Kategorie-Archiv: Geistesblitze

Vom Denken und Dichten – Von Philosophie, Wissenschaft bis Religion

Psychopathie: Die Geschichte von den zwei Beerdigungen

Im Internet (hier nur einige Beispiele: [1] [2] [3] [4] [5] [6]) kursiert folgende Story: Während des Begräbnisses ihrer Mutter begegnet eine Frau einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hat, und fühlt sich auf geheimnisvolle Weise zu ihm hingezogen. Sie glaubt, in ihm einen Seelenverwandten gefunden zu haben, und verfällt ihm sofort. Doch sie fragt ihn nicht nach seiner Telefonnummer und kann ihn, als die Beerdigung vorbei ist, nicht ausfindig machen. Wenige Tage später tötet sie ihre Schwester. Warum?

Nehmen Sie sich ein wenig Zeit, bevor Sie antworten. Denn offensichtlich lässt sich mithilfe dieses einfachen Tests feststellen, ob Sie wie ein Psychopath denken oder nicht. Welches Motiv könnte die Frau wohl haben, ihre Schwester umzubringen? Eifersucht? Findet sie ihre Schwester später mit dem Mann im Bett? Rache? Beides plausibel. Aber falsch. Die Antwort – gesetzt den Fall, Sie denken wie ein Psychopath – lautet: Weil sie hofft, der Mann würde bei der Beerdigung ihrer Schwester erneut auftauchen.

Falls dies Ihre Lösung war … keine Panik! Um ehrlich zu sein, ich habe gelogen. Natürlich bedeutet es nicht, das Sie wie ein Psychopath denken.

Ich lese zz. Psychopathen: Was man von Heiligen, Anwälten und Serienmördern lernen kann von Kevin Dutton, einem promovierten Psychologen und Professor am Calleva Research Centre for Evolution and Human Science der Universität Oxford – und Bestsellerautoren.

    Kevin Dutton: Psychopathen

Den Test (eigentlich ein Lateral, also ein Rätsel, bei dem mit wenigen Informationen eine paradox oder unsinnig erscheinende Endsituation einer Kurzgeschichte vorgegeben wird) mit der etwas hergeholte Geschichte findet man im Buch auf S. 52 im Kapitel „Echte Psychopathen bitte vortreten!“. Natürlich ist es kein ‚echter’ Test. Allerdings hat Kevin Dutton diese Geschichte echten Psychopathen vorgelegt, von denen aber nicht einer auf die „Folge-Beerdigung“ kam.

Ich werde auf dieses Buch wohl noch öfter zu sprechen kommen. Sicherlich zielt es nach meinem Geschmack etwas zu sehr auf eine breite Leserschaft. Aber es enthält eine lesbare und aufschlussreiche Darstellung der Psychopathie und die provokante These, dass wir von Psychopathen ‚lernen’ können. Zunächst beginnt das Buch mit einer Darstellung dessen, was wir Persönlichkeit nennen. Die oben aufgeführte Geschichte dient gewissermaßen als Schmankerl, also als Einstieg in die Darstellung der Psychopathie.

Psychopathie (nicht zu verwechseln mit Psychopathologie) bezeichnet eine schwere Persönlichkeitsstörung, die bei den Betroffenen mit dem weitgehenden oder völligen Fehlen von Empathie, sozialer Verantwortung und Gewissen einhergeht. Psychopathen sind auf den ersten Blick mitunter charmant, sie verstehen es, oberflächliche Beziehungen herzustellen. Dabei sind sie mitunter sehr manipulativ, um ihre Ziele zu erreichen. Oft mangelt es Psychopathen an langfristigen Zielen, sie sind impulsiv und verantwortungslos. Psychopathie geht mit antisozialen Verhaltensweisen einher, so dass oft die Diagnose einer dissozialen/antisozialen Persönlichkeitsstörung gestellt werden kann (Quelle: de.wikipedia.org)

Heute Ruhetag (46): Sigmund Freud – Kleine Schriften II

„Ruhe vor dem Sturm“ – man muss nicht hier im Norden, möglichst nahe der Küste, leben, um diese besagte Ruhe kennen gelernt zu haben. Sturm gibt es so gut wie überall, und immer häufiger. Auch ist die viel zitierte Ruhe vor dem Sturm kein regelmäßiges physikalisches Phänomen. Aber klar: Vor dem Sturm herrscht immer Ruhe – oder höchstens ein laues Windchen, so wie vor der Nacht der Tag ist.

Nein, Ruhe vor dem Sturm – damit meine ich hier etwas anderes, etwas rein Sprichwörtliches, die Ruhe (eher schon Unruhe) vor einem Ereignis. Trara … Heute geht ein Jahrzehnt für mich zu Ende! Und ab morgen dürft Ihr mich einen uralten Sack nennen! (Schweigen, also Ruhe …?!).

Aber …und jetzt zu etwas völlig anderem („And now for something completely different”, wie John Cleese von der Monty Python-Truppe zu sagen pflegte). Nein, kein Vortrag über Kunst und Psychoanalyse an dieser Stelle. Aber der Hinweis auf so genannte kleine Schriften des Oberallerseelenklempnermeisters und Alptraumanalysten, Sigmund Freud, sei gestattet. Lasse ich ihn zu Wort kommen. Hier beschäftigt er sich mit dem Juliusgrabmal, hier speziell mit der Moses-Statue, des Michelangelo Buonarroti, kurz Michelangelo.

Heute Ruhetag = Lesetag!

Der Moses des Michelangelo (1914)

Ich schicke voraus, daß ich kein Kunstkenner bin, sondern Laie. Ich habe oft bemerkt, daß mich der Inhalt eines Kunstwerkes stärker anzieht als dessen formale und technische Eigenschaften, auf welche doch der Künstler in erster Linie Wert legt. Für viele Mittel und manche Wirkungen der Kunst fehlt mir eigentlich das richtige Verständnis. Ich muß dies sagen, um mir eine nachsichtige Beurteilung meines Versuches zu sichern.

Aber Kunstwerke üben eine starke Wirkung auf mich aus, insbesondere Dichtungen und Werke der Plastik, seltener Malereien. Ich bin so veranlaßt worden, bei den entsprechenden Gelegenheiten lange vor ihnen zu verweilen, und wollte sie auf meine Weise erfassen, d. h. mir begreiflich machen, wodurch sie wirken. Wo ich das nicht kann, z. B. in der Musik, bin ich fast genußunfähig. Eine rationalistische oder vielleicht analytische Anlage sträubt sich in mir dagegen, daß ich ergriffen sein und dabei nicht wissen solle, warum ich es bin und was mich ergreift.

[…]

Michelangelo hat den Moment der letzten Zögerung, der Ruhe vor dem Sturm, zur Darstellung gewählt; im nächsten wird Moses aufspringen – der linke Fuß ist schon vom Boden abgehoben – die Tafeln zu Boden schmettern und seinen Grimm über die Abtrünnigen entladen.

[…]

aus: Sigmund Freud: Kleine Schriften II – Kapitel 7

    Signatur: Sigmund Freud

Sigmund Freud: Kleine Schriften II

Deutsch 3.0

Erst vor wenigen Tagen schrieb ich: Apropos Alien – auch eines dieser Wörter wie Handy oder Oldtimer, Happy End und Beamer (Public Viewing, Showmaster, Jogging – die Liste lässt sich beliebig erweitern), die es im Englischen gar nicht gibt oder dort eine andere Bedeutung haben. Wir Deutsche und unser Denglisch (Betrachtungen Tagebuch eines ‚Außerirdischen’ – Vorbetrachtung).

    Deutsch 3.0

Das Goethe-Institut hat eine mehrmonatige Veranstaltungsreihe namens „Deutsch 3.0“ gestartet, die sich mit der Entwicklung der deutschen Sprache beschäftigt. Welchen Einfluss haben SMS, Chats und Anglizismen auf das Deutsche? Findet Sprachverrohung oder nur ein Wandel statt? Diesen Fragen gehen Sprach-Fachleute nach. Besonders der Einfluss auf Deutsch als Wissenschaftssprache ist von Interesse. Veränderungen im Deutschen sind unstrittig. Allein in die aktuelle Ausgabe des Dudens fanden laut Duden-Chefin 5.000 neue Worte (z.B. Energiewende, Liebesschloss und QR-Code) Eingang. (Quelle: u.a. Kurznachrichten heute.de)

Zum Duden: Der Verein Deutsche Sprache (VDS) kritisiert die verstärkte Aufnahme von seiner Meinung nach in der deutschen Sprache nicht hinreichend etablierten Anglizismen in den Duden. Deren Verwendung würde dann durch diesen Eintrag gerechtfertigt. Der Duden wurde vor diesem Hintergrund vom VDS zum Sprachpanscher des Jahres 2013 gewählt. Die Duden-Redaktion wies die Kritik zurück und argumentierte, dass sie die Sprache nicht mache, sondern objektiv abbilde. (Quelle: de.wikipedia.org)

Sicherlich sollte man das Übermaß englischer Vokabeln in der deutsche Sprache eindämmen. Das gilt besonders für solche Begriffe (siehe oben), „die es im Englischen gar nicht gibt oder dort eine andere Bedeutung haben“, denn die sind aufgeblasener Schwachsinn, der oft von Werbeagenturen lanciert wird. Nicht immer ist etwas schick, was sich als chic präsentiert.

Sprache ist etwas Lebendiges. Sie entwickelt sich und in ihr spiegelt sich der Wandel der Zeit. Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde festgestellt, dass die amtliche Rechtschreibung – bis zur Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 galt der Duden als maßgeblich für die amtliche deutsche Rechtschreibung, danach wurde ihm der Sonderstatus entzogen – nur für begrenzte Teile der Schriftproduktion bindend ist, während im Übrigen ein jeder nach eigenem Gutdünken schreiben darf, auch nach frei erfundenen oder veralteten Regeln. Dem ist natürlich Tür und Tor geöffnet. Und Sprachwahrer schlagen so die Hände über dem Kopf zusammen.

Ich denke, dass man eindeutig unterscheiden muss, nämlich zwischen einer amtlichen Rechtschreibung, die z.B. für Behörden, Gerichte, natürlich auch für Schulen gültig ist, und einer ‚nichtamtlichen’, bei der dann allerdings „jeder nach eigenem Gutdünken schreiben darf“. Letztere sollte man positiv sehen: Es gab und gibt genügend Schriftsteller, die sich bewusst nicht an die amtliche Rechtschreibung halten und sei es nur, um ungewöhnliche Wortneuschöpfungen zu kreieren. Sprache hat auch etwas mit Phantasie zu tun – und der sind bekanntlich keine Grenzen gesetzt, auch keine amtlich reglementierten.

Vorweihnachtszeit 2013 (14): Vergnögte Wiehnacht

Nun Plattdeutsch ist nicht gleich Plattdeutsch: Als Niederdeutsch oder Plattdeutsch wird die im Norden und im Nordwesten Deutschlands sowie im Osten der Niederlande verbreitete westgermanische Sprache bezeichnet, die eine Vielzahl unterschiedlicher Dialektformen besitzt und sich aus dem Altsächsischen entwickelt hat. Diese Dialektformen variieren zum Teil sehr stark.

Da wir nun kurz vor dem Weihnachtsfest stehen, habe ich einmal versucht, die Weihnachtsgeschichte, so wie wir sie aus dem Lukas-Evangelium Kapitel 2, Vers 1-20, kennen, auch einmal in plattdeutscher Mundart ‚aufzuschlagen’. Immerhin wohne ich mitten in Niedersachsen, wo man das Niederdeutsche in der unteren Elbe-Mundart spricht. Leider bin ich da nicht fündig geworden. Aber es gibt die Weihnachtsgeschichte in anderen niederdeutschen Varianten. Dabei hält man sich nicht immer an das uns wortwörtlich Bekannte, sondern ist schon ziemlich frei in der Übersetzung. Aber gerade dadurch kommt der Reiz dieser Sprache ganz besonders hervor.


Weihnachtsgeschichte auf Plattdeutsch (Ostfriesland)

Zunächst die Weihnachtsgeschichte auf Plattdeutsch, wie man es wohl auf der ostfriesischen Insel Juist spricht. Diese stammt aus „Dat Ni Testament för plattdütsch Lüd in ehr Muddersprak oewertragen“ der Evangelischen Haupt-Bibel-Gesellschaft zu Berlin und Altenburg, 1986:

Un tau dei Tid let dei Kaiser Augustus utgewen, dei ganzen Lüd süllen up ‚t frisch für dei Stüer upschrewen warden. Un dit wir dat irste Mal wil dei Tid, dat Kyrenius dei Landshauptmann in Syrienland wir. Dunn würd denn nu jederein nah sin Heimat reisen, dat hei sick dor upschriwen let. Un ok Joseph reist‘ ut Galiäaland, ut dei Stadt Nazareth, nah Land Judäa nah David sin Stadt, nah Bethlehem. Denn hei stammt‘ jo her ut David sin Hus un Geslecht. Hei müßt sick ok ni upschriwen laten. Un sin Fru Maria nehm hei mit. Dei drög ’n Kind unner ’n Harten. Un as sei nur dor wiren, dunn wiren ok ehr Dag‘ dor, un ehr irst lütt Jung würd buren. Un sei wikkelt‘ em trecht in Dauk‘ un led em in ne Krüww, denn sei wüßt süs nich, wohen mit em.

Un dor wiren Hirers dicht bi up’n Fell‘. Dei wakten nachts bi ehr Haud. Un unsern Herrgott sin Engel kem ehr tau Gesicht, un ’n hellen Glast von Gott sin Herrlichkeit würd bi ehr uplüchten, un sei würden dull bang. Dunn säd dei Engel tau ehr: „West nich bang! Kikt, ick mag jug grote Freud kund, dei gellt för dei ganzen Minschen. Denn dei Heiland is hüt för jug buren in David sin Stadt. Dat is dei Herr Christus. Un an dit Teiken sallt ji em kennen: Ji warden ’n lütt Kind finnen, dat is trecht wickelt un liggt in ne Krüww.“

Un mit eins wiren bei den Engel ok gortau veel anner Engels ut ’n Himmel. Dei lawten Gott un süngen dorbi:

„Ihr wes Gott den Herrn in ’n hogen Hewen,
Fred up Irden för dei Minschen gauden Hartens!“

Un as nu dei Engels von ehr wedder nah ’n Himmel flagen wiren, dunn säden dei Hirers dei ein tau ’n annern: „Wi will’n nu hengahn nah Bethlehem un will’n uns dat ankiken, wat uns Herrgott uns hett weiten laten.“

Un sei güngen rasch hen un fünnen Maria un Joseph un dat Kind dor in dei Krüww. As sei ‚t oewerst seihn hadden, dunn verteilten s‘ ehr, wat ehr oewer dat Kind seggt wir. Un all, dei ‚t hüren deden, verwunnern sick dor oewer, wat ehr von dei Hirers seggt würd. Un Maria künn all des Dingen nich vergeten un würd s‘ in ’n Harten behollen. Un dei Hirers güngen wedder trüg un lawten und pristen Gott wegen alls, wat s‘ hürt un seihn hadden, so as ‚t tau ehr seggt wir.

    Winter in Tostedt - 2010

Hier die Weihnachtsgeschichte nach dem Lukas-Evangelium, wie ich sie auf eine Website aus dem Emsland gefunden habe (Heimatverein Fresenburg):

Dei Geschichte van dei Geburt van usen Herrn Jesus Christus, so wie Lukas dat upschräwen häff

Un so was dat tau dei Tied:
Kaiser Augustus här dat Seggen un geev Order, dat sück jederein, dei in sien Riek
waohnen dö, tellen un upschriewen laoten möss.

So wat här dat vördem noch nich gäven. Kyrenius wör tau dei Tied dei Baos in
Syrien. Un aale göngen ’se hen, üm sück in dei Stüürlisten indrägen tau laoten, jeder
dor waor hei up dei Welt kaomen was.

So göng ock Josef van Galiläa ut dei Stadt Nazareth nao Judäa, noa David siene
Heimatstadt –dei Bethlehem hett – hei hörde ja tau David seine Familie. Un hei woll
sück indrägen laoten mit Maria, dei üm verspraoken was un dei schöll Mauder weern.
Un dann was dat nu so:

As sei daor nu ankaomen wörn, was ’et Tied daorvan, dat sei ehr Kind kriegen schöll.
Un sei kreeg ’nen Jungen, ehr erste Kind, un sei wickelde et in Däuker un leggte üm
in’n Fauertrogg; sei harn aonners kiene Stäe funnen, waor sei unnerkaomen können.

Un daor in dei glieke Gägend, waokten dei Nacht öwer Schäpers buten uppen Eske
bi ehre Schaope. Un upmaol kömp Gott sien Engel bi ehr un dat wörde upmaol
hellerlecht üm ehr tau. Sei verschröcken sück un kregen heller Schreck. Un dei Engel
sä tau ehr:

„Ih bruukt nich bange wän. Nu lustert is tau! Ick brenge jau eine gaude Böskup, eine
groote Fraide, dei is dacht för aale Lüüe up dei Eerde.“

För jau is vandaoge dei Heiland up dei Welt kaomen, dei jau aale frei maoken will.
Dat is Christus, dei Herr, in David siene Heimatstadt. Un so könnt Ih dat gewaohr
wern:

Ih weerd ein Kind finnen, in Däuke wickelt un dei in einen Fauertrogg ligg.

Do kömen daor noch mehr Engel. Sei süngen van Gott un säen:

„Gott in’n Himmel, Lob un Ehr un Fräen up dei Eerde för aale Mensken. Mit dei
mennt HEI dat gaut!“

Un dann was dat so:

As dei Engel weer in’n Himmel verschwunnen wörn, do säen dei Schäpers
taunanner:

„Laot us drock nao Bethlehem gaohn. Wi will’t is kieken, wat daor geböhrt is, worvan
dei Engel us vertellt häbt.“

So drock as dät güng, möken sei sück up’n Pädd. Un ’et duuerde nich lange un sei
wörn daor un fünnen Maria un Josef un dät Kind, wat daor in den Fauertrogg leeg.
Un as sei dat nu seihn harn, vertellden sei öwerall, wat ehr aower düt Kind seggt
worn was. Un aale, dei daorvan hörden, wunnerden sück öwer dat, wat ehr dei
Schäpers doar vertellden.

Man Maria markde sück aale Wörder ganz genao un se löt ’se sück immer weer dör’t
Hätte gaohn. Dei Schäpers güngen weer trügge. Sei wörn heller bliede. Sei priesden
un lobten Gott un säen Dank für aal dat, wat sei hört un seihn harn. Dat wör jüst so
passeiert, as dei Engel ehr dat anseggt här.

    Winter in Tostedt - 2010

Von weiter südlich aus der Grafschaft Bentheim, nahe der Grenze zu den Niederlanden, kommt diese niederdeutsche Variante:

De Wienachtsgeschichte, soa as Lukas se vertellt

In disse Tiet kwamm van denn Kaiser Augustus Bott, dat iederen sick inschriewen loaten muss. Dat was watt heel Nijs. Dumoals was Kyrenius Stattholler oawer Syrien. Iederen möök sick up de Weg noa siene Heimatstadt un lööt sick inschrieven.

Soa günk ock Joseph van Galiläa ut de Stadt Nazareth noa Judäa, noa David siene Heimatstadt, de hedde Bethlehem – want he höarde to de Noakummen van David un wull sick inschriewen loaten met Maria, de em antraut was.

Un de verwochte’n Kind.

Du se nu doar weärn, kwamm se te liggen. Se brachde eren iersten Sönn up de Wearlt, wickelte em ien Döke un lää em ien ne Krüppe. Se hadeen anners gin Stee in de Harbarge. Un nu wassen in desölwe Gegend Schäpers up’t Fäild; de pössen’s Nachens up de Schoape up. Un wat passerde doar? Met eenmoal stünd ’nen Engel van Gott vür ear un dee Heärlikheit van Gott löchte oawer ear up.

Doar verschrickden se sick slim van. Un de Engel sä tegen ear: Hebbt men gin Schrick; ick hebb u ne groote Bliedschup te vertellen – un elk en eene sall dat wies wodden – want för u alle tehoope is vandage den Heiland geböaren!

Dat is den Heär Christus in David siene Stadt. Un dat sall vür u das Teeken wään: Goaht men häin! Ij findt das Kind ien Döke inwickelt un et ligg in ne Krüppe.

He harr noch nich ees uutproat‘, du was doar nen heelen Schwoarm van Engel. De preesen Gott en süngen: „Loff en Eähre doar bowen vür onsen Gott, un Free hier unner up de Eärde vür de Menschen, de dat van Harten meent, un an dee Gott sien Gefallen heff.“

Un du de Engel weär noa’n Himmel upsteegen wassen, du sään de Schäpers tegenmekaar: Nu loat ons gauw noa Bethlehem goahn un de Geschichte bekieken, de doar gebüürt is un de Gott ons künnig maakt heff. Se drämmelden nich un fünnen Maria un Joseph un ock dat Kind, dat wörklich in den Krippe lagg. Un du se dat all bekeken hadden, du vertäilden se oawerall, wat ear van dat Kind seggt wödden was. All de Löö, de dit to Oahren köimp, wunnerten sick oawer dat, wat de Schäpers vertäilt hadden.

Maria behöll all disse Wöärde un lööt se aait wier düür ear in Kopp en ear Hatte goahn.De Schäpers güngen wierüm vull Bliedschup. Se preesen Gott oawer all dat, wat se höärt en sehn hadden. Het was wörklik nett soa, as ear dat seggt wödd’n was.

(noavertellt van Jan Harm Kip / Janette Boerrigter)

Wenn man wie ich noch etwas weiterrecherchiert und dabei den Weg wieder Richtung Norden einschlägt, dann findet man sogar den Text in einer sehr alten Ausgabe, in der Lübecker Bibel von 1494, in einer in Lübeck gedruckten mittelniederdeutschen Ausgabe einer glossierten Bibel nach der Vulgata, der Bibelausgabe in Latein. Dabei handelt es sich um eine vorlutherische deutsche Bibel. Im Internet gibt es gleich mehrere gescannte Ausgaben davon, hier ein Blick in das Exemplar der Bayerischen Staatsbibliothek (Rar. 880): Beginn Lukas 2. Kap. – Biblia übers. aus dem Lat., mit Glossen nach der Postilla litteralis des Nicolaus de Lyra, Vorrede und Register – Lübeck 1494.11.19.

Der Text beginnt wie folgt:
… Een bod ghink vth vā dem keiser augusto. …

Lübecker Bibel 1494 – Lukas 2. Kapitel

Nun ich wünsche allen Lesern, besonders denen, die mir bis hierhin aufmerksam gefolgt sind, ein frohes Weihnachtsfest – oder, wie man hier in Plattdeutsch sagt: Vergnögte Wiehnacht!

Willi und die Swinging Sixties

Mitte der 60-er Jahre (des letzten Jahrhunderts) entstand ein modischer Trend, der auch die Kultur und die Politik beeinflusste und einen ganz besonderen Zeitgeist schuf: die Swinging Sixties, deren Mittelpunkt London als Swinging London war.

„Beginnend mit politischen Konflikten wie beispielsweise der Kubakrise und dem bereits schwelenden Vietnamkrieg setzte sich eine neue Sicht- und Denkweise in der Gesellschaft durch, welche sich in politischem Denken der Friedensbewegung, in der Kultur, der Mode und einem völlig neuen Freiheitsdenken äußerte. Indes zeigte sich ein Wechsel in der Musikszene, der gleichzeitig neue Modetrends setzte (Woodstock). Am engsten verbunden mit dem Begriff der Swinging Sixties dürfte allerdings die Londoner Straße Carnaby Street sein, welche in den 1960ern durch ihre unzähligen Mode- und Musikgeschäfte bekannt wurde und als ‚Trendmeile’ im westlichen Europa galt. Wer ‚hip’ oder Hippie sein oder einfach nur Drogen kaufen wollte, ging dort ‚shoppen’.“ (Quelle: de.wikipedia.org)


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Carnaby Street, London

Und Swinging London hatte ein Gesicht mit der magersüchtigen Twiggy, über die besonders die Modetrends gesetzt wurden. Twiggy Lawson ist bis heute im Geschäft.

Ich habe die Swinging Sixties als auslaufendes Modell erlebt, da ich mehr oder weniger einer Zwischengeneration (Mitte der 50-er Jahre geboren) angehöre, die nicht mehr der 68er-Bewegung zuzurechnen ist und noch nicht ganz der Boomgeneration (ab 1955 in Deutschland). Aus sozialpsychologischer Sicht gehöre ich wohl mehr den Baby-Boomern an, die in Deutschland als desillusioniert galten. Ihr Lebensmotto könnte man mit „Leben und leben lassen“ definieren. (siehe hierzu meinen Beitrag zum Roman von Georg Heinzen – Uwe Koch: Von der Nutzlosigkeit, erwachsen zu werden). Aber so ganz sind die Swinging Sixties (wie auch die sich daraus ableitenden 68-er) an mir nicht vorbeigerauscht.

Was waren die ‚Aushängeschilder’, die diese Zeit ausmachten? London als Mittelpunkt und dort der Stadtteil Soho mit der Carnaby Street als Modezentrum, in dem Minirock und Twiggy das Bild bestimmten, habe ich Anfang der 70-er Jahre besucht. So ganz mein Ding war das nicht. Mich interessierte in erster Linie die Musikszene der Stadt.

So gingen von London in den Swinging Sixties nicht nur die Mode- sondern auch die musikalischen Trends aus, die natürlich nicht nur in die USA, sondern auch zu uns nach Deutschland überschwappten. Der Beat-Club, ab 1965 von Radio Bremen produziert, war die Musiksendung für junge Leute schlechthin. Hier wurde die Musik gespielt, die sonst nur in der Londoner Musikszene zu hören war. In London selbst wurde der Marquee Club Dreh- und Angelpunkt dieser neuen Musik. Er diente vielen Gruppen als Sprungbrett ins internationale Musikgeschäft. Die Rolling Stones gaben dort am 12. Juli 1962 ihr erstes Konzert unter ihrem Bandnamen. Im Marquee Club traten Bands und Musiker auf wie Steamhammer, Jimi Hendrix, Iron Maiden, John Mayall mit Eric Clapton, Peter Green, Queen, Oasis, The Who, Pink Floyd, Marillion, The Nice, Rory Gallagher – und natürlich auch Jethro Tull, zunächst noch als „Navy Blue“. Schon mit der „John Evan Band“ hatte Ian Anderson zuvor im Marquee Club einen Auftritt. An meinem Geburtstag, den 2. Februar 1968, traten Ian Anderson und Co. dann als Jethro Tull zum ersten Mal auf.

So kam es dann auch, dass beim 8. National Jazz and Blues Festival vom 9. bis 11. August 1968 im Kempton Park Racecourse zu Sunbury die Gruppe Jethro Tull auftreten durfte (das Festival wurde 1961 vom Gründer des Londoner Marquee Club, Harold Pendleton, ins Leben gerufen) und ihren ersten großen Erfolg feierte.

Aber ich schweife ab. Nur soviel: Leider ist der Marquee Club seit 2008 nur noch Geschichte. Immerhin habe ich es Ende der 70-er Jahre wenigstens einmal besucht und bei einem gepflegten Ale die Hardrockgruppe UFO sehen und hören dürfen. Auch das war zwar nicht so ganz mein Ding. Trotzdem genoss ich den Aufenthalt in dem für die Rockmusik geschichtsträchtigen Räumlichkeiten (damals wie zu Zeiten der Auftritte von Jethro Tull in der Wardour Street No. 90).

Später, Anfang der 80-er Jahre besuchte ich dann mit einem Kumpel noch den 100 Club in der Oxford Street (Hausnummer 100, daher der Name). Ebenfalls ein geschichtsträchtiger Ort (siehe hierzu auch meine Beiträge Was ist bloß mit Ian los? Teil 2: Wie ich zu Jethro Tull kam und Ska im Park). Hier traten all die Blues-Größen auf, die großen Einfluss auf die Musikszene der Swinging Sixties hatten. Hier wurde mit dem ersten 100 Club Punk Festival am 20. und 21. September 1976 auch der Punk gewissermaßen hoffähig.

Wer sich heute an die Swinging Sixties erinnert (erinnern kann), denkt natürlich vor allem an den Minirock, Anfang der 60-er Jahre von der Modedesignerin Mary Quant kreiert. Und natürlich an Twiggy, dem ersten internationalen Superstar unter den Models. In diesen Jahren (ab 1962) kamen dann auch die James Bond-Filme ins Kino. Meinen ersten Bond-Film sah ich übrigens 1967 in Schweden. Es muss „Feuerball“ gewesen sein, denn „Man lebt nur zweimal“ kam erst im Herbst 1967 in die Kinos. Es war in Stockholm (im Original mit schwedischen Untertiteln!), wo ich mit meiner Schulklasse zwei Wochen anlässlich eines Schüleraustauschs weilte. Erwähnenswert ist, dass Schweden kurz zuvor vom Links- auf Rechtsverkehr umgestellt hatte, was z.T. für chaotischen Verhältnissen auf den Straßen sorgte.

Und ohne Zweifel darf und werde ich meine Lieblings-TV-Serie Avengers (Mit Schirm, Charme & Melone) hier nicht vergessen. Auch die gehört spätestens mit der 4. Staffel (John Steed und Emma Peel), die ab Ende 1966 im deutschen Fernsehen zu sehen war, zu dem Bild, das die Swinging Sixties (nicht nur) bei mir geprägt haben. Im Jahr 1967 gab es so ein Fotoshooting, bei dem die Stilikonen dieser Jahre vereint abgebildet wurden: Patrick Macnee, der John Steed in der Serie verkörperte, zusammen mit Twiggy (Diana Rigg wurde gesondert abgelichtet). Die Aufnahmen erfolgten in den Teddington Studios zu London und präsentieren die neuen Entwürfe zu „Avengers by Pierre Cardin and Alun Hughes. Fotos: Terry O’Neil (hier weitere Fotos mit Twiggy & Steed). Die Klamotten, die Diana Rigg als Emma Peel trug, verkauften sich nämlich auch nicht schlecht.

    Twiggy und John Steed (Patrick Macnee) 1966 bei einem Mode-Fotoshooting

Von dem Fotoshooting gibt es auch ein kleines Video bei British Pathé (britishpathe.com): Avengers meet Twiggy 1967 (Rigg’s new rigs – [Diana] Riggs neue ‚Ausrüstung’):

    Avengers meet Twiggy 1967 (Rigg’s new rigs)

Die Swinging Sixties endeten, wenn man so will, mit Monty Python, die ihren Flying Circus 1969 ins britische Fernsehen brachten. Während ich Paris und Madrid nur einmal bisher besucht habe (Rom habe ich nicht einmal aus der Ferne gesehen), war ich in London unzählige Male (das letzte Mal ist allerdings schon etwas her: 1996 war ich dort mit dem älteren meiner beiden Söhne, er war damals gerade fünf ½ Jahre alt und begeisterte sich für Peter Pan und Dinosaurier, da war London durchaus das Richtige – immerhin war ich ja 2005 mit meiner Familie u.a. in Edinburgh). Es ist natürlich nicht die Stadt also solche, die mich interessiert, sondern das typisch Britische mit seinem schwarzen Humor, seiner Musik und dieser besonderen Mentalität der Menschen, die irgendwo zwischen Unterstatement und weltmännischer Arroganz angesiedelt ist. Viele Briten (Engländer, sonders aber Schotten und Waliser) mögen London eigentlich nicht so sehr. Denen ist die Stadt einfach zu groß, alles dort zu teuer und wahrscheinlich auch zu ‚bunt’. Hier habe ich aber zum ersten Mal kennen gelernt, was multikulturelle Vielfalt ist. So etwas wie z.B. Chinatown gab es nicht (und gibt es auch heute noch nicht) bei uns. Hamburg und München sind sicherlich ganz schöne Städte. Aber eine Weltstadt wie London ist keine von beiden. Berlin kommt vielleicht an die englische Hauptstadt einwenig heran. Natürlich ist mir klar, dass es ein großer Unterschied ist, in einer Stadt wie London (oder Berlin) Urlaub zu machen oder dort zu arbeiten und zu leben.

Meine Fresse: Da wollte ich eigentlich nur so einen kleinen Beitrag zu den Swinging Sixties schreiben und bin wieder einmal vom Hundertsten ins Tausendste gekommen.

100. Geburtstag von Albert Camus

    „Um einer angeborenen Gleichgültigkeit die Waage zu halten, wurde ich halbwegs zwischen das Elend und die Sonne gestellt. Das Elend hinderte mich zu glauben, dass alles unter der Sonne und in der Geschichte gut sei; die Sonne lehrte mich, dass die Geschichte nicht alles ist.“
    Albert Camus

Gut (oder nicht gut), ich habe es nicht „auf dem Zettel“ gehabt: Heute ist ein für mich eigentlich besonderer Jahrestag. Vor 100 Jahren wurde in Mondovi, Französisch-Nordafrika, heute Dréan, Algerien, Albert Camus geboren. Er war ein Schriftsteller und vor allem Philosoph, der nachhaltig mein Denken beeinflusst hat. So ist es nicht verwunderlich, wenn ich Albert Camus hier öfter erwähnt habe, mich zu ihm und seine Werke geäußert habe.

Albert Camus

Welche Bedeutung Camus auch heute noch für viele Menschen hat, ist an der Resonanz abzulesen, die der heutige Jahrestag in vielen hervorruft. Über Twitter habe ich einige dieser Äußerungen festgehalten und möchte diese – ohne weitere Kommentare von mir – zum Aufruf bereitstellen:

Unworte

Natürlich ist es nicht allein ein Unding (sic!) der deutschen Sprache, Gegensätze, vor allem negative Entsprechungen zu etwas Bestimmten (Bildung einer Negation bei Substantiven und Adjektiven), mit einem Präfix, also einer Vorsilbe zu belegen, z.B. mit dem Derivatem un-. Offensichtlich mangelt es an eigenständigen Ausdrücken (Synonyme) oder diese sind nicht mehr geläufig. Sollte es ein Mangel sein, dann wundert mich das, es gibt doch Wortneuschöpfungen allerenden. Seltsamerweise haben sich aber auch Un-Wörter ‚eingeschlichen’, deren ‚positive’ Entsprechung verloren gegangen zu sein scheint. Die meisten Un-Wörter sind aber Begriffe, die nicht mehr das Gegenteil ausdrücken, sondern die sich gewissermaßen selbständig gemacht haben, die zwar die ‚Wurzel’ des eigentlichen Wortes dem Sinn nach noch in sich tragen, aber zu einer eigenen Bedeutung gelangt sind.

    Un-Wort: Unwort

Zum ersten: Un-Wörter bedeuten (in etwa) das Gegenteil von etwas, z.B. Unpünktlichkeit und Pünktlichkeit, Unmündigkeit und Mündigkeit, Unmoral und Moral bzw. Ungerechtigkeit im Gegensatz zu Gerechtigkeit. Wer kann aber ein Wort gleichen Bedeutungsumfangs nennen z.B. zu Ungerechtigkeit (um das Un-Wort aufzuheben): Gemeinheit oder Rechtswidrigkeit? Das lässt erkennen, dass das Wort Ungerechtigkeit unterschiedlich interpretierbar ist. Interessant ist das Begriffspaar Schuld und Unschuld. Hier liegt viel Potential zu einer philosophischen Betrachtung. Was mich hier nur interessiert ist ein Synonym zu Unschuld. Es könnte Schuldlosigkeit sein (damit wird aus dem Präfix un- nur das Suffix -los) oder Virginität, also Jungfräulichkeit. Un-Wörter können im Gegenteil zum ‚Wort’ der Bedeutung nach auch mehrfach belegt sein.

Zum zweiten, den Un-Wörter ohne offensichtliches Gegenstück: z.B. Unfug. Ganz richtig ist das nicht, denn es gibt das Wort Fug in der Redewendung ‚Fug und Recht’. Und sonst kennen wir das Wort aus Befugnis oder Verfügung. Ansonsten ist das Wort Fug ein Archaismus, ein dem Untergang geweihtes Wort. Das Wort Unfug ist dagegen durchaus noch geläufig. Okay, viel mehr fällt mir jetzt nicht ein, Unbill vielleicht noch und Ungeziefer.

Zum dritten, den Un-Wörtern, die sich vom ‚Wort’ losgelöst haben. Da gibt es eine Menge: Untiefe, Unwucht, Unzucht, Unzahl, Unzeit, Ungeziefer (okay, das hatten wir schon) usw. – und natürlich Unwort oder Unding. Diese Un-Wörter haben sicherlich noch einen Sinnzusammenhang mit ihren eigentlichen ‚Wort’. So ist ein Unwort eigentlich auch nichts anderes als ein Wort, wenn auch ein „unschönes“, vielleicht „unerwünschtes“. Und wer zur Unzeit kommt, kommt eben nicht rechtzeitig. So geschehen auch Dinge (oder Undinge) zur Unzeit (und doch „in der Zeit“).

Synonyme, ich will Synonyme – Ausdrücke mit dem gleichen (oder doch fast gleichen) Bedeutungsumfang. Bei dem Un-Wort Unwucht muss man schon halbe Sätze bilden (unsymmetrische Massenverteilung eines rotierenden Körpers bzw. Massenschwerpunkt außerhalb der Drehachse). Ließe sich hier nicht ein Wort kreieren, das ohne die Vorsilbe Un- auskommt und genau das wiedergibt, was es wiedergeben soll?

Der deutsche Wortschatz (und natürlich auch der anderer Sprachen) ist eigentlich sehr reich. Aber z.B. bei den Sinnesempfindungen gibt es Defizite, die durchaus überraschen, z.B. das Riechen. Eigentlich riecht ja nur die Nase (etwas). Aber wir verwenden umgangssprachlich riechen auch dann, wenn ETWAS riecht. Synonyme hierzu: duften (im positiven Sinne) und stinken (im negativen Sinne). Das war’s fast schon. So benutzen wir diese Wörter meist nur in Verbindung mit Adverbien wie es duftet köstlich, es stinkt bestialisch. Wenn da nicht der Volksmund wäre, der eigene Wörter erschaffen hat wie müffeln, dünsten oder brandeln. Aber diese Wörter sind eigentlich auch nur abgeleitet (Muff, Dunst, Brand). Wenn es in der Küche z.B. köstlich duftet, dass einem das Wasser im Munde zusammenläuft, so haben wir dafür keinen eigenständigen Begriff.

Wie war das noch mit dem Schnee (und den Kamelen)?

Neue Wörter braucht das Land … 😉

Die Bibliothek als Labyrinth

Man stelle sich eine digitale Bibliothek vor. Genau, da gibt es nicht viel für die Fantasie. Alles kleine Schalterchen, Bits die zu Bytes mutieren und am Ende Festplatten, DVDs oder andere Speichermedien belegen.

Anders ist es, wenn man z.B. an die Bibliothek von Alexandria denkt. Hier befanden sich neben unzähligen anderen Büchern z.B. die „Bücher des Aristoteles und des Theophrast, die Ptolemaios II. vom Erben des letzteren erwerben konnte; allerdings scheint die angekaufte Bibliothek des Aristoteles nicht komplett gewesen zu sein, da ein Teil noch 86 v. Chr. in Athen dem römischen Feldherrn Sulla in die Hände fiel.“

Und da fällt uns sicherlich die unendliche Bibliothek von Babel aus den Phantastische Erzählungen des im Alter erblindeten Jorge Luis Borges ein.

Und schon wird der geneigte Bibliotheksbenutzer, der bekanntlich ein Leser ist, eins und eins zusammengezählt haben, denn wohin sollte das führen, wenn nicht zu Umberto Ecos Roman Der Name der Rose. Denn darinnen geht es u.a. um eine Bibliothek, um einen blinden Hüter einer Klosterbibliothek namens Jorge von Burgos (oh, dies Namensähnlichkeit, die offensichtlich gewollte) und um ein Buch … von Aristoteles: nämlich um das offenbar einzige erhaltene Exemplar des „Zweiten Buches der Poetik“.

Und es geht um mysteriöse Todesfälle in Der Name der Rose. Aber ich will nicht zuviel verraten. Ich verbleibe bei der Bibliothek, die in dem Roman eine Hauptrolle spielt (neben dem besagten Buch) und die ein Labyrinth zu sein scheint, ein Rätsel. Aber Rätsel sind dazu da, sie zu lösen. Und so machen sich die beiden Hauptfiguren William von Baskerville und sein junger Gehilfe („Adlatus“), Adson von Melk, der zugleich Ich-Erzählers des Romans ist, auf, das Rätsel zu lösen (neben dem Rätsel der vielen Todesfälle).

»Versuch doch einmal, den Grundriß der Bibliothek zu zeichnen. Du wirst sehen, daß es bei jedem Turm zwei Räume geben muß, die einerseits an den siebeneckigen Innenraum angrenzen und andererseits an zwei Räume mit Fenstern zum Achteck…« [I-VIII, dunkelgrün]
Ich versuchte es, entwarf den Grundriß nach den Angaben meines Meisters und stieß einen Freudenschrei aus. »Jetzt wissen wir alles! Laßt mich einmal zählen . . . Ja, die Bibliothek hat sechsundfünfzig Räume, vier siebeneckige [a-d, dunkelblau] und zweiundfünfzig mehr oder minder quadratische, von denen acht fensterlos sind [I-VIII, dunkelgrün], während achtundzwanzig nach außen [4x 1-5, gelb / A-H, braunrot] gehen und sechzehn nach innen [1-16, weinrot]
»Und die vier Ecktürme haben jeder fünf Räume mit vier Wänden und einen mit sieben . . . Die ganze Anlage folgt einer himmlischen Harmonie, der sich vielerlei tiefe und wundersame Bedeutungen zuordnen lassen…«

Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982, S.277

    Die Bibliothek als Labyrinth: 56 Räume

4x 7-eckige Räume (a-d) dunkelblau
16x quadratische Räume innen (1-16) weinrot
8x quadratische Räume außen (mit Fenster) (A-H) braunrot
20x 4 Türme a 5 Räume außen (1-5) gelb
8x Räume ohne Fenster (I – VIII) dunkelgrün

56 Räume hat die Bibliothek also. Und diese sind nach einem bestimmten Muster angelegt:

… daß die Bibliothek tatsächlich nach dem Muster des Weltkreises angelegt war. Im Norden lagen die Zonen ANGLIA und GERMANIA, die sich längs der westlichen Außenwand mit der Zone GALLIA verbanden, um dann am äußersten Westrand in die Zone HIBERNIA zu münden und gen Süden überzugehen in die Zonen ROMA (Paradies lateinischer Klassiker!) und YSPANIA. Tief im Süden (das heißt im Südturm) schloß sich die Zone LEONES an, gefolgt von AEGYPTUS und weiter östlich fortgesetzt von IUDAEA und schließlich FÖNS ADAE. Zwischen Osten und Norden erstreckte sich längs der Außenwand die Zone ACAIA – eine treffliche Synekdoche, wie mein Meister sich ausdrückte, um das alte Griechenland zu bezeichnen, und tatsächlich fanden wir in jenen Räumen eine Fülle von Werken heidnisch-antiker Dichter und Philosophen.

Die Disposition der Buchstaben innerhalb einer Zone war, gelinde gesagt, recht eigenwillig. Manchmal mußte man geradeaus gehen, manchmal rückwärts, manchmal im Kreise, oft diente ein Buchstabe in zwei Wörtern zugleich (und in solchen Fällen hatte dann der betreffende Raum mindestens einen Schrank mit vermischten Werken). Nirgends gab es so etwas wie eine goldene Regel, es handelte sich offenkundig um reine Eselsbrücken, die dem Bibliothekar das Auffinden eines bestimmten Buches erleichtern sollten. Trug ein Buch zum Beispiel die Signatur Quarta Acaiae, so stand es im vierten Raum der Zone ACAIA, wenn man beim ersten mit dem roten A zu zählen begann, und zweifellos wußte der Bibliothekar längst auswendig, wie er dorthin gelangte, sei’s auf geraden oder verschlungenen Wegen. ACAIA zum Beispiel verteilte sich auf vier Räume, die zusammen ein ungefähres Quadrat bildeten, in welchem das erste A zugleich das letzte war — eine im Grunde recht einfache Sache, die auch wir bald begriffen hatten. Wie uns auch bald das Spiel der Vermauerungen klar wurde. Kam man zum Beispiel von Osten in die Zone ACAIA, so führte keiner der Räume weiter nach Norden: Das Labyrinth war an dieser Stelle verschlossen, und um in den Nordturm zu gelangen, mußte man erst die drei anderen Türme passieren. Aber natürlich wußten die Bibliothekare genau, wenn sie die Bibliothek im FÖNS ADAE betraten, daß sie, um beispielsweise nach ANGLIA zu gelangen, zuerst durch AEGYPTUS, YSPANIA, GALLIA und GERMANIA gehen mußten.

Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982, S.410 f.

    Die Bibliothek als Labyrinth: die Büchersammlung gemäß der mittelalterlichen Geografie geordnet
    Die Bibliothek als Labyrinth: Zone Leones (Löwen) = Afrika

Alles wäre natürlich so einfach, wäre da nicht doch noch ein Raum, der siebeneckige in der Mitte des Südturms. Um ihn herum erstreckt sich ‚Leones’ (‚Löwen’), also die Zone mit den Autoren Afrikas. Aber es gibt keinen Eingang zu ihm. Hier befindet sich „Finis Africae’, das ‚Ende von Afrika’. Und hier wird das besagte Buch des Aristoteles vermutet. Eines der sieben Räume, die sich Wand an Wand um diesem Raum schlängeln, ist der Spiegelraum, der durch seine konvexen und konkaven Spiegel ungebetene Besucher der Bibliothek erschrecken und damit verjagen soll.

Aber es muss dann doch einen (sogar zwei) Zugänge zu diesen Raum geben.

Venantius von Salvemec, der früh ermordete Übersetzer aus dem Griechischen und Arabischen und Aristoteles-Experte, der sich ebenfalls auf die Suche nach dem Buch des Aristoteles gemacht hatte und daher sterben musste, hatte sich eine Notiz gemacht, die in Geheimschrift verfasst und die den beiden, William und Adson, schon früh in die Hände gefallen war:

»Zweifellos eine Geheimschrift, die wir entziffern müssen«, sagte er. »Die Zeichen sind schlecht gemalt, und vielleicht hast du sie in deiner Kopie noch mehr verzerrt, aber es handelt sich fraglos um ein Alphabet aus Tierkreiszeichen. Sieh hier, in der ersten Zeile haben wir« – er hielt die Tafel mit gestreckten Armen weit von sich und kniff die Augen zusammen – »Schütze, Sonne, Merkur, Skorpion . . . «

Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982, S.210

Das Rätsel des Venantius: SECRETUM FINIS AFRICAE ...

»Ja, und der Schlüssel war ziemlich leicht zu finden. Venantius hatte die zwölf Tierkreiszeichen genommen, dazu die acht Zeichen der fünf Planeten, der beiden Himmelsleuchten und der Erde. Insgesamt also zwanzig Zeichen – genug, um ihnen die Buchstaben des lateinischen Alphabets zuzuordnen, wenn man davon ausgeht, daß ein und derselbe Buchstabe für die Anfangslaute der Wörter unum und velut stehen kann.
Die Reihenfolge der Buchstaben ist bekannt. In welcher Reihenfolge konnten die Zeichen geordnet sein? Ich versuchte es mit der Ordnung der Himmelsgewölbe, indem ich den Zodiakus an die äußere Peripherie setzte. Also Erde, Mond, Merkur, Venus, Sonne und so weiter, danach die Tierkreiszeichen in ihrer traditionellen Abfolge, wie sie auch Isidor von Sevilla klassifiziert hat, vom Widder und der Frühlingssonnwende bis zu den Fischen. Und nun schau mal, wenn man diesen Schlüssel anwendet, ergibt Venantius‘ Geheimbotschaft tatsächlich einen Sinn.«

Er zeigte mir das Pergament, auf dem er die rätselhafte Botschaft in große lateinische Lettern transkribiert hatte, und ich las:

SECRETUM FINIS AFRICAE MANUS SUPRA IDOLUM AGE PRIMUM ET SEPTIMUM DE QUATUOR.

»Klar?« fragte William.
»Die Hand über dem Idol wirke ein auf den Ersten und Siebenten der Vier…«, wiederholte ich kopfschüttelnd. »Nein, das ist überhaupt nicht klar!«

Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982, S.265/266

Aber, dem Leser ist es klar, das die beiden durch gegenseitige Hilfe (und durch den unumgänglichen Zufall) herausbekommen werden, was das zu bedeuten hat, der Schlüssel zum Geheimnis um das Ende Afrikas: SECRETUM FINIS AFRICAE!

Wie gesagt: Bei dem gesuchten Buch handelt es sich offenbar um das einzige erhaltene Exemplar des „Zweiten Buches der Poetik“ des Aristoteles, in dem die Komödie behandelt wird (nach der Tragödie im ersten). Zu einer Bibliothek gehört natürlich auch ein Katalog, in dem möglichst systematisch alle vorhandene Bücher vermerkt sind:

William eilte sofort ins Skriptorium zurück, ließ sich von Benno die Erlaubnis zur Benutzung des Kataloges geben und blätterte ihn rasch durch. »Es muß hier irgendwo sein«, sagte er, »ich hab’s noch vor einer Stunde gesehen… Ah, hier ist es ja! Lies diese Eintragung!«
Unter einer gemeinsamen Signatur
(»finis Africae«) standen vier Titel, es handelte sich ganz offensichtlich um einen Band mit verschiedenen Texten. Ich las:

I. ar. de dictis cujusdam stulti
II. syr. libellus alchemicus aegypt.
III. Expositio Magistri Alcofribae de coena beati Cypriani Cartagi-nensis Episcopi
IV. Liber acephalus de stupris virginum et meretricum amoribus

»Was ist das?« fragte ich.
»Unser Buch«, flüsterte William.

Umberto Eco, Der Name der Rose, München 1982,S. 559

Ich hoffe, die Übersetzung der Titel halbwegs richtig ‚getroffen’ zu haben: Bei dem Meister Alcofribas (Alcofribas Rasier) handelt es sich übrigens um ein Anagramm des Namens von François Rabelais, dem Autoren von Gargantua und Pantagruel.

I. Arabisch – Über die Worte gewisser Narren
II .Syrisch – ägyptisches Büchlein der Alchemie
III. (in Lateinisch) Darlegung des Meisters Alcofribas über das prächtige ‚Gastmahl’ des Cyprian, Bischof von Karthago
IV. (in Griechisch) Buch ohne Kopf von der Schändung der Jungfrauen und der Liebe zur Dirne

„Unser Buch“ – es ist dabei sogar nur der 4. Teil, der in Griechisch verfasste …

Soviel für heute. Zum Roman selbst komme ich in den nächsten Tagen (ich muss ihn noch zu Ende lesen). Ich weiß, dass das Buch beim ersten Erscheinen ein absoluter Renner war (Bestseller nennt man das wohl), sowohl in Italien als auch in Deutschland und anderswo. Wie viele es aber tatsächlich gelesen haben, darüber gibt es natürlich keine Informationen. Dafür gab es dann 1986 die Verfilmung, die aber kaum den Zugang zu den tieferen Schichten dieses Buches gerecht wurde.

Ein weiterhin unerfüllter Traum

Es ist 50 Jahre her, dass Martin Luther King anlässlich des Marsches auf Washington für Arbeit und Freiheit, an dem mehr als 250.000 Menschen teilnahmen, seine Rede „I Have a Dream“ in Washington, D.C. vor dem Lincoln Memorial hielt. Am 28. August 1963 predigte Martin Luther King in Washington Gleichheit und Versöhnung. Seine Gegner antworteten mit Gewalt. Am 4. April 1968, kaum fünf Jahre später, wurde King in Memphis, Tennessee ermordet.

    Martin Luther King Jr. 1963: I Have a Dream

Heute regiert zwar ein schwarzer Präsident, im Bus darf jeder sitzen, wo er möchte. Doch Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger sind noch immer ungleich verteilt. Martin Luther King träumte einen Traum, der auch nach 50 Jahren weiterhin unerfüllt geblieben ist.


Martin Luther King Jr. 1963: I Have a Dream

Rede mit Wortlaut (original)Deutsche Fassung der Rede


    Martin Luther King: I Have a Dream (1963)

7 Sätze der Gesellschaftsphysik

In seinem Roman Brief an Lord Liszt lässt Martin Walser seinen Helden Franz Horn eine Gesellschaftsphysik in sieben Sätzen entwickeln. Es ist ein ‚schräges’ Gesetz, dass Horns Erfahrungen mit der Berufswelt und damit auch mit der Gesellschaft widerspiegelt (gleich vornweg: ich komme nur auf sechs Sätze, denn der 6. Satz, zwischen fünften und siebten, also zwischen den Seiten 109 und 144, muss ich überlesen haben, oder ihn gibt es einfach nicht – kann mir einer von Euch weiterhelfen?).

Auf ironische Weise lässt hier sicherlich auch Martin Walser selbst seine Erfahrungen, die er mit Berufskollegen (Schriftsteller können sich durchaus auch als Konkurrenten empfinden) und Chefs (Verleger sind eben auch nur ‚Chefs’) gemacht hat, erkennbar werden. Und wer in einem Arbeitnehmer-, d.h. Abhängigkeitsverhältnis sein Leben fristet, wird sich hier, wenn er sich durch die eigene Blauäugigkeit nicht zu sehr blenden lässt, ohne Weiteres wiederfinden.

    Martin Walser: Brief an Lord Liszt

Martin Walser: Brief an Lord Liszt

Nun denn – hier die 7 (respektive 6) Sätze der Horn’schen Gesellschaftsphysik:

Was man über einen Menschen denkt, kann man allen sagen, nur ihm selbst nicht. Er verstünde es nicht. Ihm muß man sagen, was er will, daß man ihm über ihn sage. Nur das versteht er. […] Es ist das Gesetz Nummer Eins unserer Gesellschaftsphysik. (S. 41)

Wer jemanden unter sich erträgt, erträgt auch jemanden über sich. Der zweite Satz der Gesellschaftsphysik […] (S. 70)

Freundschaft zwischen Angestellten einer Firma ist nicht möglich. […] 3. Satz der […] erarbeiteten Gesellschaftsphysik: Zwischen Konkurrenten ist Freundschaft nicht möglich. Oder einfach: Konkurrenten sind Feinde. (S. 92)

4. Satz [.….]: Zwischen Chef und Abhängigen gibt es menschliche Beziehungen nur zum Schein. (S. 92)

5. Freunde hat man, solange man sich die Frage, ob man welche habe, noch nicht stellt. (S. 109)

6. […]

[… den] siebten und letzten Satz unserer siebensätzigen Physik […]: Der Mißerfolg seines Konkurrenten ist der Erfolg des Erfolglosen. (S. 144)

    ... die Horn’sche Gesellschaftsphysik a la Pythagoras

Die Sicht ist klar. Franz Horn ist auf dem absteigenden Ast in seiner Firma … Aber ganz ehrlich jetzt: Möchtet Ihr mit Eurem Chef ‚befreundet’ sein. Sicherlich kann man mit seinem Chef gut auskommen, aber Freundschaft?! Ohne die Horn’sche bzw. Walser’sche Gesellschaftsphysik gekannt zu haben, habe ich schon in frühen Jahren zu enge Bindungen an Kollegen gemieden (okay, während meiner Ausbildung gab es auch für mich freundschaftliche Beziehungen, die aber spätestens dann, als ich beruflich andere Wege ging, endeten).Und ….: An einen dieser halbprivat-halbberuflichen Betriebsausflüge habe ich bisher noch NIE teilgenommen (nicht, dass ich mir darauf etwas einbilde).

Worte mit Flügeln (1): Sommer

Sprüche, Redensarten oder Zitate – kein Wortschatz ohne diese. Was der Duden für das Wort, das ist der Büchmann für das „geflügelte Wort“. Gemeint sind alle Redewendung in Form von Aphorismen, Bonmots, Gnomen, Sentenzen, Sinnsprüchen und Sprichworten.

Zum Zitatensammler (a la Büchmann) tauge ich nur bedingt, was mich aber nicht davon abhalten soll, auch hier hin und wieder Zitate an den werten Leser zu bringen. Wer liest, stolpert zwangsläufig über Redensarten, die in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sind. Selbst Schriftsteller wie Thomas Mann (z.B. in seinem Zauberberg) kommen da nicht drum herum. Daher der Name Bratkartroffel.

    Worte mit Flügeln: So wühlt man sich durch den deutschen Wortschatz

Der Hochsommer hat sich zunächst verabschiedet. Die Temperaturen pendeln sich bei um die 20 ° C ein. Das ist angenehmer, lässt uns wieder durchatmen – und macht den Kopf auch wieder frei. Bekanntlich macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Aber das bezieht sich eher auf den Anfang eines heranziehenden Sommers. Die letzten Wochen dürften es der Schwalben genügend gewesen sein. Und wie immer solche Redensart sind, so sind diese viel allgemeiner anwendbar: Aufgrund einzelner Erscheinungen wie das Erscheinen einer Schwalbe sollte man nicht voreilig allgemeine Schlüsse ziehen, also: der Sommer ist da.

Wie ein Sommer auch ist, er erscheint uns außergewöhnlich. Gustave Flaubert konnte da nur den Kopf schütteln und in seinem Wörterbuch der Gemeinplätze festhalten: Ein Sommer ist immer „außergewöhnlich“, gleich, ob er kalt oder warm, trocken oder feucht war.

Hier noch weitere Sprichwörter und Redewendungen aus deutschen Landen den Sommer betreffend. Es ist viel Althergebrachtes dabei (aber das haben ‚geflügelte Worte’ so an sich). Manches mag man heute kaum noch verstehen, auch Sexistisches ist (natürlich) dabei. Also los:

Der Sommer gibt Korn, der Herbst
gibt Wein, der Winter verzehrt, was beide beschert.

Fliegen und Freunde kommen im Sommer.
Sommersaat und Weiberrat gerät alle sieben Jahre einmal.
Den Sommer schändet kein Donnerwetter.
Gesucht wie der Pelz im Sommer.
Wenn’s im Sommer warm ist, so ist’s im Winter kalt.
Gelb ist die Farbe des Sommers.
Glück ist der Freunde Sommer.