Kategorie-Archiv: Glotzkiste

Neues und Altes im Kino & TV

Kintopp – Teil 9: Fabelhafte Amelie

Wenn Kritiken zu überschwänglich sind, neige ich zur Vorsicht. Im Falle des Films „Die fabelhafte Welt der Amélie“ (Originaltitel: Le fabuleux destin d’Amélie Poulain) war das sicherlich ein Fehler. Aber manche Fehler kann man wieder gut machen. Und so habe ich den Film – endlich – am Karfreitag im Fernsehen gesehen. Jean-Pierre Jeunet, der Regisseur dieses 2001 gedrehten französischen Films (mit deutscher Unterstützung), gilt als verhältnismäßig langsam arbeitender Regisseur, der sehr viel Zeit auf Details und originelle Gestaltung aufwendet. Aber gerade bei diesem Film hat es sich wirklich gelohnt. „Die fabelhafte Welt der Amélie“ ist voller Leichtigkeit und Poesie, voller Schmerz und Glück. Der Film dreht nie das große, melodramatische Rad, sondern ergeht sich in einer Unmenge kleiner, liebenswerter Details. Beeindruckend, die Phantasie des Regisseurs und Autors. Es ist jetzt schon ein „Kultfilm“. Ein überquellendes Füllhorn genialer Einfälle, poetischer Momente, wundervoller Bilder und oft witziger, philosophischer Dialoge. Dass der Film so gut funktioniert, liegt aber auch an der ausgezeichneten Darstellerriege, allen voran Audrey Tautou. Sie überzeugt in der Rolle der Amélie und gibt der Gestalt Lebendigkeit. Einfach wundervoll, einfach fabelhaft.

Amélie Poulain

Ja, ich habe einen neuen Lieblingsfilm. Einen Film, der das oftmalige Schauen lohnt. Viele Details sind mir beim ersten Mal noch verborgen geblieben. Ich freue mich jetzt schon auf diese vielen kleinen Schätze, die es noch zu entdecken gilt.

Ich liebe diesen Film. Und wer ihn nicht mag, der ist selber Schuld. Er gilt mir mehr als Dutzende Filme aus Hollywood. Ein solcher Film konnte nur in Frankreich entstehen.

Die Gustloff war nicht ihr Schicksal

Im Januar 1945 befand sich mein Vater mit meiner schwangeren Mutter und meiner Schwester, die 1943 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, geboren wurde, auf dem Weg Richtung Gdingen (heute: Gdynia), das die Nazis nach der Besetzung Polens 1939 in Gotenhafen umbenannt hatten. Er wollte Frau und Kind in die „Wilhelm Gustloff“ einschiffen, um beide möglichst schnell gen Westen bringen zu lassen. Selbst an Bord zu gehen, wagte er nicht, da er befürchtete als Deserteur verhaftet zu werden. Er galt immer noch als Wehrmachtsangehöriger, obwohl er als Sanitätsfeldwebel im Feldzug gegen Russland ein Bein verloren hatte. Meine Mutter weigerte sich aber, meinen Vater allein zu lassen. Und so zogen meine Eltern auf dem Landweg weiter in den Westen.

Wäre meine Mutter an Bord der „Gustloff“ gegangen, dann wären sie und meine Schwester mit Sicherheit elendig in den eiskalten Fluten der Ostsee ums Leben gekommen – und mich hätte es nie gegeben.

Die

In einem historischen Zweiteiler unter der Regie von Joseph Vilsmaier zeigt das ZDF am 2. und 3. März um 20.15 Uhr die tragische Geschichte der „Wilhelm Gustloff“. Am 30. Januar 1945 war das Schiff mit tausenden Flüchtlingen und Soldaten an Bord von einem sowjetischen U-Boot torpediert worden. Heute also der 2. Teil.

Der Untergang der „Gustloff“ gilt als das größte Schiffsunglück der Geschichte: Im Januar 1945 sinkt das mit zahllosen Flüchtlingen besetzte Schiff „Wilhelm Gustloff“; rund 9000 Menschen sterben in den eisigen Fluten der Ostsee.

Mein Vater geißelte die Torpedierung der „Wilhelm Gustloff“ als schweres Kriegsverbrechen gegen Zivilisten. Ich selbst möchte mich einer Bewertung enthalten, aber: Das Schiff war zu dieser Zeit als schwimmende Kaserne grau angestrichen und nicht weiß, wie es für „neutrale Boote” vorgeschrieben war. Zudem waren Flakgeschütze an Deck. So muss die „Wilhelm Gustloff“ nach Völkerrecht als Kriegsschiff gegolten haben.

Siehe zdf.de: Die Gustloff

Wilde Party mit Flötenmusik

Komme ich noch einmal auf meinen Beitrag Jethro Tull und ‚Alte Freunde“ zurück: Ich habe mir den Fernsehfilm angeschaut und war am Ende doch eher enttäuscht. Der Regisseur Friedemann Fromm, Jahrgang 1963, hat hier einen Film gedreht, in dessen Mittelpunkt ‚seine’ Generation, die zwischen Woodstock und Punk, steht. Der Film handelt dabei von verloren geglaubten Träumen und der nie zu späten Suche nach Glück. Einer der Protagonisten, Christian (gespielt von Jürgen Vogel), stellt zurecht fest, dass man zwar älter geworden wäre, sich aber nicht eigentlich verändert hätte. Wie wahr. Und so gebärden sich die Filmhelden eher wir Halbstarke Anfang der 80er Jahre. Die Suche nach dem Glück endet, weil der Coup (Juwelenraub) zuletzt doch gelingt, in materieller Zufriedenheit. Was hat das aber mit wahrem Glück zu tun? Waren die Träume doch nur materieller Art?

Wie geschrieben, so kommt die Musik von Jethro Tull (Locomotive Breath) im Soundtrack vor – in einer Schlüsselszene, als die alten Freunde eine wilde Party starten und sich mit Alkohol und Drogen voll dröhnen, um Leichenschmaus zu halten. Und noch einen Bezug zu Jethro Tull gibt es: So steht auf dem Grabstein des verstorbenen Freundes u.a.: … but too young to die. Für Rock ’n’ Rock sind die Freunde aber wohl noch nicht zu alt:

... but too young to die!

Als alter Tull-Fan freut man sich natürlich, wenn in einem Film die Musik seiner Lieblinge angespielt wird. Und thematisch geht der Film „Alte Freunde“ auch in Ordnung. Nur sollte man vielleicht wissen, dass der Gründer, Kopf und Frontman der Gruppe Jethro Tull, Ian Anderson, nichts von Drogen hält. Der erste Bassist der Gruppe, Glen Cornick, soll angeblich gefeuert worden sein, weil dieser mit Drogen hantierte. Da der Film von Friedemann Fromm ein sehr persönlicher Film zu sein scheint, er den Jethro Tull-Titel also ausgewählt hat, weil er einen besonderen Bezug zu der Musik der Gruppe hat, so wäre eine Platzierung des Liedes an anderer Stelle vielleicht passender gewesen. Aber was meckere ich hier. Hier der entsprechende Ausschnitt aus dem TV-Film:

siehe auch den Beitrag: Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull

Na ja, youtube macht auch das möglich – hier der Tull-Titel aus dem Schimanski-Krimi:

Schimanski Opener Reloaded

Kintopp – Teil 8: Europäisches Kino

Wer kennt sie nicht die großen europäischen Regisseure, die ein eigenständiges Kino in Europa geprägt haben. Für mich ragen u.a. Claude Chabrol, François Truffaut und Ingmar Bergman aus der hervorragenden Gilde der Regisseure hervor. Aber es gibt natürlich noch viele weitere aus Italien, Frankreich, Spanien, den skandinavischen Ländern oder Großbritannien, die mit ihren Filmen über Jahre die Kinolandschaft bestimmt haben.

Kintopp

Und genauso gibt es Schauspielerinnen und Schauspieler, die über lange Zeiträume von der Leinwand nicht weg zu denken sind. Repräsentativ für alle nenne ich hier den Franzosen Gérard Depardieu, der für mich durch seine Vielseitigkeit überzeugt. Zwar hat er nach eigener Aussage auch viel Müll gedreht, aber selbst da (z.B. als Obelix in den Asterix-Realverfilmungen) wusste er zu überzeugen.

Hier nur eine kleine Auswahl, wenn auch bunte Mischung von Filmen, die mir besonders durch ihren Witz gefallen haben:

Ladykillers mit Alec Guinness und Peter Sellers UK 1955 – Regie: Alexander Mackendrick

Der diskrete Charme der Bourgeoisie F/SP 1972 – Regie: Luis Buñuel

Der Name der Rose – D/F/I 1986 – Regie: Jean-Jacques Annaud

Vier Hochzeiten und ein Todesfall GB 1993 – Regie: Mike Newell

Das Leben ist schön IT 1997 – Regie: Roberto Benigni

Adams Äpfel DK 2005 – Regie: Anders Thomas Jensen – u.a. mit Mads Mikkelsen

Leider ist zu beobachten, dass immer mehr Filme in Europa Anleihen bei der US-amerikanischen Filmindustrie machen, da die Zuschauergunst und damit der Profitgedanke natürlich im Vordergrund steht und Produkte aus Hollywood beim Kinobesucher meist besser ankommen als europäische Filme. Zumindest gilt das für Massenprodukte (und in gewisser Hinsicht auch auf den oben genannten Film: Der Name der Rose). Daher ist und bleibt es wichtig, dass der anspruchvolle Film aus Europa gefördert wird. Sonst ersticken wir eines Tages am cineastischen Fastfood.

Jethro Tull und „Alte Freunde“

Heute am 18.02.2008 zeigt das ZDF ab 20 Uhr 15 als Fernsehfilm der Woche „Alte Freunde“, einen Film in der Regie von Friedemann Fromm, u.a. mit Jürgen Vogel und Marie Bäumer. Laut Voranzeige (Trailer nennt man das heute) wird im Soundtrack (Filmmusik) auch „Locomotive Breath“ von Jethro Tull angespielt. Es geht um die Generation zwischen Woodstock und Punk, der ich mich (gerade noch so) zugehörig fühlen darf, und verbindet einen Krimiplot mit Gedanken über Liebe, Glück und Träume – glaubwürdig inszeniert und toll gespielt. Die „alten Freunde“ sind um die 40 Jahre alt. Es ist die Zeit, in der man eine erste Bilanz zieht und schaut, was von dem, was man wollte, Realität geworden ist, und was man auf dem Weg verloren hat. Es handelt u.a. von verloren geglaubten Träumen und der nie zu späten Suche nach Glück …

ZDF: Alte Freunde

Zum Inhalt: Zur Beerdigung eines alten Freundes kehrt Christian (Jürgen Vogel) in seinen Heimatort zurück. Seine alten Freunde sind alle noch da: Jens (Oliver Breite) ist Hauptkommissar, Fritz (Robert Schupp) führt ein Juweliergeschäft, Bildhauer Flo (Jürgen Tonkel) steht vor der Pleite, hat aber Margret (Marie Bäumer) geheiratet, das umschwärmte Mädchen der Gruppe. Und einen Plan, seinem Glück auf die Sprünge zu helfen: Flo will Fritz’ Laden ausrauben. Auf der Flucht soll Christian das Motorrad fahren. Der Coup gelingt. Aber dann werden sie von einer vermummten Gestalt überwältigt. Wer ist der Verräter?

siehe auch: „Es war viel Rock’n’Roll in dem Projekt“

Den Frieden finden

Jenseits aller Eitelkeiten zeigt Jack Nicholson auf, dass er sich nicht zu schade ist, filmisch mit dem Alter auseinander zu setzen. So nun auch in dem neuen Film „Das Beste kommt zum Schluss“ („The Bucket List“, USA 2007). Nicholson und Morgan Freeman spielen zwei durch Krebs dem Tode geweihte alte Männer, die eigentlich grundverschieden sind, in ihrer Krankheit aber zu Freunden werden.

Im Mittelpunkt steht eine Liste, „Bucket List“, hier Löffelliste genannt (angelehnt an den Begriff „den Löffel abgeben“), in der zunächst der besonnenere Carter Chambers (Morgan Freeman) die Dinge einträgt, die er sich vor ihrem Ableben noch gerne erfüllen möchte, alles hehre Wünsche, z.B. „einem Unbekannten etwas Gutes tun“. Der reiche und arrogante Großunternehmer Edward Cole (Jack Nicholson) ergänzt diese Liste: Fallschirmspringen, Autorennen und weitere halsbrecherische Aktionen.

So begeben sich beide auf Abenteuersuche und auf Reise in die verschiedensten Länder dieses Planeten. Am Ende zeigt sich der Film als ein Suchen (und Finden) nach der „wahren Freude im Leben“, Und so finden beide ihren Frieden.

Sicherlich hat dieser Film etwas viel Pathos am Schluss. Und er ist in bester Hollywood-Manier inszeniert, also etwas zu konventionell nach meinem Geschmack. Aber dank der Hauptdarsteller, Nicholson und Freeman, die beim Thema Sterben immer das Gleichgewicht zwischen humorvoll und ernsthaft zu halten verstehen, beeindruckt der Film am Ende doch auf eher unaufdringliche Weise.

Hier der Trailer zum Film: Bucketlist

The Rolling Stones Rock and Roll Circus 1968

Kleiner TV-Tipp am Rande: Am Sonntag, den 3. Februar, bringt der Bayerische Rundfunk (BR 3) ab 23 Uhr 15 (Dauer 65 Min.) den Rolling Stones Rock and Roll Circus vom Dezember 1968.

Damals trafen sich die Stones mit John Lennon und Yoko Ono, Eric Clapton, The Who, Taj Mahal und Marianne Faithful zu diesem außergewöhnlichen Musikprojekt. Zwei Tage lang spielten sie in einer Circus Manege. 65 Minuten 68er-Feeling pur.

Jethro Tull 1968

Und gleich am Anfang taucht da eine bislang eher unbekannte Gruppe mit einem Bluestitel auf: Jethro Tull mit „Song for Jeffrey“! Bemerkenswert dabei: Mick Abrahams hatte die Gruppe bereits verlassen und Martin Barre war noch nicht in dessen Fußstapfen getreten. Stattdessen sehen wir Tony Iommi an der Gitarre. Es sei aber gleich gesagt: Der Tull-Auftritt ist nicht live, der Ton kommt aus der Konserve. Trotzdem ein bemerkenswertes Zeitdokument – nicht nur für Tull-Fans.

Karl Valentin, der Medienkünstler

Am 9. Februar vor 60 Jahren starb verarmt und fast vergessen Karl Valentin, der Münchener Komiker. Jetzt ist ihm im Martin-Gropius-Bau in Berlin eine Ausstellung „Karl Valentin. Filmpionier und Medienhandwerker“ gewidmet, die bis zum 21. April läuft.

siehe hierzu: Karl Valentin als Medienkünstler mit weiteren Informationen zur Ausstellung unter berlinerfestspiele.de

siehe auch meinen Beitrag: (Karl-)Valentins-Tag

Kintopp – Teil 7: Was einen guten Film ausmacht

Bei einem guten Film ist es wie mit einem guten Buch, er muss fesseln. Nur ist das, was mich fesselt, meist etwas anderes als das, was einen anderen Menschen in den Bann schlagen wird. Was fesselt aber? Es ist ein Stoff (Sujet, Gegenstand), der uns so schnell nicht wieder loslässt. Das kann etwas mit Spannung zu tun haben, die uns ein Film/Buch vermittelt, z.B. die Frage, wie endet das. Von daher gibt es gerade viele Filme, die eine künstliche Spannung zu vermitteln bemüht sind, deren Lösung, wenn diese nicht nachvollziehbar ist, uns den ganzen Film als enttäuschend empfinden lässt. Das am wenigsten erwartete Ende, die Auflösung des Rätsels, möchte man als Antwort auf eine scheinbar existenzielle Frage erleben.

Kintopp

Somit macht Spannung noch lange keinen guten Film aus. Erst wenn das Ende stimmt, das letzte Puzzle-Stück sich ins Ganze einfügen lässt, dann könnte der Film gut sein. Könnte, denn ein guter Film sollte weitere wichtige Kriterien erfüllen.

Aber bleibe ich noch kurz bei der Spannung. Statt Spannung können es auch andere Empfindungen sein, die in uns wach gerufen werden, etwas, das uns berührt und uns somit direkt emotional ansprecht. Viele lassen sich durch eine traurige (‚rührend’), eine zu Herz gehende, die Seele erschütternde Geschichte hinreißen. Noch andere lassen ihre niedrigsten Instinkte ansprechen. Gerade für letztere gibt es Genres, die einen großen Markt darstellen. Gute Filme sehen anders aus.

Wenn uns ein Film fesselt, so soll das bei einem guten Film mit einer Langzeitwirkung verbunden sein. Wenn ich das Kino (oder Wohnzimmer) verlasse, und die Wirkung verpufft sogleich, dann hat mich der Film sicherlich nicht allzu sehr in seinen Bann gezogen.

Welche anderen Kriterien sind es aber, die uns einen Film als gut einstufen lassen? Die Frage, ob ein Film gut ist, steht im Zusammenhang mit der Frage nach seiner Qualität. Das beginnt sicherlich bei der Technik, bei der Optik und Akustik, also bei Äußerlichkeiten. Anders als beim Buch, das im Wesentlichen auf das Medium Sprache (hier als geschriebenes Wort) setzt, spielen beim Film natürlich die Bilder eine große Rolle, voraussichtlich die größere Rolle. Immerhin hat sich der Film aus dem Stummfilm entwickelt und kam damals auch fast ohne Sprache aus (Sprache nur in den Zwischentiteln). Neben der Sprache gibt es die Musik, die die Bilder entscheidend dramatisieren kann. Bild und Ton und das Zusammenspiel zwischen beiden bilden also ein Qualitätsmerkmal.

Was einen guten Film ausmacht

Hier geht es aber vor allem um inhaltliche Qualität. Ein guter Film vermittelt Sinn, ist sinnstiftend im positiven Sinne. Er enthält eine Botschaft. Ein solcher Film sollte möglichst lehrreich sein, also mein Wissen erweitern und mich als Mensch „weiterbringen“. Natürlich können auch schlechte Filme lehrreich sein und zudem obskure Botschaften anbieten, die als solche nicht sogleich zu erkennen sind. Damit gelangt man schnell in eine Grauzone, in der es schwer fällt, noch zwischen gut und schlecht (böse) zu unterscheiden.

Sicherlich sollte ein Film auch Freude vermitteln, gute Laune. Aber allein mit „Friede, Freude, Eierkuchen“ kann es nicht genug sein. Zu sehr wurden solche Filme propagandistisch missbraucht und werden es heute noch. Ein Film, der lediglich eine ‚heile Welt’ vorgaukelt und in keiner Weise zu hinterfragen versteht, ist mit Sicherheit kein guter Film.

Filme bestehen in der Regel aus Handlung, Personen, Ausstattung und Örtlichkeiten. Für den Einzelnen wird ein Film dadurch gut, dass in diesem bestimmte Personen (Schauspieler/in) auftreten (Lieblingsschauspieler/in). Dann spielt natürlich die Handlung eine wichtige Rolle (dem entsprechenden Genre gemäß wie Actionfilm, Liebes-, Abenteuer- oder Kriminalfilm usw.). Ausstattung und Örtlichkeit werden meist im Zusammenhang mit der Handlung der Personen wahrgenommen. In einigen Filmen spielt natürlich auch die Örtlichkeit die Hauptrolle (Naturfilme). Das Drehbuch und die Umsetzung durch die Schauspieler bestimmen die Handlung. Dabei kommen viele einzelne Details wie Wortwitz und Mimik bzw. Gestik zu tragen, die dann auch die Qualität des Filmes beeinflussen.

Eine klare Definition, was einen guter Film im Grundsatz ausmacht, ist also gar nicht so ohne weiteres möglich. Ich denke mir, dass es vielleicht die ‚gesunde’ Mischung und Anzahl vieler Filme ist, die gesehen werden, in dem der einzelne Film zum guten Film wird. Ein solcher Film ist wie eine eigene Welt, der erst im Kosmos vieler Filme seinen tatsächlichen Stellenwert erlangt. Ein guter Film „wird“ ein guter Film, er ist es nicht von Anfang an.

Kintopp – Teil 6: Wolfgang Kieling

Meine Eltern hatten früher eine kleine Ferienwohnung an der Costa del Sol in dem ehemaligen Fischerdorf Torre del Mar. Dort hatte sich auch der Schauspieler Wolfgang Kieling eine Ferienwohnung zugelegt. So kam es, dass meine Eltern öfter einmal auf der Straße dem Herrn Kieling begegneten; sicherlich grüßte man sich. Mehr aber nicht. Mein Vater respektierte die schauspielerische Leistung des Mimen, aber weniger seine politischen Ansichten, wenn sich diese auch mit den Jahren gewandelt haben mögen. Dazu später etwas mehr.

Wolfgang Kieling war in den 60-er Jahren ein in Deutschland angesehener Schauspieler, der es auch zu einem Kurzeinsatz in einem Film von Alfred Hitchcock brachte. Zusammen mit Paul Newman, Julie Andrews und den anderen deutschen Schauspielern Hansjörg Felmy und Günter Strack spielte er in „Der zerrissene Vorhang“ von 1966 eine kleine Rolle. Der Film selbst zählt sicherlich nicht zu den besten Filmen von Hitchcock (der kalter Krieg ist Ausgangspunkt der Handlung). Eine bemerkenswerte Szene jedoch ist diejenige, in der Stasi-Mann Gromek (gespielt von Wolfgang Kieling) ermordet wird: Hitchcock wollte nach eigenen Aussagen zeigen, dass es nicht immer so einfach ist, einen Menschen umzubringen, wie im Film häufig dargestellt. So wird auf Gromek mit einem Messer eingestochen (die Klinge bricht ab), eingeschlagen, er wird gewürgt und schließlich im Gasofen erstickt.

Ich habe Wolfgang Kieling in meiner Kinder- und Jugendzeit häufiger im Fernsehen gesehen. Besonders beeindruckt hat mich sein Spiel in dem Shakespeare-Drama König Richard III, in dem er die Titelrolle spielte (TV-Produktion in S/W 1964) . Er stellte Richard, der von Natur aus hässlich und missgebildet war, als Spastiker dar. Im gleichen Jahr konnte man Kieling auch in Dürrenmatts Die Physiker sehen.

Kieling spielte also durchaus anspruchsvolle Rollen. So erhielt er u.a. 1968 die Auszeichnung mit dem Bundesfilmpreis. Diese versteigerte er dann zugunsten des Vietcong im Zeichen des Vietnamkriegs. Nach einer Umsiedlung von 1968 bis 1970 nach Ostberlin kehrte er wieder nach Westdeutschland zurück. Kieling hatte gegen die politische Situation im Westen, insbesondere auch gegen den Vietnamkrieg der Amerikaner, ein Zeichen setzen wollen, sich aber schließlich nicht in der Lage gesehen, sich in die ostdeutsche Gesellschaft einzufinden.

In den Westen zurückgekehrt wurde es merklich ruhiger um den Schauspieler. Im Fernsehen sah man ihn meist nur noch in Serien (z.B. Schwarzwaldklinik, Traumschiff, Der Alte und Derrik). Außerdem arbeitete er dank seiner markanten Stimme viel als Synchronsprecher für verschiedene englische und hauptsächlich US-amerikanische Schauspieler. Seine Stimme dürften den meisten durch die Kindersendung Sesamstraße bekannt sein, dort sprach er den Bert (von Ernie und Bert).

Für mich zählt Wolfgang Kieling zu den hervorragenden Schauspielern deutscher Sprache, der heute völlig in Vergessenheit geraten ist. Sein Sohn Florian Martens ist wohl auch ein bekannter Schauspieler.

Andrew Mortons Tom Cruise-Biografie

Keine Angst, ich habe nicht vor, mit Berichten über geistig abgetretene Menschen eine neue Serie zu beginnen (siehe meine Beiträge über Peter Green und Bobby Fischer), auch wenn mich solche Menschen und die Beweg- und Hintergründe interessieren, die diese Menschen haben werden lassen, was sie geworden sind. Tom Cruise halte ich für einen völlig belanglosen Menschen. Ich habe einige Filme mit ihm gesehen. Seine schauspielerischen Leistungen erschienen mir dabei eher durchschnittlich. Wenn, dann interessiere ich mich für ihn aus etwas anderen Gründen:

Tom Cruise, der US-Schauspieler, ist bekannt für seine Mitgliedschaft in der umstrittenen Sekte Scientology. Besonders sein Auftritt als deutschen Widerstandskämpfers Claus Schenk Graf von Stauffenberg in dem Film „Valkyrie“ (Walküre) sorgte für Aussehen, da u.a. befürchtet wurde, dass es in dem Film zu einer unangemessenen Interpretation des Attentatsversuchs Stauffenbergs auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 kommen könnte.

In diesen Tagen erschien nun eine Tom Cruise-Biografie von Andrew Morton: „Tom Cruise: Der Star und die Scientology-Verschwörung“. München: Droemer Verlag. 2008.

Nun Andrew Morton ist bekannt als Autor skandalträchtiger Bücher u.a. über die Prinzessin von Wales, Diana, und Monica Lewinsky, der wohl ‚bekanntesten’ Praktikantin des Weißen Hauses. Von daher ist die Tom Cruise-Biografie sicherlich mit Vorsicht zu genießen. Wie der Titel schon verrät, handelt es sich auch um eine Abrechnung mit Scientology. Morton bewegt sich mit seinem Buch viel im Raum der Spekulation; so hat er mit Dutzenden Aussteigern auf der ganzen Welt gesprochen und mit Noch-Mitgliedern, er hat Schulfreunde von Cruise befragt, Ex-Freundinnen und deren Familien.

Für Morton ist die Inszenierung von Cruise, seiner Frau Katie Holmes und der kleinen Suri, der gemeinsamen Tochter, als Heilige Familie der Höhepunkt von Cruises Karriere bei der Psycho-Sekte, wo er „de facto und informell die Nummer zwei ist, eingebunden in alle Aspekte der Planung und Strategie“. Auch sein eigenes Leben sei perfekt geplant. Was auch immer Cruise redet, wie und wo er auftritt, seine Filmrollen ebenso wie sein Privatleben, seien darauf ausgerichtet, seinen Glauben auszubreiten: Der Messias ist auch der erste Missionar seiner Sekte. Besonders Europa und Deutschland seien im Visier des „Operierenden Thetans VII“.

Tom Cruise – die Nummer zwei von Scientology?

Psycho-Sekten wurden besonders in den 90er Jahren kontrovers diskutiert. Auch ich bekam damals (oder schon früher) auf offener Straße ein Heftchen mit dem Titel „Dianetik“, verfasst vom Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, in die Hand gedrückt.

Ich weiß nicht, was an der Ideologie bzw. Lehre einer solchen Bewegung so faszinierend ist. Ich finde diese und die Praktiken von Scientology auf jeden Fall ziemlich obskur. Es ist eine Mischung aus Religion mit pseudo-wissenschaftlicher Argumentation. Und dass so etwas aus den USA kommt, wundert mich dabei nicht. Der Zauber liegt wohl darin, dass die Mitglieder den Status von „höheren“ Wesen erlangen können, wofür man manchen Psycho-Terror in Kauf nimmt.

Ob nun Tom Cruise selbst Opfer oder Täter von Scientology ist (aus Opfern werden schnell Täter), spielt keine größere Rolle. Und ob er die Nummer zwei oder drei ist, auch nicht. Ich denke aber, dass er als prominenter Filmstar seinen Bekanntheitsgrad entsprechend ausnutzt und so als Botschafter besonders in Europa auftritt. So soll er auftreten. Er sollte aber auch erkennen, dass wir solcher Messiasse nicht bedürfen. Schicken wir ihn in die Wüste, wohin ein solch selbst Gesalbter hingehört.

Wie gesagt: Tom Cruise ist für mich eher belanglos und durchschnittlich. Aber als Rattenfänger für eine fragwürdige Sekte ist er gefährlich für solche, die nicht im Stande sind, ihrem Leben einen gewissen Sinn zu geben. Von daher kann ich es nachvollziehen, wenn Scientology wie z.B. rechtsextreme Gruppierungen vom Verfassungsschutz überwacht werden.

Siehe auch Interview des New Yorker ZDF-Korrespondenten Uwe Kröger mit Andrew Morton: Abrechnung mit Scientology