Kategorie-Archiv: Ei, wie witzig

Deutschland sucht den Super-Witz-Schrott

Der Witzableiter (3): Freud und etwas zum Stöhnen

Fortsetzung von: Der Witzableiter (2): Der Unsinn wird befreit

Nachdem uns Eike Christian Hirsch in seiner 1984 im ZEITmagazin erschienenen Kolumne bereits über die Technik des Blödelns aufgeklärt hatte, widmete er sich im folgenden Beitrag dem Kalauer. Es gibt wohl kaum eine Art von Witz, die uns dermaßen nerven kann – wie eben der Kalauer.

„Meinst du es auch ernst mit der Schlankheitskur?“ fragt der Ehemann. „Und ob, ich lese in der Zeitung nicht einmal mehr das Fettgedruckte!“ So etwas tut weh. Offenbar ein Kalauer, ein Wortwitz also, auf den man mit „Aua!“ reagiert. Der Kalauer („Kal-aua!“) steht in schlechtem Ruf; Kuno Fischer, ein Heidelberger Philosoph, der vor hundert Jahren über den „Witz“ geschrieben hat, meinte, der Kalauer dürfe „nicht Anspruch mache, für etwas Besonderes zu gelten“. Er ist sozusagen der Proletarier unter den Witzen. Aber das macht ihn gerade stark!

„Warum hat Müller seinen Sohn Hamlet genannt!“ „Ja, sein oder nicht sein, das ist hier die Frage.“ Nicht mal schlecht, finde ich, und doch kränkt das Niveau unseren intellektuellen Hochmut. Man hat es daher nötig, das Gesicht schmerzhaft zu verziehen und sich zu distanzieren. Als die deutsche Reichshauptstadt 1943 unter Luftangriffen litt, erhielt ihr Gauleiter Goebbels den Ehrentitel „Berlins Schuttpatron“.

Das ist beißend aggressiv in der Tendenz. Weil ich bisher immer nur von der „Technik“ eines Witzes gesprochen habe, ergibt sich hier die Gelegenheit, auch auf die „Tendenz“ zu sprechen zu kommen. Sie ist wesentlich für die Wirkung eines Witzes verantwortlich, weil allein die Tendenz an unsere Gefühle und Tabus appelliert und ein Lachen hervorrufen kann.

„Warum haben Sie ihrem Nachbarn auf einer Postkarte geschrieben, er sei ein Betrüger?“ fragt der Richter. Der Angeschuldigte rechtfertigt sich: „Andere schreiben ja auch Ansichtskarten.“

Man kann von jedem Wortwitz sagen, daß in ihm zwei Gedanken überraschend zusammenstoßen. Henri Bergson, ein französischer Philosoph, hat in seinem sehr populären Buch über „Das Lachen“ (1900 zum erstenmal erschienen) gemeint, beim Witz komme es zu einer „Interferenz zweier Gedankensysteme in einem Satz“. Arthur Koestler sprach von einem Zusammenprall zweier „mit einander unvereinbarer Spielregeln“. Diesen Zusammenprall taufte er „Bisoziation“, aber man kann den Vorgang nennen, wie man will.

Witzableiter (3)

„Lieber Herr Doktor, ich war zwölf Jahre lang taub. Aber seit ich Ihre wunderbare Ohrensalbe benutze, höre ich wieder von meinem Bruder in Amerika.“ Warum wirkt das komisch? Es ist immer dieselbe Technik: Der gleiche Klang eines Wortes soll uns dazu verführen, auch einen gleichen Sinn dahinter zu sehen. Freud meinte, das sei die kindliche Form des Denkens, und es sei für uns sehr entspannend, einmal die schwere Last des ernsthaften Denkens abzuwerfen. Darin sah Freud „eine große Erleichterung der psychischen Arbeit“, die wir ständig leisten müssen. Damit begegnen wir wieder der grundlegenden Annahme Freuds, daß alle Lust am Witz aus einer „Einsparung an psychischem Aufwand“ stamme. Wie Sie wissen, kann ich Freud das nicht so ganz glauben. Es muß noch etwas anderes sein.

„Wo hast du denn deine Armbanduhr gelassen?“ „Ach, die geht immer vor, die ist sicherlich schon zu Hause.“ Das Vergnügen an dieser Art Blödsinn stammt offenbar daher, daß wir uns „für einen Moment auf die kindliche Stufe zurückversetzt“ sehen, sagt Freud. Und darin kann ich ihm gern zustimmen. Genau wie das Blödeln ist der Kalauer (und vielleicht alle Komik?) eine Regression – ein Rückschritt in kindliches Verhalten.

Nach dem Ende der Naziherrschaft sagte man, das Gegenteil von Arisierung sei Wiederjudmachung. Es läßt sich wohl spüren, daß in solchen Scherzen etwas Kindliches zum Vorschein kommt, es ist ein Schritt zurück hinter die Sprachlogik. Bei solchen Wortspielen, so meinte Jürgen Habermas [feierte übrigens letzte Woche seinen 80. Geburtstag], handele es sich sogar um einen Rückfall in die Vorzeit vor der Erfindung der definierenden Sprache; es liege eine „Verwechslung von Identität und Ähnlichkeit“ zweier Wörter vor. Der konservative Politologe Hans Speier hat den doppelsinnigen Kalauer in die Nähe von Orakelsprüchen und „enthusiastischem Wahnsinn“ gebracht und gefragt: Sollte unser „abweisendes Stöhnen“ als Antwort auf den Kalauer am Ende „vielleicht dazu dienen, unbewusste Angst vor Tollheit (kindischem Verhalten) abzuwehren“? Der Kalauer, so scheint es, führt uns jedenfalls in Ur-Zustände zurück.

Sigmund Freud, der sich sonst recht abfällig über Witzbolde geäußert hat, fand am kalauernden Zeitgenossen offenbar Gefallen. In seinem Buch über den Witz berichtet er von einem seiner Freunde, der die Gabe besaß, wenn er in aufgeräumter Stimmung war, durch längere Zeit jede an ihn gerichtete Rede mit einem Kalauer zu beantworten. „Als die Gesellschaft, die er einst so in Atem hielt, der Verwunderung über seine Ausdauer Ausdruck gab, sagte er: ‚Ja, ich liege hier auf der Ka-lauer’, und als man ihn bat, endlich aufzuhören, stellte er die Bedingung, daß man ihn zum Poeta Ka-laureatus ernenne.

Womit soll ich schließen? Ich traue mich, das Niveau noch weiter zu unterbieten, indem ich einen der bekanntesten Kalauer aller Zeiten hier noch einmal aufwärme. „Was siehst du in der Kristallkugel?“ fragt der Scheich seinen Wahrsager. „Eine große Dürre kommt auf uns zu …“ Der Scheich überlegt und meint dann:“ Eine kleine Dicke wäre mir eigentlich lieber.“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 30/1984

[Fortsetzung folgt]

Der Witzableiter (2): Der Unsinn wird befreit

Fortsetzung von: Der Witzableiter (1): Totaler Blödsinn – ein Rückfall

Zu seiner Kolumne „Der Witzableiter“ im ZEITmagazin, vor 25 Jahren 1984 erschienen, schrieb Eike Christian Hirsch in einer Art Leitung:

Es bleibt Freuds große Entdeckung, daß der Witz eine entscheidende „Beziehung zum Unbewußten“ hat und von dort seine Wirkung bezieht. Diese Theorie ist inzwischen bestätigt, angezweifelt und verbessert worden. Aber genau weiß man es noch nicht, was an Witzen so lustvoll sein kann. Es ist zum Verzweifeln. Oder sollten wir uns doch daran versuchen? Immerhin ist Lachen die zweitschönste Beschäftigung des Menschen. Und nebenbei: Die Frage, warum man eigentlich manchmal lachen muß, ist ganz schön spannend. Auch wenn Arthur Koestler, dieser weise Mann, uns gewarnt hat, „daß die Analyse der Gründe, warum wir lachen, vielleicht eine ebenso heikle Angelegenheit ist, wie die chemische Analyse eines Parfüms mit seinen zahlreichen Komponenten“.

Und doch will ich mich an die Analyse dieses sonderbaren und aufregenden Parfüms machen. Ich muß es!

Hier also der 2. Teil der Kolumne aus dem ZEITmagazin:

An der Schießbude eines Volksfestes stand auf einem Schild: „In betrunkenem Zustand können wir Sie leider nicht bedienen.“ Das ist (ich gebe es zu) eigentlich kein Witz. So etwas verbucht man gewöhnlich unter „unfreiwilligem Humor“ oder besser: unfreiwilliger Komik. Und doch wage ich Ihnen die Geschichte anzubieten, weil es uns ja um die Wurzeln des Witzes geht. Wahrscheinlich ist die Gattung Witz, des es erst seit etwa hundertfünfzig Jahren gibt, auch aus solcher unfreiwilligen Komik entstanden. Hier ein Inserat für ein Färbemittel: „Mit unserer neuen Tönung fällt ihr Haar schon nach dem ersten Versuch gleichmäßig aus.“

So groß ist der Schritt zum uns geläufigen Witz gar nicht. Auch da kommt unfreiwilliger Doppelsinn vor, nur daß meist die Form des Dialogs gewählt wird. „Wer war denn die Dame, mit der ich Sie gestern gesehen habe?“ „Das war keine Dame, das war meine Frau.“ Formal ein echter Witz.

Was amüsiert uns an solchen Fehlleistungen? Sicherlich erfreut uns zweierlei: einmal das Gefühl, den Fehler selbst sofort zu erkennen; zum anderen die Erleichterung, daß uns die Peinlichkeit nicht selbst passiert ist. Aus einem Nachruf: „Still und zuverlässig lebte und starb er für sein geliebtes Theater.“

Aus einem Vernehmungsprotokoll: „Herr S. bestreitet nachdrücklich, daß er irgendwelche sittlichen Berührungen mit Frl. B. hatte.“ Kleinanzeige in einer Kulturzeitschrift: „Welcher angesehene Verlag übernimmt Lyrikband eines bereits im Druck befindlichen Schriftstellers?“

Daß wir es hier mit einer Wurzel der Gattung Witz zu tun haben, dafür gibt es noch ein anderes Indiz. In den fünfziger Jahren hat der Pädagoge Hermann Helmers untersucht, worüber Schulkinder besonders leicht lachen. Er fand heraus, sie lachen am meisten über Sprachschnitzer anderer Kinder. Ein elfjähriger Junge erzählte: „Eines Tages lud mich mein Freund Fritz ein. Zuerst wußten wir nicht, was wir machen sollten. Plötzlich kam seinem kleinen Bruder eine gute Idee und er sagte: ‚Wollen wir nicht lischen gehen!’ Wir lachten so lange, bis uns der Bauch weh tat.“ Der jüngere Bruder hatte „fischen“ sagen wollen.

Ein Zwölfjähriger berichtete: „Herbert sollte eines Tages in der Klasse lesen, und als er an der Reihe war, hat er ‚Stiefenkehlchen’ gelesen. Wir mußten uns den Bauch vor lachen halten. Es heißt nämlich ‚Stief-Enkelchen’.“

Hermann Helmers vermutet, das sei kein Auslachen; es sei der neue, verdrehte Sinn, der komisch wirke. Hinzu kommt wohl die freude der Kinder darüber, fähig zu sein, den Fehler zu erkennen. Und noch etwas: ich dewnke mir, diese Elf- bis Zwölfjährigen sind schon zu erwachsen, um noch selbst ungeniert mit Worten spielen zu können. Sie sind darauf angewiesen, daß andere Unsinn machen – und sei er unfreiwillig.

Der Alltag bietet dazu, wie gesagt, schon immer Gelegenheit. Der Pfarrer in der Kirche: „Unser Organist kann heute nicht spielen. Ich stimme daher jetzt das Lied an, danach fällt die ganze Kirche ein.“

Solche Augenblicke schenken gleichsam ein Naturprodukt, während die üblichen Witze etwas von Fabrikware an sich haben. Wer Zeuge einer spontanen Entgleisung wird, hat die Komik an der Quelle erlebt. Die Leiterin des Mädchenwohnheims einer amerikanischen Universität will zusammen mit dem Rektor gegen die nächtlichen Rendezvouz im Park einschreiten. Ihre Ansprache vor den Studentinnen beginnt sie mit den Worten: „The president of der university and I decided to stopp petting on campus.“

Auch diese Geschichte ist formal ein richtiger Witz und keine bloß „unfreiwillige Komik“ mehr (ich habe diese Geschichte daher auch in einem Witzbuch gefunden).Die Technik ist ohnehin hier und dort die gleiche: Es ergibt sich ein überraschender Doppelsinn, der schnell erkannt werden kann – was uns als Hörer ein kleines Gefühl der Überlegenheit verschafft. Aus einer Bewerbung: „Bei Ausbruch des Krieges mußte ich ins Feld. Eine Schädelverletzung ermöglichte mir dann das juristische Studium.“

Na, nicht doch auch ein bißchen Schadenfreude? Mag ja sein. Es geht aber oft auch ganz harmlos zu. Aussprüche einer westfälischen Hausfrau sind von ihren Kindern der Nachwelt (anonym) überliefert worden. „Es war alles so recht zunett gemacht“, konnte die temperamentvolle, aber etwas zerstreute Frau sagen. Oder bei Tisch: „Halb gekauft ist gut verdaut.“

Ihre Menschenkenntnis begründete sie so: „Ich habe einen Blick dafür, wie ein Mensch aussieht oder nicht.“

Witzableiter (2)

So ist das auch in den heute üblichen, richtigen Witzen: es ergibt sich ein Doppelsinn, zwei Deutungen streiten mit einander. Es ist ein Spiel mit Klang und Sinn, das uns in die Stimmung unserer Kindheit versetzen kann. „Er litt zeitlebens so an Rheumatismus, daß er sich nichts auf die hohe Kante legen konnte.“

Es gebe eine „Lust am befreiten Unsinn“, schreibt Feud, und doch, so meint er, „man getraut sich nicht, Widersinn auszusprechen.“ Da müssen wir eben darauf hoffen, daß es andere für uns tun – und sei es unfreiwillig.

Aus einem Roman: „Sie war erstaunt, daß Gerda einen Mann auf dem Nachttisch stehen hatte.“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 29/1984

[Fortsetzung folgt]

Der Witzableiter (1): Totaler Blödsinn – ein Rückfall

Beim Ausmisten alter Unterlagen bin ich auf Ausrisse aus dem ZEITmagazin aus dem Jahre 1984 gestoßen. Es sind die 25 Teile einer Kolumne unter dem Titel „Witzableiter“ – verfasst von Eike Christian Hirsch. Dabei handelt es sich gewissermaßen um eine Psychologie des Humors, die mit einer großen Anzahl an erlesenen Witzen geschmückt ist. In einer erweiterten Fassung ist das auch als Buch erhältlich: Der Witzableiter: Oder Schule des Lachens.

Die Kolumne – wie das Buch auch – ist etwas für alle, die gern lachen und nebenbei wissen möchten, warum sie das tun – soweit die Wissenschaft das herausbekommen hat. Hier nun der erste Teil. Die weiteren Teile folgen nach und nach. Viel Spaß beim Lesen!

Fangen wir bei unserem Gang durch die Witzlandschaft ganz unten an.

„Warum haben Fische Schuppen?“
„Na, wo sollen sie sonst ihre Fahrräder unterstellen?“

Nein, dieses Wortspiel ist noch zu anspruchsvoll. Bitte was ganz Verrücktes!

Hinweis in einer Telefonzelle: „Das zweite Geldstück erst nach dem ersten einwerfen!“ Darunter handschriftlich: „Habe es umgekehrt versucht – ging trotzdem.“

Das ist Unsinn, als solcher noch zu sehr dem Sinn verpflichtet. Steigen wir noch tiefer, damit wir der Wurzel des Komischen näherkommen.

Bitte was ganz Schwachsinniges! Zum Beispiel so:

„Was ist der Unterschied zwischen einem Sprungbrett?“ „Je höher, desto platsch!“

Gut, das kann man als Blödeln bezeichnen, und nun haben wir unser Niveau für den Anfang erreicht. Die Regeln des Verstandes und der Verständigung sind endlich aufgehoben. Hier ist jede Pflicht zur Vernunft von uns abgefallen.

In einem Sketch der Berliner Blödeltruppe Insterburg & Co. Hört man zwei männliche, verstellte Stimmen, die den Dialog eines Tanzstundenpaares vorführen. Während sie über das Parkett schieben, sagt er zu ihr: „Nicht so gegen den Kartoffelsalat drücken.“ Ist man in der richtigen Stimmung, so kann man hemmungslos darüber kichern. Ist man es nicht, so bietet sich Gelegenheit zu schroffem Ärger.

Der Literat Dieter Wellershoff hat uns den Gefallen getan, das Blödeln ganz ernst zu nehmen und ihm heftig zu widersprechen. Während der Witz noch „an die herrschende Rationalität gebunden“ sei, bilde das Blödeln „eine anarchische Subkultur des Humors“. Blödeln unterscheide sich vom Witzemachen dadurch, meint Wellershoff, daß beim Blödeln selbst die Pointe noch verwischt werde. Unser Literat ist tief besorgt um die heutige Jugend, die mit dem Blödeln auch das „Erbe der Aufklärung“ ausschlage.

Witzableiter (1)

Zitieren wir noch aus einem anderen Sketch der Insterburger, über den sich Dieter Wellershoff nicht weniger grundsätzlich erregt hat. Es ist ein Verkaufsgespräch in einem Toupet-Geschäft:

A: Jetzt haben wir hier noch ein anderes Modell, das ist das Modell ‚Carola’. Da sehen Sie links und rechts ein paar Druckknöpfe, da können Sie eventuell Koteletten anknöpfen oder einen schönen, kurzgeschorenen Vollbart.
B: Ja, sehr schön. Und was ist das da hinten, dieser Reißverschluß, was hat der zu sagen?
A: Ja, der Reißverschluß ist was ganz Feines. Da können Sie, wenn Sie offen fahren, können Sie einen Rallye-Streifen einlegen, einen silbergrauen, wir haben einen silbergrauen …

Ich zitiere das, weil wir dem Geheimnis des Komischen auf die Spur kommen wollen. Solch ein infantiler Schwachsinn ist eine der Wurzeln des Komischen – allerdings eine urtümliche, für viele Menschen ungenießbare Form. Der ernsthafte Intellektuelle Wellershoff erkennt hier zu Recht ein „chaotisches und katastrophales Paradies der Unreife“. Aber ist nicht Komik notwendig infantil?

Der Witz ist immer eine Regression (ein Rückfall in die Kindheit). Dieser Satz scheint, so wenig sich auch sonst die Theoretiker des Humors einig sind, gesichert zu sein. Der Unsinn, der sich in jedem Witz zeigt, erlaubt uns diesen Rückfall. Und genau das scheint recht entspannend zu sein. Ein lustvolles Erlebnis.

Die Zwillinge Judith und Hanna sind sich sehr ähnlich – besonders Judith!

An dieser Stelle möchte ich mich zum ersten Mal mit Siegmund Freud schmücken. Ausgerechnet der letzte Satz aus seinem Buch über den Witz soll unser erstes Zitat sein. Dort sagt er von der Komik und besonders vom Witz:

„Die Euphorie, welche wir auf diesen Wegen zu erreichen streben, ist nichts anderes als die Stimmung … unserer Kindheit, in der wir das Komische nicht kannten, des Witzes nicht fähig waren und den Humor nicht brauchten, um uns im Leben glücklich zu fühlen.“

Das Blödeln hat Freud freilich im Jahre 1905, als er seine Untersuchung veröffentlichte, noch nicht gekannt. Er ließ auch eher Witze gelten, die im Unsinn noch einen verborgenen Sinn erkennen ließen. Vielleicht hätte er aber diesen jüdischen Witz (er hat ja selbst so viele vorgeführt!) gemocht:

Der Vater: „Was lernst du da für die Schule, Morizl? Den Erlkönig? Den kenn ich noch ganz auswendig. ‚Den Vater grauset’s, er reitet geschwind, er hält in den Armen das sechzehnte Kind …“
„Tate, es steht mit ‚A’, das ‚achtzehnte Kind’!“
„Nu – wirst eine spätere Ausgabe erwischt haben.“

Unter „Blödeln“ kann man aber auch noch etwas anderes verstehen, nämlich die Angewohnheit einiger durchaus intellektueller Herren, im vertrauten Kreise die Bürde der Vernunft nach allen Regeln der Kunst abzulegen. Hans Weigel hat diesen Zeitvertreib beschrieben und erzählt:

„Da haben wir einmal entdeckt, daß die Nachsilbe ‚bar’ ja auch ein Nachtlokal bezeichnet. Ruchbar – ein wohlparfümiertes Nachtlokal. Schauderbar – ein Nachtlokal als Gruselkabinett. Sonderbar – im Gegensatz dazu ein Nachtlokal mit Rassentrennung …“

Eike Christian Hirsch – Der Witzableiter (Kolumne in 25 Teilen)
aus: ZEITmagazin – Nr. 28/1984

[Fortsetzung folgt]

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 18

Flashmob Party auf Sylt

Am 13.Juni 2009 trafen sich nach einem Aufruf im Internet auf StudiVZ über 5000 Jugendliche zur Strandparty auf Sylt. Wie die Heuschrecken überfielen die party-geilen Feierwütigen die Insel und trafen sich am Strand von Westerland. Dabei kam es am Samstag auch zu Schlägereien und Alkoholexzessen. Die Party folgte dem Prinzip des Flashmobs – einem spontanen Massenaufruf via Internet oder SMS. Zurückblieb jede Menge Müll.

Orte wie St. Peter-Ording an der Nordsee oder Timmendorfer Strand an der Ostsee sind gewarnt.

Kostenlos Filme gucken im Netz

myvideo.de bietet nicht nur kurze Videoschnipsel sondern seit einiger Zeit auch Filme in voller Länge zum Gratisgucken an. Sicherlich sind das nicht die aller Neuesten, aber vielleicht möchte man ja doch den einen oder anderen Film (noch) einmal sehen.

Du bist Terrorist

Gemeinsam für ein sicheres Deutschland. Die Kampagne „Du bist Deutschland“ war 2005 der Beginn einer positiven Stimmungswelle im ganzen Land. Diese gebündelte Energie hat sich 2009 umgekehrt, denn nun bist du potenzieller Terrorist und wirst überwacht: Du bist Terrorist, wenn vielleicht auch nur ein potentieller (schlimm genug!).

Schäuble googelt

Jetzt wird zurück zensiert

Naja, eigentlich etwas doof, aber wie jeder weiß, können Politiker Computer nicht bedienen. Deswegen bekommen sie Internetseiten immer nur als Ausdruck ihrer Bediensteten zu Gesicht. Man spricht deshalb auch von den sogenannten Internet-Ausdruckern. Nun machen wir es ganz einfach. Mit einem minimalen Schnipsel CSS-Code schützen wir alle Seiten vor dem Ausdrucken. Und schwupps – kein Politiker wird jemals wieder eine Internet-Seite zu Gesicht bekommen.

Unsinnige Wikipedia

Humor ist bekanntlich, wenn man trotzdem lacht. Ohne Humor hätten sich wahrscheinlich die meisten Menschen längst schon erschossen, erhängt oder sonst wie das Leben genommen. So hangeln wir uns oft dank Humor (Galgenhumor!) durch den Alltag. Und wenn uns das Lachen nicht gerade im Halse stecken bleibt, dann hat es befreiende Wirkung. Humor als Therapie. Lachen als Überlebensstrategie.

Nun ist nicht alles, was sich als Humor ausgibt, auch wirklich zum Lachen. Da gibt es reichlich Krudes, Blödsinniges und Infantiles. Und das natürlich auch im Netz. Von stupidedia.org, der „Enzyklopädie ohne Sinn“, hatte ich bereits schon einmal berichtet. Da gibt es noch weitere Sammlungen im Gewand eines Wiki, in denen sich Parodie, eben auch Derbes, Satire und Nonsens die Hand geben. Erwähnenswert ist da uncyclopedia.org, content-frei und unzyklopädisch (‚unkreisförmisch’?). Erwähnenswert auch schon allein der englischen Ausgabe wegen.

Als Fan der Musikgruppe Jethro Tull gefällt mir da natürlich der Beitrag über diese Band besonders. Selbst um solchen Blödsinn zu verfassen bedarf es eines gewissen Grundwissens, das der Autor einbringt. Ich erwähne das hier, weil nämlich eine bestimmte Art des Humors (z.B. die Parodie) speziell davon lebt, besonderes Wissen überspitzt darzustellen. Viel Spaß beim Lesen!

siehe auch zdf.de: Wikipedia für Blödsinn

Die lebende Schlaftablette: Heino vor Gericht

„Heino bestreitet Vorwürfe vor Gericht“, lasen wir bei dpa und waren bass erstaunt. Vor dem Gerichtshof für Menschenrechte vielleicht? …

… Wird er endlich für seine „musikalischen“ Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Verantwortung gezogen? Nein, zu früh gefreut. Es geht nur um einen Streit zwischen Heinos Tourneeveranstalter und einer Versicherung, die nicht für eine wegen Krankheit abgesagte Tour zahlen will. Der Grund: Heino habe seinen wahren Gesundheitszustand verschwiegen. Der aber beteuert: „Ich war nie im Leben krank.“ Die Richterin hielt ihm daraufhin vor, in zwei Jahren 120-mal beim Arzt gewesen zu sein. Seine Hausärztin habe ihm 30-mal je 20 Schlaftabletten verschrieben. Da fragt man sich: Wozu braucht ausgerechnet der dröge Heino Schlaftabletten? Dieser erklärt: Er habe die Tabletten meist an seine Frau Hannelore oder an Bandmitglieder verteilt. Zweifelsfrei clever, dämpfen die Pillen doch den panischen Fluchtreflex, den Heinos Lieder auslösen. Ob er auch sein Publikum sediert hat, ist noch unklar. Das wäre dann aber wirklich ein Fall für die Menschenrechtler.

aus: taz vom 28.05.2009

übrigens: Bild sprach mit dem blond-grauen Zombie

Das geheime Tagebuch der Carla B.

Wenn ich Tagebücher lese, dann eigentlich doch eher die von Kafka oder Frisch. Nun gibt es in der taz eine Seite, die Wahrheit heißt und in loser Folge das geheime Tagebuch der Carla Bruni veröffentlicht. Ja, Carla Bruni, die mit dem Nicolas Sarkozy.

Bruni & Sarkozy

Na, stutzig geworden? Klar, taz und geheime Tagebucher, das passt zusammen wie Feuer und Wasser. Aber auf Feuer kann man Wasser kochen und so köchelt auch die taz, denn: Die Wahrheit ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit, und das geheime Tagebuch der Carla Bruni ist nichts anderes als Satire. Und die ist wirklich köstlich …

Seit ihrer Hochzeit mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vertraut Ex-Model und Sängerin Carla Bruni ihrem Tagebuch ihre Erlebnisse im Élysée-Palast an. Alles über ihre Ehe-Vorbereitungen, „Wer-wird-Millionär“-Gucken mit dem Frischangetrauten, Probleme mit dem Ex Eric Clapton, einen angeblichen Nazi-Vergleich, die Arbeit am neuen Album UND das Dasein als Première Dame, Anrufe von Mick Jagger und eine Reise im Witwen-Fummel durch Afrika, Nicolas impertinentes Söhnchen Jean und die nervige Cecilia, den ersten Streit, die alten Akt-Fotos, die England-Reise mit „Mr. Bruni“, einen Abend des Schrecks mit dem bösen Berlusconi, und Versteckspielen vor der Palastwache…. alles ist für die interessierte Nachwelt notiert.

Siehe auch meinen Beitrag: Carla Bruni: No Promises

VHS-Kurse für Männer

Männer verstehen Spaß. Gerne benehmen sie sich etwas tollpatschig, nur um „ihr" den liebenswerten Clown vorzuspielen. Ja so sind sie, diese possierlichen Kerlchen – man muss sie einfach mögen! In diesem Sinne ist auch das folgende vhs-Kursangebot gedacht:

 

Kurs-Nr. 8001
Die Selbstreinigung schmutzigen Geschirrs
Mit Videobeispielen dokumentierte
Zerstörung einer Illusion.

Kurs-Nr. 8002
Wie werde ich der ideale Einkaufsbegleiter?
Wir besuchen die Kleider- und Schuhabteilung eines Kaufhauses.
Einweisung in Meditations-, Entspannungs- und Atemtechniken.

 

Kurs-Nr. 8003
Unterschiede zwischen Wäschebehälter und Fußboden
Bilder und Erläuterungen mit lustigem Suchspiel.

Kurs-Nr. 8004
Die Rolle des Beifahrers
„Einfach mal die Fresse halten" – Training in 2er-Gruppen mit Fahrsimulation.
Erlernen kommentarloser Akzeptanz.

 

Kurs-Nr. 8005
Ehetraining: Unterschiede zwischen Mutter und Ehefrau
Wie gelingt es, die wichtigsten Unterschiede zwischen der Mama und der
Gattin herauszufinden? Mit Rollenspielen!

Kurs-Nr. 8006
Loslassen – oder: wie Sie es schaffen können,
Ihrer Frau die Fernbedienung auszuleihen

Bitte bringen Sie leichte Kleidung und eine Fernbedienung mit.

 

Kurs-Nr. 8007
Umweltfragen: Wachsen Toilettenpapierrollen auf dem Halter nach?
– Erstaunliche Möglichkeiten der Papierbeschaffung.
– Übungen zur (umweltgerechten) Entsorgung der Papphülse.

Kurs-Nr. 8008
Selbständigkeit: Ab heute finde ich meine Socken alleine!
Aufklärung über typische Aufbewahrungsorte von Kleidungs- und
Wäschestücken im Haushalt mit anschließender Schnitzeljagd.

 

Kurs-Nr. 8009
Gedächtnistraining: Ein Jahrestag kommt selten allein
– Wie erinnere ich mich an Geburtstage, Hochzeitstage usw. (mit Beispielen
aus der Fußballhistorie)?
– Wie schaffe ich es anzurufen, wenn ich mich verspäte?

Kurs-Nr. 8010
Aufklärung: Das große Geheimnis hinter dem „kleinen Geschäft"
Wir besprechen die Zubehörteile einer handelsüblichen, gutbürgerlichen
Toiletteund ordnen sie zu. Mit Powerpoint-Präsentation!

auch als PDF-Datei

weitere VHS-Kurse für Männer

Feiner pinkeln

Als ich am Mittwochmorgen mit der S-Bahn vom Hauptbahnhof in Hamburg zur Arbeit fuhr, sah ich auf der Lombardsbrücke (zwischen Binnen- und Außenalster) einen Transporter der Firma Peter Jensen mit dem Spruch: Feiner Pinkeln. Bei dieser Firma lässt sich u.a. alles kaufen, was mit Bädern und Sanitäranlagen zu tun hat – alles dabei vom Feinsten.

Wie es wohl die meisten tun, so assoziiere ich diese Aussage mit dem Begriff des feinen Pinkel (berlinerisch für vornehm tuender Mensch), was wohl beabsichtigt ist. Mit diesem Spruch verbindet sich eine Werbe-Kampagne der Firma für eine Bädershow. Hinzu kommt der Hinweis auf unzählige geschiedene Ehen in Deutschland, die als Ursache ‚Probleme im Badezimmer’ angeben. Die Lösung hat man auch gleich parat: Deshalb Urinale auch zuhause!

Ich habe einmal im Internet gegooglet und mit dem Stichwort „Urinal“ in der Bildersuche viele kuriose Beispiele für diese Pinkelbecken aus Keramik, Porzellan und anderen Baustoffe für das Wasserlassen der Männer (aber auch ein Beispiel für Frauen) gefunden. Hier eine Auswahl:

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Feiner pinkeln

Problemlösungen

In einer Werbemail stand folgendes Zitat:

Rezession? Depression? Krise? Wir reden von Lösungen, nicht von Problemen.

Das klingt zunächst überzeugend. Klar, ich will keine Probleme, ich will Lösungen. Nur ist das Problem dabei, dass manchmal Probleme gar nicht erkannt werden. Oder man hat Probleme, aber nicht die richtige Lösung. Und manchmal soll es sogar Lösungen geben für Probleme, die man nicht hat.

Problemlösen verläuft in der Regel nach folgendem Schema:
1. Am Anfang steht das Problem, ein kognitiver Konflikt, ein unbefriedigender Ist-Zustand
2. Es bedarf nun epistemischer Neugier, um den Ist-Zustand zu überwinden
3. Suche nach Hilfsmittel, Informationen, Lösungsansätzen beginnt
4. Haben wir einen richtigen Lösungsweg gefunden, erfahren wir einen Aha-Effekt (wenn nicht: zurück zu 3.)
5. Am Ende steht die Entspannung, der angestrebte Soll-Zustand

siehe: Problemlösen bei Wikipedia

Zurück zu dem Werbesprüchlein: Hier will man Lösungen verkaufen. Ich als potentieller Kunde werde mir die Lösungen nun anschauen und versuchen zu analysieren, ob eine der Lösungen vielleicht zu einem Problem passt, das ich habe.

Passende Lösung - und das Problem?

Wie gut, dass ich keine Probleme habe (wenigstens keine größeren), also brauche ich nicht weiterzulesen und kann die Mail ohne Weiteres löschen. Ab und weg!

100 Jahre Heinz Erhardt

Selbst meine Söhne wissen gleich, um wen es geht, wenn der Spruch ertönt: Und noch ’n Gedicht! Es geht um einen etwas dicklichen Mann mit schütterem Haar und einer dunklen Hornbrille, mit naiv-verschmitzten Tonfall und einer gewollt unbeholfene Art: Heinz Erhardt.

Heute vor 100 Jahren wurde Heinz Erhardt in Riga, der Hauptstadt Lettlands, geboren. Am 5. Juni 1979 verstarb er in Hamburg. Heinz Erhardt war der beliebteste Komiker im betulich-altbackenen Wirtschaftswunder-Deutschland der 50er und 60er Jahre, bekannt für seine vollkommen unpolitischen Witze und Sprachspiele. Unpolitisch? Dazu komme ich später noch.

„O wär‘ ich
Der Kästner Erich!
Auch wär‘ ich gern
Christian Morgenstern!
Und hätte ich nur einen Satz
Vom Ringelnatz!
Doch nichts davon! – Zu aller Not
Hab ich auch nichts von Busch und Roth!
Drum bleib‘ ich, wenn es mir auch schwer ward
Nur Heinz Erhardt!“

(Heinz Erhardt)

Heinz Erhardt

Vielen mag Erhardt heute wie seine Zeit eher alt- gar hausbacken, leicht angestaubt und überholt vorkommen. Aber sein Humor ist zeitlos und funktioniert immer noch. Schauen wir doch einfach einmal bei youtube nach, da finden sich unzählige Perlen Erhardt’schen Witzes.

Neben den Gedichten sind es besonders die Weisheiten und Aphorismen, viele kleine Sprachspiele, in denen Heinz Erhardt glänzte, hier nur einige Beispiele:

Wer sich selbst auf den Arm nimmt,
erspart anderen die Arbeit.

Frieden auf Erden – hoffentlich wird es keinen Zaun
mehr geben, von dem man einen Streit brechen kann.

Manchmal hat es wirklich keinen Sinn,
die Stirn zu fletschen und die Zähne zu runzeln.

Ich reibe mir Morpheus Arme aus den Augen,
werfe mir den Hut um die Schulter und lebe sinnlos mäßig.

Wenn der Kragen am Hemd nicht sitzt,
handelt es sich häufig um einen Stehkragen.

Genug. Hier gibt es eine endlos lange Latte an herrlichen Gedichten – viel Spaß dabei:
Heinz Erhardt Gedichte [1]Heinz Erhardt Gedichte [2]

Heinz Erhardt tanzt

Apropos Gedichte und das Stichwort unpolitisch. Auch wenn Heinz Erhardt das folgende Gedicht „Flecke“ nicht geschrieben hätte, so wüsste ich doch, dass sein ganzes Trachten von einer humanen Gesinnung geprägt war. Um wirklich menschlich zu sein, muss man Humor besitzen. Man bedenke nun, dass Heinz Erhardt folgendes Gedicht zur Adenauer-Zeit im Wirtschaftswunderland Deutschland verfasst hat. Das hatte, so finde ich, etwas Bemerkenswertes (man achte besonders auf die letzte Strophe):

Flecke

Gott, voller Weisheit, hehr und mild
schuf uns nach seinem Ebenbild
Gewiß, wir Menschen sind gescheit,
doch wo ist uns’re Menschlichkeit?
Erscheint uns jemand edel, groß,
so täuscht das: er verstellt sich bloß!
Erst wenn er Böses tut und spricht,
zeigt er sein wahres Angesicht! –

Um obiges nun zu beweisen,
laßt alphabetisch uns verreisen,
dann kann man sehn, was so geschah!
Wir fangen vorne an, bei A!

A (Amerika)

Amerika, du Land der Super-
lative und dort, wo James Cooper
zwar seinen »Lederstrumpf« verfaßte,
man aber die Indianer haßte,
weshalb man sie, halb ausgerottet,
in Reservaten eingemottet,
sich dafür aber Schwarze kaufte,
sie schlug und zur Belohnung taufte,
doch heute meidet wie die Pest,
sie aber für sich sterben läßt –
wie beispielgebend stehst du da
für Menschlichkeit! O, USA!

B (Briten)

Jedoch auch sie, die vielen Briten,
die Schott- und Engländer, sie bieten
für unser Thema Menschlichkeit
so manchen Stoff seit alter Zeit!
Nur waren’s statt Indianer Inder,
die sie ermordeten, auch Kinder;
und ähnlich Schreckliches erfuhren
danach die Iren und die Buren,
die man durch den Entzug des Fetts
verschmachten ließ in den Kazetts!
Jedoch bei Völkern, welche siegen,
wird sowas immer totgeschwiegen…

C (Christen)

Dann wäre da, bar jeden Ruhms,
so manche Tat des Christentums,
die, eben wegen seiner Lehre,
am besten unterblieben wäre!
Man denke da zum Beispiel an
Inquisition zuerst und dann
an Waffensegnung mit Gebeten,
um andre Gläubige zu töten!
Auch dieses: lieber Menschenmassen
verelenden und hungern lassen,
statt man Geburtenreglung übe –
auch das zeugt nicht von Menschenliebe!

D (Deutschland)

Nun: Wollt ihr, daß im Alphabet
es mit dem D jetzt weitergeht?
Ist es nicht besser, wenn ich ende?
Wascht nur in Unschuld eure Hände
und greift, kraft eigenen Ermessens,
zum güt’gen Handtuch des Vergessens…

Doch hilft das Waschen nicht und Reiben:
Die Flecke bleiben!

Welcher Popularität sich Heinz Erhardt noch heute erfreut, zeigen auch die vielen Beiträge in Zeitungen und im Internet und die Sendungen im Fernsehen, die in diesen Tagen verbreitet werden. Das Hamburger Abendblatt widmete ein ganzes Wochenendjournal dem Komiker, der viele Jahre in Hamburg lebte. Und so lassen sich auch die TV-Sender nicht lumpen und stellen viel Material über Heinz Erhardt ins Netz: daserste.dendr.de

Anempfehlen möchte ich auch einen kleinen Artikel aus der Welt, der gewissermaßen auch die Schattenseiten von Erhardts Schaffen beleuchtet. So sehen wir heute Heinz Erhardt in vielen Filmen, die des Anguckens nicht wert wären, würde darinnen nicht dieser unvergessene Komiker auftreten. Längst wären diese Filme der Mottenkiste anheim gefallen.

Zuletzt eine Ehrung, die ihm sicherlich gefallen hätte. Zwischen den Straßen Saseler Chaussee, Rabenhorst und Pfeilshofer Weg im Norden von Wellingsbüttel, einem Stadtteil Hamburgs, soll der Heinz-Erhardt-Park entstehen. Erhardt wohnte viele Jahre nur wenige Meter von dieser Stelle entfernt:


Heinz-Erhardt-Park in Hamburg-Wellingsbüttel

Übrigens: Im Jahr 2007 kam Heinz Erhardt bei der Wahl zum besten deutschsprachigen Komiker in der ZDF-Sendung „Unsere Besten – Komiker & Co.“ auf den zweiten Platz hinter Loriot.