Meine vormalige Lieblingsgruppe Jethro Tull habe ich zuletzt etwas vernachlässigt. Okay, viel kam zuletzt nicht vom Mastermind der Gruppe (und dem einzigen ‚Überlebenden‘ der Anfangsformation), Ian Anderson: 2012 Thick as a Brick 2 unter dem sperrigen Namen Jethro Tull’s Ian Anderson und 2014 Homo Erraticus als Soloalbum.
Dazwischen erschienen die von Steven Wilson neu abgemischten (auch in 5.1-Ton auf DVDs erhältlich) bis 1980 veröffentlichten Alben der Gruppe, die ich in diesem Blog (bis auf die Alben Heavy Horses und Stormwatch) besprochen habe.
Jethro Tull: A Passion Play (An Extended Performance)
Jethro Tull: War Child 40th Anniversary Theatre Edition
Jethro Tull: War Child 40th Anniversary Theatre Edition (2)
Jethro Tull: Minstrel in the Gallery – 40th Anniversary La Grande Édition
Jethro Tull: Too Old to Rock ’n‘ Roll, Too Young to Die! (1976) – Box-Set
Jethro Tull: Songs from the Wood – The Country Set (40th Anniversary Edition)
Give us an ‚A‘
Das letzte mehr oder weniger reguläre Album unter dem Namen Jethro Tull war das Christmas Album aus dem Jahr 2003. Bis auf die anfangs genannten zwei Alben durfte der eingefleischte Tull-Fan gut 18 Jahre warten, bis nun die angeblich große Rock-Überraschung gleich zu Beginn des neuen Jahres 2022 alle von den Hockern riss: Jethro Tull sind zurück!
„Unter dem glorreichen alten Bandnamen legt Ian Anderson mit “The Zealot Gene“ ein reinrassiges Rockalbum vor, das sich unter Bezugnahme auf die biblischen Zeloten um moderne „Eiferer“ – Fanatiker und Populisten – sowie den Hass in den sozialen Medien dreht, der das Klima in der modernen Gesellschaft in zunehmendem Maße vergiftet.“
Jethro Tull (Ian Anderson): The Zealot Gene (mit Willi)
Das erste unter dem Namen Jethro Tull veröffentlichte Werk seit 2003 The Zealot Gene ist ein harter Brocken: Da wimmelt es nur so von Bibelreferenzen und Bezügen auf die in Zeiten von Corona-Verschwörungstheoretikern und „Lügenpresse“-Rufern zunehmend gespaltene Gesellschaft, in der der Fanatismus Blüten treibt. Bekanntlich ist Ian Anderson noch nie vor kontroversen Themen zurückgeschreckt: Bereits auf dem großen Tull-Werk „Aqualung“ (1971) packte er das heiße Eisen „Einfluss und Macht organisierter Religion auf die Menschen“ an. Mit dem Prog-Konzeptalbum „Thick As A Brick“ (1972) führte er den Fan- und Medienrummel mit all seinen absurden Wirklichkeitsverzerrungen und Heilserwartungen vor und machte sich zugleich über ebenjenes (über-)ambitionierte Genre lustig. Auf „War Child“ (1974) warnte Anderson inmitten der bequemen Konsumgesellschaft vor den Folgen des Krieges und bereits auf „Stormwatch“ (1979) vor einem Klimawandel.
(Quelle: Rock Magazin eclipsed – Heft Nr. 237 Februar 2022)
„Ich denke, wir haben als Teil unseres menschlichen Daseins eine innere Wut, die so viel von unserer Identität bestimmt. Fast jedem von uns ist die Tendenz eingepflanzt [hier als Zealot Gene, also Zeloten-Gen], sich über ein Thema zu ärgern, von dem wir besessen sind. Allzu leicht öffnen wir unsere Türen der Indoktrination durch fromme Gesänge und zersetzenden parteipolitischen Extremismus, lassen Vorurteile, Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikalen Konservatismus herein. Es ist fast so, als ob wir eine genetische Komponente hätten, die uns zu diesen subintellektuellen Graffiti treibt, die heutzutage aus der Spraydose der sozialen Medien freigesetzt werden.“
Ian Anderson (Jethro Tull)
Nebenbei erklärt: Der Begriff Zelot (von altgriechisch ζηλωτής zelotes, ‚Eiferer‘; hebräisch קנאי kanai) leitet sich von der biblischen Person Pinchas ben Eleasar, einem Enkel Aarons, ab, der ein religiöser Eiferer war und mit dem Speer in der Hand „für seinen Gott eiferte“. Dies tat er, indem er einem anderen Israeliten, der sich mit einer fremden Frau eingelassen hatte, in dessen Zelt folgte und ihn und die Frau mit seinem Speer durchbohrte (4. Buch Mose, 25). Im Folgenden wurden bestimmte religiöse jüdische Eiferer jahrhundertelang als Zeloten bezeichnet.
In der deutschen Bildungssprache wird die Bezeichnung Zelot heute manchmal auch allgemein für einen Eiferer oder Fanatiker verwendet, jedoch nach wie vor üblicherweise für einen religiös motivierten. (Quelle: wikipedia.de)
Aber zurück zum Album:
Ich musste schon lächeln, als ich einige Kritiken von Fans las, die zwischen Begeisterung (Bestes Album der Gruppe) bis zum genauen Gegenteil (das Schlechteste …) gehen. Ich selbst würde es zwar auch eher zu den (ich sage mal) weniger guten Scheiben zählen. Aber bei den vielen guten Alben von Jethro Tull kann das nicht verwundern. Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die Stimme von Ian Anderson ist im Eimer! Aber er schafft es, durch eine Art Sprechgesang das Schlimmste zu vermeiden. Ein ganzes Album lang ist das dann aber doch ziemlich ‚ermüdend‘.
Wie schon bei den letzten zwei Scheiben (ich zähle die ‚Soloalben dazu) sind zwar die Musiker, Ian Anderson mit Flöte und weiteren Instrumenten, gut drauf, ohne Zweifel. Aber irgendwie erscheinen mir die Lieder, hört man das ganze Album am Stück, doch irgendwie gleich. Das ist natürlich nicht ganz richtig. Es liegt nach meiner Meinung daran, dass Andersons Kompositionen aus vielen kurzen Versatzstücken bestehen. Es fehlt für mich der melodische ‚Fluss‘, der ‚Bogen‘, der verbindet und erst so ein Lied kreiert.
Zu den Texten habe ich oben bereits etwas fremdzitiert. Ich habe mich schon immer etwas schwer mit den lyrischen Ergüssen des Meisters getan. Vieles ist für mich reichlich verschwurbelt, wenn vom Sinn hin gerade noch nachvollziehbar. Und mit Zealot Gene ist es kaum besser, hier der Text des Titelsongs:
The Zealot Gene
Half of us are in the apple
Half of us are in the pie
All of us are in the pudding
When the last bus has gone by
Someone has to take the high road
Someone has to make the bed
No one has the right to tell you
To lie down when all is said
The black and white, the stereotype
The polarising pitch at play
While some of us sit in between
Interminable shades of grey
No need to walk the tightrope
Set out on that great divide
The balance scales may tremble
But the featherweights are on our side
Carrying the Zealot gene
Right or left, no in between
Beware, beware the Zealot gene
Naked flame near gasoline
The populist with dark appeal
The pandering to hate
Which xenophobic scaremongers
Deliver on a plate
To tame the pangs of hunger
And satisfy the lust
Slave to ideology
Moderation bites the dust
Bee buzzing in your bonnet
And a wasp right up the bum
A V-8 under hood
A cocked hammer under thumb
Ear-splitting twitter thunder
And a screaming banshee wail
You got too many opinions
And a tom cat by the tail
Carrying the Zealot gene
Right or left, no in between
Beware, beware the Zealot gene
Naked flame near gasoline.
Jethro Tull: The Zealot Gene (2022)
Ich habe mich erst gar nicht daran gewagt, den Text selbst zu übersetzen und bediente mich so des Google Übersetzers:
Das Zelot-Gen
Die Hälfte von uns steckt im Apfel
Die Hälfte von uns steckt im Kuchen
Wir alle stecken im Pudding
Wenn der letzte Bus vorbeigefahren ist
Jemand muss die Hauptstraße nehmen
Jemand muss das Bett machen
Niemand hat das Recht, es dir zu sagen
Sich hinzulegen, wenn alles gesagt ist
Das Schwarz-Weiß, das Klischee
Die polarisierende Tonhöhe im Spiel
Während einige von uns dazwischen sitzen
Unzählige Grautöne
Keine Notwendigkeit, die Gratwanderung zu gehen
Machen Sie sich auf den Weg zu dieser großen Kluft
Die Waage kann zittern
Aber die Federgewichte sind auf unserer Seite
Träger des Zealot-Gens
Rechts oder links, kein dazwischen
Vorsicht, Vorsicht vor dem Zealot-Gen
Offene Flamme in der Nähe von Benzin
Der Populist mit dunklem Appeal
Die Anbiederung an Hass
Welche fremdenfeindlichen Panikmacher
Auf einem Teller anrichten
Um den Hunger zu zähmen
Und die Lust stillen
Sklave der Ideologie
Moderation beißt ins Gras
Biene summt in deiner Motorhaube
Und eine Wespe direkt im Hintern
Ein V-8 unter der Motorhaube
Ein gespannter Hammer unter dem Daumen
Ohrenbetäubender Twitter-Donner
Und ein kreischendes Banshee-Geschrei
Du hast zu viele Meinungen
Und einen Kater [im Sinne von Katzenjammer] am Schwanz
Träger des Zealot-Gens
Rechts oder links, kein dazwischen
Vorsicht, Vorsicht vor dem Zealot-Gen
Offene Flamme in der Nähe von Benzin
Was gemeint ist, sollte schon klar sein. Aber eben etwas lyrisch zu sehr verbrämt. Jedem Lied sind Bibelzitate zugeordnet, dem Titelsong (der Vollständigkeit halber) die beiden folgenden:
Numbers 25:7-11 (Numeri – 4. Buch Moses)
7 Als das der Priester Pinhas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, sah, stand er mitten in der Gemeinde auf, ergriff einen Speer, 8 ging dem Israeliten in das Zeltinnere nach und durchbohrte beide, den Israeliten und die Frau, durch ihren Bauch. Danach nahm die Plage, die die Israeliten getroffen hatte, ein Ende. 9 Im Ganzen aber waren vierundzwanzigtausend Menschen an der Plage gestorben. 10 Der HERR sprach zu Mose: 11 Der Priester Pinhas, der Sohn Eleasars, des Sohnes Aarons, hat meinen Zorn von den Israeliten abgewendet, weil er mitten unter ihnen Eifer für mich bewiesen hat. So musste ich die Israeliten in meinem leidenschaftlichen Eifer nicht umbringen.
Ezekiel 9:4-7 (Esekiel 9:4-7)
4 Der HERR sagte zu ihm: Geh mitten durch die Stadt, mitten durch Jerusalem und schreib ein Taw auf die Stirn der Männer, die seufzen und stöhnen über all die Gräueltaten, die in ihr begangen werden! 5 Und zu den anderen hörte ich ihn sagen: Geht hinter ihm her durch die Stadt und schlagt zu! Eure Augen sollen kein Mitleid zeigen, gewährt keine Schonung! 6 Alt und Jung, Mädchen, Kinder und Frauen sollt ihr erschlagen und umbringen. Doch von denen, die das Taw auf der Stirn haben, dürft ihr keinen anrühren. Beginnt in meinem Heiligtum! Da begannen sie bei den Männern, den Ältesten, die vor dem Tempel waren. 7 Er sagte zu ihnen: Macht den Tempel unrein, füllt die Höfe mit Erschlagenen! Geht hinaus! Da gingen sie hinaus und schlugen in der Stadt zu.
Fazit: Es ist nun einmal ein Alterswerk, das Ian Anderson, inzwischen 74 Jahre alt (doch noch nicht älter?), vorlegt. Rund sechs Jahre soll er daran gearbeitet haben (durch die Corona-Pandemie zusätzlich verzögert). Natürlich ist es für einen Tull-Fan erfreulich, nach so langer Zeit wieder etwas von seiner Lieblingsgruppe zu hören. Vom Hocker reißt es zwar nicht (ist weder Fisch, noch Fleisch), aber immerhin ist es schon daher erfreulich, zu sehen und zu hören, dass der Meister sich ähnlich zu Vorurteilen, Fremdenfeindlichkeit und rechtsradikalen Konservatismus (und sicherlich auch zu Coronaleugnern) äußert wie ich. Und so grüße ich ihn mit ‚reibenden Ellenbogen‘.
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