Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Heinz Strunk: Fleisch ist mein Gemüse

Wie es ist, in Harburg aufzuwachsen, das weiß Heinz Strunk genau. Harburg, nicht Hamburg. Mitte der 80er ist Heinz volljährig und hat immer noch Akne, immer noch keinen Job, immer noch keinen Sex. Doch dann wird er Bläser bei „Tiffany“, einer Showband, die auf den Schützenfesten zwischen Elbe und Lüneburger Heide bald zu den größten gehört. Aber auch das Musikerleben hat seine Schattenseiten: traurige Gaststars, heillose Frauengeschichten, sehr fetter Essen und Hochzeitsgesellschaften, die immer nur eins hören wollen: „An der Nordseeküste“ von „Klaus und Klaus“.

Wer wie ich eine Zeitlang in einer Band gespielt hat, die auf Betriebs- und Bürgerfesten viele Auftritte hatte, der kann gut nachvollziehen, was Heinz Strunk alias Mathias Halfpape alias Jürgen Dose (der mittlere ist wohl der richtige Name) in seinem Buch „Fleisch ist mein Gemüse“ beschreibt, das ich vor vier Jahren genussvoll gelesen habe. Vor allem, wenn das beschriebene Geschehen noch vor der Haustür passierte.

Fleisch ist mein Gemüse - der Film

Am 17. April kommt das Buch jetzt in einer Verfilmung von Christan Görlitz (auch Buch) mit Maxim Mehmet als jungen Heinz Strunk ins Kino. Ich bin gespannt, obwohl erste Verlautbarungen verheißen, dass der Film lange nicht an das Buch heranreichen soll. Außerdem bietet die Verfilmung im Vergleich zum Buch einen anderen Aufbau bezüglich der Rahmenhandlung. Im Film tritt nämlich der echte Heinz Strunk als er selbst mit in Erscheinung. Da er für die Rolle als Jugendlicher inzwischen zu alt ist, wurde eine neue Rolle hinzu geschrieben. Strunks Rumpf hängt, ähnlich wie eine Jagdtrophäe an der Wand eines Zimmers. Ihm gegenüber prangt ein Plüsch-Hirsch, mit dem sich Heinz unterhält. Zwischen den beiden spannt sich die versinnbildlichte Kinoleinwand, auf der sich das Leben von Heinz als Jugendlicher abspielt.

Für alle meine Jethro Tull-Fans: Heinz Strunk hat in seinem Buch Herrn Ian Anderson gewissermaßen ein literarische Denkmal gesetzt (auch wenn dieser am Ende nicht mehr ganz so gut wegkommt). Dort steht:

Aber die Musik ließ mich nicht los. Ein halbes Jahr später hörte ich zum ersten Mal die britische Band Jethro Tull und war elektrisiert. Der Frontmann Ian Anderson hatte sich historische Verdienste um die Rockmusik erworben: Er war der erste Mensch der Welt, der in einer Rockband Querflöte spielte!

Auf einmal wusste ich, was ich wirklich wollte: Ich wollte sein wie Ian Anderson, und ich wollte Querflöte spielen. Das mit Ian Anderson sagte ich Mutter natürlich nicht. Ihr gegenüber tat ich wieder harmlos, und sie willigte auch sofort ein („Aber du weißt, dass du dann auch üben musst, sonst bringt das nichts.“ – „Jaja.“) Weihnachten 1976 lag eine nigelnagelneue Querflöte von Yamaha unterm Tannenbaum. Tagelang bestaunte ich das wunderschöne Instrument, baute es zusammen und wieder auseinander und versuchte vergeblich, ihm Töne zu entlocken. So verbrachte ich die Zeit bis zum Unterrichtsbeginn damit, zu Jethro-Tull-Platten vor dem Spiegel zu posieren: Ich stand wie mein großes Vorbild einbeinig wie ein Storch vor dem Spiegel und tat so, als ob. Das war nämlich Ian Andersons Markenzeichen: einbeiniges Spiel. Genial! Ich fand, dass das die beste Performance seit Einführung des Showbusiness überhaupt war. Für meine Playbacks vor dem Spiegel hängte ich mir den guten Pelz von Oma um, denn Ian Anderson und seine Mannen hatten wirre, lange Haare und Bärte, und sie trugen Pelzmäntel. Richtige Freaks! Die hysterische Antipelzstimmung war damals noch weitgehend unbekannt. Für mich waren sie die größte Rockband aller Zeiten, scheiß auf die Beatles! Ich habe nie wieder jemanden so nachgeeifert wie dem zauseligen Storchenkönig und über Jahre nichts, aber auch wirklich gar nichts anderes gehört als Jethro Tull. Leider durfte ich mir die Haare nicht so lang wachsen lassen wie meine Vorbilder. Sobald die Spitzen die Ohren bedeckten, bekam der Blick meines Großvaters etwas Starres: „Du siehst ja schon wieder aus wie ein Beatle.“ Und ab ging’s zum Bahnhofsfriseur, ausgerechnet zum Bahnhofsfriseur! Meine Familie war eindeutig der Meinung, dass der dort tätige Jugoslawe hervorragend Haare schneide. Opa und ich also hin zum Harburger Bahnhof, ein fragender Blick des serbischen Meistercoiffeurs und dann das Todesurteil meines Großvaters: „Fasson!“ Ratzekahl wurde die Rübe abgeschabt, und ich sah so aus wie einer aus der geschlossenen Abteilung.

Trotzdem übte ich weiter begeistert Flöte. Nach einem Jahr begann ich auch noch mit Klavierstunden, da man Klavier für die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule braucht. Denn so viel stand fest: Ich würde Berufsmusiker werden! Mutter war zufrieden, nur meine Begeisterung für Rockmusik war ihr nach wie vor suspekt. („Hör doch mal richtig hin, Heinz, da wiederholt sich doch ständig alles, und dazu dieser monotone Rhythmus, immer nur bumbumbum, du bis doch musikalisch, da musst doch hören, dass das primitiv ist.“) Ich übte wie ein Verrückter! Manchmal stand ich schon um vier Uhr morgens auf, um vor der Schule zwei Stunden zu flöten: Mit siebzehn kam noch das Saxophon hinzu. Und dann entdeckte ich den Jazz.

Jazz war viel anspruchsvoller als Rock. John Coltrane konnte tausendmal besser spielen als Ian Anderson, Ritchie Blackmore und Emerson, Lake and Palmer zusammen! Der Jethro-Tull-Frontmann gefiel sich immer noch in seiner Rolle als lächerlicher Rockstorch, doch ich war schon viel weiter als er, übte wie ein Irrer Jazzstandards, versuchte hinter das Geheimnis der alterierten Tonleiter zu kommen und wie man am elegantesten von f-Moll nach Des-Dur moduliert.

aus Kapitel: Lehrjahre sind keine Herrenjahre (S. 43 f./1985)

Überhaupt nicht gut kommt Todtglüsingen weg, ein Ortsteil von Tostedt, der 1972 eingemeindet wurde. Immerhin widmet Heinz Strunk dem Ort ein ganzes Kapital (Geisterstadt). Allerdings muss er sich hier geografisch arg getäuscht haben. Das mit dem Edeka-Laden mag noch stimmen, aber ansonsten spricht nichts dafür, dass es sich um das reale Todtglüsingen handelt. Weder Schützenverein noch freiwillige Feuerwehr haben sich aufgelöst. Hier ein Teil des Textes:

Es kam in diesem Jahr noch eine weitere Karnevalsveranstaltung hinzu, der Todtglüsinger Faslam. Todtglüsingen war ein im Laufe weniger Jahre völlig verarmtes Dorf. Viele der Bewohner wurden arbeitslos, Höfe mussten zwangsversteigert werden, dann machte auch noch der einzigste Edeka-Laden dicht, und irgendwie ging alles den Bach hinunter. Die Todtglüsinger hockten entweder den ganzen Tag zu Hause vor dem Fernseher. Oder sie saßen im einzigen Gasthof, dem Gasthof Bruhn, und soffen. Gesoffen haben sie natürlich auch zu Hause. Die jungen Leute sahen zu, dass sie Land gewannen, und zurück blieben die Alten, Kranken, Kraft- und Mutlosen. Selbst Schützenverein und Freiwillige Feuerwehr hatten sich aufgelöst. Der Ort war dem Untergang geweiht. Das letzte gesellschaftliche Ereignis war der Faslam, der natürlich im Gasthof Bruhn gefeiert wurde. Der Bruhn’sche Festsaal verfügte über keine Bühne, sodass wir mitsamt unserer Anlage quasi auf der Tanzfläche standen. Bereits gegen neun war schätzungsweise ein Drittel der Männer schwer betrunken.

[…]

Irgendwann waren die Leute zu betrunken, um zu tanzen. Diejenigen, die sich gegenseitig totschlagen wollten, sind dazu freundlicherweise nach draußen gegangen. Mehrmals wurde gedroht, uns mitsamt unserer Anlage kaputtzumachen, und wir hatten es nur dem beherzten Eingreifen des noch halbwegs nüchternen Vorsitzenden zu verdanken, dass wir heil davonkamen.

In Todtglüsingen haben wir nie wieder gespielt, obwohl sie uns im nächsten Jahr unbedingt wiederhaben wollten und sogar bereit waren, noch dreihundert Mark Gage draufzulegen. Wie es den Todtglüsingern heute wohl geht? Steht die Ortschaft überhaupt noch? Was macht Susanne oder Sabine oder Silke? Vielleicht hat es ja auch einen überraschenden Aufschwung gegeben. Ich drücke dem gebeutelten Dorf jedenfalls fest die Daumen.

Aus Kapital: Geisterstadt (S. 197ff./1994)

Profaner Jesus und profaner Teufel

Hallo Kretakatze, (und natürlich auch: Hallo, Lockwood)

Mein Blog ist kein reines Jethro Tull-Blog. Und bisschen Wind aus anderen Richtungen wird nicht schaden. Sicherlich „klinge ich etwas gereizt“, denn DSDS und all die Idol-Sachen finde ich schlechtweg „unter aller Sau“. Es ist einfach nicht meine Welt, nicht nur, weil es nicht meine Musik ist. Hier versucht die Musikindustrie billig an Talente zu kommen, schlachtet die dann aus – und lässt sie schnell wieder fallen, wenn ein Talent wie eine Zitrone ausgepresst ist. Das Du nicht noch zusätzlich auf DSDS zu sprechen kommst, war mir schon klar. Wie solltest Du das auch wagen :-).

Zu Clay Aiken: Natürlich kann der gute Mann singen, sonst hätte er nicht diesen Erfolg. Aber was Du schreibst, unterstützt nur noch mehr meinen Verdacht, hier ein typisch amerikanisches Phänomen zu betrachten. Der religiöse Bezug ist mir natürlich nicht entgangen. Auch ohne die Hinweise bei Wikipedia hatte ich einen entsprechenden „Verdacht“. Das er sich für geistig behinderte Kinder einsetzt, ehrt ihn ungemein. Aber alles andere sieht für mich doch sehr nach Sektierertum aus. Das, was Dich, Kretakatze, an dem Mann vielleicht fasziniert, stößt mich eher ab. Ich reagiere leicht allergisch auf religiös-verbrämte Lebensansichten. Natürlich muss jeder selbst wissen, was er aus seinem Leben macht. Ich bemühe mich zumindest, ein „guter Mensch“ zu sein und meinen Kindern ein halbwegs akzeptables Vorbild zu sein.

Clay Aiken, wenn er so „pure“, so rein und „sauber“ ist, wie die Jurorin meint, also ein Heiliger (oder?), dann bekomme ich eher Schüttelfrost. Wenn sich ein so Heiliger mit dem Teufel einlässt (Musikbranche), dann ist da doch etwas faul.

Clay Aiken ein Idol? Wer so rein ist, der ist wahrscheinlich mit dem Schmutz noch nicht in Berührung gekommen. Nicht, dass er nicht die Schattenseiten dieses Lebens kennen gelernt hat. Aber hat er diese auch wirklich wahrgenommen? Ich will hier nicht den Stab über Herrn Aiken brechen. Dazu kenne ich ihn viel zu wenig (ich kenne ihn nicht). Es gibt aber einiges, was ihn mir und seine „Bewegung“ („kirchenähnlich“ schreibst Du – ähnlich wie eine Sekte?) suspekt erscheinen lässt.

Wahrscheinlich ist er aber nur ein „armer Teufel“, der es gut meint, der sich freut, Geld für seine Kinder zu sammeln und der keiner Fliege etwas zu Leide tun kann.

Gruß
Wilfried

02.04.2008

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

Inzwischen wünsche ich mir, ich hätte Euch den Namen Clay Aiken für alle Zeiten verheimlicht. Es scheint wie verhext, je mehr ich über ihn schreibe desto mehr Missverständnisse gibt es. Und die muss ich dann natürlich wieder aufklären. Hoffentlich bekomme ich das jetzt dieses Mal auf die Reihe…

Ich muss zugeben, lieber Wilfried, dass mich Deine Mail vom 02.04. ziemlich ratlos hinterlassen hat. Vieles von dem, was Du schreibst, verstehe ich nicht, es erscheint mir schwammig oder abstrakt, ich weiß einfach nicht wovon Du sprichst. Was sind z.B. „religiös-verbrämte Lebensansichten“, hat Mr. Aiken solche, und wenn ja, welche? Könntest Du ein Beispiel nennen? Was meinst Du mit „Sektierertum“, was sieht für Dich danach aus? Mit welchem „Schmutz“ ist er „noch nicht in Berührung gekommen“, welche „Schattenseiten“ hat er „nicht wirklich wahrgenommen“? Dann vergleichst Du die Musikbranche mit dem Teufel – geht das nicht doch ein bißchen weit? Nur deshalb weil Mr. Aiken gern ein bißchen singt und ein paar CDs verkauft hat, ist er doch nicht gleich mit dem Teufel im Bunde, oder? Das sind ja fast radikal-islamistische Ansichten… Manche Worte haben mich geradezu erschaudern lassen – da sprichst Du von seiner „Bewegung“, „kirchenähnlich?“, eine „Sekte“? Hilfe, was habe ich da nur angerichtet!?!

Also fangen wird noch mal von vorne an. Hier noch einmal das Video zu Somewhere Out There mit der Prophezeiung, in der die von uns noch nicht identifizierte Dame in der Jury Mr. Aiken als „mystery“ und „pure“ bezeichnet. Das englische Wort „pure“ hast Du gleich einmal mit „heilig“ übersetzt – ich glaube da schießt Du übers Ziel hinaus, ich würde da nicht soviel hineininterpretieren wollen. „Pure“ bedeutet für mich erst einmal „rein“, „klar“, „ohne überflüssiges Beiwerk“, „die Essenz von etwas“. Paula bezeichnet ihn zuvor in ihrem Kommentar als „natural“, und ich glaube da meint sie praktisch das Gleiche. Es ist dies vermutlich auch das erste Mal, dass im Zusammenhang mit Mr. Aiken der Begriff „sexy“ fällt. Und das ist genau der springende Punkt. Mystery – natural/pure – sexy – diese Worte gehören zusammen. Man könnte das auch so schreiben: mystery + pure = sexy, oder anders ausgedrückt: Jesus ist sexy. Es ist natürlich verständlich, dass Dir als Mann das entgangen ist, und es hat Dich wohl auf die völlig falsche Fährte gesetzt. Es geht hier nicht um eine „Sekte“, es geht um einen „Sexiest Singer“.

Die „Bewegung“ des Mr. Aiken hat mit Religiosität nichts zu tun. Ich weiß, ich habe Worte wie „kirchenähnlich?“ und „Jünger“ gebraucht – das war grob fahrlässig und ich bereue es zutiefst. Natürlich war das ironisch gemeint um eine entfernte Parallele zu Jesus herzustellen. Auch meine Erwähnung von „Aktionen“, zu denen er im Fernsehen aufruft, hat vielleicht einen falschen Eindruck erweckt. Soweit ich das bisher mitbekommen habe, handelte es sich dabei immer um Interviews im Rahmen seiner Tätigkeit als UNICEF-Botschafter, und in dieser Funktion ist das auch schlicht und einfach seine Aufgabe.

Tatsächlich sind seine „Claymates“ oder „Clay Nations“ einfach gut organisierte Fanclubs, und ihre Qualität beruht vor allem auf der Qualität der Fans. Wenn man bei seinen Auftritten in die Zuschauerräume sieht, dann sitzen da weit überwiegend Frauen, nicht wenige davon über vierzig, Teenager sind kaum dabei. Da Mr. Aiken von klein auf verlacht und verspottet wurde, abgelehnt und ausgegrenzt, es nun aber trotzdem zu sagenhaftem Ruhm, Erfolg und Beliebtheit gebracht hat, ist er natürlich eine Identifikationsfigur und strahlendes Leitbild für jeden, der sich nicht ernst genommen, ausgegrenzt oder unverstanden fühlt (auch das übrigens eine Parallele zu Jesus) – und das sind in unserer Gesellschaft nicht wenige. Dieses Publikum ist zuverlässig, diszipliniert, anhänglich und einsatzwillig.

Überhaupt war mein ganzer Vergleich mit Jesus viel profaner gemeint, als Du das offensichtlich aufgefasst hast. Auch Jesus war ein Lehrer und Entertainer. Er ist von Ort zu Ort gezogen und hat die Menschen unterhalten, so wie Mr. Aiken das heute auf seinen Konzerttourneen auch tut (vielleicht nicht ganz genauso, aber so ähnlich). Er hat Geschichten erzählt und mit den Menschen diskutiert, das war bestimmt eine unterhaltsame Abwechslung in Zeiten, als das Leben fast ausschließlich aus Arbeit bestand und es auf dem Lande weder Kino noch Disco gab. Und er hat Wunder vollbracht, so etwas hat einen unerhörten Unterhaltungswert.

Wunder vollbringt Mr. Aiken natürlich nicht. Aber er unterhält sein Publikum, und er unterhält sich mit seinem Publikum. Wenn man sich Videos von seinen Konzerten anschaut, gewinnt man den Eindruck, dass er mehr redet als er singt. Hier ein kurzes Beispiel dafür, wie christlich-besinnlich es auf seiner Weihnachtstournee zugeht, und dann noch der Lehrer-Entertainer in Aktion mit seiner Mega-Schulkasse – man merkt, das sind alles seine Kinder.

So ungefähr, stelle ich mir vor, muss das bei Jesus vor 2000 Jahren auch gewesen sein, abgesehen davon, dass er etwas tiefgründigere Dinge von sich gegeben hat. Aber zwischendurch hat er vielleicht auch einmal geblödelt. Man muss sein Publikum dort abholen, wo es steht, da kann man nicht ständig nur hochgeistig sein, sonst läuft es davon. Wenn man heutzutage eine Botschaft an den Mann (oder die Frau) bringen will, dann muss man sie schon ziemlich gut verpacken, sonst wird sie nicht geschluckt. Deshalb ist der moderne Jesus ein Verpackungskünstler. Er verpackt seine Botschaft so gut, dass man sie schon kaum noch bemerkt, sie besteht eigentlich nur noch aus seiner Person und ihrer Biographie und wird daher mehr durch die Medien transportiert als durch ihn selbst.

Was ist denn nun eigentlich der wesentliche Unterschied zwischen einem modernen Jesus und irgendeinem x-beliebigen (meist selbst ernannten) Propheten oder Erweckungsprediger? Der Erweckungsprediger erreicht nur die, die sowieso bereits „bekehrt“ sind, oder die bereit sind sich „bekehren“ zu lassen. Jesus erreicht alle und sammelt auch die noch ein, die gegen jegliche Art von Missionierung resistent sind und den bloßen Versuch bereits als Belästigung empfinden, die Kritischen, die Zweifler, diejenigen, die in allem und jedem sofort die Fehler, Mängel und Schwächen erkennen, diejeningen, die alles bereits wissen, und das besser, die immer recht haben und sich von niemandem etwas sagen lassen – also mich zum Beispiel. Er überzeugt nämlich vor allem dadurch, dass er nicht predigt. Und mit Religion hat das auch alles nichts zu tun.

Übrigens hat Mr. Aiken schon früh verkündet, wie er seinen Einfluss in der Öffentlichkeit zu nutzen gedenkt, lange bevor er irgendwelchen Einfluss hatte und als es noch in den Sternen stand, ob er jemals irgendwelchen Einfluss haben würde, nämlich bei einer seiner Auditions in Hollywood im Vorfeld von AI2. Als Randbemerkung zu diesem Video: Hier meint Mr. Aiken scherzhaft, er klänge als wäre er bei Miss America, ein Dreivierteljahr später war er tatsächlich bei Miss America. Ich finde solche „Zufälle“ faszinierend, besonders wenn sie sich häufen. Dir, lieber Wilfried, ist das suspekt?

Kommen wir von Jesus zum „armen Teufel“ – so hat Wilfried Mr. Aiken bezeichnet, und der Ausdruck passt meiner Meinung nach überhaupt nicht. Er klingt nach einem Opfer, nach jemandem, „mit dem man es machen kann“, und das ist Mr. Aiken bestimmt nicht. Schon für sein erstes Album nach AI mussten z.B. Songtexte eigens für ihn umgeschrieben werden, denn „er singt nicht von Sex, und er singt das sonst nicht“ (und seine Auslegung ist da ziemlich kleinlich). Das hätte nicht jeder in seiner Position gewagt, er war nicht der Gewinner der Show und hatte keinen Anspruch darauf, dass man überhaupt eine CD mit ihm produziert, er hatte Anspruch auf garnichts. Auch seine häufig wiederholte Aussage, über sein Aussehen würden Andere entscheiden, kaufe ich ihm schon lange nicht mehr ab – das hat vielleicht für seine Anfangszeit bei AI gegolten. Wenn er dann mal anfängt zu erzählen, merkt man schnell, dass das doch alles ein bißchen anders ist. Da wollte ER bei einem Überraschungs-Auftritt in American Idol 5 nicht genauso aussehen wie sein Double, das bei dieser Gelegenheit mit einem Scherz-Preis für die „Best Impersonation“ ausgezeichnet wurde. Also berief ER seine Stylisten ein, es wurde „verschiedenes ausprobiert“, bis der Herr mit seinem neuen Look zufrieden war. Es war dies sein erstes Erscheinen in der Öffentlichkeit mit langen dunklen Haaren.

Für sein letztes Album „A 1000 Different Ways“ hatte seine Plattenfirma zunächst lauter neue Songs schreiben lassen. „Aber dann kamen WIR zu dem Schluss, dass die meisten der neuen Songs von der Qualität her mit den Klassikern nicht mithalten konnten.“ Ich glaube eher, dass ER zu diesem Schluss gekommen ist, seine Produzenten legen ihm doch nicht Songs vor und bemerken dann erst, dass sie nicht gut genug für ihn sind. Es wurden dann überwiegend Covers von Klassikern aufgenommen (vermutlich nach Auswahl von Mr. Aiken). Ich habe inzwischen den Eindruck gewonnen, dass er es letztlich immer schafft, dass alle das machen, was er will, nur stellt er das so geschickt an, dass es kaum auffällt. Ein „armer Teufel“ sieht jedenfalls anders aus.

Was fasziniert mich nun also an Mr. Aiken? Du meinst es wäre das Gleiche, das Dich abstösst. Das kann ich nicht beurteilen, zumal ich nicht behaupten wollte, dass ich schon restlos verstanden hätte, was mich an ihm fasziniert. Zunächst einmal bin ich natürlich an ihm hängengeblieben, weil ich einige Ähnlichkeiten mit mir selbst entdecken konnte. Da Ihr mich bereits bestens kennt, könnt Ihr Euch vielleicht denken, was das ist (und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm). Dann bewundert man üblicherweise Menschen, die Eigenschaften oder Fähigkeiten besitzen, die man an sich selbst vermisst. Ich persönlich bin z.B. obercool, wie Euch sicher schon aufgefallen ist, und das hauptsächlich deshalb, weil ich viel zu feige bin zu riskieren eine Angriffsfläche zu bieten. Menschen, die das nicht nötig haben, imponieren mir irgendwie.

Darüber hinaus bin ich auch noch Analytiker, und ich bin erst zufrieden, wenn ich alles bis ins Detail zerlegt und verstanden habe. Mit Mr. Aiken ist mir das bislang noch nicht gelungen. Insbesondere irritiert mich seine chamäleonartige Wandlungsfähigkeit, und das nicht nur äußerlich. Oder bilde ich mir das nur ein? Wenn ich mich mal an jemanden gewöhnt habe, dann möchte ich mich gerne jedesmal, wenn ich ihn sehe, in ihm wiederfinden. Ihr erinnert Euch sicher noch an John Fogerty und das karierte Hemd… Da ist Mr. Aiken eine echte Herausforderung. Das eine Mal denke ich, den kenne ich, beim nächsten Video frage ich mich „Wer ist denn das nun schon wieder?“. Das macht mich ganz kirre! Soweit zu meiner nicht immer restlos ungetrübten Beziehung zu Mr. Aiken.

Zusammenfassend könnte ich vielleicht sagen: Mir scheint Mr. Aiken ein Mensch zu sein, der sehr genau weiß, was er will. Das bin ich im Prinzip auch. Nur bin ich nicht sehr geschickt darin, es auch zu bekommen. Er scheint da wesentlich erfolgreicher zu sein als ich. Und ich wüßte gern, wie er das macht.

Nun doch noch einmal zu DSDS und AI. Von Wilfried stammt folgendes Zitat: „Hier versucht die Musikindustrie billig an Talente zu kommen, schlachtet die dann aus – und lässt sie schnell wieder fallen, wenn ein Talent wie eine Zitrone ausgepresst ist.“ Zu DSDS kann und möchte ich in dieser Beziehung eigentlich nichts sagen – ich habe mich nicht näher damit beschäftigt und möchte das auch nicht, es ist zu deprimierend. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass Deutschland in der derzeitigen Musiklandschaft eine Sonderstellung einnimmt, wir sind durch einflussreiche Musikproduzenten auf qualitativ unterstem Niveau zur musikalischen Bananenrepublik verkommen. Talente mit Persönlichkeit und Niveau haben zurzeit in Deutschland keine Chance. Der deutsche Markt saugt Musik aus dem Ausland an wie ein Vakuum. Dazu vielleicht ein andermal ein paar Beispiele.

Was z.B. American Idol und die amerikanische Musikindustrie betrifft, habe ich inzwschen in mancher Hinsicht meine früheren Ansichten revidiert. Wenn man 100.000 Bewerber durchsieben muss, um letztlich ein oder zwei Talente zu finden, mit denen man Geld verdienen kann, dann ist dieser Aufwand immens, da kann man nicht mehr von „billig“ sprechen. Da ist es bestimmt billiger im Plattenstudio zu sitzen und darauf zu warten, dass junge Musiker ihre auf eigene Kosten erstellten Demo-Aufnahmen einreichen.

Und es ist ja auch nicht so, dass man einfach die Leute von der Strasse holt und auf die Bühne stellt. AI ist spätestens ab der Runde der letzten 12 ein 7-Tage-die-Woche-10-Stunden-am-Tag Crash-Kurs in Showbiz. Die Kandidaten bekommen Stimmtrainer und Gesangslehrer zur Seite, die Performance wird geübt. Jede AI-Show steht unter einem anderen Motto, bei der „Movie Night“ muss z.B. jeder eine Filmmusik singen, worum es bei „Country Night“, Rock Night“, „Musical Night“ etc. geht, könnt Ihr Euch sicher denken – die Bewerber werden durch alle Stilrichtungen der Musik gejagt. Jede Woche wird ein anderer Star aus der entsprechenden Musikrichtung eingeladen um die Kandidaten zu coachen und ihnen Tipps für den Auftritt zu geben. Für die „Bon Jovi Night“ ist das natürlich kein anderer als Jon Bon Jovi selbst, und der macht das sicher auch nicht für umsonst. Hier ein Beispiel dafür, wie man dabei aus einem schüchternen kleinen Mäuschen eine neue Tina Tuner macht. Melinda wurde übrigens in diesem Wettbewerb die Dritte und hat jetzt auch einen Plattenvertrag. Zu ihrer Audition kam sie noch zitternd herein.

Ich will jetzt nicht diese American Idol Show glorifizieren. Sie produziert eine völlig andere Art von Musikern, als wir das aus der guten alten Zeit mit „handgemachten“ Bands wie Jethro Tull gewöhnt sind. Es sind fast ausschließlich reine Interpreten, es ist ein Wettbewerb für Pop-Sänger, nicht für Rock-Bands, und nur gelegentlich ist mal ein Musiker dabei, der auch ein Instrument spielt oder selbst Songs schreibt. Taylor Hicks war einer von dieser Sorte, er hat AI 2005 gewonnen, mich aber weder durch seinen Gesang noch durch seine Songs vom Hocker gerissen. (Übrigens: In den letzten Runden, wenn die Kandidaten mehr als einen Song pro Abend darzubieten haben, ist auch Gelegenheit dafür die eigenen Kompositionen vorzutragen – Mr. Hicks hat das getan.) Was ich eigentlich sagen will – hier wird keine neue Musik geschaffen, aber diese Show ist trotzdem ein Fortschritt gegenüber der Zeit, als ausschließlich Musikproduzenten darüber entschieden haben, wer vor ein Mikrophon darf, denn jetzt haben auch Talente eine Chance, die sonst nie das Licht eines Fernsehscheinwerfers erblickt hätte. Norwegen hat einen neuen Nationalhelden, Amerika hat einen neuen Jesus – das ist doch was. (Und was haben wir? Dieter Bohlen – es ist zum Ko…!)

Zu Wilfried’s Problem mit den Song-Lizensen – ich glaube, da brauchst Du Dir keine Sorgen zu machen. Wie wir schon gesehen haben – zur „Bon Jovi Night“ betätigt sich Mr. Bon Jovi selbst als Coach, bei der „Neil Sedaka Night“ (Solitaire) sitzt Mr. Sedaka mit in der Jury, bei der „Bee Gees Night“ (To Love Somebody) ist es Robin Gibb. Da werden die Herren bestimmt ihr Scherflein abbekommen. Das kann heutzutage niemand machen, dass im Fernsehen vor Millionen von Zuschauern Songs dargeboten werden, und die Rechteinhaber bekommen kein Geld – das würde Klagen hageln. Für die paar gekrächzten Takte, die die „skurrilen Nichtskönner“ bei den Castings vortragen, wird es allerdings wohl kaum was geben, lieber Wilfried. Das wirst Du aber auch nicht ernsthaft erwartet haben – oder?

Soweit ausführlich dazu, wie die heutige Musikindustrie „billig“ an Talente kommt. Beschäftigen wir uns nun noch kurz mit dem „Ausschlachten“, „Auspressen“ und „Fallenlassen“. Das ist sicher alles schon vorgekommen, aber ich würde bezweifeln, dass es die Regel ist. Die Musikproduzenten haben kein Interesse daran ihre Stars zu verheizen, sie haben Geld in sie investiert und möchten möglichst lange an ihnen verdienen. Natürlich werden sie einen Musiker fallenlassen, wenn er beim Publikum nicht (mehr) ankommt, sie sind keine Wohltätigkeitsunternehmen. Aber das „Ausschlachten“ besorgen Andere – die Medien. Auf der ständigen Suche nach Schlagzeilen und Stories durchwühlt die Boulevard-Presse das Privatleben der Stars (das betrifft natürlich nicht nur die Musiker sondern genauso auch Schauspieler) bis sie eigentlich kein Privatleben mehr haben – es wird öffentlich – und jede kleine Ungeschicklichkeit oder Peinlichkeit wird aufgegriffen, aufgebauscht und breitgewalzt.

Zu diesem Thema vielleicht eine harmlose kleine Episode aus dem Leben des Mr. Aiken. In oben verlinktem Video sagt er zu der Dame, der er gerade das Fernglas abgenommen hat: „You’re close enough to smell the … I ate earlier.“ (leider verstehe ich nicht, was er da gegessen hat). Das ist bestimmt eine Anspielung darauf, dass sich wenige Wochen zuvor irgendjemand öffentlich darüber beschwert hatte, dass er bei irgend einer Gelegenheit nach irgendetwas gestunken hätte (vermutlich gerade dieses von mir nicht identifizierbare Lebensmittel oder Gericht). Es gab tatsächlich eine Schlagzeile nach dem Motto „X sagt: Clay Aiken stinkt!“. Das ist so doof, dass es eigentlich jeder Beschreibung spottet, aber das Thema beschäftigte Presse und Fernsehen auf sämtlichen Kanälen. Nach so einem „Skandal“ kann er sicher davon ausgehen, dass er in den nächsten 10 Interviews gefragt wird, ob er wirklich gestunken hat, nach was er gestunken hat und warum er gestunken hat usw.. Das nur als Beispiel dafür, auf welchem Niveau da geschossen wird.

Früher oder später wird jeder, der einem solchen Leben ausgesetzt ist, zum Nervenbündel. Dadurch macht er nur noch mehr Fehler und die „Skandale“ häufen sich. Nach und nach wird das Ansehen dieser Person in der Öffentlichkeit demontiert – wer möchte schon eine CD kaufen von jemandem, der stinkt? Und so geht es mit der Karriere darnieder, wenn der Betreffende nicht schon vorzeitig wegen Nervenzusammenbruch, Alkohol- oder Drogenkonsum ausscheidet. Das liegt aber nicht an der Musikbranche.

Du meine Güte, jetzt bin ich schon wieder ausgeufert. Und dabei habe ich noch nicht einmal auf Wilfried’s neue Themen reagiert oder auf Lockwoods Vorstellung von Tom Waits. Das wird jetzt wohl erst noch warten müssen…

Seid ganz lieb gegrüßt bis demnächst
Kretakatze

PS.:So, lieber Wilfried, nun habe ich Deine letzte Mail wieder einmal restlos zerpflückt und in den Boden gestampft, ich hoffe Du bist nicht allzu deprimiert. Deshalb zum Schluss nun noch ein Video, das Dich hoffentlich wieder aufbaut. Es beweist, dass Du zumindest in einem Punkt absolut recht hast: Mr. Aiken ist sehr amerikanisch (wenn ich auch noch nicht so ganz verstanden habe, was Du damit eigentlich meinst).

07.04.2008

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

in Euren letzten mails tauchen häufiger die Begriffe Jesus, Hölle, heilig auf. Ich denke, hier erhebt Ihr die Musikindustrie und ihre Protagonisten auf ein Level, das ihnen eine Nummer zu groß ist.

Auch wenn Mr. Aiken eine charismatische Ausstrahlung besitzt und durch seine Wohltätigkeiten ein gottgefälliges Leben führt, so kann ich doch nichts Messianisches an ihm entdecken. Darüber hinaus erscheint sich sein Sendungsbewusstsein auf die Staaten zu reduzieren; ohne Eure Beiträge hätte ich noch von ihm gehört.

Auch der Begriff Hölle für die Widrigkeiten des Showbiz scheint mir etwas übertrieben. Wir wissen alle, dass es im modernen Arbeitsleben nicht immer leicht ist, im Schweiße seines Angesichtes sein Brot zu verdienen. Das gilt nicht nur für die Musikbranche. Ein Superstar ist in meinen Augen ebenso ein Werktätiger wie ein Bäcker oder Buchhalter. Alle stellen ihre Fähigkeiten zur Verfügung und werden dafür entlohnt.

Weit mehr kann ich mich mit Kretakatzes Ausführungen über die Wandlungsfähigkeit einiger Künstler identifizieren. Jaaa, das Karohemd von Mr. Fogerty steht für einen hohen Wiedererkennungswert, ebenso die Bärte von ZZ Top, der Pferdeschwanz von Status Quo oder die blonde Mähne von Led Zeppelin. Da weiß man, woran man ist.

Mit einem wandlungsfähigen Künstler habe ich auch so meine Probleme. Im Zusammenhang mit Ian Anderson habe ich darüber schon geschrieben. Die Grenzen zwischen künstlerischem Fortschritt und wirtschaftlichem Opportunismus sind in vielen Fällen verwischt. Ich fordere nicht, dass ein füllig gewordener Künstler in seinen 50ern die gleichen engen Klamotten trägt wie in Zeiten seiner schlanken Jugend. Aber die abrupten Stilwechsel eines Mr. Anderson haben mir schon zu schaffen gemacht. Genau wie Kretakatze bei Mr. Aiken habe ich mich gefragt, wer das denn jetzt sei. Möglicherweise gefällt einigen Fans die Vielseitigkeit ihres Künstlers; mehr fehlt dazu die geistige Flexibilität.

Das war es auch schon von meiner Seite für heute.
Lasst es Euch gut gehen.
Lockwood

08.04.2007

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Hallo Ihr Lieben,

es ist schon erstaunlich, wie viel Kretakatze immer wieder zu schreiben weiß. Nicht das ich denke, Du, Kretakatze, hättest nichts Besseres zu tun. Aber es erstaunt schon, wie sehr Du Dich z.B. an diesen Clay Aiken ‚hängst’. So ausführlich werde ich Dir, zumindest in dieser Sache, natürlich nicht antworten wollen.

Also zunächst zu Deinem Vorwurf, ich äußere ‚fast’ radikal-islamische Anschichten! Wieso ‚fast’, es sind radikal-islamische Ansichten. Zumindest verstehe ich immer besser, wenn islamische Radikale nicht gut auf Amerika zu sprechen sind. Aber im Ernst:

Ich möchte nicht so sehr auf den Herrn Aiken eingehen, sondern mich eher zu der Frage äußern, was ich als typisch amerikanisch ansehe. Und ich möchte nur ein Detail aufgreifen, denn sonst wird das hier einfach zu lang.

Etwa wie Israel sehen viele Amerikaner ihr Land als das ‚gelobte Land’ an. Gott ist besonders ihrem Land wohlgesonnen. Das ist der reinste Calvinismus, nachdem nur bestimmte Menschen (hier ‚fast’ ein ganzes Land) dazu prädestiniert sind, den Weg zur Seligkeit zu gehen. Der Rest (wir Europäer eingeschlossen) kommt in die Hölle. Da kann er machen, was er will.

Natürlich hat das Ganze öfter einen Knacks bekommen; z.B. als Kennedy ermordet wurde, war das für viele Amerikaner geradezu unfassbar. Unfassbar allein deshalb, weil Gott den Amerikanern doch so etwas nicht antun kann. Und ähnlich ist es jetzt mit dem weltweiten Terror, dessen Hauptziel Amerika ist. Allein der Begriff „Achse des Bösen“ zeigt für mich die religiöse „Verbrämtheit“ auf, die das Ganze gewonnen hat.

Und so ist nach meiner Sicht vieles in Amerika religiös verbrämt (bemäntelt, ‚verziert’, ausgeschmückt). Ist Gott mit dir, dann wird sich das auch in deiner steilen beruflichen bzw. geschäftlichen Karriere zeigen. Daraus lässt sich eine Selbstherrlichkeit vieler Amerikaner ableiten, die sicherlich nicht nur mich abstößt.

Ein Aspekt nur, aber ein wesentlicher. Natürlich kann das nicht für alle Amerikaner gelten. Aber es ist eine ‚Grundhaltung’, die durch viele Alltäglichkeiten fundamentalisiert wird (z.B. das ständige Bekenntnis zur Nation schon in der Schule hat diesen halbreligiösen Charakter und ‚schult’ dieses Gefühl, zu etwas ‚Großem’ zu gehören).

Wenn Du, Kretakatze, Deinen Vergleich Clay A. mit Jesus C. auch „viel profaner gemeint hast“, so denke ich doch, dass einige Amerikaner (wahrscheinlich eher unbewusst) das Auftreten des Clay A. in einem religiösen Sinne ‚begreifen’. Und: Ich weiß, ich bin manchmal sehr abstrakt. Aber wie soll ich das in wenigen Worten sagen. Genug.

Noch einen Satz (oder zwei) zu dem Vergleich Musikbranche und Teufel. Natürlich meine ich das nicht wortwörtlich, eher auch im Sinne von profan, materialistisch ausgerichtet (Geld und noch einmal Geld): Ein profaner Jesus gerät in profane Versuchung (Plattenvertrag) durch den profanen Teufel (Musikindustrie).

Natürlich hat Kretakatze Recht: Das Aussieben von ein, zwei Talenten aus einer Masse von 100.000 Kandidaten ist immens aufwändig. Anderseits ist die entsprechende Präsentation im Fernsehen sehr publikumswirksam. American Idol, Pop Idol, DSDS und wie diese Sendungen noch heißen werden von einer breiten Öffentlichkeit angeschaut (auch wenn viele das nicht zugeben). Selbst Lockwood wirft öfter einen Blick hinein. Das Ausschlachten der wenigen Talente ist dann nur noch ein ‚Abfallprodukt’, dem sich die Musikindustrie dann aber um so lieber widmet. Das Ganze (TV-Show und Musikproduktion) stellt einen großen Markt da. Wäre das nicht so gewinnbringend, würden sowohl TV-Sender als auch Musikindustrie schnell ihre Finger davon lassen. Überhaupt TV- und Musikbranche – sind diese beiden in den USA nicht besonders eng verwoben (und die Filmindustrie kommt da auch noch hinzu)?

Kretakatze sieht hier eine unaufhaltsame Tendenz zu Einzelkünstlern. Diese Tendenz wird aus meiner Sicht von der Musikbranche beeinflusst, ja ich behaupte: gesteuert (eben durch solche Sendungen). Musikgruppen, eben Bands, müssen zusehen, wo sie bleiben. Denen bleiben meist nur noch ‚unabhängige’ Labels oder (zunehmend) der Eigenvertrieb. Eine Ausnahme davon bilden vielleicht die „etablierten“ Bands, also die mit großen Namen. Ein Grund mehr für mich, Sony & Co. nur der Geldschneiderei zu bezichtigen.

Und es gibt noch einen Trend: Vieles wird zum x-ten Mal wiedergekäut und bis zum letzten Exzess ausgeschlachtet. Single-Auskopplungen gab es schon immer. Aber heute sind viele Alben nur noch Vorab-Samplers von Single-Scheiben ohne Ende. Dann die x-te Version eines Liedes (Langfassung, Single-Fasssung, Disco- und sonst wie-Fassung). Alles muss sich mehrfach verwerten lassen. Die Filmindustrie ist hier vielleicht noch etwas erfolgreicher: Nach dem Kinofilm kommt die DVD, dann verdient man mit TV-Rechten (und zunehmend mit Rechten für Online-Film-Dienste), und bei besonders erfolgreichen Filmen kommt dann später noch der Director’s Cut als Doppel- und Dreifach-DVD auf den Markt. Und wenn sich die Technik wandelt, dann kommt ein solcher Film auch noch auf den neuen Medien (z.B. Blu-Ray) heraus. Da will und kann sich die Musikindustrie nicht hintanstellen: alles noch einmal in Super-Technik als Musik-DVD (5.1 Dolby Digital oder Surround DTS). So viele Ohren hat man nicht, um zu hören.

Da z.B. Sony nicht nur die Software liefert (sprich: Musik) sondern auch die Hardware (Player aller Art), ist der Verdienst ein doppelter. Früher wurden Plattenfirmen von Idealisten gegründet und geleitet. Heute sind das bei den großen Firmen nur noch Kaufleute. So rückte auch zunehmend der Geschmack der breiten Massen in den Vordergrund. Und wenn diese keinen Geschmack haben, dann wird denen schon etwas schmackhaft gemacht.

Auch wenn wir hier vom Thema Ian Anderson und Jethro Tull weit entfernt sind (so weit nun auch wieder nicht – auch Herr Anderson hat neben seinem Musikschaffen regen Geschäftssinn bewiesen – und um Musik geht es letztendlich ja auch immer noch), so lautet die Beschreibung zur Rubrik „Was ist bloß mit Ian los?“ immerhin doch „Jethro Tull & vieles mehr“ (siehe Quickinfo – mit der Maus auf den Rubrikentitel zeigen).

Damit wir für heute den Faden zu Jethro Tull nicht völlig verlieren, hier einige Infos, die ich beim Surfen im weltweiten Netz aufgegabelt habe. Entgegen der Meinung, das Thema Jethro Tull wäre erschöpft, denke ich nach wie vor, dass sich immer noch etwas finden lässt, was lohnenswert ist, hier angemerkt zu werden.

Was mich immer schon interessierte ist, welche „Schnittstellen“ es zu anderen Gruppen gab und gibt. Zum einen kommen solche Schnittstellen dadurch zu Stande, dass Gruppenmitglieder ausgetauscht wurden. Die bringen gewissermaßen eine Vorgeschichte mit. Dazu gibt es z.B. einen Stammbaum (Family Tree) bei collecting-tull.com. Und bereits im Beitrag Was ist bloß mit Ian los? Teil 29: Sexy Ian schreibt Noten verwies ich auf die interessante Website bandtoband.com, die die Verzweigungen der Bands untereinander anschaulich darstellt. Ich habe außerdem ein großformatiges Buch zu Hause: Pete Frame ’s Rock Family Tree aus dem Jahre 1979 (also schon bisschen alt, es gibt aber wohl auch neuere Auflagen), da ist in grafischer Übersicht der Stammbaum z.B. von Fleetwood Mac, Fairport Convention (u.a. durch Dave Pegg zu einer JT-Schnittstelle geworden) und Eric Clapton zu finden. Jethro Tull selbst findet sich da noch nicht. Ich habe aber einen entsprechenden Stammbaum irgendwo im Internet gesehen (nur wo?). Soviel zu Vorgeschichte:

Ian Anderson hatte öfter Frank Zappa als einen der Musiker erwähnt, die er mag. Oft weiß man zwar nicht, ob der Meister das wirklich ernst meint. Ich glaube aber: ja. Und zwischen Jethro Tull und Zappa gibt es bekanntlich das Bindeglied Eddie Jobson, wie ebenso in einem früheren Beitrag in diesem Blog festgestellt wurde (Was ist bloß mit Ian los? Teil 39: Widmungen und mehr). Das bestätigt natürlich nicht unbedingt die Aussage von Herrn Anderson (Jobson war ja nicht der typische Tull-Musiker). Vor einiger Zeit las ich aber, dass Ian Anderson in den 70-er Jahren ein Plattenprojekt einer Gruppe aus dem Umfeld von Captain Beefheart finanziell unterstützt hätte. Captain Beefheart steht ähnlich wie Zappa für avantgardistische Musik und beide haben auch öfter gemeinsam musiziert. Ich habe also nachgeforscht, weil mir das doch sehr kurios vorkam. Und tatsächlich. Im April 1972 tourte Jethro Tull durch die USA, abwechselnd mit der Gruppe Wild Turkey (mit Ex-Tull Bassist Glenn Cornick) und Captain Beefheart als Vorgruppe. Am Rande: u.a. wurde „Thick as a Brick“ dabei mehrmals vollständig aufgeführt. Hier lernte Anderson also Don Van Vliet und seine Jungs kennen.

Als Begleitband von Captain Beefheart spielten u.a. Bill Harkleroad (Zoot Horn Rollo) und Mark Boston (Rockette Morton) von 1968 bis 1974 in der so genannten Magic Band. 1974 kamen die beiden mit dem Schlagzeuger Artie Tripp III (Ed Marimba) nach England, um dort als MALLARD ein Album aufzunehmen. Die Gruppe nahm dann 1975 und 1976 insgesamt zwei LPs auf. Und die erste hat tatsächlich Ian Anderson finanziert. Angeblich soll Anderson den Jungs auch einen Song geschrieben haben. Was daraus wurde, ist aber wohl nicht ganz klar (immerhin soll das Lied aufgenommen worden sein und das Band sich dazu im Besitz von Bill Harkleroad befinden). Nachzulesen ist alles in einem Interview mit Bill Harkleroad (Zoot Horn Rollo); u.a. steht dort:

didn’t ian anderson initially back the mallard project?

totally. he set up a situation where we got signed to virgin records. through being the opening act and making the connection early on, he got hold of bill shumow, our manager at the time, and said: ‚hey, where are these guys and what are they doin‘?‘ he got us into the studio and wrote a song for us. a bizarre song. i’ve got the tape of it (laughs). real ian anderson-sounding! anyway, he says: ‚hey, here you go. i’ll give you the money. here’s a tune.‘

so ian anderson wrote a song for mallard?

one song. it never showed up anywhere. he was in town and the way i thought of it is: here’s this guy who works twenty hours a day and needs to be busy [laughs]. he had a day off, so he wrote us a song. anyway, he was very nice and i appreciated what he did. we went to england and recorded the first album in his studio with his engineer.

Ian Anderson also als Sponsor. Man glaubt es kaum. Die CD ist sogar käuflich zu erwerben: Mallard – in a Different Climate.

Noch einige Worte zum Thema „Wandlungsfähigkeit und Wiedererkennungswert“. Letzteres hat sicherlich auch etwas mit dem Erfolg eines Musikers bzw. eine Band zu tun. Trotz der vielen Verwandlungen (optisch wie musikalisch) hat auch Ian Anderson einen hohen Wiedererkennungswert: Klar, durch sein Flötenspiel auf einem Bein. Kein Wunder also, wenn er dann mit Bezeichnungen wie Hans Huckebein, der Bluesrabe oder Der Rattenfänger der Rockmusik benannt wird. Wer selbst die Namen Anderson oder Jethro Tull und deren Musik nicht kennt (oder nur am Rande), wird zumindest wissen, wo er den Mann mit Flöte auf einem Bein unterzubringen hat. Da spielt es keine Rolle, in welcher Kostümierung er sich zeigt.

Komme ich zum Schluss für heute: In einem anderen Zusammenhang bin ich auf die Frage (besser: Antwort) gestoßen, welchen Hintergrund das Plattencover zu “War Child” bildet. Hinter Ian Anderson im „Minstrel“-Outfit ist die Skyline einer Großstadt zu sehen. Die Frage lautet, ist klar, um welche Stadt es sich dabei handelt. Mit dieser Frage verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch nicht zu stressige Arbeitstage.

Cheerio und Tschüss
Euer Willi

09.04.2008

English Translation for Ian Anderson

Ian und die (Musik-)Welt

Hallo, liebe Besucher dieses Weblogs,

wer von Euch die Rubrik „Was ist bloß mit Ian los?“ vermissen sollte, keine Angst, diese gibt es immer noch, wenn auch unter einem neuen Namen: „Ian und die (Musik-)Welt“. Da sich das Thema Ian Anderson und Jethro Tull mit der Zeit doch ziemlich erschöpft hat und sich – wie von Euch sicherlich nachzulesen war – die genannte Rubrik „thematisch erweitert“ hat (schön gesagt, gelt?), sollte sich auch der Titel den neuen Gegebenheiten anpassen und nicht umgekehrt, oder?

Ian Anderson (Jethro Tull)

Nein, wirklich! IAN lupft gelegentlich noch den Kopf. So ganz ohne ihn soll es auch weiterhin nicht gehen. Aber die Welt der Musik ist weit und die Welt insgesamt sowieso. Bei „Ian und die (Musik-)Welt“ geht es also wie gewohnt weiter. Kretakatze bleibt unerschöpflich, Lockwood und ich meist knorrig – und für ‚Nachwuchs’ scheint auch gesorgt (Alex, wir begrüßen Dich!)

In diesem Sinne (welchem?)
Auf ein Neues (was?)

Wilfried (auch im Namen von Kretakatze & Lockwood)

Was ist bloß mit Ian los? Teil 94: Superstars & Idole Teil 2

Hi, Kretakatze & Lockwood – und allen Besuchern ein fröhliches Hi-ho,

Lockwood lebt noch, wie schön – und willkommen zurück im Club.

Heute möchte ich zwei Fäden vom letzten Mal wieder aufnehmen und miteinander verknüpfen. Zunächst der 1. Faden: Lockwood beschrieb die Endkandidaten aus DSDS der aktuellen Staffel als kompatibel, wohl im Sinne von austauschbar. Dagegen wären Musiker z.B. wie Tom Waits „Typen“, die sicherlich nirgends einen Schönheitspreis gewinnen werden (so übel sah er früher aber gar nicht aus), auch für ihren Gesang nicht, die aber durch ihre Musik als solches zu überzeugen wissen. Ich denke, Lockwood trifft hier den Nagel auf dem Kopf. Selbst der schönste Singsang sagt mir nur wenig zu, wenn so etwas wie Authentizität fehlt. Waits singt Waits, Ian Anderson singt Ian Anderson. Ein Clay Aiken singt in erster Linie nur ein Lied eines anderen. Natürlich gibt es Sängerinnen und Sänger, die vornehmlich Lieder anderer Interpreten vortragen (z.B. Joe Cocker, auf den ich noch kurz zu sprechen kommen werde) und dabei doch ganz „typisch“, echt, also authentisch sind. Diesen Grad hat Clay Aiken für mich nicht erreicht (und wird ihn wahrscheinlich auch nie erreichen).

So nebenbei: Als Nachtrag hier die von Lockwood angesprochenen Versionen des Tom Waits’ Liedes „Jersey Girl“:


Bruce Springsteen Jersey Girl


Tom Waits – Jersey Girl

Das bringt mich zu einem schon früher diskutierten Thema zurück: Coverversionen. Ian Anderson und seine Mannen haben selbst schon gecovert und wurden es. Hier eine längst nicht vollständige Liste der Stücke.

Tom Waits selbst hat ebenfalls Lieder anderer Autoren gecovert – und ist selbst reichlich gecovert worden (nicht nur vom „Boss“ Bruce Springsteen): auch hier eine Liste der Stücke. Und neulich las ich, dass selbst die Schauspielerin Scarlett Johansson (u.a. bekannt aus „Lost in Translation“) ein ganzes Album mit Waits-Liedern auf den Markt bringen will. Interessant vielleicht in diesem Zusammenhang die „Kontroverse“ Rod Stewart vs. Tom Waits.

Meist sind die Originale besser als die nachgespielten bzw. nachgesungenen Lieder. Aber einige Stücke haben dem Original den Rang abgelaufen, haben nicht nur höhere Verkaufszahlen erzielt, sondern das Original ‚förmlich’ in den Schatten gestellt. Mir fällt da z.B. „Black Magic Woman“ von Santana ein, ein Lied aus der Feder von Peter Green, der das Lied damals mit Fleetwood Mac veröffentlichte. Und ich denke da an Richie Havens, wenn einer von Euch den kennt, der besonders durch Versionen von Beatles-Liedern bekannt wurde (Joe Cockers Version von With a Little Help From My Friends werdet Ihr aber kennen). Die gecoverten Versionen waren wohl deshalb „besser“ (wenn man das so überhaupt sagen kann), weil diese die Authentizität haben, von der ich eben sprach.

Nun, was ist mit dem 2. Fädchen? Bei dem ganzen „DSDS“-, „Amercan Idol“-, „Pop Idol“- und sonstigen Kram wird doch auch nur gecovert. Ich kenne mich zwar mit diesen Sendungen nicht aus, aber ich denke, dass es geradezu nicht erwünscht ist, mit eigenen Stücken dort aufzutreten, oder? Also werden Lieder aus der großen Grabbelkiste hervorgeholt. So fällt es dem Zuschauern in der Regel leicht, sein Votum abzugeben, da die vorgetragenen Lieder oft bekannt sind oder zumindest einen entsprechenden Wiedererkennungswert besitzen. Nun habe ich die beiden Fäden am Wickel und knüpfe daraus einen Galgenstrick, denn ich komme zu einem meiner Lieblingsthemen in diesem Zusammenhang: Urheberrechte! Denn wie sieht es mit den Urheberrechten der Autoren dieser Lieder aus? Bekommen die einen müden Euro (Pfund, US-Dollar) dafür, dass ihre Lieder u.a. von skurrilen Nichtskönnern dargeboten werden, wie Kretakatze sagt? Oder geht alles „aufs Haus“, d.h. Sony & Co. schauen zu und lassen hier einmal Urheberrechte Urheberrechte sein.

Wenn ich richtig informiert bin, so haben ja auch nicht die Künstler, die eigentlichen Urheber, die Urheberrechte, sondern treten diese gezwungenermaßen an die Firmen ab (in Form von Nutzungsrechten in Deutschland, da Urheberrechte bei uns nicht übertragbar sind). Dafür bekommen sie dann 9,009 % des Verkauferlöses (wenn ich mich nicht täusche). Also von einer CD für 12,99 € sind das dann 1,17 €. Kein Wunder also, wenn manche Künstler den Vertrieb ihrer Musik selbst in die Hand nehmen wollen (wofür sich das Internet natürlich bestens eignet). Ansonsten dürfen sich auch Nichtskönner an geborgtem Liedergut vergehen, ohne dafür Gebühren zu zahlen (wie gesagt: es geht „aufs Haus“!).

Und damit ich noch mehr vom Kurs abkomme, an dieser Stelle einen kleinen Exkurs: Was die GEMA in etwa ist, solltet Ihr wissen. Die kassiert im Namen der bei ihr vertretenen Künstler für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte; u.a. gehen mehrere Cent pro CD/DVD-Rohling an die GEMA. Und so kassiert die GEMA auch, wenn z.B. die evangelische Kirche bei uns so genannte Bandabende veranstaltet. Und zwar nicht gerade wenig (etwa 200 €). Kassiert wird auch dann, wenn die Bands, die übrigens kostenlos auftreten, keine Titel covern, sondern nur Eigenkompositionen vortragen. Ich nenne so etwas hanebüchen.

Ich gerate in Schlingern. Komme ich so noch einmal kurz auf Tom Waits zurück: So singt Wolfgang Ambros auf seinem Album „Nach mir die Sintflut“ wienerische Versionen von Tom-Waits-Songs, u.a. wird aus Tom Waits‘ „In the Neighborhood“ „Durt bin i daham“. Klingt durchaus interessant.

„In the Neighborhood“ würde ich übrigens zu meinen Lieblingsliedern zählen. Es ist schlicht und trotzdem durch die Bläser sehr schön arrangiert. So komme ich auch gleich zum nächsten Thema des Abends (bei Kretakatze müsste es wohl „des Morgens“ heißen): Lieblingslieder. Es ist gar nicht so einfach, aus der langen Liste der Lieder, die man im Laufe seines Lebens vernommen hat, die Lieder herauszusuchen, die man – immer wieder – am liebsten hört. Einige kann ich natürlich gleich auf Anhieb nennen. Und von Herrn Anderson und seiner Combo ist natürlich auch eines dabei. Aber da fängt das Problem schon an, denn es sollte immer nur ein Lied sein – pro Gruppe bzw. Interpret. Und was sollte da das mir liebste Stück von Jethro Tull sein? Welche Lieder sind denn Eure Lieblinge? Nur frei heraus damit und ohne falsche Scham.

Mit dieser kleinen Hausaufgabe entlasse ich Euch heute. Wir bleiben am Ball bzw. an der Tastatur und hören voneinander.

Bis dahin
Euer Wilfried

01.04.2008

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Kretakatzes Beitrag hat sich mit dem meinen überschnitten. Von daher schreiben wir etwas aneinander vorbei.

Wilfried

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Hallo Ihr Lieben,

„Wellcome Back“ Lockwood – da hattest Du ja wohl in letzter Zeit einigen Stress an der Backe. Auch von mir noch herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Hauptsache, Du hast alles gut überstanden.

Lieber Wilfried, es tut mir leid, wenn ich Dich mit meinem „American Idol“-Kram auf’s Glatteis geführt habe, wie Du schreibst. Das war nicht meine Absicht. Deine Reaktion klang ein wenig gereizt. (Immerhin hat es Mr. Aiken damit wohl geschafft wieder etwas Feuer und Schwung in unsere fast eingeschlafene Diskussion zu bringen – wer hätte ihm das nun wieder zugetraut?) Ich hatte auch bereits den Verdacht, dass ich mich mit meinem Beitrag über Clay Aiken zu weit vom eigentlichen Thema Deines Weblogs entfernt habe, deshalb auch mein Kommentar in der zugehörigen Mail. Veröffentliche ihn einfach nicht. Ich könnte mir vorstellen, dass Jethro Tull Fans, die in Dein Weblog surfen, noch genervter sind als Du, wenn sie dort mit Clay Aiken konfrontiert werden. Jethro Tull Fans sind, glaube ich, überhaupt recht schnell genervt. Und aus Deiner Reaktion auf meine Geschichte schließe ich, dass einmal wieder vieles von dem, was ich eigentlich deutlich machen wollte, überhaupt nicht angekommen ist. Da habe ich also mal wieder mein Ziel verfehlt – sechs – setzen!

Vorneweg – Du brauchst nicht zu befürchten, dass ich bei DSDS lande. Ist Dir tatsächlich entgangen, dass ich dieses Thema bereits behandelt hatte, und zwar abschließend? Zur Erinnerung: Es war dies mein Beitrag, in dem ich Judith Lefeber vorgestellt hatte.

Jetzt sind also wohl doch noch ein paar Erläuterungen angebracht… Es war nicht meine Absicht Euch Clay Aiken als neue musikalische Offenbarung zu präsentieren. Seine Musik ist nicht mein Stil. Ein paar der Klassiker, die er im Programm hat – z.B. Without You, Everything I Do (I Do It For You) oder die Elton John Titel – höre ich ganz gerne, aber die Originale sind für mich völlig ausreichend, zumal sich seine Covers von den Originalen kaum unterscheiden. (Über Sinn und Unsinn von Covers könnte ich auch noch einiges schreiben, aber das wäre ein eigenes Thema). Die meisten seiner sonstigen Songs oder Hits würde ich in die Kategorie „seichte Schlager“ einordnen, Vieles klingt für mich einfach langweilig. Dazu kommen einige Titel, die deutlich jenseits meiner Toleranzgrenze für Sentimentalität liegen (wie z.B. „Mary Did You Know“, und es gibt da noch Krasseres). Und dann finde ich es auf die Dauer ziemlich anödend, wenn jemand ausschließlich Liebeslieder singt (und das dann gar noch in Kombination mit Weihnachtsliedern). Ich höre gerne Mal Titel mit einem geistreichen Text.

Jetzt fragt Ihr Euch sicher, was ich dann eigentlich mit Mr. Aiken am Hut habe. Genau das habe ich mich auch gefragt, und ich habe versucht dieser Frage nachzugehen. Sie ist mehr oder minder identisch mit der Frage, was halb Amerika mit Mr. Aiken am Hut hat. Allein durch seine Musik ist seine Popularität nicht zu erklären. Leider ist die Frage garnicht so leicht zu beantworten, ich möchte nicht behaupten, dass ich das Phänomen Clay Aiken – und als solches würde ich ihn bezeichnen – schon restlos verstanden hätte. Und vor allem – es hat mit Musik und erst recht mit Jethro Tull nichts zu tun und gehört daher nicht in Dein Weblog. Aber bleiben wir erst einmal noch bei der Aufklärung weiterer Missverständnisse.

Wilfried schrieb: „Die Brille wich schon früh einem Satz Kontaktlinsen.“ Genau das tat sie eben nicht (waren die verlinkten Photos vielleicht doch teilweise so klein, dass man die Brille nicht mehr erkennen konnte?). Für American Idol musste Mr. Aiken natürlich auf Kontaktlinsen umstellen, sonst hätte man ihn nicht auf die Bühne gelassen. Aber kaum war AI vorbei, da kramte er seine Brille wieder raus (vielleicht nicht genau das gleiche Modell). Seither hat er sie in schöner Regelmäßigkeit immer wieder aufgesetzt, die Abstände werden eher kürzer. Besonders Interviews gibt er gerne bebrillt, und bei seiner letzten Konzerttournee stand er wohl mindestens bei der Hälfte seiner Auftritte mit Brille auf der Bühne. Zur Information: Brille ist im Gegensatz zu Kontaktlinsen teurer, unpraktischer, lästiger und man sieht damit auch noch schlechter (eingeschränktes Gesichtsfeld, verzerrte Linien). Das sage ich als Kontaktlinsenträgerin, die über 25 Jahre lang ausschließlich Brille getragen hat. Wer trotzdem Brille trägt, noch dazu als „Künstler“ auf der Bühne, der hat dafür einen bestimmten Grund. Zum einen verleiht eine Brille natürlich Autorität und einen intellektuellen Anstrich. Für Mr. Aiken dient sie nach meiner Einschätzung vor allem dazu sein altes „Nerd“-Image zu pflegen, so als wollte er sagen: „Ich habe mich nicht wirklich verändert, ich bin immer noch der Gleiche.“

Dann hat mich einmal mehr verwundert, lieber Wilfried, dass Du die Frage, ob jemand ein „Superstar“ ist, an der Höhe seines Kontostands festmachst. Wenn das wirklich das Kriterium ist, dann ist mit Sicherheit Mr. Anderson der zigfach, wenn nicht hundertfach, größere Superstar, und das nicht nur, weil er bereits ein paar Jahre länger Zeit hatte Geld zu verdienen. Mr. Aiken investiert sein Geld nämlich nicht in Lachsfarmen, er steckt es in die von ihm selbst gegründete Stiftung für geistig behinderte Kinder und wird daher im Vergleich zu Mr. Anderson wohl immer ein armer Schlucker bleiben. Er ist im Übrigen auch kein Superstar, der Ausdruck passt für ihn nicht, und er sieht sich selbst auch ganz sicher nicht als solchen.

Überhaupt zum Begriff „Superstar“ – nach meiner Erinnerung ist er keineswegs so neu, wie Du das zu empfinden scheinst. Auch wenn ich 1970 noch ein „Jungspund“ war, wie Du das zu formulieren beliebtest, kann ich mich an dieses Jahr doch noch sehr gut erinnern. Seit 1970 war ich regelmäßige Leserin der Bravo (und damit natürlich bestens informiert), habe die Charts beobachtet und regelmäßig die Disco besucht (ja, ich war ziemlich früh dran). Neben CCR waren Elton John und Uriah Heep meine Favoriten („Easy Living“ war der erste Song, auf den ich je in einer Disco getanzt habe). Um’s kurz zu machen – den Begriff Superstar gab es damals schon, die Bravo war voll davon. Die Beatles und die Stones gehörten dazu, aber auch für Neil Diamond wurde nach meiner Erinnerung dieser Begriff gebraucht. Ob er amerikanisch ist, weiß ich nicht, Pop- und Rockmusik waren damals überwiegend britisch. Auf jeden Fall liegen auch meine musikalischen Wurzeln in der ersten Hälfte der siebziger Jahre, allerdings waren sie weniger von Progressive Rock geprägt als Deine. Zu Jethro Tull bin ich, wie ich ja bereits erwähnt habe, erst 1978, also in meiner musikalischen Spätzeit gestossen, als ich eigentlich schon erwachsen war (na ja, wie Ihr wisst bin ich niemals wirklich erwachsen geworden…). Aber das nur am Rande.

Dann hat Dich interessiert, lieber Wilfried, wie bekannt Mr. Aiken wohl in Europa (bzw. in Deutschland) ist. Das weiß ich auch nicht, aber ich würde vermuten, dass ihn kaum Einer kennt. Ich glaube nicht, dass er hier schon einmal aufgetreten ist oder im Fernsehen zu sehen war – so etwas ist für den Bekannheitsgrad entscheidend. Der Austausch von „Stars“ über den Atlantik hinweg funktioniert auch nicht mehr so wie noch vor 30 Jahren. Abgesehen von den „wirklichen Superstars“, zu denen ich Mr. Aiken eben nicht zähle, sind die USA und Europa weitgehend getrennte Märkte (auch das ist übrigens ein interessantes Thema). Außerdem ist das Interessante an Mr. Aiken’s nicht seine Musik, sondern so ziemlich alles andere – und davon ist in Europa vermutlich nie etwas angekommen. Der Verkaufsrang für Mr. Aiken’s letztes Werk bei Amazon wundert mich daher nicht. Man sollte dabei auch bedenken, dass das Album bereits anderthalb Jahre alt ist, da kann man die Chart-Position schlecht mit etwas vergleichen, das erst vor ein oder zwei Monaten herausgekommen ist.

Dann möchte ich doch noch betonen, dass man meiner Meinung nach Mr. Anderson und Mr. Aiken in ihrer Eigenschaft als Musiker nun wirklich nicht miteinander vergleichen kann, das ist als vergleiche man Äpfel mit Kartoffeln – beide sind pflanzlich und man kann sie essen, zweitere allerdings erst nach vorheriger Garung. Scherz beiseite – die Herren spielen nicht die gleiche Sportart. Mr. Anderson ist ein Musiker, der seine Songs selbst schreibt und er ist allein dadurch einzigartig und unersetzlich – ohne ihn würde es diese Musik nicht geben. Mr. Aiken ist ein reiner Interpret, der singt was andere geschrieben haben, und damit ist er prinzipiell austauschbar. Singen können Viele, und die auf Hochtouren laufende Idol-Industrie (es gibt da ja auch noch x-factor, America’s Got Talent und andere) spuckt neue Talente in immer kürzeren Abständen aus, und die werden immer unglaublicher und immer jünger (auch zu diesem Thema habe ich in letzter Zeit einiges Material gefunden). Da wird es immer wieder einen Anderen geben, der besser ist, jünger oder auch einfach nur neuer, und den Favoriten vom letzten Jahr verdrängt, wenn dieser nicht neben seinen gesanglichen Fähigkeiten noch andere aufweisen kann oder durch seine Persönlichkeit einzigartig und unersetzlich ist.

Vor diesem Hintergrund meinst Du, Mr. Aiken wäre ein „Sänger, der sich schnell verbraucht“. Nun, auf 40 Jahre Musikerdasein kann er noch nicht zurückblicken, er ist halt auch noch nicht einmal 30, da hat er schlechte Karten… Dafür, dass er 31 Jahre jünger ist als Mr. Anderson, kann er nichts. Aber ich wäre bereit, lieber Wilfried, mit Dir darum zu wetten, dass in 31 Jahren, wenn wir beide bereits als Tattergreise im Altersheim sitzen und selbst Mr. Aiken nicht mehr ganz jung ist, der Name Clay Aiken in den USA immernoch ein Begriff sein wird. Und das selbst dann, wenn er morgen seine Stimme verlieren und nicht mehr besser klingen sollte als der Mr. Anderson der heutigen Tage. Clay Aiken ist nämlich nicht einfach irgendein amerikanischer Schnulzensänger, er ist eine Symbolfigur, ein „echtes Idol“ im deutschen Sinn des Wortes. Dass das so ist, und warum das so ist, konnte allerdings zugegebenermaßen aus meinem letzten Beitrag über ihn nicht hervorgehen.

Das liegt daran, dass das alles mit Musik nichts zu tun hat, ein Idol hat mit Musik überhaupt nichts zu tun. Mr. Anderson war nie Dein Idol, hast Du geschrieben, lieber Wilfried – meins auch nicht. Ein Idol braucht nämlich einen Vorbild-Charakter und eine Botschaft, und das kann Mr. Anderson nicht bieten – Mr. Aiken schon. Im Fall von Mr. Aiken war die Musik nur das Medium, das ihn an die Öffentlichkeit katapultiert hat, damit sie ihn kennenlernen konnte. Gut, natürlich singt er und verkauft auch CDs, aber ich könnte mir vorstellen, dass in seinem Fall manche die CD mehr wegen ihm als wegen der Musik darauf kaufen. Um das zu verstehen, muss man seine Vorgeschichte kennen und alles, was seither über ihn durch die Presse gegangen ist (oder zumindest einen Teil davon, denn ich habe mit Sicherheit auch nicht alles mitbekommen), auch seine Aktivitäten außerhalb der Popmusik (die schon erwähnte Stiftung, die Tätigkeit als UNICEF-Botschafter usw.) gehören dazu.

In meinem letzten Beitrag hatte ich Mr. Aiken mit Superman verglichen – das war mehr als Gag und scherzhafte Annäherung an die Wahrheit gedacht. Tatsächlich hat er nämlich viel mehr Ähnlichkeit mit einem ganz anderen Helden der Weltgeschichte. Dazu zwei Bilder aus dem Claymania-Video:

Ich glaube man braucht keine besondere Phantasie, damit einem das wie eine moderne Illustration zum Neuen Testament erscheint. Da war Zachäus in einen Baum gestiegen, von dem er wußte, dass Jesus an ihm vorbeikommen würde, denn er wollte zumindest einmal einen Blick auf den Messias werfen. Hier sind gleich mehrere Zachäus auf’s Sims gestiegen, damit sie ihrem Idol wenigstens einmal die Hand schütteln können. Und das sind keine ausgeflippten Teenies, die heute für den Einen kreischen und morgen für einen Anderen. Die sehen aus wie gestandene Männer, älter als der Messias, der eingerahmt von seinen Sicherheitsleuten an ihnen vorüberschreitet.

Die Symbolik in der Geschichte des Mr. Aiken und die Zahl der Parallelen zu Jesus ist wirklich frappierend. Da gibt es z.B die Weissagung nach seinem Vortrag von „Somewhere Out There“ bei American Idol (das Video hatte ich verlinkt), sie kommt von der farbigen Dame in der Jury (ich weiß nicht einmal, wer das ist, aber sie muss wohl hellseherische Fähigkeiten haben). Sie erklärt Mr. Aiken zum Mysterium und prophezeit ihm eine außergewöhnliche Zukunft, denn „You are pure“. Sie hat den Nagel auf den Kopf getroffen.

Kaum ist seine Idol-Zeit vorbei, der bekehrt er auch schon Saulus zum Paulus. Es ist dies Jimmy Kimmel, der Talkshow-Gastgeber, der sich im Claymania-Video als „Leader of the Claymates“ outet und Mr. Aiken anschließend in seiner Show als „My best friend in the whole world“ ankündigt. Das war nicht immer so. Dazu muss man wissen, dass Mr. Aiken zu Zeiten seiner Idol-Auftritte nicht nur mit Euphorie gefeiert, sondern auch mit jeder Menge Spott von Seiten der Medien bedacht wurde, so wie er überhaupt in seinem ganzen Leben noch nie über Mangel an Spott hat klagen müssen. Insbesondere wurde schon früh vermutet er müsse wohl schwul sein, denn er sähe so „gay“ aus und würde sich so „gay“ benehmen. Von den Spöttern war Mr. Kimmel einer der Vorderen. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnen Bemerkungen Kimmel’s in der Show von 2006 wie „…the man whose poster adorns my bedroom“, „This is why there are rumors about you and me together.“ und „I would never have imagined, when you where a young man on American Idol…“ eine ganz neue Bedeutsamkeit. Es klingt als läge diese AI-Zeit Jahrzehnte zurück, es ist gerade einmal 3 Jahre her.

In diesem Video, das den ersten Auftritt Mr. Aikens in Kimmels Show nach American Idol zeigt, kann man sehen, wie der inzwischen geläuterte 40-Jährige Kimmel den Kniefall vor seinem (fast) 25-Jährigen Meister macht, dem er fortan freudig dienen wird. Das Video ist noch aus anderem Grund interessant, denn Mr. Aiken kommt hier neben Britney Spears zu sitzen. Britney war zu diesem Zeitpunkt bereits seit etwa 5 Jahren im Geschäft, und ich finde sie sieht schon ziemlich fertig aus. Jedenfalls ist sie so angemalt, dass man von ihrem Gesicht kaum noch etwas sieht. Sie ist 3 Jahre jünger als Mr. Aiken und auf mich wirkt sie kindisch und naiv. Mr. Aiken sieht zwar aus als wäre er höchstens 16, aber man merkt ziemlich schnell, dass er weder auf den Kopf noch auf den Mund gefallen ist. Die beiden sollten in den nächsten Jahren zu Haupt-Zielscheiben der Boulevard-Presse werden, und da zeigt sich, dass man nicht intelligent sein muss um Popstar zu werden, aber es ist sicher hilfreich, wenn man im Haifischbecken Hollywood ein paar Jahre ohne Nervenzusammenbruch überleben will. Britney Spears war diesen Anforderungen nicht gewachsen.

Inzwischen sind bereits 5 Jahre vergangen und es ist immer noch nicht geklärt, ob Mr. Aiken nun eigentlich schwul ist oder nicht und wie sich sein nicht existentes (oder doch nur im Geheimen verborgenes?) Liebesleben im Detail gestaltet – und die Bemühungen der Boulevardpresse Licht in dieses Dunkel zu bringen und diese ganz Amerika bewegende Frage zu beantworten könnten sich noch einige Jahre hinziehen. Nein, so jemand wird nicht langweilig, er wird „Sexiest Singer“. Aber das nur am Rande.

Habe ich hier schon einmal den Satz „Zeige mir Deine Fans, und ich sage Dir, wer Du bist“ gebraucht? Kein anderer mir bekannter Star kann auf eine vergleichbare Fangemeinde herabschauen – sie ist auch in Amerika bereits sprichwörtlich. Seine Fans haben sich in durchstrukturierten (soll ich sagen „kirchenähnlichen“) Gruppen zusammengeschlossen und sind bestens organisiert. Da wird nicht nur dafür gesorgt, dass, wo immer der Meister erscheint, eine ausreichend große Abordnung zur Stelle ist, um für den ihm gebührenden Geräuschpegel zu sorgen. Tritt Mr. Aiken bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung im Fernsehen auf, dann werden schon im Vorfeld 30.000 $ an Spenden gesammelt und zu seinen Ehren in seinem Namen überwiesen. Ruft er im Fernsehen zur Beteiligung an einer Aktion auf, kann er sicher sein, dass schon am nächsten Tag seine Jünger zahlreich ausströmen werden, um seiner Bitte Folge zu leisten.

Selbst Präsident Bush hat schon erkannt, dass Mr. Aiken eine nicht zu unterschätzende Größe darstellt. Auf einem seiner Popularitätstiefs (bestand seine Amtszeit nicht eigentlich nur aus Populariätstiefs?) hielt er es für vorteilhaft, Mr. Aiken in eine eigens gegründete Kommission zur Ausarbeitung von Verbesserungsvorschlägen für die Förderung und Integration von geistig Behinderten zu berufen – das war natürlich ein PR-Gag, um ein bißchen von der Popularität Clay Aikens zu profitieren. Wie wir in dem von mir im letzten Beitrag verlinkten Interview bei Jimmy Kimmel gehört haben, hat es Mr. Bush nicht einmal für nötig gehalten Mr. Aiken zum Dank dafür, dass er sich mit seinem Namen schmücken darf, zumindest einmal persönlich die Hand zu schütteln. So wird in den USA Politik gemacht. Aber Politik ist ja auch nicht unser Thema.

Ich könnte noch eine Weile so weiter erzählen, aber ich denke es reicht, Ihr werdet mich sowieso schon für total übergeschnappt erklärt haben. Fassen wir also zusammen: Der moderne amerikanische Jesus ist von Hause aus Lehrer für geistig behinderte Kinder (seelig sind die geistig Armen) und verdient sein Geld als Entertainer. Predigen tut er nicht, das ist total out und würde in der heutigen Zeit nicht gut ankommen. Hin und wieder ein Spendenaufruf oder die Bitte, sich an einer caritativen Aktion zu beteiligen – das reicht – und seine Fangemeinde kommt diesen Bitten freudig nach. Ansonsten tut er lieber selber etwas, z.B. für seine Stiftung oder als UNICEF-Botschafter. Er ist bekennender Christ, steht der Kirche allerdings kritisch gegenüber. Seit er 2004 das sich am schnellsten verkaufende Weihnachtsalbum der Neuzeit herausgebracht hat, ist er außerdem der all-amerikanische, singende Weihnachtsengel, der alljährlich eine spezielle Weihnachtstournee ausschließlich mit Weihnachtsliedern absolviert (davon habt Ihr ja auch bereits ein Kostprobe abbekommen). Er hatte noch nie eine Freundin und hält nichts von vorehelichem Sex, lebt also in völliger Enthaltsamkeit. Seit 5 Jahren bemüht sich die Boulevardpresse ihm irgendetwas anzuhängen – man hat sogar schon seine Stiftung wegen angeblicher Verschwendung von Spendengeldern durchleuchten lassen – es konnte noch kein Makel an ihm gefunden werden. Spott und Häme aus den Medien perlen inzwischen an ihm ab wie Regen auf einem frischgewachsten Rolls Royce und lassen seinen Heiligenschein nur noch heller erstrahlen. Soweit zu Mr. Aiken.

Also wie Ihr seht, hat das alles höchstens noch am Rande mit Musik zu tun, es würde eher in eine Rubrik „Dies und das“ oder „Leute von heute“ passen. Eigentlich ist das schon länger mein Thema. Seit nunmehr einem Jahr durchstreife ich diesen Menschenzoo, den man YouTube nennt, und stoße dabei auf Persönlichkeiten, an denen ich aus irgendeinem Grund hängen bleibe. Der Erste dieser Art war Mr. Anderson, und so bin ich im letzten April schließlich in Deinem Weblog gelandet, lieber Wilfried. Aber Jethro Tull und Mr. Anderson können mich nicht auf ewig fesseln, so ziemlich alle Aspekte seiner Person haben wir inzwischen durchgekaut, und viel Neues ist von seiner Seite nicht mehr zu erwarten. So bin ich denn weiter gesurft und über John Fogerty, k.d. Lang und Andere inzwischen zu Clay Aiken gelangt. Kein Mensch weiß, wie lange er mich noch beschäftigen wird und auf wen ich danach stoßen werde.

Tatsächlich interessiert mich zurzeit wie sich die Musikbranche seit den 70ern verändert hat und wie sie heute funktioniert, und da spielen nun einmal Talentshows eine große Rolle. Die Entwicklung ist allgemein von den Bands weg hin zu Einzelmusikern und Interpreten gegangen. Irgendetwas mit Jethro Tull Vergleichbares gibt es nicht mehr (jedenfalls bin ich bisher noch nicht darauf gestoßen). Wenn mich die Person oder die Story interessiert, dann habe ich auch keine Probleme damit, wenn die zugehörige Musik nicht hundertprozentig meinem Geschmack entspricht.

So lebt denn nun wohl, meine lieben Freunde
Kretakatze

PS.:Zum Lebewohl kann ich mir dann aber doch nicht verkneifen Euch noch ein kleines Video mit auf den Weg zu geben. Es ist ein Kuriosum, denn in ihm ist Musik von Jethro Tull (ca. ab 0:30) und danach auch noch Clay Aiken zu hören (da könnt Ihr ja dann abschalten). Der Hintergrund: Zum letztjährigen Weihnachtsfest wurde im amerikanischen Fernsehen eine „Holiday On Ice“-Show gesendet, zu der Clay Aiken live gesungen hat. Hier werden Bilder vom Training der amerikanischen Meisterin im Eiskunstlauf gezeigt, die zu Clay Aiken’s Version von „Winter Wonderland“ (darauf könnt Ihr sicher gut verzichten) auf dem Eis ihre Vorführung übt. Mr. Aiken singt zu ihrem Training natürlich nicht live sondern kommt aus der Konserve. Zuvor werden – passend zum Thema Eiskunstlauf – ein paar Takte von „Skating Away (On The Thin Ice Of A New Day)“ angespielt. Der alte Tull-Klassiker ist in den USA also auch noch nicht ganz in Vergessenheit geraten.

01.04.2008

English Translation for Ian Anderson

Jethro Tull bei „Wetten, dass …?“

Der Samstagabend bestaltet sich in vielen Familien als Familien-Fernseh-Abend. Und an vielen dieser Abende wird „Wetten, dass …?“ geguckt. Das bereits seit über 35 Jahren. Auch ich gucke mit meinen Lieben oft genug Thomas Gottschalk und seine Wettkandidaten. Es ist wohl die ‚beliebstes‘ Sendung des deutschen Fernsehens. Auf ein noch längeres Bestehen darf die Gruppe Jethro Tull um Ian Anderson zurückblicken: 40 Jahre! Und das ist Anlass zum Feiern.

40 Jahre Jethro Tull

Nun weiß man, dass Thomas Gottschalk ein Fan von Jethro Tull ist – mehr oder weniger. Und was liegt da näher als der Gedanke, die Gruppe zu diesem ihren Jubiläum zu einer der „Wetten, das …?“-Sendungen einzuladen. Promis sind die Würze (und die Wettpaten) der Sendung. So habe ich auf den Terminkalender beider einmal geblickt und könnte mir vorstellen, dass das etwas werden könnte: Ein Auftritt von Jethro Tull bei „Wetten, dass …?“.

Die nächsten Sendungen finden am 04.10.08 in Nürnberg (CCN CongressCenter) und am 08.11.08 in Berlin (O2 World) statt. Just zu dieser Zeit hält sie auch Herrn Anderson mit seinen Mannen in Deutschland auf (31.10.2008 in Siegen und am 01.11.2008 in Heilsbronn).

Also Ian Anderson z.B. am 8. November in Berlin auf der Couch neben Thommy und als Wettpate für eine kuriose Wette? Wer weiß … Vielleicht findet sich ja noch ein Wettkandidat für diese Sendung mit einer besonders auf Herrn Anderson abgestimmte Wette (natürlich irgendetwas mit Flöten oder so). Freiwillige vor!

Was ist bloß mit Ian los? Teil 93: Superstars & Idole

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun ist es mir doch nicht mehr gelungen diesen Beitrag rechtzeitig zu Ostern fertigzustellen, und daher kann ich Euch jetzt nur noch nachträglich wünschen frohe Ostern verbracht zu haben. Im Schnee waren die bunten Eier ja sicher auch für Euch leicht zu finden…

Wilfried hat sich in letzter Zeit verdient gemacht, indem er zu Ehren des 40-jährigen Jubiläums von Jethro Tull zahlreiche neue Videos erstellt und auf YouTube geladen hat – einen Überblick über die gesamte Schaffenszeit von 1968 bis heute und Raritäten aus den frühen Jahren (z.B. die Aufnahmen aus dem Chateau D’Herouville). Vielen Dank für diese Kostbarkeiten! Und in seinem letzten Beitrag hat er wieder viele neue Details und Links zu Jethro Tull Seiten geboten. Da kann ich leider nicht mithalten.

Ich hatte Euch letztes Mal versprochen noch ein paar Einblicke in die internationale Superstar-Suche zu geben, und so kommt hier also heute die Folge „American Idol“ (wenn ich auch eher bezweifle, dass Ihr darauf großen Wert legt…). Simon Cowells Bemerkung über die teilweise bescheidene Qualität der Teilnehmer an World Idol hat mich dazu veranlasst einmal einen Blick über den großen Teich zu werfen, was denn die Amerikaner diesbezüglich so zu bieten haben. Und ich muss zugeben – wer bei American Idol in die Endausscheidung unter die Top 12 kommen will, der muss schon wirklich singen können.

Natürlich hat so ein großes Land auch ein großes Reservoir an Talenten, und die Konkurrenz ist hier besonders hart. Jedes Jahr werden zwischen 70.000 und 100.000 Bewerber für die Show gecastet – zurzeit läuft gerade die 7. Staffel. Ich habe einmal überschlagen, dass eine Jury bei 100.000 Bewerbern und 3 Minuten Dauer je Casting bei 10 Stunden Arbeitszeit am Tag ziemlich genau 2 Jahre (500 Arbeitstage) benötigt, um sich alle Kandidaten anzuhören. Das wäre natürlich so nicht machbar, die Castings müssen innerhalb von ein paar Wochen abgewickelt werden. Die Kandidaten müssen daher schon zwei Hürden bei örtlichen Musikproduzenten o.ä. genommen haben, damit sie vor der Jury aus Simon Cowell und Co. vorsingen dürfen.

Da aus diesen zeitaufwändigen und teuren Castings wenigstens ein bißchen Geld wieder hereinkommen soll, werden die Auftritte vor der Star-Jury gefilmt. So können die ersten Anfänge der späteren Popstars dokumentiert werden, aber auch die Darbietungen skurriler Nichtskönner werden festgehalten und zur Belustigung im Fernsehen gesendet. Teilweise habe ich da ja fast Mitleid mit Mr. Cowell bekommen – es muss schon hart sein, wenn man sich tagelang von morgens bis abends solche Aufführungen ansehen und anhören muss.

Und da ich nun einmal so gerne Geschichten erzähle – hier jetzt ein Beispiel dafür, wie man dieser Tage in den USA ein Pop-Star wird. Diese Geschichte wird Euch wahrscheinlich ein wenig an Kurt Nilsen erinnern, und tatsächlich haben sich beide Geschichten im gleichen Jahr zugetragen und auch die Hauptdarsteller sind gleich alt.

Ende 2002 erscheint in Charlotte, North Carolina, ein junger Mann mit Namen Clay Aiken zu den Castings (die auf englisch übrigens Audition heißen) für die zweite Staffel von American Idol. Er singt Somewhere Over The Rainbow (meiner Meinung nach keine sehr glückliche Wahl), und da kann er seine „Startnummer“ 88 drehen und wenden, wie er will, er wird nicht einmal bis zu den Juroren vorgelassen. Er ist halt auch Einer von denen, die nie einen Plattenvertrag bekommen werden, weil bei ihrem Aussehen sowieso niemals jemand eine Platte von ihnen kaufen würde. Unvorstellbar, dass sich dieser Mr. Aiken schon bald kaum noch vor den Scharen seiner kreischenden, weiblichen Fans würde retten können. Kein Mensch würde vermuten, dass er hier einen künftigen Gewinner der Wahl zu „America’s sexiest Singer“ vor sich hat. Aber machen wir erst einmal der Reihe nach…

Von seiner Absage in Charlotte lässt sich Mr. Aiken nicht entmutigen. Er nimmt den Flieger nach Atlanta, Georgia, wo die nächsten Castings stattfinden, wartet dort 36 Stunden in der Schlange und campiert auf der Strasse. Diesmal schafft er es tatsächlich bis zu Simon und Randy vorzudringen, und was er zu hören bekommt, nachdem er Always And Forever vorgetragen hat, kommt uns bekannt vor: „Großartige Stimme, aber Du siehst nicht aus wie ein Pop Star“. Bemerkenswerterweise sagt Mr. Cowell den Satz allerdings genau anders herum: „Du siehst nicht aus wie ein Pop Star, aber großartige Stimme“. Und bekanntermaßen bringt man das schlagende Argument immer zum Schluss. Das Video zeigt nicht die komplette Audition, da wurde einiges herausgeschnitten, aber trotzdem scheinen mir doch die Amerikaner weniger zögerlich als die Norweger, den unkonventionell aussehenden Kandidaten durchzulassen. Am Aussehen kann man was machen, meint Randy, und tatsächlich wird Mr. Aiken im Laufe seiner Karriere sein Aussehen noch ganz erheblich verändern.

Jetzt hat er erst einmal eines der heißbegehrten goldenen Tickets nach Hollywood ergattert, aber damit ist er natürlich noch lange nicht im Fernsehen. Zusammen mit über zweihundert anderen Kandidaten muss er über Tage hin in endlosen Vor-, Zwischen- und Endrunden vorsingen, es wird gesichtet und gesiebt. Letztlich gelangt er in die Runde der 32 Kandidaten, die live im Fernsehen vorsingen dürfen, doch er kann die Zuschauer zunächst nicht überzeugen – er fällt durch. Allerdings bekommt er noch eine letzte Chance, er darf zusammen mit 5 weiteren Kandidaten um eine Publikums-Wildcard antreten (wurde die eigentlich extra für ihn erfunden?). Er singt Don’t Let The Sun Go Down On Me, und keine Sorge, das haben sie auch nicht getan. Ganz im Gegenteil, seine Sonne hatte gerade erst angefangen aufzugehen. Und so betritt Pumuckl, Markenzeichen abstehende Ohren, die Bühne von American Idol: Somewhere Out There.

Ja, Pumuckl hat etwas Magisches, man könnte auch sagen etwas Charismatisches. Und er lernt schnell. Nur wenige Wochen später, bei To Love Somebody, sieht er zwar immernoch aus wie Pumuckl, aber der Auftritt erinnert bereits mehr an Frank Sinatra. Ich will’s kurz machen – diese Musik ist ja wahrscheinlich auch nicht so ganz Euer Stil. Überraschenderweise gewinnt Mr. Aiken den Titel NICHT. Er wird mit einem denkbar knappen Rückstand von 0,5% Zweiter. Hinterher wurde von verschiedener Seite angezweifelt, ob das Ergebnis korrekt war. Tatsächlich waren wohl zum Zeitpunkt der Abstimmung die Telefonleitungen und der Wahlcomputer überlastet, viele Clay Fans beschwerten sich darüber, dass sie mit ihrem Anruf nicht durchgekommen seien. Die Produzenten der Sendung gaben später auch an, dass Clay Aiken in allen vorangegangenen Abstimmungen vor dem späteren Sieger Ruben Studdard gelegen habe. Aber letztlich kann das Mr. Aiken auch gleichgültig sein. Er war nach American Idol 2 ein gemachter Mann. Der Gewinner Ruben Studdard hatte dagegen eher bescheidenen Erfolg.

Clay Aiken gilt heute nach Kelly Clarkson und Carrie Underwood als der dritterfolgreichste Teilnehmer an American Idol. Wen es interessiert, der kann sämtliche von ihm gehaltenen Verkaufsrekorde und gewonnenen Preise bei Wikipedia nachlesen. Was mich an der Geschichte des Mr. Aiken so fasziniert hat, ist zweierlei. Zum Einen die unglaubliche Ironie des Schicksals, die sich durch sie hindurchzieht wie ein roter Faden und alle Erwartungen auf den Kopf stellt. Da kommt Mr. Aiken zu seiner Audition herein und antwortet auf die Frage, warum er da sei, achselzuckend und lachend mit den Worten „Well, I am the American Idol“. Das war sicher selbstironisch gemeint, und die Juroren können über diesen Scherz nicht einmal müde lächeln, aber es sollte sich als eine nackte Tatsache entpuppen. Im weiteren Verlauf des Gesprächs erklärt er dann noch im Rückblick auf American Idol 1, er hätte in dieser Konkurrenz gut der Erste oder mindestens der Zweite sein können (das wurde bei obigem Video herausgeschnitten). Präziser hätte er seine spätere Platzierung nicht voraussagen können.

Und so geht es gerade weiter: Mehr als einmal hat Mr. Aiken in frühen Interviews betont, dass ihm schon klar sei, dass er nicht auf einen Schönheitwettbewerb gehöre. Wo fand einer seiner ersten großen Auftritte nach American Idol statt? Auf einem Schönheitswettbewerb. Natürlich ging es dabei (This Is The Night) nicht um seine eigene Schönheit, aber offensichtlich fanden es die Veranstalter von „Miss America“ nicht unpassend, diesen „hottest guest star ever“ mitten zwischen die geballte „American Beauty“ zu stellen. So furchtbar „hot“ sieht er für meine Begriffe hier ja noch nicht gerade aus, aber das sollte sich auch noch ändern. Anfänglich wirkte es auf mich eher rührend, wie dieser Junge, der eigentlich noch aussieht wie ein halbes Kind, auf der Bühne steht und schmettert, dass die Halle bebt. Schon ein Jahr später wirkt er allerdings merklich gereift, und noch einmal drei Jahre später ist er nicht mehr wiederzuerkennen: Drei Versionen von Solitaire (2003 – 2004 – 2007).

Das Bemerkenswerteste an der Geschichte des Mr. Aiken ist aber wahrscheinlich seine geradezu unglaubliche Transformation vom kopflastigen, spießig-ungelenken Außenseiter (amerikanisch Nerd) zum witzig-unterhaltsamen Frauenschwarm mit Sex-Appeal. Eigentlich sollte man das für unüberbrückbare Gegensätze halten, Mr. Aiken schaffte die komplette Verwandlung innerhalb von etwa drei Jahren. Und hier das Ergebnis: Claymania Anno 2006 mit anschließendem Talkshow-Auftritt. Das hat mich ein wenig an die Metamorphosen des Mr. Anderson erinnert, wobei es da ein paar wesentliche Unterschiede gibt, und das nicht nur, weil die äußerliche Entwicklung der beiden Herren in umgekehrte Richtung verlaufen ist – bei Mr. Aiken spiegelt sie den Effekt von Erfolg und zunehmender Reife wider, bei Mr. Anderson sind die Ursachen wohl eher nachlassender Erfolg und zunehmendes Alter.

Dazu kommt, dass Mr. Aiken nach eigener Aussage kaum Einfluss darauf hat, wie er aussieht. Seine Aufgabe sei es zu singen, um sein Aussehen kümmern sich Andere. Und so kommt es, dass er inzwischen so ziemlich alle Haarfarben, Haarlängen und Frisuren durch hat, da haben sich seine Stylisten nicht lumpen lassen. Hier eine kleine (unvollständige!) Auswahl der Erscheinungsbilder des Mr. Aiken aus den letzten 5 Jahren in etwa chronologischer Reihenfolge. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass er wohl einer der meistphotographierten Männer der letzten Jahre sein muss, und das ist auch nicht weiter verwunderlich. Er ist einfach so ergiebig, denn er sieht ständig anders aus.

Jetzt fehlt aber noch ein wichtiger Aspekt. Oben habe ich geschrieben, Mr. Aiken habe sich vom „Nerd“ (mir fehlt irgendwie das passende deutsche Wort, so eine Art spießiger, zurückgezogener, intellektueller Bücherwurm…) zum „Hottie“ (braucht, glaube ich, keine Übersetzung…) entwickelt. Das stimmt so nicht ganz. Eigentlich ist es eher so, dass er gelernt hat, wie man sich jederzeit bedarfsgerecht vom Einen ins Andere verwandelt. Als ich neulich auf YouTube auf ein Video mit der Überschrift „Clay Aiken = Superman“ gestossen bin, habe ich zuerst gedacht, jetzt sind seine Fans völlig übergeschnappt. Bis mir aufgefallen ist, dass das garnicht so abwegig ist. Es ist vor allem diese rasend schnelle Verwandlung von Clark Kent in Superman, die auch er inzwischen perfekt beherrscht. Dazu kommt die verblüffende Ähnlichkeit der Namen Clark Kent und Clay Aiken. Das hat mir zu denken gegeben. Hier zum Vergleich:

Clark Kent

Superman

Clay Aiken

Superclay

Ist also Mr. Aiken der Superman unserer Tage? Oder geht hier einmal wieder meine überschwängliche Phantasie mit mir durch? Und mit dieser uns alle bewegenden Frage verabschiede ich mich für heute.

Es grüßt Euch ganz herzlich bis zum nächsten Mal Eure Kretakatze

PS.: Passend zu weißen Ostern möchte ich Euch nun doch zum Schluss noch ein kleines Weihnachtslied kredenzen. Natürlich wird es von niemand anderem gesungen als unserem wandlungsfähigen Mr. Aiken. Es heißt Mary, Did You Know, und wenn Ihr Euch noch an John Fogerty und „Mary, Don’t You Weep“ erinnert, dann ahnt Ihr schon, was Euch erwartet. Bleibt mir nur noch Euch einen guten Rutsch in die Sommerzeit zu wünschen…

27.03.2008

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Hallo Ihr beiden Hübchen,

so langsam werde ich wohl die Handbremse betätigen, sonst landet unsere gute Kretakatze auch noch bei der deutschen Variante von „American Idol“, DSDS mit Dieda Bohlen. Also Mark Madlook, oder wie der heißt, kommt mir nicht in mein Blog.

Okay, ich finde Deine „Geschichte“, wie Du es selbst nennst, liebe Kretakatze, rund um diesen Clay Aiken ganz witzig. Sie zeigt, dass so etwas wie der „amerikanische Traum“ durchaus noch möglich ist. Und nicht nur die Karriere von Clay Aiken, er selbst, ist sehr amerikanisch – für mich etwas zu sehr amerikanisch. Ich bestätige gern, dass er eine außergewöhnliche Stimme hat – trotz seiner Schmalbrüstigkeit. Aber alles klingt für mich sehr nach Gospelchor oder Musical. Wobei mir Gospel als solche besser gefallen als der Singsang von Herrn Aiken. Wem das gefällt, okay. Wenn es Dir, Kretakatze, gefällt, so ist das auch okay. Aber da höre ich doch lieber die leicht nasale Stimme von Herrn Anderson (aus alten Tagen, versteht sich).

Superstar? Für viele ist er sicherlich ein Superstar. Und wenn man das Bankkonto von Herrn Aiken einsehen könnte, dann dürfte dieses der Höhe nach das eines Superstars sein. Aber schon allein mit dem Begriff Superstar habe ich meine Probleme (wie vor allem mit dem Begriff Idol). Ian Anderson war und ist nie mein Idol gewesen. Und er selbst wird sich nie als Superstar gefühlt haben. Ich denke, dass das ganze Superstar-Gerede auch ziemlich typisch amerikanisch ist, das sich leider mit den Jahren auch bei uns eingebürgert hat (z.B. DSDSuperstar). Um in Deutschland ein Superstar nach amerikanischem Vorbild zu werden, dann müsste schon jeder zweite Deutsche die Scheiben von einem kaufen.

Natürlich hat uns Kretakatze Clay Aiken auch deshalb präsentiert, weil das anfängliche Äußere des guten Mannes bestimmt nicht die spätere Karriere erahnen ließ. Nun wurde uns durch Dich, Kretakatze, Herr Aiken gewissermaßen in Zeitraffer vorgestellt. Die Bilder aber stammen aus einem Zeitraum von fünf bis sechs Jahren. Da ist der anfangs recht junge Mann schon allein äußerlich gereift (fülliger geworden mit leichtem Bartwuchs). Die Brille wich schon früh einem Satz Kontaktlinsen. Und die großen Ohren wurden dann von längeren Haaren kaschiert. Den Rest besorgten Stylisten. Nein, so verwunderlich findet ich den Wandel gar nicht. Und ein halbwegs forsches Auftreten war schon am Anfang vorhanden, wenn auch noch etwas ungelenk. Aber auch das lässt sich mit der Zeit ‚korrigieren’. – Was mich interessiert: Wie bekannt ist Clay Aiken eigentlich in Deutschland? (Lt. Amazon.de ist der Verkaufsrang von der CD „A 1000 Different Ways“ bei 145205 – da schneidet ja Jethro Tulls „Live in Montreux“ auf Platz 29874 besser ab, die CD, nicht die DVD, die sich weit besser platziert hat – und Medlock/Bohlens Machwerk „Dreamcatcher“ ist z.B. auf Platz 276 bei den CDs) Bisher habe ich von ihm nichts gehört, aber das ist nicht verwunderlich, weil mich diese Art von Musik (samt dem ganzen Klimborium) nicht sonderlich interessiert. Und wenn ich das richtig sehe, so gehen die Verkaufszahlen selbst in den USA doch gewaltig zurück, wenn sie auch noch sehr hoch sind. Clay Aiken ist, so denke ich mir, ein Typ Sänger, der sich schnell ‚verbraucht’. Und ich sage (schreibe) es noch einmal: Da ist mir ein Ian Anderson lieber, der es immerhin auf 40 Jahre Musikerdasein gebracht hat.

Ich selbst, wie in diesem Blog der letzten Tage ablesbar ist, bin musikalisch in die 70-er Jahre abgetaucht. Da ward Ihr beiden noch junge Spunde, wie man bei uns sagt. Das waren natürlich auch die besten Jahre von Jethro Tull. Überhaupt boten besonders die ersten Jahre der 70-er viel erstklassische Musik. Flowerpower und Psychedelische Musik wurden ad acta gelegt. Es wurde experimentiert, Stile gemischt (besonders Jazz und Rock) und viele auch technisch hervorragende Musiker betraten die Bühne. Es wurde – einfach gesagt – wieder Musik gemacht. Der Großteil meiner Plattensammlung stammt aus dieser Zeit. Sicherlich werdet Ihr nicht an allem Gefallen finden, was mich damals begeistern konnte (und was ich heute noch gern höre, wenn vieles auch den etwas indiskreten Charme jener Jahre hat). Da aber viele alte Scheiben technisch aufpoliert den Weg zurück in die Verkaufregale gefunden haben, deutet doch einiges darauf hin, dass diese Musik auch heute noch ihr Publikum findet (und nicht nur bei den alten Hasen).

Ach, Kretakatze hat mich mit ihrem „American Idol“-Kram irgendwie aufs Glatteis gebracht. Und da finde ich den Weg nicht mehr zurück. So soll es für heute genügen.

Und: Kretakatze beginnt sich langsam Sorgen um Lockwood zu machen. Ich weiß nur, dass er vor einigen Tagen seinen 45. Geburtstag gefeiert hat: Und ich habe das glatt vergessen. Tut mir Leid: Von dieser Seite also alles Gute für Dein neues Lebensjahr, Lockwood.

Heute keine Links und keine Bildchen (damit hat uns Kretakatze ja reichlich eingedeckt). Nein, so kann ich mich nicht verabschieden. Hier also ein Video mit einem uralten Micky Maus-Cartoon und … mit Locomotive Breath unterlegt (nun ja, so ganz passt das eigentlich nicht, wenn ich mir auch Herrn Anderson durchaus in der Rolle von Donald Duck vorstellen könnte):


Locomotive Breath – Jethro Tull

Man liest voneinander
Viele Grüße aus der norddeutschen Tiefebene
Euer Willi

P.S. Lockwood – ein Lebenszeichen, bitte! Nur ein kurzes Lebenszeichen!

28.03.2008

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Meine lieben Freunde,

ich schäme mich. Ich schäme mich dafür, dass ich mich so lange nicht mehr gemeldet habe. Das ist wirklich kein guter Stil. Eure Sorge um mich rührt mich, sie ist aber Gottseidank unbegründet; es geht mir ganz gut. Zwar hatte ich wie wir alle mit den Tücken des Alltags zu kämpfen, aber eigentlich bin ich ok.

Zu Eurem aktuellen Thema „DSDS“ möchte ich auch noch meinen Senf zugeben:
Ich habe die letzten Sendungen der laufenden Staffel in Ausschnitten gesehen. Und ich muss sagen: Die Kandidaten, die jetzt noch im Rennen sind (zurzeit acht) sind alle jung, attraktiv und sehr gut bei Stimme. Besonders die Mädels. Trotzdem oder gerade deswegen kann ich mich nicht für sie erwärmen. Sie sind sich alle zu ähnlich, zu kompatibel. Es sind keine „Typen“ darunter. Sie scheinen alle aus der selben Form gegossen. Wer aussieht wie Tom Waits oder Shane MacGowan und es trotzdem schafft, der ist ein Superstar. Und wenn man schon das Pech hat, gut auszusehen, sollte man sich durch besondere Fähigkeiten unverwechselbar machen, wie z.B. Kate Bush.

Tom Waits (von dem ich durch Wilfried zum ersten Mal hörte) ist wirklich ein interessanter Typ, weit weg von jedem Mainstream, äußerlich wie inhaltlich. Nach Mr. MacGowan ist er vielleicht der häßlichste Mann, der sich je dem Rampenlicht ausgesetzt hat. Diesem Neandertaler-Schädel sind aber einige schöne Melodien entsprungen. So entstammt z.B. Springsteens „Jersey Girl“ Waits’ Feder. Mir als agnostischem Pseudo-Katholiken gefällt auch sein Chocolate Jesus .

Ansonsten hat sich bei mir in Sachen Musik nicht viel getan. In einem bekannten Internet-Auktionshaus habe ich für eine Handvoll Euros ein CD-Album der Don Kosaken ersteigert. Dieses Album habe ich seit ca. 25 Jahren auf Vinyl, aber deren Qualität wird im Laufe der Jahrzehnte nicht besser. CDs sind halt auch praktischer. Es packt mich jedesmal, wenn ich diesen Chor höre. Hier könnten die Superstars dieser Welt lernen, wozu die menschliche Stimme in der Lage ist.

Lieber Wilfried, vielen Dank für Deine guten Wünsche zu meinem Geburtstag ! Der Zahl nach bin ich der Jüngste von uns Dreien, aber nachdem ich heute vier Fahrräder und zwei Autos geputzt habe, schmerzt mein Rücken wie bei einem Greis. Na ja, das vergeht auch wieder.

Ich beende mein Schreiben mit einem Gefühl der Erleichterung. Das schlechte Gewissen ob meiner langen Abwesenheit ist erst einmal wieder besänftigt. Habt Dank für Eure Treue !

Es grüßt Euch herzlichst
Lockwood

29.03.2008

English Translation for Ian Anderson

Altes „Neues“ von Jethro Tull

Wer alter, eingefleischter Tull-Fan ist wie ich, der kennt mit Sicherheit das Fotobuch von Didi Zill: Jethro Tull live und in Farbe. 250 seltene und meist unveröffentlichte Fotos – auch wenn er oder sie es bisher noch nicht sein Eigen nennt. Knapp 50 € sind viel Geld. Aber jetzt gibt es diesen Wälzer für gerade einmal 15 € bei Zweitausendeins.de, also für „fast geschenkt“, da greift man doch gern zu (ich habe es mir zu Ostern schenken lassen):

Foto-Session Januar 1972 in Offenburg

Und wer Anfang Mai noch über schlappe 20 € verfügen sollte, dem empfehle ich die DVD Jethro Tull – Jack in the Green – Rockpop In Concert:

Es handelt sich um Aufnahmen des deutschen Fernsehens, die vielen auch schon bekannt sein sollten (einiges habe ich selbst in meinem Schrank). Ich hoffe auf gute Bildqualität, wenn es mit dem Ton vielleicht auch nicht so weit her sein sollte (man munkelt u.a. von Quasi-Stereo). Hier die Setlists:

Rockpop In Concert Live aus der Westfalenhalle in Dortmund (1982)

01. Hard Times
02. Pussy Willow
03. Heavy Horses
04. Jack In The Green
05. Sweet Dreams
06. Aqualung
07. Locomotive Breath
08. Cheerio

Out In The Green Live vom Open-Air Festival in Dinkelsbuhl (1986)

01. Thick As A Brick
02. Black Sunday
03. Improvisation II
04. Too Old To Rock ’n‘ Roll, Too Young To Die

Rock Summer ´86 Live vom Open-Air Festival Rock am Ring

01. Hunting Girl

Live (20.5.93) Location?

01. My Sunday Feeling
02. So Much Trouble

Beat Club (1970-71)

01. With You There To Help Me (15.8.70)
02. Nothing Is Easy (15.8.70)

Jethro Tull: Chateau D’isaster Tapes 1973 – Teil 2

Desaster über Desaster! Neben dem Werder-Desaster dieser Tage beschäftigen mich die Chateau D’isaster Bänder der Gruppe Jethro Tull, die 1973 im Château d’Hérouville nahe Paris eingespielt, aber nie fertig gestellt wurden.

Drei der damals aufgenommenen Stücke (11 Scenario – 12 Audition – 13 No Rehearsal) wurden bereits 1988 auf dem 3-CD-Box Set „20 Years of Jethro Tull: The Definitive Edition“ veröffentlicht. 1993 wurden dann zwei weitere Bänder der alten Aufnahmen entdeckt, neu gemischt und dann 1993 auf dem Doppel-Album „Nightcap“ insgesamt auf der 1. CD als „My Round: Chateau D’Isaster Tapes“ veröffentlicht.

Das 9. Stück dieser Aufnahme „Critique Oblique“ habe ich bereits vorgestellt. Heute nun die ersten drei der insgesamt 13 Stücke. Zuvor aber die Playlist zu den Aufnahmen:

01 First Post
02 Animelee
03 Tiger Toon
04 Look at the Animals
05 Law of the Bungle
06 Law of the Bungle Part 2
07 Left Right
08 Solitaire
09 Critique Oblique
10 Post Last
11 Scenario
12 Audition
13 No Rehearsal

Stück 8 kommt uns bestimmt bekannt vor: 1974 veröffentlichte Jethro Tull das Album „Warchild“ – und dort gibt es das Stück „Only Solitaire“. Beide Texte sind übrigens identisch. Auch die „Bungle in the Jungle“-Thematik findet sich hier. Und als kleinen Gag: Auf dem ansonsten intrumentalen Titel „Law Of The Bungle Part 2“ hören wir die „Eule“ Martin Barre sprechen:

„Hello. This is ‚Law of the Bungle Part II‘. By the way, I’m Martin Barre; but
sometimes I’m an owl, and my feathers are really smooth,
and when I feel romantic I like to dress up in men’s clothing.“

Alle weiteren Texte finden wir übrigens bei cupofwonder.com.

Hier nun ein Video mit den ersten drei Stücken “First Post – Animelee – Tiger Toon” von den Chateau D’isaster Tapes; die Bilder stammen wiederum von einer Super-8-Kamera-Aufnahme aus dem Jahre 1974 und zeigen Ian Anderson & Co. “backstage” (nochmals Dank an TullTapes – das Video habe ich nur etwas ‚aufpoliert’):


Jethro Tull: First Post/Animelee/Tiger Toon (1973)

Jethro Tull: Chateau D’isaster Tapes 1973

Auf der 1993 erschienenen Doppel-CD „Nightcap“ veröffentlichte die Gruppe Jethro Tull auch die restlichen der bis dahin nur zum Teil (auf dem 3-CD-Box Set von 1988: 20 Years of Jethro Tull: The Definitive Edition) aufgelegten, als Chateau D’isaster Bänder bekannt gewordenen Aufnahmen, die 1973 im Château d’Hérouville nahe Paris eingespielt, aber nie fertig wurden.

Château d'Hérouville

Ian Anderson schrieb hierzu im September 1993:

„The infamous 1973 recording sessions at the Chateau D’Herouville, near Paris, were never completed due to ill-health, technical and production problems, and the sudden decision of the band to return to the U.K. from temporary and ill-advised tax exile.

Rather than continue with the Chateau Tapes, wel decided to begin again with a virtually new work which quickly became the more down-beat and controversial ‚A Passion Play‘.“

Die Mannen von Jethro Tull verließen also damals Frankreich zurück in Richtung Großbritannien, weil es u.a. diverse technische Probleme und Erkrankungen von Bandmitgliedern gab, und entschieden sich, ein neues Projekt zu starten: „A Passion Play“. Einige Teile der in Frankreich aufgenommenen Stücke finden wir allerdings später in verändeter Weise u.a. auf dem „War Child“-Album („Bungle in the Jungle“) wieder. Das gleichnamige „Critique Oblique“ von den Chateau D’isaster Tapes wird Teil von „A Passion Play“.

Hier nun ein Video mit dem „Critique Oblique“ von den Chateau D’isaster Tapes, die Bilder stammen von einer Super-8-Kamera-Aufnahme aus dem Jahre 1974 und zeigen Ian Anderson & Co. „backstage“ (Dank an TullTapes – das Video habe ich nur etwas überarbeitet). Die Flötentöne hat Herr Anderson 1993 zusätzlich eingespielt, da das Ausgangsmaterial ohne diese vorhanden war.

Critique Oblique

Critic of the black and white it’s your first night.
The Passion Play gets in the way, spoils your insight.
Tell me how the baby’s made, how the lady’s laid,
Why the old dogs howl with sadness.

(Spoken)
The blue thing in the ball leaves naught but a bloody footprint on the memory of last summer’s trip to Europe.

Did you buy a passport from the queen?

Instrumental

And your little sister’s immaculate virginity wings away on the bony shoulder of a young horse named George who stole surreptitiously into her geography revision.

The examining body examined her body.


Jethro Tull: Critique Oblique (1973)

Tim as a Brim – Ian in Unterhosen

Schon als Kind musste Tim Shiel aus Melbourne in Australien zu Hause Jethro Tull hören. Jethro Tull stand auf der Tagesordnung. So etwas bleibt hängen. Und wenn man dann später gern mit Computern spielt, mit diesen Musik macht, so kommt am Ende Folgendes heraus:


Faux Pas – Tim as a Brim (Video Clip by Hannah Kim)

Tim Shiel ist Faux Pas. Und es ist schon eine Taktlosigkeit unseren guten Ian Anderson in Unterhosen zu zeigen (wenn auch nur gezeichnet). Von Tim Shiels, pardon: Faux Pas’ Album „Entropy Begins at Home“ also der Titel „Tim as a Brim“. Klingt irgendwie wie …

Ian in Unterhosen

Auf der Suche nach Bach

Wenn ich mich daran wage, die in meinen Augen (genauer: Ohren) besten Gitarristen dieser Welt ausfindig zu machen, so komme ich an Virtuosen der klassischen Gitarre nicht vorbei. Ausgangspunkt ist hierbei die Interpretation Bach’scher Werke. Johann Sebastian Bach hat neben Orchester- und Orgelmusik usw. auch Werke für die Laute und Gitarre geschrieben. Warum Bach? Nun, da gibt es das Instrumentalstück „Bourree“ von der Rockgruppe „Jethro Tull“ (hier eine Aufnahme von 1985: Bachrock sowie eine Aufnahme von 2005: Lugano Estival Jazz), das als Grundlage ein kleines, nicht einmal zweiminütiges Werk von Johann Sebastian Bach hat, nämlich den 5. Satz der Suite Nº 1 in E-moll für Laute (BMV 996). Als ich Ende 1968/Anfang 1969 auf Jethro Tull aufmerksam wurde, war es u.a. auch die rockige Wiedergabe dieses Bach’schen Stückes, das mich faszinierte. Und so schaute ich nach, welches Stück das nun tatsächlich war – und wer es sonst noch, wenn auch im ‚klassischen Sinne’, gespielt hat. Übrigens finden wir die Bezeichnung Bourree noch bei vielen anderen Stücken (als Bezeichnung für einen Satz) bei Bach. Bourree ist ein Tanz des französischen Hofes.

Von Leo Kottke hatte ich bereits berichtet. Dieser Gitarrist ist natürlich der Folk-Rock-Szene zuzurechnen, wenn auch er das Bourree-Stück eher wie ein klassischer Musiker spielt (siehe hierzu meinen Beitrag: Leo Kottke: Bourrée – Hear the Wind Howl)

In den dann folgenden Jahren bin ich auf drei Gitarristen der klassischen Musik gestoßen, die man zu den besten Gitarristen dieser Musikgattung zählt. Inzwischen sind leider zwei der drei verstorben. Aber dank Ton- und Bildträger lebt deren Musik weiter.

Zunächst Andrés Segovia (1893 – 1987). Von ihm habe ich leider kein Album, aber er hat sich durch verschiedene Bach-Interpretationen ausgezeichnet. Segovia ist einer von vielen spanischer Gitarristen, wie sollte es anders sein. Die Gitarre ist DAS Instrument in Spanien schlechthin, nicht nur das des Flamenco und anderer traditioneller spanischer Lieder und Tänze. Segovia stammt übrigens aus Andalusien, gewissermaßen die Wiege des Flamenco. Da ich nicht nur Bach zum Klingen lassen möchte, hier ein Video mit einem Stück von Isaac Albèniz: Asturias aus der Suite Española op. 47, also ein typisch spanisches Stück:


Andres Segovia – Asturias de Albèniz

Andrés Segovia (1893 - 1987)

Narciso Yepes (1927 - 1997)

Julian Bream (1933 - )

Andrés Segovia (1893 – 1987)

Narciso Yepes (1927 – 1997)

Julian Bream (1933 – )

Der nächste, ebenso spanische Gitarrist ist Narciso Yepes (1927 – 1997). Von ihm habe ich das Album: „Nächte in spanischen Gärten“ aus dem Jahre 1971. Neben spanischen Komponisten finden wir hier auch Bach, u.a. auch das bereits angesprochene kleine Stück: Bourree:


Narciso Yepes plays Bach ’s Bourree BMV 996

Ebenfalls auf dem genannten Album findet sich ein Stück des spanischen Komponisten Francisco Tárrega, das ich sehr persönlich als Andenken an die Alhambra in Granada betrachte, so auch der spanische Titel:


Narciso Yepes – Recuerdos de la Alhambra (Francisco Tárrega)

Last but not least: Julian Bream, den 1933 in London geborenen Gitarristen und Lautisten, dem nach eigener Aussage die Gitarre Beruf, die Laute aber geliebtes Hobby ist. Von ihm habe ich das Doppelalbum: „Gitarrenmusik aus drei Jahrhunderten“ aus dem Jahre 1972. Auch hier findet sich natürlich Johann Sebastian Bach.

Von Bream habe ich wiederum zwei Stücke ausgesucht, eines davon auf der Laute gespielt. Zunächst, wie sollte es schon anders sein, nein nichts von Bach, sondern wieder etwas Spanisches, von Federico Morena Torroba (1891 – 1982) den 1. Satz des „Sonatina“:


Julian Bream – Federico Moreno Torroba – Sonatina, 1st mov.

Und hier das Lautenstück: David Solomons „My Lord Willoughby’s Welcome Home“:

My Lord Willoughby’s Welcome Home – played by Bream (Lute)

Für alle drei Gitarristen haben diverse Komponisten eigene Stücke geschrieben, die dann auch von diesen uraufgeführt worden. Welcher Musiker kann sich schon dieser Ehre rühmen.

Ausgangspunkt dieses Beitrags war die rockige und statt auf der Laute oder Gitarre auf der Querflöte von Ian Anderson gespielte Interpretation des kleinen Bourree-Stückes. So will ich diesen Beitrag auch rockig beenden. Ich muss gestehen, den schwedischen Rockgitarristen Yngwie Malmsteen erst im Zusammenhang mit meinen Beiträgen zu den 100 größten Gitarrensolos der Rockmusik kennen gelernt zu haben. Dort belegte er den 31. Platz (siehe: 100 größten Gitarrensolos der Rockmusik – Plätze 31 – 40). Auch er hat sich an Bourree gewagt, wie das letzte Video für heute zeigt und hören lässt (Johann Sebastian vergebe mir):


Yngwie Malmsteen Guitar Solo and „Bouree“