, der seine Brille verlor

Eule liebte es, in Ruhe zu verweilen, wenn keiner sie beobachtete. Eines Tages saß sie auf einer Hecke, war überrascht als plötzlich ein Känguru ganz dicht bei ihr vorbeirannte.

Nun das mag nicht seltsam erscheinen, aber als Eule Känguru zufällig zu sich selbst flüstern hörte: „Der Hase hat seine Brille verloren“, nun, da begann sie sich zu wundern.

Bald kam der Mond hinter einer Wolke hervor, und dort liegend im Rasen war Hase. In dem Bach, der beim Grase floss … ein Wassermolch. Und mit gespreizten Beinchen bei einem Zweige eines Busches saß … eine Biene.

Scheinbar antriebslos (regungslos) zitterte vor Erregung der Hase, ohne seine Brille schien er völlig hilflos zu sein. Wo war seine Brille? Sollte einer sie gestohlen haben? Hatte er sie verlegt? Was hatte er getan?

Die Biene wollte helfen. Und mit dem Gedanken, die Antwort zu haben, begann sie: „Du hast sie wahrscheinlich gegessen, dachtest sie wäre eine Mohrrübe.“

„Nein!“ unterbrach die Eule, sie war weise. „Ich habe gute(s) Weitsicht (Sehvermögen), Einsicht und Voraussicht. Wie kann ein intelligenter Hase solch einen dummen Fehler machen?“ Während der ganzen Zeit saß Eule mit finsterer Miene auf der Hecke.

Da Känguru musste wie wild springen: bei so einer Art von Gespräch! Sie dachte sich, was Intelligenz anbelangt weit den anderen überlegen zu sein. Sie war deren Führer, deren Guru. Sie hatte die Antwort: „Hase, du musst dich auf die Suche nach einen Optiker machen.“

Aber dann merkte sie, dass Hase völlig hilflos ohne seine Brille war. Und so verkündigte das Känguru voller Stolz: „Ich kann den Hasen zu nichts auf die Suche schicken!“

„Du kannst, Guru, du kannst!“ rief der Wassermolch. „Du kannst ihn mit der Eule schicken.“ Aber die Eule war schon schlafen gegangen.

Der Molch wusste zu viel, um sich von so einem kleinen Problem beirren zu lassen. „Du kannst ihn in den Beutelbauch nehmen.“ Aber, oh, weh, der Hase war viel zu groß, um in den Kängurubeutel zu passen.

Die ganze Zeit über war es dem Hasen ganz klar, dass die anderen nichts über Brillen wussten. Und was all ihre verlockenden Ideen betraf, so konnte sich Hase nicht darum kümmern.

Die verlorene Brille war seine eigene Angelegenheit.
Und schließlich hatte der Hase eine Ersatzbrille.

übersetzt von Willi 26.05.1977 (das ist ja schon Jahre her)

Meinem großen Sohn Jan hatte ich, als er noch klein war, das Video vorgespielt. Er fand „Die Geschichte …“ ganz witzig und wollte sie öfter wiedersehen.

youtube.com: Ist ja eine schöne Möglichkeit, etwas eigenen Webspace, wie man die Speicherkapazitäten auf einem Web-Server nennt, zu schonen. Leider ist der nicht unbegrenzt und kostet auch bisschen was. Und youtube.com hat ja auch schon einiges an sehenswerten Tull-Videos, die man dann ganz einfach in seine eigene Website einbauen und somit nutzen kann.

Hierzu – ich weiß: Die Solo-Scheiben von Anderson finden auch nicht Deinen ungeteilten Beifall. Die Musik der „Divinities“-CD eignet sich aber sehr gut z.B. für die Hintergrundmusik von Urlaubsvideos. Und so habe ich ein längeres Stück für das Urlaubsvideo Kalabrien 2001 genommen (auch hierfür habe ich jetzt youtube.com genutzt). Klingt mit den Bilder doch ganz passabel, oder?

Für heute genug. Du liest, ich lese (lebe) noch.
Bis bald

Wilfried

30.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 26: Kashmir & Elegy

Hallo Wilfried !

Gegensätzliche Meinungen und kein Ende abzusehen !

Wenn ich Mr. Anderson durch die Mühlen meiner persönlichen Kritik drehe, werde ich damit dem Anspruch gerecht, den Du im Prolog zur neuen Rubrik formuliert hast: „…eine unkritische Anbetung wird es nicht geben…“.

Wenn Du konstatierst, dass ich Mr. Anderson wieder und wieder kritisiere, darfst Du nicht vergessen, dass er der einzige Künstler ist, mit dessen Werk ich mich sehr intensiv befasse. Warum befasst man sich intensiv mit einem Künstler ? Weil man ihn schlecht findet, ihn ablehnt, ihn nicht mag ?

Ich habe es an anderer Stelle bereits geschrieben: Mr. Anderson ist für mich der Größte. Aber auch er steht nicht jenseits aller Kritik; zumindest nicht bei mir. Ich denke, in einer Schriftensammlung, die nach eigener Aussage kritisch mit einem Thema umgeht, sollte Kritik auch erlaubt sein. Natürlich, das sei an dieser Stelle noch einmal ausführlich erwähnt, handelt es sich bei meinen negativen Äußerungen stets um persönliche Eindrücke; sie erheben keinesfalls den Anspruch auf Allgemeingültigkeit.

Zu Kashmir:
Das Gekrächze auf der Geige der guten Mrs. Micarelli trägt in meinen Augen wirklich nicht dazu bei, die Coverversion von JT gut zu finden. Darüber hinaus bin ich der Meinung, dass einige Lieder so eng mit ihren Original-Interpreten verbunden sind, dass alle potentiellen „Coverer“ gut beraten wären, die Finger davon zu lassen. Kashmir ist ein solches Lied. Dieser Song gehört zu Led Zeppelin wie der Schwanz zum Hund. Jeder andere kann sich daran nur die Finger verbrennen. Stell‘ Dir vor, Modern Talking hätten damals Locomotive Breath gecovert. Hätte dabei etwas Gutes herauskommen können ?

Dass Mr. Palmer auf dem Warchild-Cover Gottvater darstellt, ist nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern steht, wenn ich mich recht erinnere, im Booklet dieses Albums. Natürlich in englischer Sprache. Möglich wäre, dass meine bruchstückhaften Kenntnisse dieser Sprache mir einen Streich gespielt haben.

In meiner letzten mail fragte ich Dich nach dem Lied von JT, dass in Deinen Augen die Gruppe am besten repräsentiert. Hast Du das überlesen oder war die Frage zu dumm, um darauf zu antworten ?

Es bleibt dabei: Ian Anderson ist der Größte !
In dieser Gewissheit verbleibe ich
Lockwood

24.10.2006

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Hallo Lockwood,

was rechtfertigst Du Dich so ausführlich? Habe ich Dir den Mund verboten, nein! Es ist doch schön, wenn wir so gegensätzlich debattieren können. Aber genug …

Zu Kashmir mag ich eigentlich nichts Weiteres sagen. Led Zeppelin waren mir damals schnuppe und sind es mir heute auch. Natürlich kenne auch ich das eine oder andere Stück von denen. Aber es hat mich nichts wirklich vom Hocker reißen können. Ähnlich geht es mir mit Pink Floyd. Die waren mir z.B. zu pompös, wenn Du weißt, was ich meine: zu dick aufgetragen! Ähnlich geht es mir mit der Cover-Version von Kashmir. Das liegt in erster Linie an meiner subjektiven Einstellung und weniger an den Fähigkeiten der Musiker (ich höre gerade im Hintergrund Pink Floyds „The Wall“, na ja …).

Modern Talking und Locomotive Breath? Warum eigentlich nicht. Es ist nicht unbedingt das Stück von Tull, das ich repräsentativ und überhaupt gut finde. Da können auch Bohlen und Co. nicht viel kaputt machen.

Von Warchild habe ich nur (nur ist gut) die Vinyl-LP. Es liegt zwar ein Blättchen bei, aber das enthält nur die Texte. Von daher bin ich auch gar nicht auf die Idee gekommen, David Palmer entsprechend zu klassifizieren. Aber er war sicherlich so etwas wie ein väterlicher Freund von Ian Anderson, der ihn auch in musikalischen Dingen unterstützend zur Seite stand. Gottvater ohne Gott. Auch übrigens: Das wohl 2002 aufgenommene Video mit Noch-David Palmer und Ian Anderson habe ich gefunden (ich muss meine Festplatte wirklich einmal ausmisten, ist schlimmer als in den Ställe des Augias). Ich habe mich bei youtube.com angemeldet. Dort findest Du das gute Stück namens Elegy.

„Stell‘ Dir vor, Du müsstest jemandem, der JT nicht kennt, ein Lied der Gruppe nennen, das repräsentativ für das musikalische Werk der Gruppe steht. Nur ein Lied.“ Deine Frage habe ich nicht vergessen. Was soll ich darauf antworten? Eiskalt wie ich bin: Living in the Past. Unbedingt repräsentativ ist das nicht. Aber es war das erste Stück, das ich von Tull gehört habe und das das Feuer in mir gelegt hat, das heute noch brennt – um es einmal ganz dick aufgetragen zu formulieren. Damals war an „Thick as a Brick“ und dergleichen noch gar nicht zu denken. „Living in the Past“ ist in einem schönen 5/4-Takt, was auch nicht alle Tage vorkommt und so schon etwas aus dem 4/4-Takt-Einerlei heraussticht.

Jethro Tull: Living in the Past - Notenauszug

Für heute genug.
Bis bald
Wilfried

24.10.2006

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Hallo Lockwood,

Ein Nachtrag zu Palmer und Gottvater: Das englische godfather (so wird es doch wohl im Booklet heißen) hat nicht viel mit dem deutschen Gottvater zu tun. Es bedeutet nur Pate, Patenonkel usw. und ist sinngemäß ein Vater, der von Gott eingesetzt wird. Also ein Ersatzvater. Das kommt meiner Einschätzung der Rolle Palmers zu Ian Anderson sehr nahe. Er war eine Art Vaterfigur, wenn auch im Wesentlichen musikalischer Art.

Gruß
Wilfried

25.10.2006

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Hallo Wilfried,

den genauen Wortlaut des Booklets kriege ich im Moment nicht hin. Ich halte es für denkbar, dass dort nicht der Begriff Godfather stand, sondern Gott, und ich das nur mit Gottvater übersetzt habe.

Die Kostümierung des Mr. Palmer auf Warchild zeigt eher eine Figur, die an Gott erinnert (oder so, wie er Jahrhunderte lang in der Kunst dargestellt wurde) als an einen Patenonkel. Ich werde es im Booklet nachlesen, dann haben wir Klarheit.

Viele Grüße
Lockwood

25.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 25: Warchild, Mrs. Palmer & Kashmir

Hallo Wilfried,

wie es meine Art ist, komme ich direkt und ohne Umschweife auf Deine letzte mail zu sprechen:

Zu Queen: Diese Gruppe, die nach Deiner Einschätzung meine Lieblingsband ist, hat das kommerzielle Gebaren von JT bei weitem übertroffen. Dazu gehört nicht nur das Queen-Musical; diese Entwicklung setzte bereits viel früher ein: In den 80er Jahren hatte die Gruppe keine Skrupel, auf den Zug der disco-orientierten Popmusik aufzuspringen. Das war unverzeihlich. Wenn man sich dann noch vor Augen führt, wie der Tod von Freddy Mercury von der hinterbliebenen Band vermarktet worden ist, merkt man sehr deutlich, dass das Musik-Geschäft auch nur ein Geschäft ist. Auch zu Idolen aufgestiegene Rockmusiker sind nicht davor gefeit, um das goldene Kalb zu tanzen. Mit Queen geht es mir übrigens ähnlich wie mit Jethro Tull: Die frühen Werke, mit Ausnahme der ganz Frühen, erachte ich als die Besten. Danach war für mich nichts mehr dabei. Bei beiden Bands sind es jeweils nur eine Handvoll Alben, die die Qualität der Gruppe für mich ausmachen.

Ich kann überhaupt nicht einschätzen, wie Mr. Anderson zu anderen Musikern steht. Einzig den Namen Led Zeppelin erwähnte er hin und wieder in seinen Livekonzerten. Dabei scheint ihn eine Art Hass-Liebe mit dieser Gruppe zu verbinden: Oft verballhornt er den Namen oder einige Lieder von LZ, andererseits hat er in der jüngerer Vergangenheit eine (grauenhafte) Coverversion von Kashmir live zu Gehör gebracht.

Da hast Du’s: Wie von Dir befürchtet, bringe ich wieder negative Attribute mit Mr. Anderson in Verbindung. Es hat den Anschein, als hätten wir uns in unserem kleinen Gedankenaustausch auf unsere Rollen festgelegt: Ich greife Mr. Anderson fast zwangsläufig an und Du verteidigst ihn ebenso automatisch. Advocatus diaboli versus Advocatus Dei. Gleichwohl: Wenn ich Mr. Anderson so negativ einschätzen würde, wie es bei Dir den Anschein hat, würde ich kaum so viel Zeit auf ihn verwenden. Er ist in meinen Augen ein herausragender Musiker, Entertainer (und Geschäftsmann!), aber keine Lichtgestalt. Wenn wir uns auf diese Formel einigen können, müssen wir nicht befürchten, dass uns unsere gemeinsame Basis unter den Füßen zerbröckelt.

Zu Mr(s). Palmer: Auf der Rückseite des Warchild-Covers ist er gar an exponierter Stelle zu sehen. Auf diesem Cover sind etliche Personen (natürlich auch Shona) in Kostümen zu sehen, die einen Bezug zum Album haben. So stellt Mr. Palmer so etwa wie Gottvater dar. Bezeichnenderweise steht er in dieser Rolle gleich neben dem Meister, fast auf gleicher Höhe mit ihm. Aber eben nur fast.

Zurück zur Musik von Mr. Anderson:
Stell‘ Dir vor, Du müsstest jemandem, der JT nicht kennt, ein Lied der Gruppe nennen, das repräsentativ für das musikalische Werk der Gruppe steht. Nur ein Lied. Kein zweites und erst recht kein Album. Welches Lied würdest Du auswählen ?

Das war’s für heute.
Wir bleiben in Verbindung.

Lockwood

21.10.2006

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Hallo Lockwood,

da bin ich wieder. Zu Queen, Kommerz und Musikindustrie will ich mich nicht so ausführlich äußern. Das würde viel zu weit führen. Wie so vieles so wird auch hier global vermarktet, was es zu vermarkten gibt. Und die gute Firma Sony ist für mich da nur eine Art Stellvertreter für all die Firmen, denen es eigentlich nicht um die Musik an und für sich, sondern nur ums Geldscheffeln geht. Damit habe ich eigentlich schon genug gesagt.

Ich habe nichts gegen Queen, auch nichts gegen Led Zeppelin. Es ist richtig, dass Anderson z.B. „Thick as a Brick“ einmal als „Whole lotta Brick“ angekündigt hat (so 1977 im Golders Green Hippodrome zu London). Und beim Tampa Konzert von 1976 ist es wiederum „Thick as a Brick“ als das berühmte Lied von Johnny Cash.

Zur Cover-Version von Led Zeppelins Kashmir: Dein Urteil ist wieder einmal vernichtend: grauenhaft. Ich weiß nicht, woher Du das Stück kennst. Ich denke, es ist die Amateuraufnahme, die im Internet kursiert (www.cupofwonder.com). Allein die Aufnahme ist schon grauenhaft, ein Soundbrei, der nicht unbedingt ein objektives Urteil zulässt. Also um es gleich zu sagen: Mein Lieblingsstück wird das auch nie werden. Und eigentlich ist es eine Solonummer der guten Lucia Micarelli, die von Tull mehr oder weniger gut begleitet wird. Von daher war ich bisher nicht in der Verlegenheit, das Stück mit zu den anderen Tull-Videos auf meine Website zu nehmen. Du magst das Gedudele einfach nicht und damit basta: grauenhaft! Den meisten Zuschauern muss es aber gefallen haben, sonst hätten die nicht so geklatscht. Vielleicht hörte es sich dort im Saal auch wesentlich besser an, als auf der Videoaufnahme … Wenn es Dir nicht gefällt und Du es als grauenhaft einstufst, so ist das Deine Einschätzung. Mir gefällt schon das Stück als solches nicht sonderlich. Da brauche ich also nicht noch eine Tull-Lucia-Coverversion.

Also was ich von der Idolisierung von Musikern usw. halte, habe ich an anderer Stelle schon einmal geschrieben. Nicht so viel! Daher kann selbst ein Ian Anderson, den ich sehr hoch schätze, nicht so etwas wie eine Lichtgestalt für mich sein. Von daher habe ich auch keine Probleme, wenn Du wieder und wieder Herrn Anderson mit negativen Attributen belegst. Das ist Deine Meinung. Ich habe manchmal eine andere. Ist nun einmal so im Leben.

Jethro Tull: War Child

David/Dee Palmer und War Child: Da bin ich mir nicht so ganz sicher, ob das Palmer ist, der wie Gottvater neben Anderson steht. Gandalf (aus Herr der Ringe) wäre vielleicht passender. Aber er muss es sein, da er wieder einmal für die Orchesterbearbeitung sorgte und so auch namentlich auf dem Cover erwähnt ist. Allerdings finde ich für ihn keinen Songtitel, der seiner Darstellung entsprechen könnte. Oder? Anderson und Palmer, das ist schon ein eigentümlich musikalisches Paar. Manchmal habe ich das Gefühl, dass Ian Anderson gern etwas andere Musik gemacht hätte, wenn man ihn nur gelassen hätte. Palmer hat das irgendwie kompensiert. Aber Palmer selbst ist nicht so richtig zu fassen. Mit Bart und Pfeife war er/sie eigentlich der typische Mann. Und dann in dem Alter noch an sich herumschnippeln zu lassen: Da gehört schon einiges an Mut zu. Es gibt irgendwie noch eine Aufnahme des Stückes „Elegy“, ziemlich neu – und nur mit Frau Palmer am Keyboard und Anderson an der Querflöte.

Mr. David Palmer Mrs. Dee Palmer
Mr. David Palmer Mrs. Dee Palmer

Ach, das Kopftuch. Da habe ich doch bei www.youtube.com eine gar nicht so schlechte Coverversion von „Crosseyed Mary“ gefunden – von einem Typ mit den Initialen LC. Und zu Ehren des Meisters trägt der Typ – ein Kopftuch! Sag also nichts: Kopftücher kommen in Mode!

Lass Dich nicht erschüttern.
Wilfried

23.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 24: Von Schubläden und Kritiken

Hallo Wilfried,

Zu den Kritiken:
Schön, dass es auch wohlmeinende Stimmen zu JT gibt. Allerdings habe ich ebenfalls wie Du die Befürchtung, dass die zweite Kritik aus der BRAVO stammt. Wenn ich mich recht erinnere, stand in der BRAVO niemals eine negative Kritik zu den Musikschaffenden. So etwas wäre für die Zielgruppe der Zeitschrift nur sehr bedingt geeignet. Die zweite Kritik, obwohl positiv, macht auf mich keinen sehr kompetenten Eindruck. Möglicherweise tue ich dem Verfasser Unrecht, aber auf mich wirkt es, als hätte er von einer anderen Kritik einige Schlagworte übernommen und sie neu arrangiert. Was soll eigentlich die Formulierung „Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander“ aussagen ? Wie verbindet man musikalische Bestandteile persönlich ? Der Satz klingt gut, lässt aber inhaltlich zu wünschen übrig. Du und ich sind uns einig, dass es nicht die Kritiker sind, die diesen Globus in Bewegung halten. Die von uns gescholtenen Kritiker machen ihre mehr oder minder fundierte Meinung zu einigen Musikstücken einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Hand aufs Herz: Was machen wir in der neuen Rubrik Anderes ? Man kann uns lediglich zu Gute halten, dass wir nicht davon leben müssen, andere durch den Kakao zu ziehen.

Zu den Schubladen des Meisters:
Wenn ich mich als Folk-Fan auf die Alben beschränke, die der Meister als Folk klassifiziert, bleiben mir Perlen wie Thick as a Brick oder Passion Play verborgen. Natürlich bleibt mir auch A oder Roots to Branches erspart. Man könnte nun endlos darüber disputieren, ob das Eine das Andere Wert sei. Die Musikwelt ist sehr kreativ in der Schöpfung neuer Begriffe zur Einordnung der Musikrichtungen: Art-Rock, Progressiv-Rock, Psychodelic-Rock usw.. Diese Skala sollte m.E. um den Begriff der Kopftuch-Musik ergänzt werden.

Die Symphonie-Werke des Mr. Anderson kenne ich alle nicht. Grundsätzlich bin ich kein Freund von Classic-Rock. Wenn mir der Sinn nach Klassik steht, höre ich Vivaldi, Händel, Brahms, etc. Oder Chöre. Etwas Anderes ist es mit den rein klassischen Werken des Mr. Anderson. Ich meine die Werke, die keine Rock-Basis haben. Das ist schon eine eigene Klasse. Allerdings gefällt mir Deine gesendete Version von Thick as a Brick ganz gut. Erfreut Ohr und Gemüt. Ich hätte allerdings ganz auf die akustische Gitarre verzichtet. So hört es sich an, als hätte Mr. Palmer nicht gewusst, wie man eine Gitarre symphonisch umsetzt und sie deshalb beibehalten hätte. (Es wäre einem Wunder gleichgekommen, wenn ich einmal nichts zu motzen hätte). Welche Rolle hatte Mr(s). Palmer bei JT ? So weit ich weiß, war er mit den Arrangements der Streicher betraut. Hatte er darüber hinaus noch weitere Aufgaben ? War er nicht auch der zweite Keyborder ? Der, den man hinter Mr. Evan kaum erkennen konnte ?

Bis nächste Woche !
Lockwood

14.10.2006

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Hallo Lockwood,

interessant ist Deine Erkenntnis, dass in der BRAVO immer nur positive Kritiken stehen. Das ist gewissermaßen das Erfolgsrezept des Blattes, das andere Zeitschriften wie „Sounds“, „Pop“ usw. alle überlebt hat. Der jugendliche Leser sucht und findet etwas zu seiner Lieblingsgruppe und das ist natürlich ganz und gar positiv. Trotzdem möchte ich dem Kritiker eine völlige Inkompetenz nicht andichten. Warum sollte es 1969 nicht auch bei BRAVO-Mitarbeitern begeisterte Tull-Hörer gegeben haben. Dabei mag man über Formulierungen streiten.

Auch noch kurz etwas zu den Schubläden. Ich sehe das so: Ein Folk-Fan wird, wenn er erst einmal die Folk-Alben von Jethro Tull kennen und auch lieben gelernt hat, nicht Halt machen. Hat er erst einmal Blut geleckt, dann wird er gucken, was gibt es da noch Feines. Und wird irgendwann zwangsläufig auf die Konzeptalben stoßen. Das Internet kann hierzu betragen (mithin auch wir).

Art-Rock und Progressive Rock, alles Begriffe, die wohl auch Herrn Anderson nicht schmecken. Auf der DVD „Living with the Past“ äußert sich der Meister entsprechend abwertend nach dem Motto: Und dann machen die auch noch ein Konzeptalbum: KONZEPTALBUM! Bei den ganzen Musikrichtungen und –stilen blickt sowieso fast keiner mehr durch. Was das allein im Bereich des Hard Rocks für Blüten treibt, ist unübersehbar: Heavy Rock, Heavy Metal, Gothic Metal, Power Metal (wird noch lt. Wikipedia zwischen europäischen und US-Power Metal unterschieden – dann gibt es auch noch den Extreme Power Metal), Symphonic Metal und Industrial Metal. Notfalls steigert man das Ganze noch mit weiteren Attributen wie Super oder Mega. Fast jede Band spielt so ihren eigenen Stil. Somit sind es nicht die des Meisters Schubläden, sondern in der Musikbranche weitläufig benutzte Begriffe, auf die er nur zurückgreift.

Ja, die Rolle von Herrn/Frau Palmer ist eigentlich erstaunlich. Welche Band kann von sich behaupten, ihren eigenen Chefarrangeur für alles Klassische zu haben. Geht es um die Untermalung eines Liedes mit Streichern. Dave richtete es. Und so ist die symphonische Umsetzung Tull’scher Musik aus dem Jahre 1985 wohl hauptsächlich auf den Mist von David/Dee Palmer gewachsen. Für Herrn Anderson, dem Geschäftstüchtigen, ein durchaus lukratives Zusatzgeschäft. Immerhin erinnere ich mich daran, dass für diese Platte in Zeitschriften (und nicht nur Musikzeitschriften) reichlich Werbung gemacht wurde. Was Deine Lieblingsband „Queen“ betrifft, so haben die sich diesen Mammon auch nicht entgehen lassen und kassieren sicherlich reichlich Tantiemen für das Musical.

Aber David Palmer hat ja auch Mitte bis Ende der 70-er Jahre längere Zeit mit auf der Bühne gestanden. Vielleicht im Schatten von John Evan, aber doch präsent. John Evan spielte alles Klavierähnliche, Palmer die kleine handliche Bühnenorgel. Ich muss einmal gucken, ob ich da einige gute Aufnahmen finde. Auf zwei Stücken finden wir ihn im Smoking: Velvet Green vom Konzert im Goldiers Green Hippodrome und im Clip Heavy Horses. Und auf dem Tullavision-Mitschnitt von 1976 sehen wir ihn ganz leger. Da nuckelt er für kurze Zeit auch an einem Saxophon herum. Wie gesagt: Ich finde es mehr als erstaunlich, dass zwei so anscheinend unterschiedliche Musiker auf so lange Zeit zusammengearbeitet haben. Auch wenn Du jetzt dagegen an stänkern und ein Haar in der Suppe finden wirst: Es beweist mir nur, welche Qualitäten unserer Meister sein eigen nennen darf.

Man liest sich weiterhin
Wilfried

17.10.2006

English Translation for Ian Anderson

Ian Anderson/Dee Palmer: Elegy

Dee Palmer, als sie noch ein Er war, nämlich David Palmer (mit 66 Jahren unterzog er sich einer Geschlechtsumwandlung), war einige Jahre Mitglied der Gruppe Jethro Tull – auch öffentlich in Konzerten. Die Zusammenarbeit mit Ian Anderson, dem Kopf der Gruppe, geht aber bis in die Anfangszeit zurück. So arrangierte und dirigierte Palmer bereits für das 2. Album „Stand Up“ die Streichersätze auf dem Stück „Reasons for Waiting“. Eine musikalische Ausbildung genoss der/die 1937 geborene Palmer an der Royal Military School of Music in England und studierte Komposition an der Royal Academy of Music.

Auf dem 1979 erschienenen Tull-Album „Stormwatch“ ist am Schluss die Palmer-Komposition „Elegy“ enthalten, ein klassisches Musikstück, das Palmer zum Tode seines Vaters schrieb. Es muss wohl im Jahre 2002 gewesen sein, da trat noch-David mit Ian Anderson (es war wohl eine der inzwischen zahlreichen Tull-Convention) auf, um gemeinsam dieses Stück vorzutragen.

Was ist bloß mit Ian los? Teil 23: London Symphony Orchestra

Hallo Wilfried,

Den Kommentar von Stefan habe ich gelesen. Er schreibt etwas sehr Wichtiges: JT – Alben muss man häufiger hören, damit ihre Qualität offenbar wird. Es ist keine leichte Kost. Ich erinnere mich, dass ich anfangs von Thick as a Brick enttäuscht war. Mittlerweile zähle ich dieses Album zu den Besten.

Die JT-Skins finde ich stark ! Ist es Zufall, dass die Designer Bilder des Meisters gewählt haben, die ihn während seiner besten Zeit zeigen ? Sie hätten genau so gut Kopftuch-Bilder verwenden können. Rein theoretisch.

Meine Desktop-Hintergrundbilder wechseln sehr häufig. Meist sind es Fotos von meinen Kindern. Entweder Originalfotos oder bearbeitete. Hin und wieder ist auch ein Bild von Mr. Anderson zu sehen.

Ich wünsche Euch allen schöne Ferien und einen goldenen Oktober !

Lockwood

12.10.2006

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Hallo Lockwood,

Jethro Tull – AQUALUNG – Chrysalis ILPS 9145

Auf diesem Album gibt Ian Anderson in neun Thesen seine (nicht sehr originelle) Meinung zum Thema Gott zum besten. AQUALUNG ist die Bezeichnung für lesser men, die unterprivilegierten Menschen. Die Texte der elf Songs zu diesem Thema sind auf dem Innenumschlag abgedruckt.

Während bisher die Musik Jethro Tull’s meines Erachtens von Platte zu Platte bedeutungsloser wurde, scheint mir AQUALUNG ziemlich gut gelungen zu sein. Das Auffälligste: Anderson gebraucht die Flöte nur noch sparsam bei einzelnen Stücken. Allgemein ist die Musik leiser geworden. Mehrere Stücke werden mit akustischer Gitarre und Tabla an Stelle des Schlagzeugs vorgetragen. Zwei Stücke haben Streicherarrangements. Neu dabei ist Bassist Jeffrey Hammond-Hammond.

Aus: Sounds – Michael Wallossek

Also den Kritikern wollen wir hier wirklich kein Denkmal bauen. In dem erwähnten Buch mit Plattenkritiken aus der Zeitschrift „Sounds“ – immerhin über 1500 Seiten und über 1800 Kritiken stark – findet sich keine Kritik zu „Thick as a Brick“ oder „A Passion Play“. „Aqualung“ findet sich (siehe oben), auch „War Child“, von den beiden Konzeptalben aber schlechthin keine Spur. Zur Blütezeit von Jethro Tull hatte ich mir regelmäßig Musik-Zeitschriften gekauft. Und so habe ich immerhin aus der Zeitschrift „Pop“ Kritiken zu „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ in meinem kleinen Tull-Archiv vorliegen (dazu später mehr).

Nun was soll man zu der Kritik zu Aqualung sagen. Dem Autor scheint (warum scheint?) das Album ziemlich gut gelungen zu sein. Und was heißt ziemlich? Ich habe einmal im Internet nach weiteren Werken eines Herrn Wallossek gesucht und bin eigentlich überrascht: Es gibt zwei Bücher, die er mit dem Dalai Lama verfasst hat (Das Herz der Liebe, Inneren Frieden finden). Hoffen wir, dass er seinen inneren Frieden gefunden hat.

Ich habe den Eindruck, dass viele Kritiker (und nicht nur die) mit der Tull-Musik nicht viel anfangen können. Oder sie erkennen sehr schnell der ‚Kern’ – und sind begeistert. Ich habe da z.B. eine Kritik zum 2. Album Stand up und da heißt es u.a.:

Jethro Tull ist endlich mal wieder eine Gruppe mit ganz eigenem Stil und Sound. … Es praktisch gibt nichts, was es in der Musik der Jethro Tull nicht gibt. Sie verwenden Elemente des Beat und des Rock ‚n’ Roll, des Bossa Nova und des Jazz, der afrikanischen und der orientalischen Folklore … Und diese Bestandteile verbinden sie auf eine persönliche Art miteinander. … Jethro Tull ist seit langem das Beste, was auf der Pop-Szene passierte!

Leider habe ich mir nicht vermerkt, aus welchem Blättchen diese Kritik stammt. Ich ‚fürchte’ es war die Bravo. Aber ist ja auch egal. Der Kritiker hat von Musik (und zwar von Musik insgesamt) mehr Ahnung als diese Schreiberlinge, die sich von morgens bis abends voll dröhnen lassen. Und wenn sie auf ungewohnte Klänge stoßen, meinen, diese niedermachen zu müssen. Musik von Jethro Tull ist, wie Du sagst, keine leichte Kost. Genug für heute von uralten Kritiken.

Zu den Schubläden, die uns der Meister öffnet: Für den, der sich für die Musik von Herrn Anderson und seinen Jungs interessiert, aber noch nicht vieles von der Gruppe kennt, ist diese Zuordnung schon sehr hilfreich. Wer seinen Schwerpunkt auf Folk setzt, wird so davon abgehalten, sich zunächst ein Album wie z.B. „Under Wraps“ zu kaufen. Natürlich hat dieses Schubladendenken immer seine Haken. „Thick as a Brick“ ist sicherlich zunächst ein Konzeptalbum und lässt sich dem Progressive oder Art-Rock zuordnen. Aber es ist am Ende doch etwas mehr.

Kennst Du eigentlich das Album mit dem London Symphony Orchestra von 1985? Bemerkenswert ist u.a. daran, dass David Palmer alle Stücke nicht nur arrangiert hat, sondern das Orchester auch dirigiert. Eine kleine Anekdote hierzu am Rande: Meine Frau suchte ein Geschenk für ihre Freundin. Nun wusste ich, dass diese ganz gern Musik von Symphonieorchestern hört, die z.B. Soundtracks von Filmen usw. nachspielen. So kam an Ende die gute Freundin zu einer Scheibe mit der Musik von Herrn Anderson. Sie fand die Musik übrigens ganz gut.

London Symphony Orchestra: A Classic Case

Nun, das Album habe ich noch als alte Vinyl-Scheibe. Inzwischen bin ich wenigstens an MP3-Dateien gelangt. Daher im Anhang eine kleine Hörprobe: Thick as a Brick.

Schönes Wochenende noch.
Wilfried

14.10.2006

English Translation for Ian Anderson