Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Was ist bloß mit Ian los? Teil 81: Tull und Fogerty in Concert

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

inzwischen fand nun auch das Jethro Tull Konzert in Calw statt, und wie ich über das Laufi-Forum erfahren habe war es wohl schon über eine Woche vorher ausverkauft. Wie schön für Mr.Anderson! Ich hatte mir ja die Option offen gelassen, dort vielleicht auch noch hinzugehen, das hatte sich dann natürlich erübrigt – ohne Ticket. Ich hatte aber auch sowieso nach dem Konzert auf Kreta schon beschlossen, dass Calw nicht mehr unbedingt notwendig ist. Käme dagegen Mr. Fogerty nächste Woche noch einmal vorbei, wäre ich sofort wieder mit von der Partie. Der ist allerdings inzwischen längst nach Canada weiter gejettet. Also vielleicht noch ein kurzes abschließendes Resumee der beiden Konzerte im Vergleich.

Wenn man einmal den Gesamteindruck der beiden Bands betrachtet, dann fällt Einem doch auf, dass Jethro Tull einen ziemlich angegrauten Eindruck machen. Der Jüngste der Truppe wird wohl noch Mr. O’Hara sein, ich schätze ihn auf Ende 40. Er macht neben Mr. Anderson auch noch den lebhaftesten Eindruck, wirkt auf mich aber eher albern und kasprig. Von Doane Perry hinter seinem Schlagzeug sieht man kaum etwas, und die beiden Anderen sind weißhaarige Herren. Mr. Goodier wird wohl auch so um die 60 sein, und Mr. Barre wirkt auf mich bereits wie 70 – irgendwie erinnert er mich an Walter Ulbricht. Jedenfalls habe ich mich bei seinem Anblick unwillkürlich gefragt, ob man ihm nicht einen Stuhl bringen sollte – kann man von einem Herrn in diesem Alter noch erwarten, dass er fast 2 Stunden lang steht? Da kann Mr. Anderson hüpfen und tänzeln wie er will, insgesamt bleibt der Eindruck es zumindest teilweise mit Rentnern zu tun zu haben.

Die Mitglieder der Mannschaft von Mr. Fogerty werden alle etwa 20 bis 30 Jahre jünger sein als er, der Älteste ist vielleicht noch der Drummer mit Mitte 40. Der sieht aber aus wie ein Preisboxer und scheint auch eine entsprechende Kondition zu haben. Wie er sein Instrument bearbeitet hat mir erstmals ins Bewußtsein gebracht, dass Drummer wohl ein Knochenjob für Hochleistungssportler sein muss. Fogerty selbst wirkt 30 bis 40 Jahre jünger als er ist, und wenn dann gar noch die Kinder auf die Bühne kommen… Insgesamt hat man jedenfalls den Eindruck es mit einer fitten und frischen Truppe zu tun zu haben und macht sich nicht ständig insgeheim Sorgen, ob für den Ernstfall auch ausreichend Bahren und Rollstühle bereitstehen.

Apropos Rollstühle – wirklich sehr gelungen, Deine kleine Photomontage mit dem Ausblick auf Mr. Anderson’s weitere Bühnen-Karriere, lieber Wilfried. Und einfach genial, den Mikrophon-Ständer auch gleich für den Tropf zu verwenden. Ob Anderson allerdings wirklich gleich zwei Krankenschwestern braucht – man sollte ihn vielleicht auch nicht zu sehr verwöhnen…

Zurück zu unseren beiden Protagonisten. Was erwarten denn Fans von ihren bewunderten Idolen? Sie sind unsere Stellvertreter, die für uns auf der Bühne das sind oder tun, was wir selbst gern sein oder tun würden, aus welchen Gründen auch immer aber nicht können. Das was Mr. Anderson in den 70ern auf der Bühne geboten hat – wow, das war’s, das hätte ich auch gern gemacht! Aber der Mr. Anderson der heutigen Tage repräsentiert nichts mehr, das ich gerne sein oder tun wollte. Ich sitze da und frage mich: „Wer ist das?“, und ich habe keine Antwort. Er erscheint mir fremd, was in seinem Kopf vorgeht kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Und so springt da auch kein Funke über.

Was Mr. Fogerty betrifft, hatte ich schon vor ein paar Wochen beim Betrachten dieses Videos („Midnight Special“ live 1970 in London) plötzlich das seltsame Deja-Vu-Erlebnis als sähe ich mich selbst in meinem Schäfer-Outfit auf der Bühne herumspringen. Das ist bei Fogerty 2007 live („Old Man Down The Road“ in Paris) auch nicht anders, ich habe immer irgendwie das Gefühl mir selbst zuzuschauen. Ja, wenn ich da oben auf der Bühne stehen würde, dann würde ich es wohl genauso machen. (Blödsinn, ich würde vermutlich zittern wie Espenlaub, stottern, ständig über meine eigenen Füße stolpern – aber lassen wir das…)

Außerdem ist mir dieser Tage bewußt geworden, dass die Flöte des Mr. Andersons in einer Hinsicht auch ein Handikap darstellen kann. Bislang ist mir die Wahl dieses Instruments immer als reiner Geniestreich erschienen. Nicht nur dass die Flöte den einzigartigen und unverwechselbaren Sound von Jethro Tull geprägt hat, sie war darüber hinaus noch dekorativ, vielseitig als Requisit einsetzbar und ließ ihm auf der Bühne vollen Bewegungsspielraum. Während des Spielens musste er zwar auch am Mikrophon stehen, in den reichlichen Pausen dazwischen konnte er damit aber über die ganze Bühne toben, sie schwingen wie ein Schwert oder einen Zauberstab, damit drohen wie mit einem Knüppel, das Publikum dirigieren oder sonstige akrobatische Übungen vollbringen.

Schaut man sich dagegen Mr. Fogerty anno 1970 an, dann fällt auf mit welch kurzer Leine er über seine Gitarre mit dem Amp verbunden ist. Eigentlich sieht er aus wie ein Kettenhund, der an der Hütte hängt (heute sind solche Haltungsbedingungen übrigens aus Tierschutzgründen nicht mehr zulässig). Sein Bewegungsspielraum erstreckt sich vom Amp bis zum Mikrophon und zwei Schritte nach rechts oder links. Dazu hat er ständig dieses sperrige Instrument umhängen, das er auch noch bedienen muss. Da sind die Möglichkeiten für akrobatische Übungen doch stark begrenzt.

Der Fortschritt der Technik hat dazu geführt, dass Mr. Anderson heute an keinem Mikrophon mehr stehen muss und Mr. Fogerty an keinem Amp mehr hängt. Beide können während sie spielen mit ihren Instrumenten frei über die Bühne turnen, und das tun sie denn auch. Und jetzt fällt der Nachteil der Flöte auf, zumal Mr. Anderson heutzutage wesentlich mehr flötet als in den 70ern: Sie schränkt die Mimik doch erheblich ein. Es dürfte schwer sein beim Flöten zu lächeln, lachen würde ich für völlig unmöglich halten. Mr. Anderson versucht dies auszugleichen, indem er die verschiedensten Grimassen schneidet und mit den Augen rollt, aber so richtig komisch kann ich das nicht finden. Er wirkt dabei eher skurril, in Kombination mit dem schwarzen Kopflappen und dem dunkel gefärbten Bart sogar teilweise regelrecht finster. Solche Probleme hat Mr. Fogerty nicht. Er kann beim Gitarre Spielen ungehindert gute Laune verstömen, und genau das tut er auch (und außerdem hat die Gitarre auch noch den Vorteil, da ss sie den Bauch verdeckt…).

Fazit: Ein Konzert wird vor allem durch die Atmosphäre und die Stimmung zu einem Erlebnis. Dazu ist nötig: Gute Musik, guter Sound und ein oder mehrere Menschen auf der Bühne, die das mit Begeisterung rüberbringen. Was die musikalische Qualität betrifft ist für meinen Geschmack Jethro Tull die bessere Truppe, das gleicht John Fogerty durch den wesentlich besseren Gesang aber mindestens wieder aus. Der Sound war in beiden Fällen gut und dem Musikstil angemessen, durch die gutgelaunte und sympathische Art von John Fogerty kam aber deutlich mehr Stimmung auf. Mr. Anderson hatte völlig recht, als er vor ein paar Jahren in einem Interview sagte, das Publikum wolle auf der Bühne echte, authentische Menschen sehen. Wie das aussieht kann er sich bei John Fogerty anschauen.

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Lieber Wilfried, Du hast einiges zu meinem Fogerty Konzertbericht und dem Vergleich mit Mr. Anderson geschrieben, und in den meisten Punkten kann ich nicht mit Dir übereinstimmen. Vielleicht habe ich ja manches missverständlich ausgedrückt bzw. wichtige Details nicht erwähnt, so dass nicht deutlich werden konnte, was ich meine. Deshalb möchte ich einzeln auf Deine Bemerkungen eingehen und sie dazu zitieren.

Bekanntlich hinken Vergleiche. Und so kann man Herrn Fogerty schlecht mit Herrn Anderson vergleichen…

Die Vergleiche, die hinken, sind Vergleiche nach dem Prinzip „A ist eigentlich das Gleiche wie B“, denn zwei verschiedene Dinge sind nie wirklich gleich. Ich stelle aber ständig Vergleiche an nach dem Prinzip „A ist ganz anders als B“, und solche Vergleiche können nicht hinken. Sicher wird es Dich nicht wundern wenn ich sage, dass ich der Meinung bin man kann Mr. Fogerty hervorragend mit Mr. Anderson vergleichen, ich tue das nun schon seit zwei Monaten exzessiv und nach meinem Dafürhalten mit großem Erfolg (wenn ich mich hier auch einmal selbst loben darf…). Mir ist durch diese Vergleiche schon einiges klar geworden, das ich vorher nicht so deutlich gesehen habe, und nur dazu sollen sie ja dienen. Mr. Fogerty ist dafür deshalb so perfekt geeignet, weil er in praktisch jeder Hinsicht das exakte Gegenteil von Mr. Anderson zu sein scheint, es ist einfach faszinierend. Und wie ich schon einmal bemerkt habe: Manche Dinge erkennt man besser, wenn man sie vor einem kontrastfarbigen Hintergrund betrachtet. Mir geht es jedenfalls so.

Vielleicht klingen meine Ausführungen zu Mr. Fogerty immer wieder so, als wollte ich Mr. Anderson nahelegen ein zweiter Fogerty zu werden. Das wäre natürlich Blödsinn. Ein Fogerty genügt, einen zweiten brauche ich auch nicht, und es ist ja gerade das Phanastische, dass es nicht nur Anderson und nicht nur Fogerty gibt, sondern beide, und außerdem auch noch Mark Knopfler, Al Stewart, Cat Stevens (ja, mit denen bin ich auch noch nicht fertig, aber dazu ein andermal…) und noch viele Andere mehr. Eben Vielfalt und damit für jede Lebenssituation, jede Stimmung, jedes Bedürfnis die passende Musik und den passenden Musiker. Daran möchte ich bestimmt nichts ändern.

Herrn Anderson wird man wohl kaum in den Klamotten auf der Straße antreffen, mit denen er aufgetreten ist… Wie ist das mit Herrn Fogerty? Trägt er auch im normalen Leben Jeans, karierte Hemden und dazu sein ‚Markenzeichen’, das rote Halstuch? Vielleicht bevorzugt er in Wirklichkeit Designer-Klamotten?!

Ich weiß nicht, was Mr. Fogerty zuhause in seinem Wohnzimmer trägt, aber ich habe noch kein Bild von ihm gesehen (ob jetzt Konzert, Fernsehstudio, Interview, Preisverleihung, Händeschütteln mit Politikern oder Treffen mit Fans auf der Strasse), auf dem er etwas anderes angehabt hätte als irgendeine durchschnittliche Hose (meist Jeans) und irgendein durchschnittliches Hemd (kariert, gestreift, einfarbig, Jeanshemd, was auch immer, auf jeden Fall ohne Rüschen und nicht von Armani), eine zeitlang erschien er auch im Cowboy-Stil. Ob er das Halstuch nur zu Auftritten trägt, weiß ich nicht, das ist aber auch schnuppe, oder? Auf jeden Fall finde ich ein Halstuch als „Markenzeichen“ bedeutend sympathischer als eine Penisverlängerung per Flöte (hoffentlich kommt Deine Seite jetzt nicht auf den Index…). Im Gegensatz zu Mr. Anderson, der auf der Bühne deutlich andere Kleidung trägt als zuhause (schwarze Schlabber-Klamotten) oder auf der Strasse (irgendwas Durchschnittliches, meist auch schwarz), scheint die Kleidung des Mr. Fogerty wesentlich weniger zu variieren. Grundsätzlich würde ich von niemandem erwarten, dass er auf der Bühne das Gleiche trägt oder sich genauso benimmt wie auf der Strasse. Schließlich ist er nicht auf der Strasse, sondern auf einer Bühne. Und damit, ob er als Mensch „echt“ wirkt, hat das auch nichts zu tun.

Gut, sein Auftreten wirkt authentisch. Aber IST das wirklich der reale John Fogerty oder doch nur ein Trugbild …?

Diese Frage mutet fast philosophisch an. Vielleicht kann dieses Video etwas Licht ins Dunkel bringen. Es ist eine Live-Aufnahme von 1998 aus einem Fernsehstudio, und Fogerty sagt ein paar Worte zu seinem Song „Lodi“, bevor er ihn spielt. Man merkt, er ist unsicher, er fühlt sich nicht wohl in seiner Haut und wirkt geradezu schüchtern. So etwas spielt niemand. Das ist kein „Image“, das man sich „zulegt“. Das ist es, was ich mit „echt“ meine. Mr. Anderson hätte diese Worte sicher ganz anders vorgetragen. Anderson ist Schauspieler, Fogerty nicht. Wenn Fogerty „locker-flockig“ wirkt oder quietschvergnügt mit seiner Gitarre auf- und abhüpft, dann weil er sich gerade wirklich so fühlt, spielen kann der so etwas nicht. Der kann überhaupt nichts spielen (außer Gitarre natürlich, und das ist wohl auch das Einzige, das er spielen will).

Dass Mr. Fogerty im Prinzip ein unsicherer Mensch ist, merkt man auch beim Auftritt auf der Bühne. Er wirkt in der Anfangsphase nervös, flüchtet sich nach ein paar wenigen Worten in den nächsten Song. Singen kann er besser als reden. Ein Auftritt im Fernsehstudio vor ein paar handverlesenen Zuschauern, die ihn andächtig und still auf den Stühlen sitzend anstarren (wie im oben verlinkten Video), kommt ihm überhaupt nicht entgegen. Er braucht die Bestätigung durch das Publikum. Wenn er die bekommt, kann man ihm geradezu zusehen, wie er aufblüht. Es ist mir noch nie zuvor so deutlich bewußt geworden, wie die Reaktion des Publikums auf denjenigen wirken kann, der oben auf der Bühne steht – es ist eine Wechselwirkung, bei der sich die Stimmung gegenseitig hochschaukelt, bis nach ein paar Songs die pure Party herrscht. Dann, wenn Fogerty spürt, dass er die Herzen seines Publikums gewonnen hat, ist er „locker-flockig“ und bewegt sich auf der Bühne als wär’s sein Wohnzimmer, vorher nicht. So habe ich es jedenfalls erlebt, und ich halte das für echt.

Ganz abgesehen davon glaube ich, dass man rein intuitiv ziemlich genau spürt, ob jemand auf der Bühne etwas spielt, was er eigentlich nicht ist. Erst recht springt es beim direkten Vergleich ins Auge. Deshalb hier einmal drei „Versionen“ von Mr. Fogerty im Vergleich – welchen würdet Ihr für den echten halten? Den geschniegelten Dressman-Verschnitt von 1997, in einem Filmstudio aufgenommen (Old Man Down The Road – das habe ich mit Absicht gewählt, damit man den Vergleich mit der Version aus Paris 2007 hat). Der wirkt auf mich so künstlich wie die bonbonfarbigen Kulissen, vor denen er aufgenommen wurde, und von dem will auch überhaupt keine Stimmung rüberkommen. Ich finde diese Live-Aufnahmen zu „Premonition“ einfach fürchterlich, das ist Hollywood pur.

Dann ist Mr. Fogerty also vielleicht doch eher der große Heroe der Rockgeschichte, ein bißchen auf Mick Jagger getrimmt, 2005 im Wiltern Theatre in LA gefilmt (Fortunate Son)? Der wirkt nicht ganz so steril, aber überzeugen kann er mich auch nicht. Was ich dabei bemerkenswert finde ist die Tatsache, dass die professionellen Live-Aufnahmen von Mr. Fogerty alle einen Eindruck von ihm vermitteln, den er im tatsächlichen Live-Auftritt so nicht macht. Die Filmemacher sind offensichtlich darauf getrimmt, ihr „Objekt“ in einem (nach ihrem Dafürhalten) möglichst positiven Licht erscheinen zu lassen – hollywood-mäßig eben – und da kommt unterm Strich immer irgendwie ein geschniegelter Held raus. Durch Perspektive, Kameraführung und Schnitt kann man da wohl doch einiges machen, vielleicht gab es auch Regieanweisungen (im Filmstudio bestimmt). Den „echten“ Mr. Fogerty scheint man dem Publikum nicht zumuten zu wollen. Trotzdem kommt hier (Looking Out My Backdoor, ebenfalls 2005 in LA) doch zumindest teilweise etwas Natürlichkeit durch.

Wenn man wissen will wie Fogerty 2007 live tatsächlich wirkt, dann muss man sich ein Amateur-Video anschauen. Deshalb hier jetzt eine Aufnahme von einem „Privat-Auftritt“ (wohl vor seiner Studenten-Verbindung – leider ist der Sound teilweise miserabel) vom Juni diesen Jahres (ja, wenn man als Studenten-Verbindung so ein Mitglied hat, dann kann man schon mal eine Party steigen lassen…). Und da wirkt Fogerty so, wie ich ihn in Abenberg erlebt habe – kein großer Held sondern eher ein großes Kind, das tolpatschig über die Bühne turnt. Und gerade weil er so tolpatschig wirkt bin ich mir ziemlich sicher, dass er das nicht vor dem Spiegel einstudiert hat.

Ich stelle immer wieder fest wie wichtig es ist einen Vergleich zu haben, um sich ein Urteil bilden zu können. Vor dem Konzert in Iraklio hatte ich keinen Vergleich, mein letzter Konzertbesuch lag ca. 20 Jahre zurück, mein letztes Rockkonzert fast 30 Jahre. Da fällt einem vieles einfach nicht auf, weil man es für selbstverständlich hält. Erst nach dem Fogerty-Konzert ist mir klar geworden, was ich in Irakio alles nicht gesehen habe, bzw. dass ich garnicht weiß, was ich in Iraklio gesehen habe. Was von dem, das Mr. Anderson auf der Bühne aufführt, ist echt? Und mit „echt“ meine ich – ich denke das ist inzwischen deutlich geworden – spontaner Ausdruck der Persönlichkeit, der Gedanken oder Gefühle im aktuellen Augenblick.

Dieses Video (Thick As A Brick live 1972), dieses Video (Aqualung live 1975) oder
dieses Video (Songs From The Wood live 1977) zeigen mir einen „echten“ Menschen: Den original Ian Anderson in seiner Bühnen-Version. Was er tut ist nicht einstudiert und heruntergespult, darin steckt echte Begeisterung für die eigene Musik, sie wird „vorgelebt“. Das kann man spüren und das wirkt ansteckend. Aber was ist das (Bouree live 2007)? Ist da noch Begeisterung, Freude an der Musik und ein echtes, spontanes Bedürfnis, dazu zu „tanzen“, oder ist das nur noch Routine und Choreographie? Steht er nicht immer bei der gleichen Musikpassage auf einem Bein, weil das halt dazu gehört und vom Publikum mindestens x-mal erwartet wird?

Nur stellt sich die Frage, ob Ian Anderson auf der Bühne wirklich das darstellen möchte, was er ansonsten im wirklichen Leben ist, oder besser: sein muss. Ich denke nein. Eher versucht er sich auf der Bühne so zu geben, wie er ist (oder glaubt zu SEIN) …

Das sehe ich alles ein bißchen anders. Ich würde nicht unterscheiden in „wirkliches Leben“ und „Bühne“, sondern in Privatleben, Geschäftsleben und Bühne, und alle drei sind Bestandteile des wirklichen Lebens des Mr. Anderson. Im Privatleben ist er nach eigenen Angaben ein eher ruhiger und in sich zurückgezogener Mensch. Im Geschäftsleben wird er sich noch am ehesten an Normen anpassen müssen, was ihm aber vermutlich nicht schwer fällt, und auf der Bühne „lässt er die Sau raus“. Im Privatleben würde er es nie wagen sich so zu benehmen, wie er sich auf der Bühne benimmt, das heißt aber nicht, dass er im Privatleben „echter“ wäre als auf der Bühne oder umgekehrt. Es sind einfach zwei verschiedene Seiten seiner Persönlichkeit, die er an zwei verschiedenen Orten auslebt, da ist eine so wirklich und echt wie die andere. So war es jedenfalls in den 60ern und 70ern. Was das darstellen soll, was er heute auf der Bühne aufführt, weiß ich nicht so recht – siehe oben.

Weil sich in den Jahren sein Aussehen so dramatisch verändert hat, führt das natürlich dazu, dass, was früher glaubhaft wirkte, heute für viele wie ein schlechter Witz erscheint…. Ich stelle mir Ian Anderson in den Klamotten früherer Jahre vor (das Tampa-Kostüm lassen wir einmal außen vor): Sähe der gealterte Ian Anderson nicht ähnlich lächerlich aus?

Das käme auf’s Kostüm an, ein paar seiner Bühnen-Outfits waren eigentlich ziemlich „zeitlos“. Wie wär’s mit dem schottischen Clan-Chef oder diesem recht neutralen Anzug – langer Mantel hat ihm immer gut gestanden und macht schlank.

Ich fürchte fast, wir kritisieren Herrn Anderson, weil er alt geworden ist – optisch alt. Sein Bühnen-Outfit passt nicht mehr zu dieser äußeren Erscheinung, die er heute darstellt. Oder anders gesprochen: Herr Anderson genügt nicht mehr unseren Ansprüchen, Erwartungen, was auch immer.

Ich kritisiere Mr. Anderson nicht, weil er alt geworden ist. Wenn er tatsächlich alt geworden ist, dann sollte er sich allerdings auch entsprechend benehmen. Wenn er sich wie ein 30-Jähriger benehmen will, dann sollte er sich auch wenigstens entsprechend kleiden, damit man weiß woran man ist. Sein jetziges Bühnen-Outfit passt zu überhaupt nichts – zu keinem Alter und zu keinem Aussehen.

Aber machen wir hier nicht zu viel Wirbel um Äußerlichkeiten?

Bühnen-Auftritte sind eine Äußerlichkeit, sie haben Äußerlichkeiten zum Inhalt und man bezahlt Eintritt für diese Äußerlichkeiten. Sonst kann ich auch zuhause eine Platte auflegen, und dann ist es mir egal, was Mr. Anderson während der Studioaufnahmen getragen hat oder wie er sich benommen hat. Inzwischen glaube ich, dass ich – was Jethro Tull und Mr. Anderson betrifft – damit auch am besten beraten bin.

Gehen wir vielleicht nicht sogar Herrn Anderson auf dem Leim – oft genug kam die Weisheit in Form des Narrentums einher. Und macht sich nicht der zum Narren, der andere für einen solchen hält?

Dazu müsste in der Narretei irgendein Sinn oder eine Weisheit erkennbar sein. Welche Weisheit steckt in Penisverlängerungen? (Ich weiß, ich sollte dieses Wort jetzt wirklich nicht nochmal schreiben, sonst wird Dir noch der Webspace gesperrt – was schreibe ich bloß stattdessen?)

Wir denken zu wissen, wer wir sind und sind enttäuscht, wenn andere uns anders sehen. Aber wissen wir das wirklich? Sind wir nicht zu oft mit uns selbst beschäftigt … und haben uns dabei selbst längst aus dem Blick verloren? Aber jetzt werde ich philosophisch …

Im Prinzip glaube ich, dass die meisten Menschen schon sich selbst am besten kennen. Dass Andere einen häufig anders sehen, wird meistens daran liegen, dass sie niemals alles sehen können. Und wie man sich selbst aus dem Blick verlieren kann, wenn man sich mit sich selbst beschäftigt, verstehe ich jetzt nicht ganz, ich fürchte das ist mir wirklich zu philosophisch… 😉

In einem ähneln sich die beiden Herren. Beide haben ein ganz bestimmtes Image aufgebaut, so unterschiedlich es auch sein mag. Fogerty ist der Naturbursche, der locker-flockig seine Lieder herunterspult. Anderson dagegen der eher unnahbare Intellektuelle, der sich gern in kurioser Kostümierung zeigt.

Also erst einmal: Fogerty spult garnichts herunter, ich glaube das habe ich bereits deutlich gemacht. Ihm merkt man die Freude an seiner Musik an und sie wirkt echt. Wenn jemand spult, dann ist es Anderson, der hat auch viel mehr Routine darin. Unnahbar kann ich ihn aber auch nicht finden, eher eigenwillig. Einigen wir uns vielleicht auf „Fogerty, der nette Junge von nebenan“ und „Anderson, das intellektuelle Genie“ (die Bilder stammen aus Interviews, wie Du siehst, lieber Wilfried, nutze ich inzwischen exzessiv die Standbild-Technik – vielen Dank noch für den Tipp!).

Und jetzt fängt es aber erst an interessant zu werden, denn ein Image legt sich niemand von ungefähr zu, und es ist ja nicht so, dass es nichts mit dem Träger dieses Images zu tun hätte. Ein Image ist eigentlich nichts anderes als eine Erweiterung des Aussehens um eine Art Aura, die sich aus dem gewöhnlich zu erwartenden Verhalten einer Person ergibt. Das kann so weit von der tatsächlichen Persönlichkeit nicht entfernt liegen, sonst ist es schwer es längere Zeit aufrecht zu erhalten, und die beiden Herren halten ihres jetzt schon seit 40 Jahren aufrecht. So ein Image sagt etwas darüber aus, welche Reaktionen seiner Umwelt der Träger des Images erzielen möchte, und es spiegelt seine Ansprüche und Erwartungen an sein Ansehen wider.

Die Ansprüche des Mr. Anderson an sein Ansehen sind offensichtlich hoch. Er erscheint uns als „Minstrel“, also als Musiker für die feinen Herrschaften, als Landbaron und als schottischer Clan-Chef, aber auch als Hexenmeister, Astronaut oder gar als Superman (oder was sonst soll dieses Tampas-Kostüm bedeuten, eine Ähnlichkeit mit einem Superman-Anzug ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen). Offensichtlich hat er ein Anerkennungs-Defizit. Und ich vermute, dass dies in seinem suboptimalen schulischen Erfolg begründet ist, der wohl den Ansprüchen und Erwartungen seiner Familie (und vielleicht auch seinen eigenen) nicht genügen konnte.

Was den Bildungsstand des Mr. Anderson angeht, bin ich nämlich anderer Meinung als Du, lieber Wilfried. Die spärlichen Informationen aus Wikipedia, die Du zitiert hast, waren mir auch bekannt, nur interpretiere ich sie anders. Wenn Mr. Anderson ab 1964 (ich nehme mal an, ab Herbst) ein College of Art besucht hat, dann wird er wohl vorher die Schule verlassen haben, also vermutlich vor den Sommerferien. Da war er 16 Jahre alt. Glaubst Du wirklich, dass Mr. Anderson im Alter von 16 Jahren Abitur gemacht hat? Ich kenne das britische Schulsystem nicht im Detail, aber ich nehme mal an man kommt auch dort mit 6 Jahren in die Schule und muss bis zum Abitur 12 Klassen absolvieren, macht 18. Sollte Mr. Anderson so hochbegabt gewesen sein, dass er ein oder zwei Schuljahre übersprungen und schon mit 16 ein Abitur abgelegt hätte, dann wäre das doch sicher irgendwo besonders erwähnt, oder? Kunst und Musik kann man auch mit mittlerem Bildungsabschluss studieren, dazu braucht man kein Abitur. Und einen unserer Mittleren Reife vergleichbaren Abschluss wird er nach 10 oder 11 Jahren Grammar School (da will ich mich nicht festlegen, da ich den britischen Stichtag für die Einschulung nicht kenne) wohl haben.

Anerkennung findet man in jungen Jahren vor allem durch gute schulische Leistungen, jedenfalls in einem Elternhaus, in dem die Kinder „auf Erfolg getrimmt“ werden (wie es Anderson ja selbst ausgedrückt hat). Seine wenig erfolgreiche Schulkarriere und das vermutlich damit verbundene geringe Ansehen in seiner Familie (womöglich ist er der Einzige ohne Abitur) scheint ihn bis heute zu belasten. Und so tut er alles um möglichst gebildet und intellektuell zu wirken, damit man ihm diesen Mangel nicht mehr anmerkt. Außerdem muss er ständig sich und seiner Umwelt beweisen, dass er dafür auf anderen Gebieten der Beste und Größte ist – das Thema hatten wir ja bereits.

Schauen wir uns im Gegensatz dazu Mr. Fogerty an, dann fällt auf, dass er sehr geringe Ansprüche an sein Ansehen zu stellen scheint, man könnte auch sagen er hat überhaupt keine. Wer sich in Stallklamotten mit Bubikopf der Öffentlichkeit präsentiert, erwartet weder Ehrfurcht noch Bewunderung. Er will wirklich nur als der einfache, nette Junge erscheinen, offensichtlich hat er ein Beliebtheits-Defizit. Das könnte verschiedene Gründe haben. Wie ich an anderer Stelle schon einmal erwähnt habe war er wohl in seinem eigenen familiären Umfeld nicht besonders beliebt, weil er seinem in Ungnade gefallenen Vater zu ähnlich sah (ich kenne so einen Fall aus der eigenen Verwandtschaft, das ist für den Betroffenen nicht besonders komisch). Da Fogerty sich so betont schlicht, harmlos und volksnah gibt, wäre es möglich, dass er bereits die Erfahrung gemacht hat, dass man sich bei seinen Zeitgenossen unbeliebt macht, wenn man mehr kann, mehr weiß oder erfolgreicher ist als sie. Auch Perfektionisten, die an Andere dieselben Anforderungen stellen wie an sich selbst, bzw. am besten gleich alles im Alleingang selbst machen, weil Andere es doch nie gut genug hinbekommen, sind nicht gerade beliebt. Ich spreche hier gewissermaßen aus eigener Erfahrung, aber nach allem, was ich über Mr. Fogerty inzwischen weiß, müsste sich das mit seinen Erfahrungen decken. In seiner CCR-Zeit war er wohl aus diesen Gründen bei seiner eigenen Truppe nicht besonders beliebt.

Um es noch einmal kurz zusammenzufassen: Mr. Anderson, der geniale Intellektuelle, möchte von einer geistigen Elite akzeptiert, geachtet und bewundert werden. Dass er sich gleichzeitig durch seinen elitären Anspruch bei Vielen unbeliebt macht, scheint ihn nicht zu stören. Durch sein Image kaschiert er seinen eher mäßigen Bildungsstand und erzielt das Ansehen und die Anerkennung, nach der er strebt. Mr. Fogerty, der einfache, nette Junge, möchte möglichst von der ganzen Welt geliebt werden. Dass er sich dazu vielleicht etwas schlichter geben muss, als er eigentlich ist, und Manche deswegen auf ihn herabschauen, scheint ihm nicht weh zu tun. Durch sein Image kaschiert er die Tatsache, dass er ein eher introvertierter, zielstrebiger Perfektionist ist und in seinem privaten Umfeld eher unbeliebt und isoliert.Wie man sieht, kann so ein Image auf den ersten Blick täuschen, bei genauerer Betrachtung aber doch einiges über seinen Träger verraten. Im Prinzip stellt es bei beiden Herren genau das als Stärke heraus, was eigentlich ihre Schwäche oder besser gesagt ihr „wunder Punkt“ ist. Und mit diesen Worten beschließt Frau Professor Dr.h.c. Kretakatze ihre heutige Psychologie-Vorlesung. Sie hofft, niemanden in seinem wohlverdienten Urlaub über Gebühr angestrengt zu haben.

Lieber Lockwood, bevor ich meinen heutigen Beitrag beende möchte ich mich bei Dir für die zahlreichen Komplimente bedanken, mit denen Du mich in letzter Zeit bedacht hast – ich weiß ja garnicht, wie mir geschieht. Meine Kritik an Mr. Anderson ist erfrischend – ob er das auch so sähe? Mein Konzertbericht ist plastisch – offensichtlich hat sein Inhalt doch zu Missverständnissen geführt, oder zumindest ist nicht wirklich deutlich geworden, was ich zum Ausdruck bringen wollte. Meine „kretischen Erzählungen“ könnten jeden Reiseberichterstatter vor Neid erblassen lassen – ooh – wegen ihrer Länge – ach so. Ja, ich hatte viel Zeit… Aber es war ein wirklich schöner, erholsamer Urlaub, so einen könnte ich gleich nochmal brauchen. Nach 4 Wochen Arbeit ist die Erholung inzwischen dahin.

Noch kurz ein paar Worte zu Deiner Verwunderung darüber, dass ich über mein eigenes Bild überrascht war. Vielleicht ist es eine Erklärung wenn ich sage, dass es von mir kaum Photos gibt, bis zu diesen Aufnahmen war mein neustes Bild ein Passphoto aus dem Jahr 2001. Natürlich sehe ich mich jeden Tag beim Zähneputzen im Spiegel, aber da sehe ich immer das Gesicht mit dazu, und dem sieht man schon an, dass ich keine 15 mehr bin. Eigentlich sieht man sich selbst doch kaum jemals mit Abstand, oder?

Liebe Grüße an Euch beide, ich hoffe Euer Urlaub ist so erholsam wie meiner war
Kretakatze

PS.: Vor einiger Zeit habe ich an dieser Stelle einmal die rhetorische Frage gestellt, was ich hier eigentlich tue und warum ich mir seit Wochen die Finger wund schreibe. Inzwischen ist es mir langsam klar geworden (Euch ist es wahrscheinlich schon viel länger klar): Lieber Wilfried, ich bin anscheinend gerade auf einem Selbstfindungs-Trip und mißbrauche dafür Dein Weblog.

Ich muss sagen, so ein Selbstfindungs-Trip ist garnicht so übel, und ich könnte mir vorstellen, dass Mr. Anderson auch mal einen brauchen könnte. Irgendwo zwischen 1980 und 1990 muss er sich verloren haben, es wäre Zeit, dass er sich mal wieder findet. Vielleicht sollte man ihm einen zum Geburtstag schenken? Leider kenne ich kein Reisebüro, das solche Trips im Angebot hätte. Da muss man sich schon als Individualreisender selbst auf die Socken machen, Schreibmaschinchen nicht vergessen. Es ist eine Abenteuer-Reise, man weiß morgens nie, wo man abends sein wird. Und das geht so: Man schreibt einfach unreflektiert allen Mist auf, der einem gerade durch den Kopf geht, und schickt das zur Veröffentlichung an Willi. Das macht richtig Spaß!

Was ist bloß mit Ian los? Teil 80: Das „gefühlte“ Alter & John Fogerty live

Seid gegrüßt, meine lieben Freunde !

Tja, Wilfried, die Danksagung von Mrs. Bush an Dave Palmer ist ein weiteres Beispiel für meine selektive Wahrnehmung. Der durchschnittliche Homo Sapiens Sapiens hört und sieht das, was er kennt und / oder hören und sehen will. Ich freue mich natürlich für Mr. Del Palmer, dass er aus so berufenem Munde gewürdigt wird; eine Würdigung von Mrs. Bush in Richtung Dave Palmer wäre ja auch zu schön gewesen.

Der Vollrausch ist bei Shane McGowan seit vielen Jahren der Normalzustand. Jeden Tag besoffen ist auch ein geregeltes Leben. Kannst Du sagen, wie lange der Konzertbesuch Deines Schwagers zurückliegt ? Ich las irgendwo, dass Mr. McGowan eine neue Freundin habe und deshalb mit dem Alkohol etwas verantwortungsvoller umgehen wolle. Es waren sogar neue Zähne im Gespräch.

Ein betrunkener McGowan auf der Bühne ist eine Zumutung für Augen und Ohren. Wie so oft bei mir schätze ich bei ihm seine früheren Auftritte und seine Fähigkeiten als Songwriter. Durch den jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch ist er ziemlich aufgequollen; er sieht aus, als wäre er vier Wochen im Wasser getrieben. Ähnlich wie bei Mr. Anderson ist es die ruhmreiche Vergangenheit, die mich als Fan an seine Werke bindet.

Ach ja, Mr. Anderson: Ein Foto von den Auftritten im diesjährigen Sommer ziert bereits seine Wikipedia-Seite.

Gestern schauten meine Söhne im TV „Die Simpsons“, als sie mich plötzlich aufgeregt zum Fernseher riefen: Im Abspann der Sendung lief „Thick As A Brick“ ! Mr. Anderson begegnet uns an den unerwartetsten Stellen; zuerst im „Tatort“, jetzt bei den „Simpsons“.

Nun zu Deinem letzten Beitrag, liebe Kretakatze:
Dass Frauen in der Rockmusik unterrepräsentiert sind, kann ich mir nur so erklären: Rockmusik als solche ist für das schöne zarte Geschlecht zu grob, zu rau, zu laut, zu primitiv. Wenn in diesem Metier doch mal eine Frau eine bedeutende Rolle spielt, dann ist es ein so herber Typ wie Patti Smith.

Kate Bush würde ich nicht als Rock-Musikerin bezeichnen. Allgemein wird ihre Musik als Popmusik bezeichnet; dieses Etikett gefällt mir aber auch nicht. Popmusik klingt irgendwie nach Michael Jackson. Für ihre Musik habe ich noch keine passende Bezeichnung gefunden. (P. Smith / K. Bush – meine Gedankensprünge werden immer gewagter)

Vorschläge für Andersons neue Garderobe: Ich habe kein Bild greifbar, das ich Euch präsentieren könnte. Ich muss es mit einer verbalen Beschreibung versuchen. Ein schickes unifarbiges, nicht zu enges Hemd vom Designer, eine passende Weste hierzu, dunkle Hose, von mir aus eine Reithose mit Schaftstiefeln (die hat er in seiner Vergangenheit so gerne getragen). Wenn es denn unbedingt sein muss, kann er seinen breiten Scheitel mit einer angemessenen (!) Kopfbedeckung kaschieren. Es gibt sehr schöne Hüte, Kappen oder Baretts. Der Kerl kann, wenn er will. Auf dem Cover von „Rupi’s Dance“ zeigt er uns, dass er auch edlen Zwirn tragen kann !

Liebe Kretakatze, an dieser Stelle möchte ich Dir ein Kompliment machen: Du verstehst es, auf erfrischende Weise Kritik an Mr. Anderson anzubringen. Hier ist keine Spur von unkritischer Anbetung zu finden. Deine Urteile sind in einer Art „respektlos“, die ich gern häufiger lesen würde. Genau dazu sind wir in diesem Forum angetreten. Also, weiter so !!

Ein Wort zu Cat Steven’s „Tuesday’s Dead“: Das Liedchen ist ganz nett. Auf dem gelinkten Video fällt mir seine Gitarre auf. Sie ist ziemlich groß, die Zargen sind aus dem gleichen hellen Holz wie der Rest des Korpus. Von der Seite aus betrachtet sieht das Instrument aus wie ein Fichtensarg. Möglicherweise hat er sie gewählt, damit sie zum Titel passt.

Meinen Urlaub verbringen wir traditionsgemäß zu Hause. Das schont Nerven und Kasse. Ende Mai haben meine drei Söhne neue Fahrräder bekommen, richtig „große“, mit 28″ – Bereifung. Sie sind jetzt in der Lage, längere Strecken zu fahren als auf ihren Kinderrädchen. Dadurch habe ich meine verloren geglaubte Leidenschaft fürs Radeln wiederentdeckt. Ich habe mein altes Bike beim Händler zur Kur geschickt und nun hoffe ich, im Urlaub einige schöne Touren machen zu können. Mein altes Rad ist acht Jahre alt und ich habe geplant, bevor ich an Alterschwäche sterbe, ein Neues anzuschaffen. Ich bin in letzter Zeit viel im Internet unterwegs, um mir ein wenig Marktransparenz anzueignen. Aber diese Überlegungen sind noch rein strategischer Natur; das alte treue Rad muss noch ca. zwei Jahre halten.

Lieber Wilfried, falls wir nichts mehr von einander lesen sollten, wünsche ich Dir und den Deinen einen wunderschönen entspannenden Urlaub !

Bis bald
Lockwood

13.07.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun habe ich mir also doch noch das Kontrastprogramm zu „Jethro Tull auf Kreta“ gegönnt. Nicht Sonnenschein und 40°C im Schatten sondern wolkenverhangener Himmel bei 15°C. Nicht Samstag, Urlaub, Zeit en masse sondern Mittwoch, Arbeit, Hetze. Nicht bequemer Sitzplatz im Gartentheater an historischer kretischer Stadtmauer sondern ölsardinenmäßiger Stehplatz im Open Air zwischen deutschen Burgmauern. Und natürlich nicht zuletzt: Nicht Jethro Tull sondern – Ihr werdet’s schon ahnen – John Fogerty.

Ich hatte bis zuletzt geschwankt, ob ich mir dieses Konzert auch noch antun sollte, Gründe dagegen waren meine knappe Zeit, die nicht unbeträchtliche Entfernung und das miese Wetter. Von vornherein war für mich nur das letzte Konzert von Fogerty’s diesjähriger Deutschlandtour in Frage gekommen, der Open Air Auftritt am 11.07. auf der Burg Abenberg bei Nürnberg. Aber das sind von mir aus auch ungefähr 150 km Entfernung und knapp 2 Stunden Fahrzeit. Dazu herrschte bei uns am Montag und Dienstag praktisch Dauerregen. Das sah alles nicht besonders einladend aus.

Am Mittwoch erschien das Wetter aber etwas besser, es war zwar wolkig aber zumindest trocken, und so entschloss ich mich kurzfristig es doch zu wagen. Nachmittags um 16 Uhr verlies ich – für meine Kollegen unerwartet früh – meinen Arbeitsplatz und machte mich auf Richtung Nürnberg, natürlich mal wieder ohne Ticket. Die lange Autofahrt nutzte ich dazu bei voller Lautstärke Musik zu hören und mitzugrölen, und so war ich bereits leicht heiser, aber bester Stimmung, als ich exakt um 18 Uhr in Abenberg auf die als Parkplatz ausgeschilderte Wiese fuhr.

Abenberg ist wirklich ein romantisch gelegenes Dörfchen, in dessen Mitte malerisch die Burg tront – oder ist es eher eine romantische Burg, um die herum sich malerisch einige Häuser scharen? So genau kann ich das nicht sagen. Auf jeden Fall fiel mir beim Anblick der Burg sofort auf, dass ich meine Kamera vergessen hatte. Ihr werdet also keine selbstgemachten Bilder von mir zu sehen bekommen. Dabei hätte ich diesmal vielleicht wirklich brauchbare Bilder schießen können, denn Fogerty trat noch bei Tageslicht auf – das hätte vielleicht sogar meine Kamera geschafft. Stattdessen habe ich mir erlaubt einige Bilder von der Website www.creedence-choogle-rockers.de zu verlinken. Sie stammen alle vom Abenberg-Konzert und sind besser als ich es je hinbekommen hätte. Aber machen wir mal der Reihe nach.

Es hatte sich bereits eine nicht unerheblich lange Schlange vor der Burg gebildet, deren genaue Länge ich nicht abschätzen konnte, da der Eingang der Burg nicht zu sehen war. Die Suche nach einer Abendkasse blieb mir erspart (es gab wohl auch gar keine, jedenfalls habe ich nirgends eine gesehen – vermutlich war ausverkauft), da an der Schlange ein Mann entlang lief der fragte, wer noch Karten brauchen könnte. Ich meldete mich sofort. Er meinte die Karten hätte sein Freund, der demnächst vorbei käme. Ich solle mich schon mal in die Schlange stellen. Ich tat wie mir geheißen war.

30 Minuten später stand ich immernoch an gleicher Stelle in der Schlange und hatte immernoch kein Ticket. Was wäre doch so ein Konzert ohne den Nervenkitzel der Unsicherheit, ob man reinkommt oder nicht? Inzwischen hatte ich erfahren, dass eigentlich ab 18 Uhr Einlass sein sollte. Es war 18:40 Uhr und bis jetzt hatte sich die Schlange noch nicht einen Zentimeter bewegt. Andererseits war ich gottfroh darum. Hätte sie sich in Bewegung gesetzt, solange ich kein Ticket hatte, wäre ich vermutlich wirklich ein wenig nervös geworden.

Um 18:45 Uhr erschien schließlich tatsächlich der Kerl mit den Karten. Werden solche Eintrittskarten eigentlich manchmal auch gefälscht? Es war ein „Eventim“-Ticket, das er mir in die Hand drückte, und es stand 50 EUR darauf. Mehr wollte er auch nicht dafür. Ich hatte bei Eventim im Internet schon nach Karten geschaut, dort sollten sie 52,50 EUR zuzüglich Versand kosten. Das kam mir irgendwie komisch vor. Aber ich hatte weder Zeit noch Lust länger darüber nachzudenken, denn inzwischen war Leben in die Schlange gekommen. Meine dumpfe Befürchtung, mein Ticket könnte am Einlass als Fälschung erkannt werden, erwies sich als unbegründet, und so stand ich ca. 19 Uhr im Burghof und stellte fest, dass mir der Magen knurrte. Ich hatte nichts zu essen dabei.

Zum Glück hatte man auf diesem Open Air Event offensichtlich mit gedankenlosen Menschen wie mir gerechnet, der Burghof war mit Getränke- und Imbissbuden gesäumt. Ich entschied mich für eine labbrige Pizzaschnitte und versuchte dann mir einen günstigen Platz vor der Bühne zu sichern. Da ich auch in kleinere Lücken passe, konnte ich mich noch bis auf etwa 3 oder 4 Meter an die Bühne heranarbeiten. Im Prinzip war ich vermutlich näher an der Bühne als in Iraklio. Allerdings ist halt die Übersicht bei solchen Steh-Veranstaltungen deutlich schlechter. Ein bzw. zwei Reihen vor mir standen zwei Männer, denen ich gerade mal knapp über die Schulter schauen konnte. Meistens hatte ich allerdings einen ganz guten Blick zwischen beiden hindurch direkt aufs Mikrophon. Auch nach rechts hatte ich freien Blick auf die Bühne.

Im Publikum waren nahezu alle Altersklassen vertreten, allerdings mit einem deutlichen Schwerpunkt bei Männern über 40. Frauen waren in der Minderzahl und wenn dann nur in Begleitung von Männern anzutreffen. Jugendliche konnte ich nicht entdecken, was allerdings an der Location liegen könnte. Abenberg liegt 30 km von Nürnberg entfernt und ist nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Wer kein Auto hat ist aufgeschmissen. Das schließt Jugendliche unter 18 praktisch von der Teilnahme aus.

Die Vorband betrat um 19:29 Uhr die Bühne – das nenne ich deutsche Pünktlichkeit. Die sechs Jungs nennen sich Stanfour und kommen von der Insel Föhr. Der Ausdruck „Jungs“ war hier mehr als gerechtfertigt, mindestens 3 der 6 Bandmitglieder sind mit Sicherheit noch keine 20, der Jüngste könnte 16 sein. Nette Jungs, die mich an meinen eigenen in der Altersklasse erinnerten, der zu diesem Zeitpunkt gerade zuhause eine Mandelentzündung auskurierte. Da kam ein bißchen schlechtes Gewissen bei mir auf. Das hätte es früher auch nicht gegeben, dass Muttern sich auf Rock-Konzerten rumtreibt, während das Kind zuhause krank im Bett liegt – na ja, das Kind ist 20 und liegt wahrscheinlich eher auf dem Sofa vor dem Fernseher. Ich versuchte den Gedanken zu verdrängen.

Stanfour boten geradlinigen Rock, der für meine Begriffe durchaus anhörbar war – nichts Sensationelles, aber auch nicht schlecht. Beim Anblick des Sängers wurde mir wieder bewußt, wie unterschiedlich doch verschiedene Sänger mit ihrem Mikrophon umgehen. Mark Knopfler stellt es sich immer so hoch ein, dass er von unten nach oben singen muss, teilweise hat man den Eindruck er stellt sich auf die Zehenspitzen, damit er es noch erreicht. Im exakten Gegensatz dazu bevorzugt Mr. Anderson offensichtlich ein Mikrophon, das so niedrig eingestellt ist, dass er sich hinunterbücken und von oben hineinsingen muss. Gerne stürzt er sich auch von oben auf sein Mikrophon wie eine Raubkatze auf die Beute. Dieser Sänger dagegen klammerte sich ständig mit beiden Händen am Mikrophon fest, es sah aus als ob er in jeder Bedeutung des Wortes „an seinem Mikrophon hängt“. Mr. Fogerty geht mit dem Mikrophon eher achtlos um, es kommt schon mal vor dass er nicht ständig den richtigen Abstand einhält oder den Kopf zur Seite dreht und dadurch der eine oder andere Ton etwas leiser kommt. Es scheint für ihn nicht den Mittelpunkt des Universums darzustellen. Das könnte man sicher alles auch noch tiefenpsychologisch deuten. Aber ich denke damit verschone ich Euch jetzt besser.

Stanfour spielten bis 20 Uhr, dann wurde auf der Bühne umgebaut – und das zog sich hin. Nach einer halben Stunde wurde das Publikum langsam unruhig, es gab Pfiffe, Gegröle und „John, John“-Rufe. Dabei lag die Verzögerung vielleicht auch daran, dass zu diesem Zeitpunkt die Sonne tief unter den Wolken stand und direkt von vorne auf die Bühne schien. Die Roadies, die die 25 oder wieviel Gitarren des Mr. Fogerty nochmals durchcheckten waren offensichtlich von dem Licht geblendet. Ein Auftritt war so vermutlich garnicht möglich. Meiner Meinung nach ein Mangel der Organisation, denn dass im Sommer die Sonne scheint und wo sie um wieviel Uhr untergeht sollte eigentlich bekannt sein. Da muss man halt ggf. die Bühne an anderer Stelle aufbauen. Interessant auch, was zur Überbrückung der Wartezeit aus den Lautsprechern tönte. Nach „Sultans Of Swing“ war auch noch John Fogerty selbst mit „Almost Saturday Night“ zu hören, was vom Publikum mit Beifall und „Zugabe, Zugabe“-Rufen quittiert wurde.

Dann, um 21 Uhr endlich, betrat die Band die Bühne und nahm die Plätze ein. Fogerty erschien nicht lang danach in einem seiner besten blaukarierten Hemden – damit war der Abend für mich gebont! Nach kurzer Begrüssung legte er auch ohne Umschweife gleich richtig los mit „Travellin‘ Band“. Ich hatte sofort das Gefühl, dass die Anlage seit der Vorband noch einmal um einige Watt aufgedreht worden war. Das alte Burggemäuer erbebte und das Erdreich vibrierte. Das war deutlich lauter als Jethro Tull in Iraklio, aber doch nie so laut, dass ich befürchtet hätte bleibende Gehörschäden davonzutragen.

Bei Jethro Tull war mir seinerzeit der glasklare Sound aufgefallen, in dem jeder Ton einzeln aus der Anlage perlte und jede Nuance des Flötenspiels und der Stimme detailgenau wiedergegeben wurde (wobei das in Bezug auf die Stimme nicht unbedingt nur von Vorteil war). Von glasklarem Sound war bei Mr. Fogerty nichts zu hören, der ist für seine Musik aber auch nicht notwendig. Hier geht’s um’s Eingemachte, die Basics des Rock, auf das Wesentliche reduziert, ohne Schnörkel und Verzierungen, ohne facettenreiche Arrangements und ohne den Anspruch mit Bach oder Beethoven konkurrieren zu wollen. Es standen nicht weniger als 5 Gitarristen (einschließlich Bass) auf der Bühne, wobei der eine gelegentlich auch Keyboard spielte. Dazu noch Schlagzeug (auf das eingedroschen wurde, als ob man es ermorden wollte), das war’s mit der Instrumentierung. Solche Musik muss nicht filigran aus der Anlage rieseln sondern einem wuchtig und satt um die Ohren donnern. Und das tat sie auch.

Nach dem ersten Titel meinte Mr. Fogerty, das wäre das erste Mal, dass er auf einer Burg spiele, und er hoffe er wecke den König nicht auf. Falls es auf dieser Burg je einen König gegeben haben sollte, war der aber vermutlich bereits bei den ersten Takten von „Travellin‘ Band“ vor Schreck aus dem Grab gefallen und an Herzinfarkt gestorben. Das hat sich sicher auch Mr. Fogerty gedacht, denn er machte auch im weiteren Verlauf des Abends nicht den Eindruck als ob er sich bemühen würde leise zu sein.

Natürlich habe ich versucht bei YouTube ein paar passende Videos zu finden, die den einen oder anderen Eindruck des Konzerts vermitteln können, aber leider gibt es kaum ein brauchbares Bootleg von der Europa-Tour. Die Amateurkameras (oder waren es Handys?) scheinen alle von der Lautstärke des Fogerty’schen Sounds überfordert zu sein – es schäppert, knistert, knackt, drönt und jault zum Steinerweichen, das kann man sich wirklich nicht anhören. Zur Einstimmung daher erst einmal eine Aufnahme aus New York vom letzten Dezember: Good Golly Miss Molly. Sie zeigt wie es aussieht, wenn ein wildgewordener 62-Jähriger keine Lust hat sich mit dem Pfeifchen hinter den Ofen zurückzuziehen.

Kleiner Einschub zu diesem Video: Diesen Song konnte ich eigentlich noch nie leiden, aber was Fogerty hier aufführt hat mich glatt umgepustet. Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung habe worum es in dem Lied geht, und von dem was er singt verstehe ich kein Wort, aber er scheint ziemlich wütend zu sein. Wie er wild mit den Armen herumfuchtelt erinnert mich bereits stark an Mr. Andersons Auftritt in Witch’s Promise anno 1970. Leider hat Mr. Fogerty keine so schöne Flöte, die er drohend schwingen könnte, und das Gitarren-Plektrum ist ein etwas mickriger Ersatz, aber dafür haut er anschließend damit umso wilder in die Saiten. Bisher habe ich bei diesen Bildern noch jedesmal lachen müssen, und solche Videos stehen auf meiner Hitliste ganz oben.

Für einen der ersten Songs griff Mr. Fogerty zu einem türkisgrünen Instrument, und als er kurz über die Saiten strich um zu testen, ob es auch funktioniert, da fuhr es mir durch Mark und Bein. Ich musste sofort an Dich denken, lieber Lockwood, und an Brian May – das war der Düsenjet. Ich glaube ich schrieb schon nach dem Jethro Tull Konzert, dass live so ein Düsenjet nicht unbedingt zu verachten ist, und der von Mr. Fogerty geht noch ganz anders ab als der von Mr. Barre. Seither habe ich ein Auge auf dieses grüne Maschinchen geworfen, zumal es dieselbe Farbe hat wie mein Auto. Allerdings ist mein Auto bedeutend leiser. Ich habe auch nur einen kleinen Toyota. Dieses Modell schien mir eher ein Porsche zu sein. Der zugehörige Titel heißt – passend zum Düsenjet – It Came Out Of The Sky (hier auch eine Version aus New York).

Bei solcherlei Klängen kam im Publikum schnell Stimmung auf. Die sichtlich gute Laune, mit der Mr. Fogerty während der Instrumentalpassagen über die Bühne stapfte, hüpfte wie ein Gummiball und sich wie ein Kind über den selbsterzeugten Lärm freute, übertrug sich mühelos auf die Menge. Bei fast jedem Song schallte ihm aus dem Zuschauerraum zumindest der Refrain entgegen. Mehrfach dirigierte er auch vom Bühnenrand aus das Publikum und ließ es alleine singen. Er mußte sich nicht über mangelnde Mitwirkung beklagen. Nach kürzester Zeit war – zumindest vorne an der Bühne – Party angesagt.

Bei Fogerty gibt es praktisch nach jedem Titel Gitarrenwechsel (wobei die eine oder andere Gitarre im Laufe des Abends schon auch mehrfach zum Einsatz kam). Bei dieser Gelegenheit überreicht er seinen ausgebrauchten Gitarren-Pick jemandem aus dem Publikum. Einmal holte er auch eine ganze Hand voll neue Picks aus der Hosentasche um sie zu verteilen. Auch ausrangierte Drumsticks wurden in die Menge geworfen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, die Veranstaltung nahm immer mehr den Charakter einer größeren Familienparty an. Einen kleinen Eindruck von der Atmosphäre vermittelt vielleicht dieses Video aus Paris, das mit einem Halstuch-Tausch beginnt. Fogerty’s Markenzeichen ist ein rotes Halstuch, er tritt nie ohne auf. Hier tauscht er es gegen das Halstuch eines Zuschauers ein.

Vor dem Titel „Down On The Corner“ schlich sich ein siebter Musiker auf die Bühne, und da ich schon Setlists von anderen Konzerten gelesen hatte, ahnte ich bereits wer das sein musste: Tyler Fogerty. Der Junge ist höchstens 14, das Hemd ist natürlich kariert und die Frisur erinnert stark an Papa anno 1970. Es gibt da auch noch einen Shane Fogerty, der vielleicht zwei Jahre älter ist und im Prinzip genauso aussieht, in Abenberg aber nicht mit von der Partie war. Tyler durfte gleich neben Daddy zu „Down On The Corner“ die Gitarre spielen (Bild), aber so richtig locker und gutgelaunt wie der Herr Papa wollte er auf mich nicht wirken. Er schien mir eher etwas angestrengt. Es muss auch ziemlich hart sein für einen 14-Jährigen, wenn er nach seinem Auftritt auf offener Bühne vor versammeltem Publikum von Old Daddy abgeknutscht wird. Der Kleine tat mir fast ein bißchen leid. Andererseits sagte ich mir, dass man nicht früh genug lernen kann, dass das Leben hart ist, und ich denke mal er wird keine bleibenden psychischen Schäden davontragen.

Um gleich bei den Kindern zu bleiben: Schräg vor mir trug jemand während des ganzen Konzerts ein etwa fünfjähriges, blondes Mädchen auf den Schultern, und dieses Kind stach auch Mr. Fogerty ins Auge. „Baby“ wurde eigens begrüßt, wobei die Reaktion eher schwach war – vermutlich hat sie sein Englisch nicht verstanden. Fogerty erklärte sie erinnere ihn stark an seine fünfjährige Tochter Chelsea, für die er das folgende Lied geschrieben habe, es war „I Will Walk With You“. Ich begann langsam die Übersicht über die zahlreiche Nachkommenschaft des Mr. Fogerty zu verlieren, wobei ich eine diesbezügliche Übersicht eigentlich noch nie besessen habe. Ich meine er habe schon Ende der 60er Jahre einen Sohn gehabt, und auch aus den 70ern oder 80ern müsste es noch mindestens eine Tocher geben. Jedenfalls scheint Mr. Fogerty nicht nur seit bald 50 Jahren in der Rockmusik aktiv zu sein, sondern sich außerdem seit 40 Jahren unermüdlich und erfolgreich in der Arterhaltung zu betätigen. Das sollte vielleicht auch einmal die gebührende Anerkennung finden.

Gegen Ende des Konzerts kam mir in den Sinn, dass man manche Menschen einfach für alle Zeiten so konservieren können sollte, wie sie gerade sind. Wenn ich wüsste wie, dann würde ich gleich mit John Fogerty anfangen. Nicht, dass ich jetzt missverstanden werde: Ich will damit nicht zum Ausdruck bringen, dass Mr. Fogerty so wirkt als ob er dringend konserviert werden müsste – das klingt so nach Mumie. Ich will damit nur sagen, dass ich ihn gerne noch ein paar Jahre in alter Frische wiedersehen würde, am besten nächstes Mal ein bißchen näher bei Stuttgart – da gibt es auch sehr schöne Burgen. Wenn er kommt bin ich bestimmt wieder dabei!

Mein einziger Kritikpunkt: Das Konzert war zu kurz, viel zu kurz! Nur 1:36 Std Spielzeit, das finde ich für einen Eintritt von 50 Mäusen doch ziemlich mickrig. Und es ist ja nicht so, dass Mr. Fogerty keine Songs mehr auf Lager gehabt hätte. Er hat nicht einmal alle seine Top Ten Hits gespielt, er hat nicht einmal alle seine No. 1 Hits gespielt. Mir persönlich haben jetzt „Hey Tonight“ und „Sweet Hitch-Hiker“ nicht gefehlt, aber „Up Around The Bend“, „I Put A Spell On You“ und „Deja Vu“ schon. In Hamburg standen die alle noch auf der Setlist. Oder wie wär’s noch mit „Lodi“, „Rock and Roll Girls“, „Walking In A Hurricane“, „Premonition“ und und und….

Überhaupt ist mir aufgefallen, dass Fogerty’s Konzerte offensichtlich unterschiedlich lang sind. In Abenberg standen 23 Titel auf der Setlist, in Berlin sogar nur 22, in Hamburg waren es 24, in Dänemark 25, in Paris 26 und in Mainz 27 (anscheinend 3 extra Zugaben!). Nach was entscheidet er das? Wenn er keine Lust mehr hat und früher ins Bett will, lässt er einfach ein paar Songs weg? So geht’s aber auch nicht! Ich würde ihm ja die Kürze seines Auftritts nachsehen, wenn man nach anderthalb Stunden Spielzeit befürchten müsste, dass er demnächst auf der Bahre rausgetragen wenn muss, wenn er nicht bald aufhört. Aber den Eindruck hatte ich wirklich nicht. Er ist so locker-flockig und frisch von der Bühne gegangen, wie er angefangen hat, ich glaube er war während des ganzen Abends nicht einen Moment außer Atem und hat nicht eine Schweißperle verloren (es war allerdings auch nicht besonders warm…). Der ganze Auftritt sah aus als wär’s für ihn ein Spaziergang. Also 2 Stunden könnte er gut durchstehen, und die fände ich für den Preis auch angemessen.

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Eines ist mir im Anschluss an dieses Konzert erst so richtig bewusst geworden, und um näher zu erläutern, was ich meine, werde ich jetzt gar noch mich selbst als krasses Extrembeispiel anführen. Ich muss zugeben ich war ziemlich überrascht, als ich zum ersten Mal dieses Photo gesehen habe. Wenn ich nicht wüsste, dass ich das selbst bin, dann würde ich sagen das ist ein 14- bis 15-jähriger Junge. Nun war mir schon länger klar, dass ich nicht gerade so aussehe, wie man sich üblicherweise eine 48-jährige Frau vorstellt. Dass der Eindruck aber so weit davon entfernt liegen könnte, hätte ich dann doch nicht erwartet. Nach kurzem Nachdenken bin ich aber zu dem Schluss gekommen, dass es vermutlich genau das ist, was ich im Grunde meines Wesens tatsächlich bin: Ein 14- bis 15-jähriger Junge. Das Bild passt, ich fühle mich auch in keinster Weise unwohl damit. Sonst hätte ich mich auch von vornherein garnicht in diese Klamotten geworfen.

Nicht jeder ist das, was er aufgrund von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft oder sonstigen Umständen nach herkömmlicher Meinung sein sollte. Darauf kommt es auch garnicht an. Das Einzige das zählt ist, dass das äußere Erscheinungsbild mit dem übereinstimmt, was man tatsächlich ist. Wenn das nicht zusammenpasst, hat man wirklich ein Problem. Das Aussehen ist wie eine Visitenkarte, die man ständig vor sich herträgt, und die 99,9% aller Menschen, denen man begegnet und die einen nicht näher kennen, Aufschluss darüber gibt, wie sie einen behandeln sollten und was sie von einem zu erwarten haben (mit den Erwartungen hatte ich es ja schon einmal…). Wenn man äußerlich etwas anderes darstellt, als man tatsächlich ist, wird das ständig zu falschen Reaktionen, enttäuschten Erwartungen und Missverständnissen führen. Jeder kennt von sich selbst, wie es einem geht, wenn man morgens aus Versehen den falschen Griff in den Kleiderschrank getan und etwas angezogen hat, das nicht zur Tagesform passt. Man fühlt sich unsicher und fehl am Platz, weil man unbewußt ständig mit den falschen Erwartungen und Reaktionen seiner Umwelt rechnet.

Wer also anders aussieht als er sich fühlt – z.B. auch durch einen fortschreitenden äußerlichen Alterungsprozess, dem kein entsprechender innerlicher folgt – wird üblicherweise bestrebt sein alles zu tun, um sein Aussehen mit seiner Persönlichkeit wieder in Einklang zu bringen. Das ist meiner Meinung nach auch völlig in Ordnung, solange man sein Aussehen anpasst an das, was man ist, und nicht an das, was man gerne wäre, in der Hoffnung durch das geänderte Aussehen zu dem zu werden, als was man erscheint. Damit macht man sich wirklich nur lächerlich.

Um jetzt langsam einmal auf den Punkt zu kommen: Was auch immer Mr. Fogerty getan haben sollte um so auszusehen, wie er das tut – die Haare gefärbt hat er allemal, die Zähne sind runderneuert (dabei wäre das meiner Meinung nach wirklich nicht notwendig gewesen, mit den originellen Originalzähnen sah er doch auch sehr nett aus), selbst wenn er sich fünfmal hätte liften lassen (was ich eigentlich nicht annehme) – das Ergebnis gibt ihm recht. Er sieht so aus, wie er ist. Und wenn er auf der Bühne steht, oder rennt, oder hüpft, oder was auch immer – man merkt, dass da einfach alles zusammenpasst. Auch wenn die Haare, die Zähne oder sonstige Details an Mr. Fogerty nicht mehr echt sein sollten, der Mensch ist es, und das ist das Einzige, das zählt.

Bei Mr. Anderson ist das leider anders. In den 70ern hat er auch noch glaubhaft gewirkt: Die Musik, das Aussehen, die Kostüme, die Bühnenshow – das war ein Gesamtkunstwerk, das seine Persönlichkeit stimmig repräsentiert hat. Im Laufe der 80er ist das mehr und mehr verloren gegangen, irgendwie hat er mit zunehmendem Alter das, was er ist und das, was er darstellen möchte, nicht mehr unter einen Hut gebracht. Da passt das Benehmen nicht zum Aussehen, die Kleidung passt schon in sich nicht (Was soll dieses Kostüm darstellen – Pirat? Torrero? Gondoliere?) und leider passt auch das was er sagt häufig nicht zu dem was er tut. Wie alt ist er eigentlich wirklich? Fogerty ist, so würde ich mal schätzen, in der Art deutlich unter 30, vielleicht sogar unter 20. Anderson ist bestimmt auch keine 60, aber er sieht so aus. Es mag absurd klingen zu sagen es passt nicht, wenn ein 60-Jähriger aussieht als wäre er 60, aber genau das scheint mir bei Mr. Anderson der Fall zu sein.

Die letzten Auftritte des Mr. Anderson, in denen er nach meiner Kenntnis ein stimmiges Gesamtbild abgegeben hat, stammen aus dem Jahr 1982, wie z.B. hier bei Pussy Willow – da war er 35. Ungefähr in dieser Gegend würde ich die Höchstgrenze für sein gefühltes Alter vermuten. Andererseits ist das natürlich auch nur die halbe Wahrheit. Ich bin ja auch nicht nur der 15-jährige Junge sondern gleichzeitig auch immer noch die 48-jährige Frau – wenigstens einige dazugehörige Eigenschaften und die entsprechende Lebenserfahrung habe ich jedenfalls. In der Gesamtheit ergibt das eine Kombination aus beidem (die ich mir in meinem Fall als ziemlich gewöhnungsbedürftig vorstellen könnte). Das wird bei Mr. Anderson nicht anders sein. Vielleicht kann er sich auch nur einfach nicht entscheiden, ob er nun 30 oder 60 ist, seriös oder Hofnarr, Pirat oder Entertainer oder…. Wer oder was auch immer er ist, er schafft es nicht mehr es
seiner Umwelt schlüssig zu vermitteln – ich werde jedenfalls nicht schlau aus ihm.

Meinetwegen soll er sich die Haare rot färben, ein Toupet aufkleben, sich Fett absaugen und sich liften lassen, Hauptsache er passt hinterher wieder zu sich selbst und man weiß mit wem man es zu tun hat. Nicht, dass ich das jetzt als Lösung vorschlagen wollte, ich habe keine Ahnung was die Lösung wäre. Prinzipiell wäre es sicher nach heutigem Stand der Technik möglich, Mr. Anderson wieder (fast) so aussehen zu lassen wie 1975. Andererseits könnte ich mir vorstellen, dass gerade diejenigen seiner Fans, die sich nichts sehnlicher herbeiwünschen als die Wiederkehr des Jahres 1975, vor Schreck vom Stuhl fallen oder entsetzt aufschreien würden, wenn er plötzlich tatsächlich wieder so daher käme. Ein Mr. Anderson mit dem Aussehen von 1975 und der Stimme von 2007 wäre allerdings vermutlich auch eine ernüchternde Erfahrung. Ach, es ist ein Jammer, was machen wir nur mit unserem Mr. Anderson!?! Und mit dieser rhetorischen Frage beende ich meinen heutigen Beitrag.

Liebe Grüße an Euch beide (Fast-)Urlauber
Kretakatze

PS.: Zum Thema Songtexte hier noch dieses Video von einem Rock-Festival in Belgien 2007, in dem ab 1:00 John Fogerty zuerst mit einem kurzen Ausschnitt aus „Travellin‘ Band“ zu hören ist und er dann ab ca. 1:25 erklärt nach welchem Prinzip er seine Lieder schreibt. Das klingt ganz ähnlich wie das, was ich bereits an anderer Stelle hier vermutet hatte. Was mich trotzdem überrascht hat war die Tatsache, dass er es offensichtlich für wichtig hält mit möglichst wenig Worten auszukommen. Das müsste doch der ideale Texter für Dich sein, lieber Wilfried, wo Dir doch auch jedes Wort zuviel zu sein scheint (zumindest von den Songtexten, die ich letztes Mal verlinkt hatte 😉 …).

19.07.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Dein Bericht über das Fogerty-Konzert, liebe Kretakatze, war sehr plastisch. Ich hatte fast das Gefühl, dabei gewesen zu sein. Zwischen Deinen Zeilen konnte ich eine unverhohlene Euphorie lesen, die ich bei Deiner Beschreibung des JT – Konzerts auf Kreta nicht festgestellt habe. Ich denke, der Auftritt von Mr. Fogerty hat Dir besser gefallen als der Auftritt des Mr. Anderson.Den aktuellen Anderson würde ich mir nicht anschauen, wenn er auf unserer Burg (100 m Luftlinie von meiner Haustür) spielen würde. Ich möchte ihn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn aus seinen besseren Zeiten kenne. Aber selbst wenn ich fernbliebe, würde ich seinen „Gesang“ bis in den Garten hören. Ich hoffe also, dass seine Tourneen ihn nicht in unser Städtchen führen.

In Deiner letzten Mail hast Du etwas geschrieben, mit dem ich mich sofort identifizieren konnte: Du wirst nicht schlau aus Mr. Anderson. So geht es vielen. Dieses Phänomen ist der Grund dafür, dass Wilfried die Rubrik „Was ist bloß mit Ian los ?“ ins Leben rief. Du stößt einen ähnlichen Seufzer aus; ich zitiere: „Ach, es ist ein Jammer, was machen wir nur mit unserem Mr. Anderson!?!“Er ist eine komplexe Persönlichkeit, unser Mr. Anderson. Mehrere Seelen wohnen ach, in seiner Brust. Die aktuelle Garderobe ist ein möglicher Ausdruck dessen.

Eine andere Erklärung seines Outfits der letzten Jahre ist ebenfalls denkbar, würde mir aber noch weniger gefallen: Es kommt mir so vor, als ob er sich klamottenmäßig einfach keine Mühe mehr gibt. Als ob es ihm egal sei, wie er daher kommt (soll schon mal vorkommen bei älteren Herren). Das Video zu „Pussy Willow“ zeigt uns, dass das bis 1982 noch anders war. Aber in der Zwischenzeit hat er es zum Fels in der Brandung des Musikgeschäfts gebracht. Vielleicht betrachtet er sich als Selbstläufer, zu dem die Fans strömen, unabhängig von dem, was er auf dem Leib trägt oder wie er die höheren Töne trifft. Demnach wäre seine aktuelle Physiognomie eine Nagelprobe auf die Treue der Anhängerschaft.

Ein gutes Beispiel für ein gelungenes (weil zum Typ und zur Musik passendes) Bühnenoutfit fand ich auf diesem Video. Nicht, dass ich Mr. Anderson in diesen Klamotten sehen möchte; sie würden eben so wenig zu ihm passen wie sein jetziges Kostüm als Raupenbahnaufspringer, Schiffschaukelbremser oder was auch immer. Nein, dieser Link sollte nur verdeutlichen, dass es durchaus möglich ist, ein angemessenes Outfit zu finden. Wenn man es denn will. Die rustikalen Lederklamotten aus den frühen 70ern oder der Broadsword-Zeit standen dem Meister gut zu Gesicht. Etwas in dieser Art hätte er bis heute tragen können. Aber nein….

Ich möchte keinen abgeschlossenen Fall wiederaufnehmen, aber auf dem Pussy Willow – Video wirkt der Meister tatsächlich dunkelblond. Woran liegt’s ? Friseur ? Beleuchtung ? Aber lassen wir das.

Ein Gedanke zu dem 15jährigen Jungen mit dem Banjo:
Ehrlich gesagt ist es mir fremd, wie man von einer Fotografie dermaßen überrascht sein kann. Was Du über Aussehen und innerem Gefühl gesagt hast, findet meine volle Zustimmung. (Dass die Kleidung zur momentanen Gefühlslage passen muss, ist bei Frauen wohl etwas stärker ausgeprägt als bei Männern). Bei mir ist der Fall einfacher. Ich empfinde mich als „untergroßen“ Mann und so komme ich auf Fotos auch rüber. Punkt aus. Alles sehr simpel.

Bis zum nächsten Mal grüßt Euch
Lockwood

21.07.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor ich mich in den Urlaub verabschiede, hier doch noch einige Anmerkungen von mir. Bekanntlich hinken Vergleiche. Und so kann man Herrn Fogerty schlecht mit Herrn Anderson vergleichen, wenn sich der Vergleich natürlich auch anbietet. Beide sind rund 60 Jahre alt, beide sind mehr oder weniger bekannte Größen der Rockmusik und Frontmann ‚ihrer’ Band. Und beide bringen ihren Nachwuchs auf die Bühne (wenigstens ab und zu). Aber damit hört es dann auch schon auf. Ian Anderson würde nie seinen Sohn als seinen Sohn vorstellen (so unterschlägt James Duncan selbst seinen Nachnamen), wenigstens wüsste ich nicht, dass er das je einmal getan hätte. Und die Knutscherei verbietet sich wohl schon aufgrund des Alters (wobei sich gerade auch 14-, 15-Jährige ungern öffentlich von einem Elternteil küssen lassen). Dass mit dem ‚gefühlten’ Alter ist natürlich so eine Sache. Grundsätzlich stimme ich Dir, Kretakatze, zu. Man sollte sich so geben (und kleiden), wie man IST. Aber wie ist ein Künstler, ein Rockmusiker, der allabendlich auf einer Bühne vor großem Publikum auftritt?

Herrn Anderson wird man wohl kaum in den Klamotten auf der Straße antreffen, mit denen er aufgetreten ist. Früher nicht, heute erst recht nicht. Wie ist das mit Herrn Fogerty? Trägt er auch im normalen Leben Jeans, karierte Hemden und dazu sein ‚Markenzeichen’, das rote Halstuch? Vielleicht bevorzugt er in Wirklichkeit Designer-Klamotten?! Gut, sein Auftreten wirkt authentisch. Aber IST das wirklich der reale John Fogerty oder doch nur ein Trugbild …?

In einem ähneln sich die beiden Herren. Beide haben ein ganz bestimmtes Image aufgebaut, so unterschiedlich es auch sein mag. Fogerty ist der Naturbursche, der locker-flockig seine Lieder herunterspult. Anderson dagegen der eher unnahbare Intellektuelle, der sich gern in kurioser Kostümierung zeigt. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Bei John Fogerty, wie geschrieben, wirkt das trotz falscher Zähne und gefärbter Haare immer noch sehr authentisch, also echt und glaubhaft. Bei Herrn Anderson dagegen nicht mehr. Aber warum nur? Weil er trotz Kostümierung wie ein 60-Jähriger aussieht?

Kretakatze schreibt: … irgendwie hat er mit zunehmendem Alter das, was er ist und das, was er darstellen möchte, nicht mehr unter einen Hut gebracht. Da passt das Benehmen nicht zum Aussehen, die Kleidung passt schon in sich nicht …

Das ist meiner Meinung nach durchaus richtig. Nur stellt sich die Frage, ob Ian Anderson auf der Bühne wirklich das darstellen möchte, was er ansonsten im wirklichen Leben ist, oder besser: sein muss. Ich denke nein. Eher versucht er sich auf der Bühne so zu geben, wie er ist (oder glaubt zu SEIN) … Und das wirkt natürlich grotesk. Wie kann sich ein 60-Jähriger so zum Kasper machen. Aber was IST Ian Anderson nun wirklich?

Sicherlich ist Herr Anderson ein geschäftstüchtiger Mensch. Dazu bedarf es einer gewissen Seriosität, die er bestimmt an den Tag legt, wenn es Not tut. Dann ist er Musiker, also Künstler, die bekanntlich etwas Exaltiertes an sich haben. Lockwood sagt es: Mehrere Seelen wohnen ach, in seiner Brust. Dass sich Anderson auf der Bühne geschäftsmäßig gibt, ist nicht zu erwarten. Also kaspert er herum … wie er es früher immer schon getan hat. Weil sich in den Jahren sein Aussehen so dramatisch verändert hat, führt das natürlich dazu, dass, was früher glaubhaft wirkte, heute für viele wie ein schlechter Witz erscheint.

Ich stelle mir Ian Anderson in den Klamotten früherer Jahre vor (das Tampa-Kostüm lassen wir einmal außen vor): Sähe der gealterte Ian Anderson nicht ähnlich lächerlich aus?

Ich fürchte fast, wir kritisieren Herrn Anderson, weil er alt geworden ist – optisch alt. Sein Bühnen-Outfit passt nicht mehr zu dieser äußeren Erscheinung, die er heute darstellt. Oder anders gesprochen: Herr Anderson genügt nicht mehr unseren Ansprüchen, Erwartungen, was auch immer.

Aber machen wir hier nicht zu viel Wirbel um Äußerlichkeiten? Gehen wir vielleicht nicht sogar Herrn Anderson auf dem Leim – oft genug kam die Weisheit in Form des Narrentums einher. Und macht sich nicht der zum Narren, der andere für einen solchen hält?

Und noch eines, ganz allgemein: Wir denken zu wissen, wer wir sind und sind enttäuscht, wenn andere uns anders sehen. Aber wissen wir das wirklich? Sind wir nicht zu oft mit uns selbst beschäftigt … und haben uns dabei selbst längst aus dem Blick verloren? Aber jetzt werde ich philosophisch … Genug für heute!

Nun, Lockwood, Du bist ja schon mittendrin im Urlaub. Letztes Jahr hatte ich mit meinen Lieben auf einen größeren Urlaub verzichtet, weil viel Geld für eine neue Heizung draufgegangen war; aber für eine Radtour (nach Fehmarn, Du weißt) hat es natürlich gelangt. Wenn das Wetter halbwegs mitspielt, macht so eine Tour mit den Fahrrädern wirklich Spaß. Allerdings merkte ich schon, dass meine Knochen nicht mehr die jüngsten sind. Ich hoffe, Du hast mit Deiner Familie schöne Urlaubstage, entspannst Dich und tankst neue Energie. Weiterhin schöne Urlaubstage.

Wir lesen beizeiten wieder voneinander.
Bis dahin
Wilfried

23.07.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 79: Al, Ian & starke Frauen

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

die Urlaubsbeschreibungen aus Kreta haben einen Umfang, der manchen professionellen Autor von Reiseberichten vor Neid erblassen lässt. Liebe Kretakatze, vielen Dank dafür und welcome back !

Besonders interessant fand ich naturgemäß Deine Schilderungen über das Jethro Tull – Konzert. In einigen Punkten denke ich genau wie Du:

Warum tritt der Kerl immer noch auf ?
Muss die Flöten-Phallus – Geste auch mit knapp 60 Jahren immer noch sein ?
Warum vergleicht der Meister sich ständig mit anderen Rock-Größen ?

Gerade der letzte Punkt bringt mich zum Grübeln. Dieses Gebaren zeugt -trotz seines Könnens- nicht von einer großen Souveränität. Es ist, wie Du sagst: Ständig muss er sich und der Welt vor Augen halten, wer der Beste und Schönste im ganzen Land ist. Das Publikum wird sein Zauberspiegel. Dazu noch der Flötenphallus. „Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer hat den Längsten in der Hand ?“ Ich bin kein Fachmann in solchen Dingen, aber in meinen Augen krebst Mr. Anderson seit Jahren haarscharf am Rande einer Profilneurose.

Frauen in der Rockmusik:
Es gab und gibt doch einige: Joan Jett, Suzie Quattro, Doro Pesch, Nina Hagen, die beiden Schwestern von Heart, Tina Turner. Bestimmt habe ich einige vergessen und bei den genannten sind die Grenzen zwischen Rock und Pop fließend. Auch kann ich nichts darüber sagen, ob sie ihre Stücke selber schreiben. Ich stimme Dir zu, liebe Kretakatze, dass Frauen in Foren zur Rockmusik eher die Ausnahme sind. Gleichzeitig kann ich mir vorstellen, dass das bei der Popmusik schon ganz anders aussieht. Ohne es beweisen zu können oder zu wollen, behaupte ich, dass auf Fanseiten von Enrique Eglesias oder Robbie Williams die Damen in der Mehrzahl sind.

Ach ja, apropos Fan: Der Schock, den Euro Reaktion auf meine Queen-Links ausgelöst hat, ist lange überwunden. Was Ihr über Brighton Rock und March of the Black Queen geschrieben habt, ist bei objektiver Betrachtung korrekt. Man muss wohl Fan sei, um sich dafür begeistern zu können. Das ist mit Vielem so, nicht nur mit der Musik.

Zu guter Letzt noch etwas für die Jethro Tull – Fans unter uns:
Durch puren Zufall entdeckte ich bei youtube ein Video zu einer Preisverleihung. Kate Bush erhielt hier 2001 irgendeine Auszeichnung für den besten Songwriter. Das ist nichts Überraschendes, aber jetzt kommts: Wie es sich bei einer solchen Auszeichnung gehört, liest Mrs. Bush eine Litanei von Namen vor, denen sie zu Dank verpflichtet ist. Einer dieser Namen war Dave Palmer. (auf dem Video bei Minute 3:07) Weiß von Euch jemand, in welcher musikalischen Beziehung Mr(s). Palmer zu Mrs. Bush stand ? Bemerkenswert bei der Preisverleihung fand ich noch, dass der nach Mrs. Bush geehrte Johnny „Rotten“ Lydon, eine Gallionsfigur des Punk, sich vor Mrs. Bush und ihrem Werk buchstäblich verbeugte (Minute 7:13). Ja, ja, unsere gute Kate. Selbst ich kann mir nicht alles von ihr anhören, aber verdammt, sie hat was !!

Das war es schon für heute, wir sind alle vielbeschäftigte Menschen.
Bis bald
Lockwood

09.07.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

inzwischen bin ich nun endlich dazu gekommen Eure Mails zu lesen und die Links anzuschauen – die erste Woche nach dem Urlaub war doch sehr stressig. Zuerst zu Wilfrieds Frage nach dem Ursprung meiner Kenntnisse und Fähigkeiten in der Schaf-Pediküre: Ich dachte der kurze Lebenslauf von meiner Homepage wäre Euch bekannt.

Dann muss ich Dir leider mitteilen, lieber Wilfried, dass Dein „heiteres Gitarrengriffe-Raten“ betreffend meine „Rock ’n‘ Roll“-Bilder zu keinem einzigen Treffer geführt hat. Ich dachte Du würdest selbst auch Gitarre spielen…? Hier greife ich noch einen A-Moll (am), so ziemlich den einfachsten Griff, den es gibt. Auch jemand, der nicht Gitarre spielen kann, würde vielleicht rein zufällig seine Finger so setzen. Da ich ja lebensecht und professionell wirken wollte, habe ich ab diesem Bild auf G-Dur (G) umgestellt. Natürlich habe ich nicht wirklich irgend etwas gespielt, dazu hatte ich mir das Gerät schon zu tief gehängt. Ich denke man sieht, dass ich mit der rechten Hand kaum bis an die Saiten reichen kann. Außerdem hätte ich das Instrument, das ich vermutlich seit über 15 Jahren nicht mehr in der Hand hatte, dazu erst einmal stimmen müssen.

Tatsächlich habe ich auch noch eine Gitarre und eine Mandoline, und alle drei Instrumente hängen schon seit Jahrzehnten bei mir an der Wand und dienen dem Staub als dekorative Ablage. Die Gitarre habe ich bereits 1971 von meinem Taschengeld gekauft – das war damals eine gigantische Investition – und vor allem in der zweiten Hälfte der 70er habe ich auch fleissig darauf gespielt (d.h. ich habe täglich deutlich mehr Zeit mit meiner Gitarre verbracht als mit dem Lernen für Schule oder Studium). Leider war der Erfolg bescheiden, ich habe nie wirklich brauchbar spielen können. Irgendwie sind meine Finger zu steif und zu ungeschickt, um die Saiten sicher zu treffen – sei es nun mit der linken Hand zum Greifen oder mit der rechten zum Zupfen. Und so hat es zur Gitarristin dann doch nicht gereicht.

Apropos Gitarristin: Wilfried, Du arbeitest doch gerade die Liste der 100 besten Gitarrensolos ab. Wieviele Gitarristinnen sind denn darauf zu finden? Lass mich raten: 0? Es ist doch wirklich erstaunlich, wie krass das Geschlechterverhältnis in diesem Berufszweig ist, es scheint noch extremer zu sein als bei den Komponisten. Woher kommt das nur? Ich überlasse nur ungern den Männern so dermaßen 100%ig das Feld. Leider werde ich selbst daran nichts ändern können.

Und wo wir gerade bei den Gitarrensolos sind – auf Platz 91 sind da doch tatsächlich CCR mit „I Heard It Through The Grapevine“ zu finden. Länge des Solos 0:23? „…Graprevine“ ist im Original über 11 Minuten lang, davon wird etwa 3 Minuten gesungen, der Rest ist Gitarrensolo. Allerdings ist das für meine Begriffe auch mindestens 7 Minuten zuviel.

Kommen wir zum Interview mit Ian Anderson. Nun beginnt er also auch schon sich mit Frauen zu vergleichen – das ist neu. Die „alte Dame“ Madonna ist immerhin 11 Jahre jünger als er, da wird ihr Gesicht wohl kaum älter aussehen als seines. Auch ihr „Stimmchen“ kann eigentlich nicht dünner sein als das von Mr. Anderson, das geht garnicht. „Dürrer“ als er ist die Dame allerdings bestimmt (dazu gehört nicht viel). Immerhin bringt sie wohl „junge Kerle“ mit auf die Bühne, die von ihren Mängeln ablenken. Das wäre für Mr. Anderson natürlich die falsche Strategie. Deshalb verwendet er zu diesem Zweck junge Geigerinnen. Also diese Madonna-Kritik war doch wohl ein ziemliches Eigentor. Zumal er direkt danach verkündet mit seinem eigenen Alter und seinen eigenen körperlichen Gebrechen keine Probleme zu haben. Also er und sein Stimmchen dürfen altern, Madonna nicht? Oder wollte er sagen: Wenn Madonna so alt aussähe wie er ist und auch so übergewichtig wäre und so wenig Stimme hätte wie er, und dann ohne „junge Kerle“ auftreten würde, dann wäre es ok? Dann wäre sie natürlich vermutlich wirklich keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr für ihn…

Was Mr. Anderson darüber hinaus zur Motivation für seine Konzert-Tourneen erklärt, halte ich für nicht völlig falsch. Er ist ein Perfektionist, und ich kaufe ihm ab, dass es bestebt ist sich musikalisch ständig zu verbessern und weiterzuentwickeln. Allerdings könnte er das auch zuhause in seinem Wohnzimmer (oder im Aufnahme-Studio), dazu müsste er nicht unbedingt auf einer Bühne stehen. Der wahre Grund für seine „Bühnen-Sucht“ ist die Tatsache, dass er die Hälfte seiner Persönlichkeit nur auf einer Bühne ausleben kann, die eine Hälfte seines Ichs braucht Publikum zum Leben wie Andere die Luft zum Atmen. Ich bin mir sicher, wenn er zwei oder drei Wochen auf keiner Bühne mehr gestanden ist, dann bekommt er erste Entzugserscheinungen. Es gibt daher auch kaum größere Lücken zwischen seinen Auftritten.

Mr. Anderson wird daher auf Bühnen stehen (oder vielleicht auch sitzen, wenn nötig im Rollstuhl), solange er irgendwie noch auf allen Vieren auf eine Bühne robben kann. Ich glaube sein größter Alptraum ist, dass er das irgendwann nicht mehr schafft. Es wäre für ihn vermutlich wie lebendig begraben zu sein. Ich könnte daher auch nicht so herzlos sein, ihm – wie von Wilfried vorgeschlagen – zum Geburtstag einen Rentenbescheid zu schicken. Da wäre es gnädiger ihm gleich den Hals zuzudrücken.

Nein, Mr. Anderson wird uns sicher weiterhin mit seinen Auftritten erfreuen, solange bis er umkippt, daran wird niemand etwas ändern können. Im Prinzip ist meiner Meinung nach dagegen auch nichts einzuwenden. Die musikalische Qualität seiner Dabietungen ist – soweit ich das beurteilen kann – einwandfrei. Lediglich seine Stimme lässt stark zu wünschen übrig, wir werden damit leben müssen, auch daran kann niemand etwas ändern. Das Einzige, woran man etwas ändern könnte, wäre das Bühnen-Outfit. Es sollte besser zu seinem Gehüpfe und seinen Verrenkungen passen, ich hatte das ja schon wiederholt erwähnt. Allerdings vermute ich, dass mein Vorschlags-Modell pontischer Kriegstänzer (das geht übrigens auch ohne Kopfbedeckung, wie diese Herren zeigen – der Tanz wird erst zum Schuss ab 3:15 richtig gut, da wird’s schnell…) bei Euch auf wenig Gegenliebe stößt. Vielleicht habt Ihr bessere Ideen. Man könnte, ähnlich einer Modenschau, ein paar Vorschläge zusammenstellen und ihm zukommen lassen…

Lieber Wilfried, zum Abschluss muss ich nun noch gestehen, dass ich mich ein wenig über Dich gewundert habe. Da erklärst Du zuerst, dass Du Al Stewart eigentlich nur vom Hörensagen kennst, meinst dann aber doch zwei Sätze später ein Gesamturteil über sein Lebenswerk abgeben zu können mit den Worten: „Aber Al Stewart insgesamt sagt mir wenig zu. Die Texte mögen in Ordnung gehen, aber die Musik ist mir etwas „zu leicht““. Darf ich Dich fragen welche der über 150 Titel von Al Stewart in Dein „insgesamt“ mit eingeflossen sind? Oder sollte dieses Urteil nur für den Song „Year Of The Cat“ gelten. Dann könnte ich Dir sogar noch zustimmen.

Auf jeden Fall solltest Du nicht meinen, die zwei oder drei Lieder von Al Stewart, die auf YouTube zu finden sind, wären repräsentativ für seine Musik. Das sind nur die paar kommerziell erfolgreichen Mainstream-Titel, die er zum Teil selbst nicht mag. „Time Passages“ hat er z.B einmal als „fürchterlich schlecht“ bezeichnet. Den Song hat er geschrieben, weil sein Produzent wollte, dass er noch einmal etwas schreibt, das klingt wie „Year Of the Cat“. Vermutlich gibt er sich auch deshalb in dem von mir verlinkten Video alle Mühe, den Song bis zur Unkenntlichkeit zu verhunzen. Wie auch immer, genauso wie man die Musik von Jethro Tull nicht allein aufgrund ihrer Top Ten Hits beurteilen könnte – da würden die wichtigsten Stücke fehlen – geht das bei Al Stewart auch nicht, eher sogar noch viel weniger.

In wie weit seine Musik mit der von Chris de Burgh vergleichbar ist, kann ich nicht beurteilen, da ich Chris de Burgh zu wenig kenne – ich habe vielleicht zwei oder drei Lieder von ihm gehört. Im Vergleich zu Stewart würde ich die als „folkiger“ und „schlichter“ einordnen, aber vielleicht ist das ja auch nur die kommerzielle Oberfläche. Von Al Stewart gibt es dagegen Titel, die sich meiner Meinung nach nahtlos ins „Songs From The Wood“-Album einfügen würden, z.B. Merlin’s Time. Aber leider kann ich Euch das alles nicht vorführen.

Deswegen möchte ich zumindest das Urteil „Texte gehen in Ordnung“ ein bißchen relativieren, und das im Vergleich zu Texten von Mr. Anderson. Dessen Texte werden teilweise als „intellektuell“ bezeichnet. Ich kann das nicht sehen. Intellektuell heißt für mich durchdacht, und das sind die Anderson’schen Texte häufig nicht. Sie klingen für mich eher sehr intuitiv. Nicht selten kommt Mr. Anderson bei der Verfolgung seiner Themen vom Weg ab und verirrt sich im Gestrüpp abstruser Metaphern oder Bilder, bis man die Aussage oder den Sinn seiner Worte völlig aus den Augen verliert – er selbst vermutlich auch. „A Passion Play“, aber auch Teile anderer Lieder klingen für mich wie unreflektiert niedergeschriebene Fieberphantasien. Das kann auch zu reizvollen Assoziationen führen, nur intellektuell ist es nicht.

Für mich war immer Al Stewart der Intellektuelle unter den Musikern und den Textern. Bei ihm ist jeder Vers durchdacht und jedes Wort sitzt. Ich kenne von ihm keinen Song, bei dem ich nicht verstehen würde, wovon er handelt. Von Anderson gibt er derer eine ganze Reihe. Und ich gehöre nicht zu den Menschen, die meinen ein Gedicht wäre dann besonders geistreich oder genial, wenn sie es nicht verstehen – ganz im Gegenteil. Jemand, dem es nicht gelingt sich so auszudrücken, dass man versteht wovon er spricht, hat ein Kommunikationsproblem, oder zumindest einen Fehler gemacht. Wer wirklich etwas zu sagen hat, möchte im allgemeinen auch, dass man ihn versteht, und wird sich entsprechend Mühe geben verständlich zu bleiben. Wer in allzu wirren Metaphern und Bildern schwelgt, verfolgt vermutlich andere Ziele.

Erst vor kurzem habe ich irgendwo gelesen, der Text von Sossity: You’re A Woman handle von der Kirche. Darauf wäre ich selbst nie gekommen, ich habe mich immer gefragt, was für eine Gesellschaft hier gemeint sein könnte. Einen konkreten Hinweis habe ich nicht gefunden. Auch in Al Stewart’s Cafe Society (der Text enthält einen Fehler, es muss heißen „Cause I want to go blind where I’ve never been before“) geht es um eine Gesellschaft. Wie diese aussieht, ist glaube ich hinreichend genau beschrieben. Und da wir ja gerade das Thema Konzerte und Bühnenauftritte hatten, hier noch ein zweiter Song zum Vergleich. Die Stewart’sche Variante von Minstrel In The Gallery, der Blick von der Bühne herab ins Publikum und, zumindest was den Stewart’schen Song betrifft, der Blick wie von außen auf sich selbst und das eigene absurde und unbegreifliche Tun: One Stage Before.

Die von Wilfried vorgestellten Gitarristen Ry Cooder und David Lindley waren mir beide unbekannt, haben mich aber auch jetzt nicht direkt vom Hocker gerissen. Ry Cooder’s Version von „Stand By Me“ wirkt auf mich emotionslos und daher langweilig. David Lindley’s Slide-Gitarre klingt interessant, aber den Gesang hätte er sich schenken können. Allerdings habe ich gerade am Beispiel Al Stewart gelernt: Man sollte einen Musiker nicht nur anhand eines einzigen Stücks beurteilen, da kann man ganz schnell heftig daneben liegen…

Nun beginnt also die Urlaubs-Saison, und Lockwood ist ab heute in den Ferien. Verreist Du eigentlich? Wie auch immer, ich wünsche Dir auf jeden Fall eine schöne Zeit und gute Erholung! Und dem Wilfried wünsche ich, dass er die Tage bis zu seinem Urlaub noch gut übersteht – er scheint je gerade etwas im Stress zu sein…

Liebe Grüße an Euch beide
Kretakatze

PS.: Als Nachschlag gibt’s heute dieses Video von Cat Stevens, in dem er mich mit der Aussage überraschte, dass er keine Ahnung hat was der Song-Titel „Tuesday’s Dead“ bedeuten soll. Er überlässt es seinem Publikum, sich eine Bedeutung auszudenken. Ich glaube, dass es Mr. Anderson schon zahlreiche Male genauso gemacht hat. „And if sometimes I sing to a cynical degree, it’s just the nonsense that it seems…“

09.07.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor auch ich in den Urlaub enteile, will ich mich doch noch einmal bei Euch melden. Kretakatzes Kreta-Urlaub wurde also doch mit dem Tull-Konzert in Iraklio gekrönt. Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht. Und herzliches Willkommen in unserem feuchten Sommer. Ist ja eher grauenvoll. Um es gleich zu sagen: Ich habe keinen Lap-Top, den ich mit in den Urlaub schleppe. Also keine Urlaubsberichte von mir – später aber sicher das eine oder andere Foto.

Da ich es möglichst kurz machen will, nur einige Anmerkungen zu Kretakatzes (nicht nur) Reise- und Konzertreport. Zunächst zu Andersons Schul- und Berufsausbildung. Bei Wikipedia steht eigentlich nur, dass er ab 1964 das Blackpool College of Art besuchte. Er hat zumindest einen Grammar School-Abschluß, was unserem Abitur gleichkommt. Die „Fine Arts“ hat er dann ziemlich schnell hinter sich gelassen, um nur noch Musik zu machen. Allerdings hat Ian Anderson wohl selbst hin und wieder am Cover Art-Entwurf zu der einen oder anderen Scheibe mitgewirkt. Schulabschluss also ja – Berufsausbildung: nein!

Noch ein Anderson!
.. noch einmal diesen ‚Anderson’ zum Ärgern …

Jethro Tull ist also auf Kreta ohne Violinistin aufgetreten. Vielleicht vertragen die Damen die Wärme dort nicht so gut, denn in Graz am 07.07. erschien diesmal als special guest die Flötistin Tinkara (lt. Laufi-Forum).

Kretakatzes Anmerkungen zu Ian Anderson, besonders zu dem besagten Interview, finde ich korrekt: Anderson braucht die Auftritte, hier kann er sich so geben wie er möchte. Und so lange er noch das Publikum findet, das er braucht, wird er auf Tournee gehen. Outfit und Gehüpfe? Immerhin bekommt Herr Anderson für sein Bühnengejogge noch Geld, während ich mich schweißgebadet mit kläffenden Hunden, die meine Bahnen kreuzen, herumzuschlagen habe.

Ian Anderson im Rollstuhl 1988
Und er flötet … bis zum Abwinken!

Mein Urteil zu Al Stewart ist sicherlich etwas lapidar und nicht ganz gerecht. Es stimmt schon: um ein endgültiges Urteil fällen zu können, müsste ich mehr von ihm kennen. Aber die wenigen Stücke, die ich gehört (und gesehen) habe, „haben mich nicht vom Hocker gerissen“, wie Du es in einem anderen Zusammenhang nanntest, Kretakatze. Oder anders gesagt: sie sprechen mich nicht an. Da mögen die Texte noch so durchdacht und stimmig sein. Nicht, dass mich Texte nicht interessieren, aber Lyrik (Liedertexte gehören wohl auch dazu) ist nicht ganz meine Welt (und bedient sich für mich oft solcher Metaphern, die jenseits meiner Begrifflichkeit liegen – aber ähnliches schreibst Du ja selbst). Und wenn ich manches schon in deutscher Sprache kaum nachvollziehen kann, wie dann in Englisch, das sich als solches einer anderen Bildersprache bedient (wenn wir jemanden auf dem Arm nehmen, so zerren die Angelsachsen jemanden am Bein: to pull sb. ’s leg – oder: Dumm wie Bohnenstroh ist so dick wie ein Ziegelstein, oder?). Aber das ist ein grundsätzliches Problem und hat nichts mit Al Stewart zu tun. Zu Ian Anderson bin ich in erster Linie über die Musik gekommen.

Zu Dir, Lockwood: Da war wohl eher der Wunsch der Vater des Gedanken (Gehörten). Kate Bush spricht nicht von Dave (also David oder heute Dee) Palmer, sondern von Del Palmer, der wohl als Bassist mit der guten Kate zusammengearbeitet hat.

Frauen und Rockmusik ist ein Thema für sich. Du hast wohl recht, Kretakatze: Unter den angeblich 100 besten Gitarrensolos der Rockmusik ist keines dabei, das von einer Frau gespielt wird (oder ich müsste mich gewaltig täuschen). Trotzdem sollte man die Rolle der Frau nicht unterschätzen. Über Kate Bush haben wir ja bereits gesprochen. Viele ihrer Lieder hat sie selbst geschrieben. Die von Lockwood genannten Frauen kann man gelten lassen, obwohl ich zu jeder einzelnen nicht viel sagen kann (z.B. ob sie auch ihre Lieder selbst schreiben). Aber ich habe meine eigene Liste. Und hier finden sich Frauen, die mir etwas bedeuten, weil ich sie wirklich gut finde:

Zunächst Joan Armatrading, die ich von Ende 70/Anfang 80er Jahre her kenne. Bei youtube habe ich ein Konzert aus dem Jahre 1979 (TV-Aufzeichnung vom WDR in Köln) hinterlegt. Übrigens gibt es hier ein Gitarrensolo, das ich zu meinen wirklichen Favoriten zähle (als ‚Vollstrecker’ Ricky Hirsch). Sie ist auch heute noch aktiv und hat erst kürzlich ein neues Album herausgebracht, auf der sie auch das eine oder andere Gitarrensolo (Fender) spielt, das sicherlich auch mit den „100 besten Gitarrensolos“ mithalten kann. Wer Armatrading sagt, muss auch Chapman sagen: Tracy Chapman. In einem der Kommentare zu den Videos bezeichnet ein Zuschauer Joan Armatrading als die Königin und Tracy Chapman als die Prinzessin, was in etwas auch meine Einschätzung (und Wertschätzung) wiedergibt.

Aus frühen Tagen (und um indirekt auf Jethro Tull zurückzukommen) kenne ich Sandy Denny, die lange Zeit bei der Folkrockgruppe Fairport Convention (gehört in den Family Tree von Tull dank Dave Pegg, Dave Mattacks und Martin Allcock, die alle drei sowohl bei Fairport als auch bei Tull gespielt haben – sozusagen die B-Mannschaft von Tull) mitgesungen hat und später 2 oder 3 Soloalben herausbrachte. Leider verstarb sie viel zu früh 1978 (Drogen spielten wohl eine Rolle). Sie hat viele ihrer Folkrocksongs selbst geschrieben. Etwas später bin ich dann über ein Album von Judie Tzuke gestolpert, die hier in Deutschland wohl weitestgehend unbekannt sein dürfte. Ihre Lieder bewegen sich zwischen Rock und Pop. Sie hat einige sehr schöne Lieder geschrieben (und natürlich gesungen), ist dann aber bald wieder abgetaucht. Trotzdem möchte ich sie in meiner Auszählung nicht unterschlagen, da ich zwei Alben (wohl ihre erfolgreichsten: Welcome to the Cruise und Sportscar) im Plattenschrank stehen habe.

Zuletzt eine etwas unterkühlte Blondine aus den Staaten: Aimee Mann. Kretakatze wird sie sicherlich emotionslos finden (und daher langweilig). Aber so sind die blonden Frauen nun einmal (Scherz beiseite). Mir gefallen die kleinen Lieder.

In meinem Weblog habe ich übrigens eine eigene Rubrik eingerichtet, die sich den starken Frauen der Rockmusik widmet, u.a. will ich in diesem Zusammenhang Suzanne Vega und Norah Jones nicht vergessen.

weitere Titel bei youtube:
Joan Armatrading: Tall In The Saddle (02/15/1979)
Fast car -Tracy Chapman
Sandy Denny – Who Knows Where the Time Goes
Judie Tzuke-Stay with me ‚till dawn
Aimee Mann – Pavlov’s Bell

Aber nun ist genug. Ich kann mir denken, dass Euch die eine oder andere musizierende Frau nicht so zusagt wie mir. Das wäre ja auch zu schön. Aber wir wollen uns nicht streiten.

Ach ja, Lockwood: Noch einmal etwas zu den Pogues und dem Sänger Shane McGowan. Einer meiner Schwager ist ein Fan von irischer Musik (ich muss ihn einmal bei einem Drum Whiskey näher interviewen) und hat vor längerer Zeit ein Konzert der Pogues in Hamburg gesehen (Alsterdorfer Sporthalle oder so). Vorsorglich hatte er sich schon alter Klamotten angezogen. Aber am Ende war es dann doch schlimmer als befürchtet. Der gute Shane muss reichlich angetrunken gewesen sein und hielt sich mehr am Mikrophon fest, als dass er sang. Die halbe Halle schwamm zudem in Bier, das pappbecherweise durch die Luft flog. Und in den Bierlachen schwammen weitere Alkoholleichen. Aber irgendwie hatte das trotzdem etwas (fragt sich nur, was?).

Weiterhin fröhliche Schaffenstage. In der nächsten Woche soll es dann tatsächlich wieder sommerlich werden.

Bis bald
Wilfried

10.07.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 78: Jethro Tull auf Kreta – Teil 3

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood!

Lendas, Kreta – 26.06.2007

Es ist 23 Uhr und ich sitze einmal wieder auf der Terrasse in brütender Hitze. Es geht zwar heute Abend ein leichter Wind, aber der scheint direkt aus einem Heißluftbackofen zu kommen. Vor ein paar Stunden habe ich mit meiner Freundin von der Tierschutzorganisation in Chania telefoniert, dort waren heute 43°C. Zum Glück konnte sie letzte Woche noch kurzfristig eine Klimanalage in die Quarantänestation einbauen lassen, die Tiere wären ihr sonst diese Woche umgekippt. Die Hitzewelle hat Kreta fest im Griff und wird wohl noch ein paar Tage andauern.

Wie immer hat sie es geschafft, mir mehr Katzen auf’s Auge zu drücken, als ich nehmen wollte. Einmal habe ich sie angerufen um zu sagen, dass ich zwei Kätzchen nehmen könnte, und nach dem Telefonat hatte ich sechs Katzen an der Backe. Ganz so schlimm war’s diesmal nicht, statt vier bekomme ich jetzt halt fünf. Silke wird auch von niemandem gefragt, wieviele Katzen sie nehmen will. Kürzlich hat sie in einer Woche 35 Kätzchen reinbekommen, alle mutterlos und die meisten davon noch mit der Flasche aufzuziehen – es ist zum K***rank werden. Ach übrigens: Wenn man die Kinder mal aus dem Gröbsten raus hat, kann man durch Anschaffung ein bis mehrerer Katzen dafür sorgen, dass man nie aus dem Gröbsten rauskommt. Ich könnte Euch diesbezüglich weiterhelfen.

Aber ich denke ich sollte langsam wieder zum Thema zurückkommen. Um vielleicht doch noch eine kleine Nachlese zum Konzert vom Samstag zu betreiben: Ich hatte Euch ja von meinem kleinen Malheur mit den Sandalen erzählt. Nun, sie waren am Samstag morgen wieder weitgehend trocken, hatten allerdings ein paar weiße Salzränder. Ich hoffe nur, dass es Mr. Anderson nicht weiter aufgefallen ist, dass ich mit salzigen Sandalen in seinem Konzert saß – das wäre mir sonst peinlich…

Da wir ja erst das Thema „Gitarrensoli“ hatten, habe ich auch versucht ein wenig auf Mr. Barre’s Gitarrenkünste zu achten. Nun ja, es gibt Gitarrensoli bei Jethro Tull, und Mr. Anderson weist sogar üblicherweise extra darauf hin. Während Mr. Barre dann im Spotlight steht und sein Bestes gibt, trinkt er einen kräftigen Schluck aus der Pulle (in diesem Fall kein „Could You bring me a glass of water, Ray“, sondern Selbstbedienung, und die Flasche sah auch wirklich nach Wasser aus), oder verschwindet überhaupt kurz hinter den Kulissen. Was Mr. Barre dann zu bieten hat, ist nicht schlecht, wäre mir aber ohne extra Hinweis von Mr. Anderson nicht aufgefallen. Es klingt für mich zu sehr nach Background-Sound, es sticht klanglich nicht wirklich heraus. Aber – auch um Lockwood noch einmal zu trösten, den ich ja neulich mit meiner Aussage über startende Düsenjets erschüttert hatte – live ist selbst ein startender Düsenjet nicht unbedingt zu verachten, solange er für die richtige Vibration sorgt. Live wirkt manches schon allein durch die Lautstärke.

Lendas, Kreta – 27.06.2007

Ich möchte Euch nicht schon wieder damit langweilen, wie heiß es ist. Mir wird es langsam auch langweilig. Und deshalb mache ich jetzt gleich mit dem Thema weiter.

Das Bühnen-Outfit des Mr. Anderson lässt mir keine Ruhe, bzw. die Frage, wie man es mit seinen „Bühnenaktivitäten“ besser in Einklang bringen könnte. Prinzipiell sind es doch nichts anderes als Kriegstänze, was er da zu seiner Musik vollführt. Schon als ich das erste Mal dieses Video (Thick As A Brick live 1972, besonders die Schluss-Szenen ab 8:30) gesehen habe, habe ich mir gesagt: Früher sind junge Männer, die zuviel überschüssige Energie hatten, in den Krieg gezogen und haben sich gegenseitig die Köpfe eingeschlagen. Heute springen sie auf einer Bühne herum, machen laute Musik und schwingen dazu eine Flöte. Das nenne ich Fortschritt! Ich weiß nicht, ob das schon jemals ausreichend gewürdigt worden ist.

Zu diesem Thema passt auch das folgende Video (Live-Ausschnitte und kurzes Interview von 1969), das ich bei TullTapes gefunden und heruntergeladen habe. Was Mr. Anderson hier über seine Aggressivität sagt, spricht Bände, war mir aber auch schon längst vorher klar. Dabei wirkt er doch so harmlos, eigentlich sieht er richtig süß aus.

Es ist schon seltsam, wie die Zeit die Fronten verschiebt. In den 70ern waren Herren wie Anderson, Fogerty und Co. für mich respektable, junge Männer, ungefähr doppelt so alt wie ich, die ich in die Kategorie „ungefähr so alt wie mein Bruder“ (der ist Jahrgang 1948) einordnen konnte. Wenn ich die gleichen Bilder heute sehe, sind das junge Kerle, ungefähr halb so alt wie ich und kaum älter als mein Sohn, da bekomme ich fast mütterliche Gefühle (wie sich Mr. Anderson in diesem Video quer vor den Mikrophon-Ständer auf den Boden schmeisst und mit den Beinen strampelt, erinnert mich wirklich stark an meinen Sohn, im Alter von 5 bis 6 Jahren hatte der auch solche Phasen). Zeitreisen a la YouTube machen’s möglich.

Dieses Video von 1969 hat mich in einem weiteren Punkt persönlich erwischt. Hier kommt auch Mr. Anderson senior ins Bild, und bei seinem Anblick traf mich fast der Schlag. So sah mein Vater auch aus! Dann diese „Stereoanlage“, wie nannte man die doch damals? Ich glaube wir sagten „Musiktruhe“. Vermutlich hatte jede bessere Familie um 1970 so ein Möbelstück mit eingebautem Radio und Plattenspieler im Wohnzimmer stehen, wir jedenfalls auch, wobei unseres nicht unter sondern neben dem Fenster stand. Erst recht unheimlich wurde mir dann aber, als ich gesehen habe wie Mr. Anderson senior dieses Gerät bedient. Platte auflegen, Klappe zu. Dann in gebeugter Haltung neben dem Apparat verharren und lauschen – Lautstärkeregler noch 1,324 mm nach links drehen – lauschen – nein, das war zuviel, 0,436 mm zurück usw… Das war mein Vater, wie er leibte und lebte, ich dachte ich sehe Bilder aus unserem Wohnzimmer. Zeitreisen a la YouTube…

Lendas, Kreta – 28.06.2007

Luft – Frischluft! Ich sitze auf der Terrasse und lasse mir den angenehm kühlen Wind um die Nase wehen. Bei solchem Wetter kann man endlich einmal eine kleine Wanderung wagen. Auch hier gibt es eine Schlucht – soger mit Ziegen und Strand! Das ist zwar ein Fußmarsch von zwei bis drei Stunden, aber bei solchen Temperaturen kein Problem.

Heute möchte ich auf einen weiteren Aspekt der Rock- und Pop-Musik kommen: Musikerinnen. Sängerinnen im Rock- und noch mehr im Pop-Bereich gibt es wie Sand am Meer. Sucht man Solche, die dazu auch noch ein Instrument spielen können, lichten sich die Reihen schon deutlich. Wenn es gar darum geht, welche davon selbst Songs schreiben, muss man anfangen mit der Lupe zu suchen. Die Damen, die mir da einfallen, kann man an den Fingern einer Hand abzählen.

Da ist naürlich die von uns schon mehrfach erwähnte und allseits geschätzte Kate Bush (hier mit Wuthering Heights, das übrigens auch ein sehr hörenswertes Gitarrensolo enthält). In meiner Plattensammlung befindet sich noch eine Scheibe von Melanie Safka (hier ihre Woodstock-Hymne Lay Down). Die anderen beiden Rock-Damen sehen schon aus wie Männer: Patti Smith (Because The Night) und Annie Lennox (Sweet Dreams), wobei die Zweite, wenn sie wollte, schon aussehen könnte wie ein Frau – will sie aber anscheinend nicht. Kennt Ihr noch mehr Rockerinnen? Kennt Ihr eine bedeutende Komponistin, so in der Größenordnung von Bach, Mozart oder Beethoven? Ich kenne nicht einmal eine völlig unbedeutende.

Die Geschlechterverteilung in der Musikbranche sieht ungefähr so aus wie in der Gruppe Abba: Die Mädels stehen vorne am Mikrophon, schwingen die Hüften und singen, die Jungs im Hintergrund spielen die Instrumente und schreiben die Songs.

Was will mir das sagen? Musik schreiben ist männlich, es muss irgend etwas mit typisch männlichen Eigenschaften zu tun haben. Was und warum, ist mir allerdings noch nicht so ganz klar. Sicher ist es, besonders was Rock-Musik betrifft, ein Ventil für Aggressivität. Wie schon die Texte der meisten Lieder vermuten lassen – in mehr als der Hälfte aller Songs geht es doch immer nur um ein Thema – spielt die Kanalisation erotischer Energien eine Rolle. Warum auf diesem Gebiet die Männer aber so dermaßen dominieren, habe ich trotzdem noch nicht ganz durchschaut.

Auch in angrenzenden Bereichen herrscht Frauenmangel. In Laufi’s Jethro Tull Forum konnte ich bislang nur zwei Frauen entdecken – ich zähle nicht. In Willi’s Jethro Tull Weblog sieht es noch magerer aus – wie gesagt, ich zähle nicht. Jethro Tull scheint kein Thema für Frauen zu sein. Das ist aber vermutlich kein spezielles Jethro Tull Phänomen. Ich gehe davon aus, dass es bei anderen Rock-Gruppen nicht anders aussieht. Auch Fan-Pages werden üblicherweise von Männern gestaltet – ich kenne jedenfalls keine von einer Frau. Worauf ich hinaus will? Frauen scheinen sich üblicherweise anderweitig zu beschäftigen. Was tue ich hier eigentlich? Warum schreibe ich mir seit Wochen die Finger wund über die Farbe von Anderson’s Bart und das Muster von Fogerty’s Hemd – habe ich nichts Besseres zu tun? Aber die Frage könnt Ihr mir wahrscheinlich auch nicht beantworten. Ich gehe jetzt an den Strand!

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Es war ein schöner, aber anstrengender Tag. Auch wenn die ganze Zeit vom Meer her eine frische Brise weht, sollte man doch die Hitze nicht unterschätzen, die von einer glühend heißen Staubstrasse aufsteigt. Dabei habe ich für die Stecke – trotz 15 Minuten Pause unter einer Tamariske am Strand von Loutra – nur 1 Stunde und 40 Mnuten gebraucht. Früher habe ich für diesen Fußmarsch immer zweieinhalb bis drei Stunden eingeplant. Da merkt man erst, was die lieben Kleinen ausmachen – „Mama, ich habe Durst – Mama, ich habe Hunger – Mama, ich kann nicht mehr“ usw…

Direkt vor dem Aufstieg zur Schlucht, in einer ehemals sandigen, flachen Bucht, in der mein Sohn und ich im letzten Urlaub noch geschnorchelt haben, habe ich dann das entdeckt: Einen pikobello frisch betonierten Fischereihafen. Eine große Holztafel gibt darüber Auskunft, dass er über 3,2 Mio. EUR gekostet hat und zu 75% von der EU bezahlt wurde. Griechen sind nämlich ein wenig seltsam, sie hassen die Hand, die sie füttert. Damit sie sie zumindest nicht ständig beissen, werden sie schon seit Jahren durch entsprechende Schilder an jedem von der EU gesponserten Projekt darauf hingewiesen, wieviel Geld man ihnen wieder geschenkt hat.

Was mich gewundert hat: Wozu braucht man hier am Ende der Welt, mehr als 5 km entfernt vom nächsten Ort und vom letzten asphaltierten Straßenabschnitt, einen völlig neuen Fischereihafen? Es gibt sowieso keine Fische mehr, das griechische Meer ist leergefischt. Immerhin liegt hier gerade ein kleiner Fischkutter am Kai, aber die anderen Boote sehen mir nach Hobby-Fischern aus, die sich am Wochenende oder im Urlaub die Zeit mit Angeln verteiben. Als nächstes wird jetzt natürlich die Straße asphaltiert werden müssen, sicher auch wieder mit EU-Geldern. Auch die Ziegen, die hier in der Mittagssonne wiederkäuend von den frisch planierten Terrassen auf den neuen Hafen herabschauen, scheinen sich zu fragen, was das soll. (Gesamtansicht: Fischereihafen am Ende der Welt – Lendas liegt übrigens in der Bucht vor dem großen „liegenden Löwen“, der dem Ort den Namen gab: Leondas = Löwe

Der Strand am Ausgang der Schlucht ist schattenlos, nur in der westlichen Bergwand gibt es zwei Felsspalten, die ab mittags im Schatten liegen. Die größere war schon von einer Familie belegt, aber die kleinere war noch frei, und so fand ich ein angenehm klimatisiertes Plätzchen. Nach der ersten Schnorchel-Runde bin ich dann auch prompt in meiner Höhle eingeschlafen und erst abends nach 18 Uhr wieder aufgewacht – eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, den ganzen Nachmittag zu verpennen.

Während ich die Kinder der Familie aus der Nachbarhöhle beobachtete, fiel mir wieder ein, wie ich vor 15 Jahren zum ersten Mal in diese Schlucht gekommen war, zusammen mit meinem Sohn und einer Freundin mit Mann und Kind. Die Jungs waren damals 5 Jahre alt. Zum Zeitvertreib für die Kinder hatten wir zuvor eine Schmalspur-Angelausrüstung gekauft – Nylonschnur, zwei Haken, Gewicht und Schwimmer, alles auf eine Korkplatte gewickelt. Am späten Nachmittag sind wir über die Felsen am westlichen Berghang zu einer Stelle geklettert, wo das Wasser schon relativ tief war und wir die „Angel“ auswerfen konnen. Als Köder hatten wir zuvor einige Muscheln gesammelt. Und dann – oh Schreck – hing tatsächlich nach kurzer Zeit ein Fisch am Haken. Damit hatten wir nicht unbedingt gerechnet.

Große Aufregung, die Kinder waren natürlich begeistert, aber jetzt: Was tun? Zuerst wurde der Fisch mal photographiert, aber dann musste er irgendwie vom Haken. Man glaubt garnicht, wie glitschig diese Tiere sind, wenn man noch nie etwas mit ihnen zu tun hatte. Etwa 5 Minuten lang kämpften 3 Erwachsene und 2 Kinder, um ein 15 cm Fischlein vom Haken zu bekommen. Zum Glück war niemand vom Tierschutz anwesend, ich war damals noch nicht so aktiv. Schließlich hatten wir den Fisch von der Angel befreit, und – was hätten wir sonst schon mit ihm machen sollen – haben ihn ins Meer zurück geworfen. Ich weiß nicht, ob er danach noch sehr alt geworden ist, ein bißchen Schlagseite hatte er schon.

Es war schon gegen 19:30 Uhr, als ich mich auf den Rückweg gemacht habe. In der Schlucht habe ich dann noch ein paar Ziegen photographiert, deshalb gibt’s hier noch ein Suchbild mit Ziege. Es ist schon erstaunlich, wie sich auch diese Tiere farblich bereits ihrem Untergrund angepasst haben. Nach einem Souvlaki (schwesterlich geteilt mit den Katzen) in einer neuen Taverne in der Bucht von Loutra gegenüber dem neuen Hafen, bin ich schließlich im Mondenschein (es ist fast Vollmond) zurück nach Lendas marschiert, wo ich gerade noch rechtzeitig eintraf, um im „Supermarket“ mein Frühstück für morgen einzukaufen.

Das war jetzt alles ziemlich „Off Topic“, aber ich denke mein Thema heißt „Jethro Tull auf Kreta“, und das war jetzt der „auf Kreta“-Teil.

Lendas, Kreta – 29.06.2007

Inzwischen ist die Brise vom Meer aufgefrischt, man könnte es auch als windig bezeichnen. Die Temperatur ist seit vorgestern bestimmt um mindestens 10 Grad gefallen, es ist jetzt richtig angenehm. Trotzdem mache ich heute nicht gleich wieder einen Gewaltmarsch, heute wird gefaulenzt.

Kommen wir noch einmal auf Laufi’s Jethro Tull Forum zurück. Dort hatte ich vor ein paar Wochen ein Schlüssel-Erlebnis. Bis dahin hatte ich gedacht, wie zahlreiche andere Menschen wohl auch, ich könne „objektiv“ gute Musik von schlechter unterscheiden, oberflächliche von tiefschürfender, belangslose von bedeutungsvoller – unabhängig vom „Geschmack“. Dann las ich dort – übrigens geschrieben von einem Jethro Tull Fan, was sonst – die Worte, „Overhang“ sei oberflächliches Gedudel. Das hat mich in meinem Innersten erschüttert. Wie konnte jemand diesen Aufschrei aus meiner tiefsten Seele für „oberflächliches Gedudel“ halten?

Es wird so gerne leichthin gesagt, Musik sei eine Sprache, die jeder versteht. Davon bin ich abgekommen. Es gibt in der Musik vermutlich mindestens so viele verschiedene Sprachen, wie im gesprochenen Wort, und nicht Jeder versteht jede. Wenn sich zwei Menschen auf chinesisch unterhalten, ist das für mich unter Umständen von bedeutunglosem Baby-Gebrabbel nicht zu unterscheiden, dabei kann es sich um ein hochgeistiges Gespräch handeln. In der Musik scheint es ähnlich zu sein. Ich habe mir daher vorgenommen mich davor zu hüten, eine Musik als oberflächlich oder inhaltlos zu bezeichnen, nur weil sie mir nichts sagt. Schon garnicht sollte man jemanden als „hirnamputiert“ bezeichnen (wie bei Laufi geschehen), nur weil ihm eine Musik gefällt, mit der man selbst nichts anfangen kann. Solange es einen ernstzunehmenden Menschen gibt, dem diese Musik etwas bedeutet, ist sie nicht bedeutungslos. Sie drückt nur wahrscheinlich ein Gefühl oder aus, das man selbst nicht kennt.

Allerdings muss ich zugeben, dass mein Verständnis da auf Grenzen stösst, wo in der Musik Gewalt verherrlicht wird, wo sie diskriminierende Inhalte transportiert oder Brutalität ausdrückt. Wobei man sicher darüber streiten kann, ob solche Musik zum Abbau oder zum Aufbau von Aggressionen beiträgt. Es kommt vermutlich auf den Menschen an, der sie hört.

Lendas, Kreta – 30.06.2007

Mein Urlaub geht unaufhaltsam seinem Ende entgegen, morgen früh wird gepackt und dann geht es zurück nach Hause. Mir fällt auch langsam wirklich nichts mehr ein, und ich bin gespannt, was Ihr inzwischen so getrieben habt.

In nächster Zeit werde ich vermutlich kaum zum Schreiben kommen, die Katzen und die Arbeit warten. Vielleicht gibt’s hin und wieder ein kurzes Lebenszeichen von mir – mal sehen.

Ganz liebe Urlaubsgrüße von
Kretakatze

PS.: Es ist der 02.07. und das Arbeitsleben hat mich zurück. Ein paar kleine Programmfehler waren während meiner Abwesenheit aufgetreten, aber nichts so Dringendes, dass man es nicht für mich bis nach meinem Urlaub hätte aufheben können.

Auch meine Katzen hatten eine kleine Überraschung für mich vorbereitet – sie hatten eine tote Maus im Wäschekorb versteckt. Diese nette Idee scheinen sie bereits kurz nach meiner Abfahrt vorausblickend in die Tat umgesetzt zu haben, damit die Maus bis zu meiner Rückkehr auch das nötige Reifestadium erreicht hat. Der dezente Geruch im Badezimmer sowie die zahlreichen gut entwickelten Maden, die sich im der Wäsche tummelten, zeugten davon, dass ihnen das Timing optimal gelungen war. Wie ich schon einmal erwähnt habe: Wenn die Kinder mal aus dem Gröbsten raus sind, muss man deswegen nicht verzweifeln…

Gerade eben habe ich noch dieses Video von Nothing Is Easy gefunden, aufgenommen am 23.06.2007 in Iraklio. Eigentlich müsste ich irgendwo im Bild sein, ich habe mich aber noch nicht entdeckt… Und auch dieses Video (neues Intro zu Aqualung) stammt vom Konzert in Iraklio, offensichtlich aufgenommen von jemandem, der direkt hinter den Steh-Reihen saß. Die Handys scheinen doch nicht so gut zu filmen, wie ich dachte.

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 77: Jethro Tull auf Kreta – Teil 2

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood!

Lendas, Kreta – 24.06.2007/25.06.2007

Nun bin ich also in Lendas angekommen, und es ist brütend heiß. Das war es schon gestern in Iraklio – 39°C nach Auskunft meines Autoverleihers, in Athen wohl sogar 42°C. Es ist kurz vor Mitternacht, ich sitze auf der Terrasse vor dem Zimmer und die Luft ist zum Schneiden – an Schlafen nicht zu denken. Aber fangen wir von vorne an.

Gestern war also der große Tag, an dem ich mein erstes Jethro Tull Konzert erleben sollte. Nach 10 Uhr war ich in Xerokambos aufgebrochen und gegen 2 Uhr kam ich in Iraklio an. Da ich, wie ich schon wiederholt erwähnt habe, immer sehr für sparsame Haushaltsführung bin, hatte ich beschlossen mein Nachtlager im Youth Hostel aufzuschlagen. Schließlich brauchte ich nur eine Schlafunterlage für die Nacht, und außerdem liegt es nicht weit von meiner Autovermietung entfernt. Nun, jetzt weiß ich auch wie diese Art der Unterbringung zu bewerten ist: Nicht zu empfehlen. Das Etablissement in Iraklio ist äußerst schlicht, nicht unbedingt sauber und kostet immerhin 10 EUR die Nacht. Auch beunruhigte mich von Anfang an die Auskunft, dass um 24 Uhr die Pforte geschlossen wird. Wer bis dahin nicht im heimischen Hafen eingelaufen ist, darf unter freiem Himmel nächtigen. Und schließlich wußte ich nicht so genau, wie lang das Konzert dauern könnte.

Wie auch immer – bis 15 Uhr hatte ich im Youth Hostel eingecheckt und mein Gepäck in einem 8-Bett-Zimmer auf einer Pritsche abgeladen. Bei der Autovermietung war niemand anzutreffen, also machte ich mich erst einmal auf den Weg die Busverbindung nach Lendas für den nächsten Tag auszukundschaften. Dazu war ein kleiner Fußmarsch von 20 Minuten zur Busstation erforderlich. Auf dem Weg kam ich an zahlreichen Plakatwänden vorbei, an denen die verschiedensten Konzerte angekündigt wurden – nur konnte ich nicht den Zipfel eines Plakats von Jethro Tull entdecken. Das begann mich zu beunruhigen.

Mich peinigte der Gedanke, dass das Konzert vielleicht inzwischen abgesagt worden war, und ich nur nichts davon mitbekommen hatte. Oder hatte man aus organisatorischen Gründen nur einfach vergessen Plakate zu kleben? Das soll ja schon 1976 Cat Stevens in Athen passiert sein – er durfte vor nahezu leerem Haus auftreten. Oder hatte man die Plakate überklebt, weil längst ausverkauft war? Um eine Antwort zu erhalten würde mir nichts anderes übrig bleiben, als vor Ort am Kipotheatro die Lage zu peilen. Nachdem ich an der Busstation mit der Information beglückt worden war, dass weder samstags noch sonntags Busse nach Lendas fahren – ich würde also zumindest für die letzten 30 km ein Taxi brauchen – machte ich mich auf zum Ort der Handlung, dem „Gartentheater“, in dem Jethro Tull nach meiner Information heute Abend 20 Uhr auftreten sollten.

Nochmals 20 Minuten Fußmarsch bei sengender Hitze, ich mußte mich durchfragen. Trotzdem war ich eigentlich erstaunt, wie nahe alles beieinander lag. Nach der Karte hätte ich die Entfernungen viel weiter geschätzt. Iraklio, die fünftgrößte Stadt Griechenlands, ist im Zentrum eigentlich auch nur ein großes Dorf.

Als ich am Kipotheatro ankam war es ca. 16:30 Uhr. Im Cafe vor dem Eingang saßen eine Handvoll Leute, sonst war nichts los. Der Eingang stand offen, und hier hingen tatsächlich auch ein paar Jethro Tull Plakate. Ich warf einen Blick in die heiligen Hallen und bekam folgendes zu sehen: Kipotheatro1 Kipotheatro2. Es sah tatsächlich so aus, als ob hier ein Konzert vorbereitet würde. Das ließ mich Hoffnung schöpfen. Wenn ich nur auch schon ein Ticket hätte. Der Verkaufsschalter am Kipotheatro war geschlossen. Und auch sonst hatte ich bislang nirgendwo einen Laden entdecken können, der so aussah als ob dort Konzertkarten zu bekommen wären.

Nur als Einschub zwischendurch: Selbst ich war von der Überschaubarkeit dieser Lokalität überrascht. Ich schreibe das nur, weil immer wieder von verschiedener Seite vermutet wird, Mr. Anderson ginge auf Tournee um Geld zu scheffeln. Spätestens wenn man die Größe dieser Venue sieht muss einem klar werden, dass so eine Vermutung lächerlich ist. Für die paar Kröten, die hier zu verdienen sind, würde ich mir den Stress eines Konzerts jedenfalls nicht antun. Hier tritt nur auf, wer es wirklich nötig hat, oder wer es überhaupt nicht nötig hat. Bei Mr. Anderson würde ich das Zweite vermuten. Konzerttourneen scheinen sein Hobby zu sein, solange er nicht draufzahlt, ist es ok.

Jetzt wurde es aber wirklich langsam Zeit, dass ich das Auto loswurde. Also nochmal zur Autovermietung. Nach einem Telefonat, 10 Minuten warten auf den Vermieter, einer Limo und einem Schwätzchen war das auch erledigt. Nichts wie zurück zum Kipotheatro. Wer wußte schon, wann der Verkaufsschalter öffnen und sich die Menschenmassen drängen würden. Es war ca. 17:45 Uhr als ich ankam, und diesmal klang mir bereits das Intro zu Locomotive Breath entgegen. Der Eingang stand immernoch offen und so bot sich mir das folgende Bild: Kipotheatro3. Eindeutig waren bereits die Herren Perry, Goodier und O’Hara auf der Bühne zu erkennen, der äußerst Rechte (Stage Left) könnte Mr. Barre sein. Nur vom Meister keine Spur. Würden Jethro Tull etwa ohne Mr. Anderson auftreten? Das wäre ja mal ganz was Neues.

Während ich photographierte lief ein Trupp schwarz gekleidete Sicherheitsleute an mir vorbei. Es wollte zwar Keiner etwas von mir, aber ich dachte ich sollte vielleicht doch besser nicht so auffällig im Weg herumstehen. Außerdem hatte ich noch ein Telefonat zu erledigen. Als ich 18:00 Uhr zurückkam, tönte mir eine Flöte entgegen – Mother Goose. Da war der Meister wohl doch noch eingetroffen. Allerdings: Jetzt war der Eingang zu und mindestens 15 bis 20 Sicherheitsleute standen oder saßen herum. Pech!

Wie man vielleicht schon auf den Bildern gesehen hat, ist das Kipotheatro von beiden Längsseiten von hohen Mauern eingeschlossen. Die im Bild rechte ist die Außenseite der historischen Stadtmauer. Links des Theaters führt eine Straße den Berg hinauf. Der Hang ist ebenfalls durch eine Mauer abgesichert. Von der Straße her ist die Mauer natürlich so hoch gezogen, dass man nicht von oben ins Theater hineinsehen kann – das wäre ja auch zu einfach. Allerdings zieht sich die Mauer mit einer Höhe von nur etwa einem Meter bis kurz hinter den Eingang, und von dort aus konnte ich durch die Zweige einer Kiefer hindurch zumindest Teile der Bühne einsehen. Hier bezog ich für die nächsten anderthalb Stunden Stellung.

Ich konnte nun erstmals den Meister erspähen, wie er in schwarzem T-Shirt und schwarzer Hose, Flöte in der Hand, auf er Bühne herumsprang. Und – welch Wunder – er trug keine Kopfbedeckung. Hatte ihn etwa die kretische Sonne dazu animiert, sie sich auf’s blanke Haupt scheinen zu lassen? Wäre es gar möglich, dass es ohne den lächerlichen Kopf-Fummel auftreten würde? Die Aussichten für den Abend wurden immer erfreulicher.

Gegen 18:30 Uhr war der Soundcheck zu den Instrumenten „akustische Gitarre und Gesang“ fortgeschritten. Es wurde der Anfang von „Thick As A Brick“ geboten – das klang nicht einmal so schlecht. Als ca. 19:00 Uhr noch ein komplettes „Farm On The Freeway“ gespielt wurde, kam bei mir langsam richtig Stimmung auf. Dem Meister schien allerdings irgendetwas nicht gefallen zu haben. Es gab eine kurze Diskussion und danach wurde ein Teil wiederholt.

Eigentlich sind diese Open Air Venues garnicht so schlecht. Sollte ich wirklich kein Ticket mehr bekommen, dann hatte ich hier auf der Mauer im Schatten einer Platane trotzdem einen luftigen Sitzplatz, von dem aus ich einiges sehen und alles hören konnte. Aber meine diesbezüglichen Bedenken waren grundlos. Inzwischen hatte der Kartenverkaufsschalter geöffnet und die Länge der Schlange hielt sich in Grenzen. Tickets schienen noch genug vorhanden, es wurde vom dicken Block herunter verkauft und ich erhielt das Ticket No. 5 (ein Jethro Tull Ticket ist ja vielleicht nichts sooo Sensationelles, aber nicht jeder hat eins in griechischer Schrift…). Auf dem Ticket las ich dann auch die „richtigen Öffnungszeiten“: Einlass 19:30 Uhr, Beginn 21:30 Uhr!!! Um Mitternacht schließt das Youth Hostel, und für die Strecke brauche ich mindestens 20 Minuten zu Fuß. Das könnte knapp werden. Ich begann mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass ich die Nacht auf einer Parkbank verbingen würde, während mein Gepäck sanft auf der Pritsche ruhte.

Ticket Jethro Tull 2007 auf Kreta

Nach dem Kartenkauf bezog ich wieder meinen Logenplatz auf der Mauer. Jetzt wurde es richtig rockig, gegen 19:20 Uhr stand „Sweet Dream“ auf dem Programm. Danach wurden noch Ausschnitte aus „America“ und nochmals „Mother Goose“ geboten. Der Soundcheck schien um 19:40 Uhr beendet, die Herren verschwanden von der Bühne. Inzwischen hatten auch die ersten Besucher Stellung vor dem Eingang bezogen, und es wurde Zeit, dass ich mich für den Einlass günstig positionerte. Das gelang mir auch problemlos.

Das Publikum, das sich allmählich vor dem Eingang sammelte, war erstaunlich bunt gemischt. Neben einem älteren deutschen Ehepaar waren Griechen allen Alters vertreten, teilweise ganze Familien einschließlich Kindern unter 10. Außerdem bemerkenswert viele junge Leute und Jugendliche, aber auch ein typischer, mindestens 60-jähriger kretischer Opa. Natürlich muss man dabei bedenken, dass es sich um eine Samstag Abend Veranstaltung handelte. Bestimmt hatten sich einige Zuschauer nach dem Motto – „Was gibt’s diesen Samstag?“ – „Jethro Tull spielen“ – „Kenne ich nicht, aber gucken wir mal, was das ist“ – zu diesem Konzertbesuch entschlossen. Viele der Jugendlichen waren wahrscheinlich einfach gekommen, weil ein Rock-Konzert angesagt war. So groß wird das kulturelle Angebot in Irakio nicht sein – zumindest was „ausländische“ Musik und Rockmusik betrifft. Da nimmt man mit, was man bekommen kann.

Trotzdem muss man sich bei den Preisen doch wundern, wer sich das alles leisten wollte. 40 EUR sind für einen 13- oder 14-Jährigen (und es gab eine ganze Menge Jungs in etwa der Altersklasse) doch bestimmt eine Menge Geld, und wenn eine dreiköpfige Familie für einen Samstag Abend 120 EUR hinblättern muss, ist das auch kein Pappenstiel. Wenn ich da an die Preise in meiner Jugend denke – Cat Stevens 1976 kostete 16 DM, Al Stewart 1977 14 DM, Dire Straits 1979 waren schon teuer mit 20 DM. Früher war halt alles besser und vor allem billiger.

Kurz nach 20:00 Uhr wurden dann tatsächlich die Tore geöffnet, man wurde gruppenweise eingelassen und ggf. gefilzt (so wie ich z.B. mit meinem kleinen Rucksack – Wasserflasche, ein Apfel, eine Packung Kekse und eine Packung Nüsse gingen aber anstandslos durch, das Seitenfach mit der Kamera interessierte niemanden). Da ich gleich in der zweiten eingelassenen Gruppe war, hatte ich noch praktisch freie Platzwahl, und ich positionierte mich in der Mitte der vierten Reihe ungefähr auf gleicher Fußhöhe mit der Bühne – das sollte sich später noch als gute Wahl erweisen. Aus unerfindlichen Gründen wollte sich niemand neben mich setzen, so dass die Plätze rechts und links von mir frei blieben (eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass ich sooo gestunken habe…), obwohl sich das Theater allmählich füllte. Gegen 21:30 Uhr konnte ich jedenfalls in den Reihen vor und hinter mir keine freien Plätze mehr erkennen, stattdessen saßen inzwischen Zuschauer auf den Mäuerchen rechts und links oder standen in den Gängen. Auch die Stehplätze hinter den Sitzreihen schienen nicht unbenutzt zu bleiben. Ich dagegen tronte in der Mitte der vierten Reihe auf drei Plätzen wie die Königin von Saba.

Nachdem ich mich auf meinem Sitz häuslich eingerichtet hatte, war bis zum Konzertbeginn noch über eine Stunde totzuschlagen. Etwas Abwechslung bot das Programm auf der Bühne, hier hantierten 3 Männer mit einer Leiter, um sämtliche Scheinwerfer neu zu justieren. Hinter mir hatte sich ein griechischer Jethro Tull Experte – so um die 40 – platziert, der seiner Gesellschaft lautstark die Bedeutung von Aqualung und Songs From The Wood näherbrachte, selbst Marin Barre’s Stage Left war ihm nicht unbekannt. Vor mir hatte ein Ehepaar für die gesamte Verwandschaft und Bekanntschaft gleich 10 Plätze belegt, setzte sich dann direkt vor mich und begann zu qualmen, was die Lunge hergab (Dazu muss man wissen: Mir wird von Rauch in kleinsten Mengen schlecht – ich rieche, wenn sich jemand in 100 m Entfernung eine Zigarette anzündet). Überhaupt schien sich um das strikte Rauchverbot, auf das schon am Eingang hingewiesen wurde, niemand zu scheren. Vor und während der Vorstellung stiegen aus dem Publikum immer wieder regelrechte Rauchwolken auf. Die Sicherheitskräfte hatten damit kein Problem.

Nachdem sich das Publikum weitgehend auf den Plätzen etabliert hatte, begann es sich mit Lebensmitteln einzudecken. Jede Menge Bier in Pappbechern wurde in Freundeskreisen verteilt, hinter mir wurden Chipstüten durchgereicht. Inzwischen begann es einzudunkeln, und die Bühnenscheinwerfer mussten nochmals ausgiebig getestet werden. Dazu wurde auch das Publikum angestrahlt und ausgeleuchtet. Mehrmals traf mich einer der Scheinwerfer so ins Auge, dass ich danach einige Momente lang überhaupt nichts mehr sah. Das ist Körperverletzung, hoffentlich machen die das nicht auch während der Vorstellung so!

Dann endlich, um 21:45 Uhr (es wird wohl doch die Parkbank werden) ging das Licht aus, einige Schattengestalten huschten über die Bühne, dann Licht an und los ging’s mit „Living In The Past“. Gejohle und Beifall aus dem Publikum, und jetzt wurde mir schnell klar, warum vor der Bühne Absperrgitter aufgestellt und dahinter Sicherheitsleute postiert waren. Wie auf Kommando stürzte Publikum aus den Gängen, von hinten und von der Seite vor zur Bühne, die erste Reihe wurde einfach überrannt. Schon nach wenigen Takten war von der ersten Sitzreihe nichts mehr zu sehen, wer dort gesessen hatte musste notgedrungen auch stehen, sonst wäre er wohl erstickt. Direkt vor der Bühne bildeten sich etwa 4 Steh-Reihen, aber von meinem Sitzplatz in der vierten (jetzt dritten) Reihe konnte ich gerade eben bequem über die Köpfe hinweg sehen – das hatte ich mal wieder optimal getroffen.

Was mir sofort auffiel: Oh nein, er hat doch wieder die schwarze Abdeckplane übers bare Haupt gezogen, und hat er sich eigentlich den Bart passend zum Kopfverband gefärbt? Der war doch früher nicht schwarz, oder? Ansonsten war Mr. Anderson mit der gleichen gelb-rot gemusterten Weste bekleidet, die ich schon aus den Südamerika-Videos kannte. Eigentlich kam ich mir vor wie in YouTube mit Vergrößerung.

Was mir nach dem Soundcheck schon klar war: Es war keine Geigerin mit von der Partie, die Herren waren unter sich und spielten das „klassische“ Programm. Ich werde jetzt nicht jeden gespielten Titel einzeln durchgehen, sondern nur allgemein ein paar Anmerkungen machen. Eine tabellarische Zusammenfassung des Konzerts einschließlich Setlist findet Ihr am Ende meines Beitrags.

Nach dem ersten Titel musste Mr. Anderson erst einmal mit dem Publikum schimpfen: Warum denn hier alle vor an die Bühne rennen, es wäre doch nicht nett den dahinter Sitzenden die Sicht zu versperren. Also zurück auf die Plätze, er habe schließlich noch nicht einmal richtig angefangen. Das brachte ihm zwar ein paar Lacher ein, aber natürlich hat sich trotzdem niemand auch nur einen Zentimeter von der Stelle gerührt. Immerhin, er hat’s versucht, das fand ich eigentlich ganz nett.

Was mir schon bei „Living In The Past“ auffiel – die Stimme hatte nachmittags beim Soundcheck noch besser geklungen. Auch bei „Mother Goose“ und erst recht bei „Thick As A Brick“ bekam er die hohen Töne nicht und lag teilweise im Ton daneben. So etwas tut mir immer in der Seele weh, ich hätte am liebsten beim Singen ausgeholfen. Bei den lauteren Titeln fiel es nicht so auf, da hörte man die Stimme teilweise kaum. Vielleicht liegt es auch vor allem an der Tonhöhe. Beim „Locomotive Breath“ am Schluss klang die Stimme wieder garnicht so schlecht.

Der zweite gespielte Titel war „Jack In The Green“. Hier habe ich versucht, mit meiner (schon etwas älteren) Digitalkamera ein paar Photos zu machen. Nach dem zweiten Bild waren die Akkus leer, andere hatte ich nicht dabei (auf der Pritsche im Youth Hostel…). Letztendlich hätten mir andere Akkus aber auch nichts genützt, denn offensichtlich war meine Kamera von den Lichtverhältnissen überfordert. Ich glaube die Griechen um mich herum haben mit ihren Handys bessere Photos geschossen. Teilweise wurde mit dem Handy wohl auch gefilmt, die Dame schräg vor mir verfolgte das Geschehen immer wieder minutenlang über das 5×5 cm Display ihres Handys, statt sich die Aktion auf der Bühne 3 m vor ihrer Nase anzusehen. Mit der Faszination der Technik kann ein Mr. Anderson halt selbst in Lebensgröße nicht mehr mithalten.

Da die beiden von mir gemachten Bilder so schlecht sind, dass sie schon fast wieder einen künstlerischen Wert besitzen, möchte ich sie Euch nun doch nicht vorenthalten. Ihr werdet sehen, man sieht so gut wie nichts: Bild1 Bild2

Ich bin bei diesem Live-Erlebnis einmal wieder zu dem Schluss gekommen, dass bei solch einem Konzert die eigentliche Attraktion nicht das ist, was man sieht, sondern dass man aufgrund der Lautstärke die Musik nicht nur hört sondern auch fühlt. Und so kam die richtige Begeisterung beim Publikum auch immer dann auf, wenn es laut und schnell wurde. „Living In The Past“, „Sweet Dream“ (angekündigt als „a lot of noisy guitar from Mr. Barre“), „Aqualung“ (aber erst der „eigentliche“ Teil nach dem neuen Intro), „My God“ und zum Schluss natürlich „Locomotive Breath“ kamen daher am besten an. Dabei war die Lautstärke für mein Gefühl absolut ok, weder zu leise noch zu laut.

Auch die diversen Flötensolos oder geflöteten Instrumentalstücke brachten Stimmung – „The Donkey An The Drum“ (klingt wegen des ungeraden Takts für mich auch wie ein griechischer Tanz, das Publikum ging entsprechend mit), „Bourree“ (von Mr. Anderson als „a piece of porn Jazz“ angekündigt) und „King Henry’s Madrigal“ (dazu gab’s einige launige Anmerkungen zu König Henry, seiner poetischen Ader und seinen „kopflosen“ Frauen) wurden vom Publikum entsprechend freudig aufgenommen. Weniger gut konnte Martin Barre mit seinem „After You, After Me“ landen – auch ich merkte, dass ich nach kurzer Zeit nach den Glühwürmchen Ausschau hielt (es flogen tatsächlich einige herum), überprüfte wieviele Sterne am Himmel standen etc.. Nun ja, ich habe ja bereits an anderer Stelle erwähnt, dass Instrumentalmusik nicht so mein Fall ist und Gitarrensolos mich üblicherweise eher langweilen. Dem übrigen Publikum schien es ähnlich zu gehen.

Allgemein war zu bemerken, dass die Aufmerksamkeit des Publikums nachließ, sobald das Spotlight längere Zeit von Mr. Anderson auf Mr. Barre schwenkte (wegen eines Solos), und der Erstere evt. sogar vorübergehend hinter Schlagzeug oder Kulisse verschwand. Der Show-Effekt, den ein Ian Anderson auf die Bühne bringt, ist auch heute noch nicht zu unterschätzen. Auch wenn es teilweise albern wirkt, wenn er wie Rumpelstilzchen über die Bühne hüpft und stapft, die Beine schmeißt oder Grimassen zieht, es gibt einfach immer etwas zu sehen. Irgendwie verstehe ich ja, wenn er sich nicht seriöser kleidet, es würde zu seinem unseriösen Auftreten nicht passen. Ich komme aber immer mehr zu dem Schluss, dass eine Montur im Stile „Pontischer Kriegstänzer“ Mr. Anderson’s Naturell am ehesten entgegen käme. Wenn er sich schon unbedingt einen schwarzen Putzlappen auf den Kopf binden muss, dann wäre das die passende Tracht dazu. Sie würde viele seiner „Aufführungen“ weniger lächerlich sondern stattdessen symbolhaft bedeutsam erscheinen lassen. Ich denke ich werde ihm mal einen Tipp geben müssen.

Ernsthafte Geschmacklosigkeiten oder Entgleisungen gehörten nicht zum Programm. Die üblichen Schlüpfrigkeiten eben: Die große Blockflöte (gespielt in „Mother Goose“ von Mr. Barre) und die kleine Flöte (Mr. O’Hara), und ob es nun auf die Größe ankommt? Natürlich durfte auch der „Flötenpenis“ wieder nicht fehlen, obwohl er es nicht allzu sehr übertrieben hat. Ich weiß nicht ob Mr.Anderson aufgefallen war, dass sich im Publikum kleine Kinder (und gleich vorne an der Bühne auch eine ganze Reihe ziemlich junge Mädchen) befanden.

Auch auf die Erwähnung der Konkurrenz (bzw. den Hinweis darauf, in welcher Klasse er spielt) musste man natürlich nicht verzichten. So verkündete Mr. Anderson, jetzt komme sein bekanntestes Stück, „Smoke On The…äh…Stairway To…Aqualung“. Na ja, „Whole Lotta…Brick“ fand ich den besseren Gag, aber der ist ja nun halt auch schon 30 Jahre alt. Um noch kurz bei „Aqualung“ zu bleiben – das neue Intro passt meiner Meinung nach überhaupt nicht, es ist viel zu süßlich. Die Melodie erinnert mich an den Titanic-Schmachtfetzen (ist jetzt nicht abwertend gemeint, ich mag dieses Lied) „The Heart Does Go On“, eigentlich scheint es mir das Intro zu diesem Titel zu sein. Ein Intro zu „Aqualung“ müsste viel rockiger klingen.

Was die Setlist betrifft, dürfen natürlich bei Auftritt an einem Ort, an dem man bestenfalls alle 10 Jahre mal vorbeikommt, die Klassiker nicht fehlen – „Living In the Past“, „Bourree“, „Thick As A Brick“, „Aqualung“ und „Locomotive Breath“ sind daher unvermeidlich. Ansonsten fand ich die Auswahl allerdings stark „1969-lastig“, auch „Farm On the Freeway“ und „Budapest“ sind meiner Meinung nach nicht beide notwendig. Die Titel klingen für mich irgendwie ähnlich, und „…Freeway“ gefällt mir besser. „America“ halte ich nun für völlig überflüssig. Ich hätte mir eher noch ein oder zwei Stücke aus der „Songs-From-The-Wood-Heavy-Horses-Phase“ gewünscht, auch ein Titel aus „Broadsword“ oder noch etwas rockiges aus „Crest Of A Knave“ hat meiner Meinung nach gefehlt. Aber natürlich muss Mr. Anderson die Auswahl auch danach treffen, was er stimmlich noch halbwegs hinbekommt – es ist ein Jammer.

Zusammenfassend würde ich trotzdem sagen, dass es ein gelungener Abend war und auch das griechische Publikum zufrieden nach Hause ging. Ganz besonders dankbar war ich den Jungs dafür, dass sie ohne Pause durchgespielt haben und daher laut meiner Uhr um 23:33 Uhr (einschließlich Zugabe) fertig waren. Das gab mir Chancen der Parkbank zu entkommen. Nachdem ich mich durch den Stau in den Theatergängen gekämpft hatte, eilte ich durch die Stadt nach Hause und erreichte die rettende Pforte um 5 vor 12. So konnte ich mich noch zu meinem Gepäck auf die Pritsche legen und trotz der Affenhitze habe ich tatsächlich ein paar Stunden geschlafen.

So, das war’s erst einmal zum Thema „Jethro Tull auf Kreta“.

Es grüßt Euch
Kretakatze

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Jethro Tull in Iraklio, Kreta – Samstag 23.06.2007

Venue: Kipotheatro „Nikos Kazantzakis“ (Gartentheater)
Offiziell laut Internet Einlass ab 19:00 Uhr, Beginn 20:00 Uhr
Offiziell laut Ticket Einlass ab 19:30 Uhr, Beginn 21:30 Uhr
16:30 Uhr: erste Vorbereitungen auf der Bühne
17:45 Uhr: Intro von Locomotive Breath, die Herren O’Hara, Goodier, Perry (und Barre) auf der Bühne
18:00 Uhr: eine Flöte tönt (Mother Goose), Tor ist geschlossen
18:30 Uhr: Soundcheck „akustische Gitarre mit Gesang“ – Thick As A Brick
19:00 Uhr: Farm On The Freeway (komplett und ein Teil wiederholt)
19:20 Uhr: Sweet Dream (Ausschnitt) – America (Flöte) – Mother Goose (Flöte)
19:40 Uhr: Soundcheck beendet, die Herren verschwinden
20:00 Uhr: Einlass

Beginn: ca. 21:45 Uhr
Es treten auf die Herren Anderson, Barre, Perry, Goodier, O’Hara
(Wer welches Instrument spielt muss ich wohl nicht extra erwähnen)

Setlist:
Living In The Past
Jack In The Green
The Donkey And The Drum
Thick As A Brick (Really don’t mind…, Spin me back down the years…, A son is born…, I come down from the upper class…, So you ride yourself…)
Mother Goose
Sweat Dream
King Henry’s Madrigal (Pastime With Good Company)
Bourree
Nothing Is Easy
Barre Solo: After You, After Me
Farm On The Freeway
Aqualung (mit neuem Intro)
America
My God
Budapest
Zugabe: Locomotive Breath

Es wurde ohne Pause durchgespielt
Ende: kurz nach 23:30 Uhr

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 76: Jethro Tull auf Kreta – Teil 1

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood!

Xerokambos, Kreta – 19.06.2007

Nun sitze ich also hier am Ende der Welt im Schatten auf der Terrasse vor meinem Zimmer, Meeresblick inbegriffen. Gestern hat mich ein wenig der Sonnenbrand ereilt, und da es heute außerdem sehr windig – eher schon stürmisch – ist, werde ich wohl erst gegen Abend an den Strand gehen. Und inzwischen tue ich, was ich nicht lassen kann – ich schreibe. Ich habe nämlich etwas getan, was ich bei jedem Anderen bislang mit Spott und Häme quittiert hätte, ich habe tatsächlich meinen Laptop mit in den Urlaub genommen. Mich hat doch der Gedanke gequält, dass mich auch im Urlaub die Schreibwut überkommen könnte, und dass es einfach furchtbar wäre, wenn ich dann meine „Schreibmaschine“ nicht griffbereit hätte. Das hätte mir wo möglich den ganzen Urlaub versaut. Und das wollte ich nicht riskieren. Außerdem kann ich so jeden Abend gleich die neuen Bilder von der Digitalkamera herunterladen. Die wäre sonst schon nach 3 Tagen übergelaufen, ich habe alleine gestern 45 Aufnahmen gemacht. Im Urlaub packt mich nämlich immer auch die Photographierwut.

Aber das interessiert Euch sicher alles garnicht, Ihr wollt eher wissen wie es um meine Jethro Tull Aktivitäten bestellt ist. Um es kurz zu machen, ich habe immernoch kein Ticket fürs Konzert, und vor Samstag bekomme ich hier am Ende der Welt (äußerste Südostküste Kretas, von Iraklio 175 km entfernt) auch keines mehr. Dummerweise bin ich an einem Sonntag in Iraklio gelandet, und man hat mich schon am Flughafen darüber aufgeklärt, dass sonntags die Karten-Verkaufsstellen geschlossen haben. Allerdings hat man mir glaubhaft versichert, dass es bestimmt am Samstag noch Karten gäbe. Jethro Tull wären hier nicht so bekannt, da könne ich sicher auch noch an der Abendkasse mein Ticket lösen. Überhaupt wäre es bei solchen Veranstaltungen hier üblich, nachdem alle zahlenden Gäste eingelassen sind einfach die Tore für Jedermann zu öffnen, falls es noch freie Plätze gibt. Ob Meister Anderson über diese griechischen Sitten informiert ist… Vielleicht gilt dieses Verfahren aber auch nur für griechische und nicht für schottische Konzerte.

Aber komme ich nun zu Euren letzten Mails. Wilfried hat Einiges über typisch amerikanische und typisch britische Mentalität geschrieben. Nun war ich selbst einmal ein Vierteljahr in den USA, aber darüber, wie „die Amerikaner“ sind, würde ich jetzt deswegen keine Aussage machen wollen. Ich habe diese 3 Monate auf einer Ranch in Texas gearbeitet, und außer den Ranch-Besitzern, deren nächstem Verwandten- und Bekanntenkreis und einigen mexikanischen „Gastarbeitern“ (fast alle illegal) niemanden kennengelernt. Das wäre genauso, als hätte ich 3 Monate auf einem Aussiedler-Berghof im Bayrischen Wald verbracht und wollte jetzt etwas über „die Deutschen“ erzählen. Natürlich hat man trotzdem, wie Wilfried schon richtig vermerkt hat, aufgrund von Medienberichten und Hollywood-Filmen so seine Vorstellungen.

Zum Stichwort „unverbindliche Art der Amerikaner“ fand ich folgenden Kommentar bemerkenswert, den man unter diesem Video von Almost Saturday Night nachlesen kann (es geht einmal wieder um John Fogerty):„I met John backstage at a Connecticut show in ’97, thanked him for writing this song, my favorite, and asked could he add it to the setlist next time he came around. He said „Sure!“ And he did. I’ll take full credit(j/k).“ Natürlich kann man den Wahrheitsgehalt solcher Kommentare nicht nachprüfen. Trotzdem erscheint mir dieser glaubhaft. Man stelle sich im Gegenzug vor: Man trifft Mr. Anderson backstage (ich weiß nicht genau, was man tun müsste um in diesen Genuss zu kommen, bei Mr. Fogerty reicht dafür evt. die Mitgliedschaft im örtlichen Fanclub), dankt ihm dafür, dass er „A Passion Play“ geschrieben hat und bittet ihn ein Stückchen daraus zu spielen, wenn er das nächste Mal vorbeikommt. Er sagt „Aber klar doch!“ und tut das dann auch tatsächlich. Eher unwahrscheinlich, oder? Jetzt ist natürlich „A Passion Play“ nicht mit „Almost Saturday Night“ vergleichbar. Ob man vielleicht mit, sagen wir mal, „We Used To Know“ bessere Chancen hätte? Allgemein glaube ich, dass dieses „Sie-wünschen-wir-spielen“ Prinzip bei den wenigsten Musikern funktionieren würde.

Wilfried hat weiterhin ein Zitat aus einem Buch von Dietrich Schwanitz aufgeführt, in dem es um die amerikanische Tischsitte geht, zuerst das Steak mit dem Messer zu zerkleinern, um dann allein mit der Gabel essen zu können. Jetzt kenne ich den Zusammenhang nicht, aus dem der Ausschnitt entnommen ist, aber der Text scheint mir doch eher witzig gemeint zu sein, denn besonders viel Sinn macht der Inhalt für meine Begriffe nicht. Wer hält denn den Colt in der linken Hand, wenn man ihn zum Schießen rechts braucht? Im Übrigen habe ich auch schon Deutsche so essen sehen. Ich denke Tischmanieren sind eher eine Frage von sozialer Herkunft, Gewohnheit und Bequemlichkeit.

Dann war ich erstaunt zu lesen, dass Mr. Anderson aufgrund seiner Bildung der „Upper Class“ zuzurechnen sei. Habe ich da etwas nicht richtig mitbekommen? Ich dachte er ist mit 16 von der Schule abgegangen, hat keinerlei abgeschlossene Berufausbildung und kann außerdem weder Noten lesen noch hat er einen Führerschein. Was davon prädestiniert nun für die „Upper Class“? Da hat ja Mr. Fogerty mehr zu bieten, der hat zumindest mal einen High School Abschluss.

Nicht dass ich hier falsch verstanden werde – ich bin die Letzte, die glaubt, dass ein bestimmter Bildungsabschluss gleichzusetzen sei mit einem bestimmten Intelligenzgrad. Zu meinem Freundeskreis zählen mehrere Personen mit Realschulabschluss, von deren gesundem Menschenverstand ich noch manches lernen kann und deren Rat mir immer willkommen ist, während ich Personen mit Hochschulexamen kenne, die so hohl sind wie ein Luftballon (und auch ungefähr so aufgeblasen). Ich erwähne die Bildung des Mr. Anderson nur, da sie von Wilfried als Grund für seine Zugehörigkeit zur „Upper Class“ aufgeführt wurde. Die würde ich aber eher in Anderson’s Herkunft aus dem Randbereich der High Society sehen – der Vater als Hoteldirektor verkehrte wohl eher in den „besseren Kreisen“ und kannte auch einige Prominenz.

Nach eigenen Worten kommt Mr. Anderson allerdings „down from the upper class“, d.h. sie ist seine Herkunft, die er aber verlassen hat, er zählt sich selbst nicht mehr dazu. Für ihn scheint sie auch eher gleichbedeutend zu sein mit „High Snobiety“, mit der er sowieso nichts zu tun haben möchte. Er sieht sich selbst lieber als den einfachen „Landmann“. Der elitäre Anspruch, von dem ich schrieb, bezieht sich ausschließlich auf sein Metier, die Musikbranche, und schlägt sich in einem ausgeprägten Konkurrenzdenken nieder. Mr. Anderson möchte gerne immer und überall der Beste sein – der Beste auf seinem Instrument, der beste Texter, der beste Songschreiber etc.. Nach eigenen Angaben ist er als Kind der „Upper Class“ von klein auf auf Erfolg getrimmt worden (Wind Up: „…they groomed me for success…“ – Thick As A Brick: „…a son is born, an we pronounce him fit to fight…“). (Sorry, wenn meine Zitate nicht ganz korrekt sind, ich kann hier nirgends die genauen Textstellen nachschlagen…). Diese Erziehung scheint bei ihm auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein.

Ich kenne keinen anderen Musiker, der sich ständig in der Öffentlichkeit derart mit der „Konkurrenz“ vergleicht. Kein Konzert und kein Interview, bei dem er nicht irgendwann den Namen mindestens eines anderen Musikers oder einer anderen Band erwähnt. Am häufigsten sind das Led Zeppelin, die er wohl einerseits bewundert und andererseits für seine stärkste Konkurrenz hält. Anspielungen auf „Stairway To Heaven“, „Whole Lotta Love“ oder auch „Led Zeppelin’s famous hit Whole Lotta Brick“ (für meine Begriffe sein bester Gag) gehören praktisch zu jedem Auftritt, aber auch Deep Purple’s „Smoke On The Water“ findet Erwähnung. Aussprüche wie „On guitar Martin Lancelot Barre, balding as ever, comes next to Elton John“ oder „I think we could be Johnny Cash, if we tried very hard“ sind ebenfalls typisch für ihn. In einem Interview von 1975 vergleicht er sich mit David Bowie, in einem anderen Interview von 1977 zählt er fast die gesamte damalige Rock-Elite auf (darunter auch wieder Led Zeppelin, Elton John und David Bowie) und bringt dann gar noch Beethoven ins Spiel, und bei einem Interview von 2003 lässt er sich ausgiebig über Michael Jackson aus, obwohl ihn kein Mensch danach gefragt hat. Man muss ihn eigentlich nur 2 Minuten reden lassen, schon ist er bei einem anderen Musiker, mit dem er sich vergleicht. Dieses „Ich-muss-der-Beste-sein-Wo-stehe-ich“ scheint ihn ständig zu verfolgen. Und wenn er meint, in irgendeinem Punkt besser zu sein als ein Anderer, dann bringt er das entsprechend deutlich zum Ausdruck.

Xerokambos, Kreta – 20.06.2007

Es ist immernoch sehr windig und auch der Sonnenbrand muss noch ein bißchen gepflegt werden. Also sitze ich einmal wieder auf der Terrasse…

Wilfried hat einige Beispiele für das „politische Engagement“ des Mr. Anderson aufgeführt, die für mich allerdings eher unter die Rubrik „soziales Engagement“ fallen würden. Einsatz für Natur- und Artenschutz zählen für mich ebenso dazu wie Auftritte zugunsten von Tsunami-Opfern, AIDS-Kranken oder Obdachlosen. Gesellschaftskritische Anmerkungen in einigen Songtexten haben für mich nichts mit Politik zu tun, genauso wenig wie öffentliche Bekundungen gegen amerikanische Flaggen oder Hippies. Und wenn Mr. Anderson mal, wie hier, einem bekannten Politiker die Hand schüttelt, dann ist das „PR“ und keine politische Aktion. Unter politischem Engagement verstehe ich eigentlich eher die Stellungnahme zu aktuellen tagespolitischen Ereignissen oder Entscheidungen bzw. den Versuch diese zu beeinflussen.

Um einmal wieder Mr. Fogerty zum Vergleich heranzuziehen: Sein Fortunate Son von 1969 wandte sich gezielt gegen den Vietnam-Krieg und gegen die politische Entscheidung vor allem die Söhne der „Lower Class“ in diesem Krieg zu „verheizen“. Im Jahre 2004 hat er mit Deja Vu (All Over Again) gegen den Irak-Krieg und seine Folgen protestiert. Der Irak-Krieg hätte auch ein Thema für Mr. Anderson sein können, schließlich hat sich auch Großbritannien heftig an diesem Krieg beteiligt. Mir ist aber nicht bekannt, dass sich Mr. Anderson zu diesem Thema vernehmbar geäußert hätte, zumindest nicht musikalisch. Das soll jetzt keine Kritik sein, es ist nur eine Feststellung. Ich halte Mr. Anderson für einen eher unpolitischen Menschen. Allein im Bereich Natur- und Umweltschutz zeigt er ein gewisses politisches Interesse, was sich in Liedern wie z.B. dem bereits aus anderen Gründen erwähnten Silver River Turning oder auch Farm On The Freeway niederschlägt.

Nun hängt das politische Engagement amerikanischer Künstler auch mit speziellen amerikanischen Gepflogenheiten zusammen. Traditionsgemäß werden in den amerikanischen Wahlkampf-Zirkus so ziemlich alle erwähnenswerten Künstler aus Musik und Film mit eingebunden, jede Partei versucht sich zu schnappen, wessen sie habhaft werden kann. Und so wurde auch Mr. Fogerty schon auf diversen Wahlkampfveranstaltungen der Demokraten gesichtet, wo er vermutlich zum musikalischen Rahmenprogramm beitragen und anschließend seine Wahlempfehlung ins Mikrophon sprechen durfte. In den USA kann man sich als Künstler also der Politik viel weniger entziehen als in Großbritannien. Andererseits hat man auch größere Chancen, mit dem was man sagt oder singt politisches Gehör zu finden, denn spätestens im nächsten Wahlkampf wird man wieder gebraucht. Das führt wohl allgemein zu einem stärkeren politischen Engagement amerikanischer Künstler, als man es aus anderen Ländern gewohnt ist. Trotzdem: Zuerst hat Mr. Fogerty seine Songs geschrieben (darunter mit „Working Man“ z.B. auch ein Titel über die Arbeitsbedingungen einfacher Arbeiter), dann sind die Demokraten zu dem Schluss gekommen „Der könnte zu uns passen“.

Nun wird es aber Zeit, dass ich mich dem armen Lockwood zuwende, den ich offensichtlich durch meine letzten Bemerkungen zu Brian May und seinem Gitarrenspiel persönlich schwer getroffen habe. Lieber Lockwood, ich war bestürzt zu lesen, dass Dir meine Worte die Tränen in die Augen getrieben haben. Bitte entschuldige vielmals mein unsensibles Vorgehen. Ich weiß, mir mangelt es immer wieder am nötigen Fingerspitzengefühl, meine oftmals kritischen Ansichten schonend und positiv motivierend vorzubringen. Ich werde mich bemühen in Zukunft meine Worte mit mehr Feingefühl zu wählen.

Und da stehe ich nun schon vor dem Problem: Wie tue ich das? Das von Dir zuletzt verlinkte „The March of the Black Queen“…wie soll ich sagen…könnte bei mir einen ersten Preis gewinnen für das wirrste Musikstück, das ich je gehört habe. Es klingt als ob Musikschnipsel aus ungefähr einem Dutzend unterschiedlicher Songs unterschiedlicher Musikrichtungen per Zufallsgenerator zusammengestückelt worden wären. Wobei keine dieser Musikrichtungen meinem Geschmack entspricht. Oh je, das war jetzt wahrscheinlich auch wieder nicht besonders feinfühlig formuliert. Bitte nicht gleich weinen! Queen ist halt vermutlich einfach nicht mein Fall. Diesen Eindruck hatte ich schon in den 70ern, und daran hat sich wohl auch nichts geändert.

Da kann ich mit Mr. Clapton, der „Supergroup“ Cream und dem Titel „White Room“ schon mehr anfangen. Cream waren mir bislang nur dem Namen nach bekannt, auch von Eric Clapton hatte ich wohl noch nie bewusst etwas gehört. Dass er das Solo in „While My Guitar Gently Weeps“ spielt, war mir unbekannt, gibt aber unbedingt Pluspunkte. Und „White Room“ klingt interessant, der Song hat etwas…

Außerdem kommt mit Cream nun eine weitere Art von Rockband ins Spiel – neben der „One-Man-Band“ (a la Jethro Tull, Dire Straits oder CCR) und der „Group Band“ (z.B. Queen) nun noch die „Supergroup“. Sie besteht ausschließlich aus Frontmännern und hat offensichtlich eine noch kürzere Halbwertzeit als die „One-Man-Band“. Schon nach 2 Jahren war sie am Ende, da ihre 3 Köpfe in unterschiedliche Richtungen marschieren wollten. Insbesondere Mr. Clapton scheint sich danach kreuz und quer durch die Musiklandschaft gespielt zu haben, so wie in seinem Leben wohl auch noch so manches andere kreuz und quer gelaufen ist. Da kann man sich nur wundern, dass er das alles doch relativ unbeschadet überstanden zu haben scheint und heute noch auf einer Bühne stehen und spielen kann. Ich gönne es ihm. Jimi Hendrix dagegen, auch wenn das hart und herzlos klingt, weine ich keine Träne nach. Weder konnte ich je mit seiner Musik etwas anfangen, noch hat er meiner Meinung nach irgend einen positiven Einfluss auf seine Umwelt ausgeübt – eher ganz im Gegenteil.

Xerokambos, Kreta – 21.06.2007

Gestern habe ich die neue Erfahrung gemacht, dass auch Krabben ganz unterschiedliche Charaktere haben können. Gegen Abend saß ich auf einem meerumspülten Felsplateau und konnte etwa eine Stunde lang gleich 3 Exemplare gleichzeitig beobachten. Die erste, durch die ich auf die „Krabbenstelle“ überhaupt erst aufmerksam wurde, war von der gefräßigen Sorte. Sie ließ sich durch mich nicht stören und knabberte an einem Stück Meerespflanze, als ich sie entdeckte. Es sah lustig aus, wie sie bald mit der linken und bald mit der rechten Schere ein Stückchen Pflanze abzwickte und ins Maul schob (sagt man bei Krabben so?). Die zweite saß in einer dunklen Felsspalte etwa einen halben Meter entfernt, und hatte sich genauso dunkelgrau gefärbt wie der Untergrund. In Abständen lugte sie mit ihren Stielaugen aus der Felsspalte hervor, zuckte aber jedesmal sofort zusammen, sobald ich mich bewegte, und verschwand wieder in ihrem Versteck – ein scheues und ängstliches Exemplar. Die Dritte schien – im Gegensatz zu den anderen beiden – farbliche Tarnung nicht nötig zu haben. Mit ihren rotbraunen Flecken auf hellem Grund hob sie sich deutlich vom sandfarbenen Felsen ab. Sie war die größte und dickste von Allen und von eher phlegmatischem Typ. Ungefähr im Abstand von je 10 Minuten bewegte sie mal ein Bein oder knapste ein Stück Alge vom Stein, während inzwischen Vielfraß Nr. 1 etwa 30 cm entfernt quer über den Fels wanderte und dabei den schmierigen Algenfilm abgraste. Dieses Tier hat wirklich eine Stunde lang ununterbrochen gefressen und war damit noch nicht fertig, als ich mich schließlich auf den Heimweg machte.

Soweit zu meinen neuen Erkenntnissen aus dem Reich der Krabben. Ich schreibe das alles nur, um Euch einen kleinen Einblick in meinen erlebnisreichen Tagesablauf zu geben. Irgendwelcher Bezug zu den Herren Anderson, Fogerty und Co. wäre rein zufälliger Natur.

Kommen wir zurück zur Musik. Was die Leistungen des Mark Knopfler betrifft, scheinen wir uns ja alle ziemlich einig zu sein. Und der Rest der Welt wohl auch. Ich finde es erstaunlich, mit wem oder für wen Mr. Knopfler schon in die Gitarrensaiten gegriffen hat. Von Bob Dylan, der ihn schon 1979 für sein Album „Slow Train Coming“ angeheuert hatte, über Eric Clapton bis John Fogerty (wie wir ja schon gesehen und gehört haben). Ich habe den Eindruck so ziemlich jeder, der eine Gitarre halten kann, möchte wenigstens einmal mit ihm zusammen arbeiten um ihm über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie er das macht.

Weitere Gitarristen kenne ich nicht – jedenfalls ist mir keiner aufgefallen, der mich besonders beeindruckt hätte. John Fogerty würde man ja offiziell bestimmt nicht dazu zählen wollen – wobei mir das eigentlich ziemlich schnuppe ist. Wie ich schon erwähnt habe finde ich das Solo aus I Put A Spell On You (hier mal eine Live-Version aus Woodstock) auch ziemlich stark. Aber im Moment möchte ich dieses Video eigentlich nur zur Überleitung auf ein neues Thema benutzen: Pleiten, Pech und Pannen in Musikvideos.

Eigentlich gibt es keine Woodstock-Videos von CCR, aufgrund der schlechten Qualität hat sie John Fogerty nie zur Veröffentlichung freigegeben. Wenn man die Aufnahmen sieht, weiß man auch warum. Wegen organisatorischer Mängel fand der Auftritt von CCR erst zwischen 1:00 und 3:00 Uhr nachts statt als die meisten Fans schon schliefen (oder sonstwie voll zugedröhnt waren). Auch die Kameraleute und die Tontechniker waren wohl schon in Tiefschlaf versunken. Das Bild ist kaum ausgeleuchtet, man sieht nur schemenhaft ein paar Dunkelmänner auf der Bühne, dazu ist der Ton übersteuert und schäppert. Irgendwie müssen einige Fans doch der Aufnahmen habhaft geworden sein und haben versucht, noch das beste daraus zu machen. An der Kameraführung konnten aber auch sie nichts mehr ändern. Beim Gitarrensolo von „I Put A Spell On You“ (siehe oben) wird ausgiebig Fogerty’s Rücken gefilmt, der Gitarrenhals von hinten oder das Schlagzeug statt der Gitarre (und zwar möglichst von vorne) – wer möchte denn sowas sehen?

Was für die Amerikaner und CCR Woodstock war, war für die Briten und Jethro Tull die Isle Of Wight. Davon gibt es durchaus gelungene Aufnahmen, die man ja auch auf DVD erwerben kann, aber auch hier gibt es eine Stelle, bei der ich immer lachen muss, da sie dokumentiert wie die Kameraleute damals von den neuen Herausforderungen eines Rockkonzerts (und vor allem eines Ian Anderson) doch etwas überfordert waren. Offensichtlich waren sie bis dahin gewohnt, dass man um einen Sänger zu filmen seine Kamera auf’s Mikrophon ausrichten und sich dann auf ein Nickerchen ablegen kann. Das hat bei Mr. Anderson so nicht ganz funktioniert.

Nachdem er seine vier Strophen von We Used To Know abgesungen hat, vollführt er einen seiner berüchtigten Fallrückzieher, wodurch er innerhalb von Sekundenbruchteilen komplett aus dem Bild verschwindet. Es vergehen einige Schrecksekunden bis der Kameramann merkt, dass er einen nackten Mikrophonständer filmt. Mit zittriger Hand geht er auf die Suche nach dem Objekt seiner Begierde, das zu diesem Zeitpunkt noch ungefähr 20 cm flach über dem Boden schwebt. Bis er es entdeckt hat, springt dieses allerdings auf und rennt davon. Er versucht verzweifelt ihm mit wackliger Kamera zu folgen, bekommt es aber nie so recht ins Bild. Schließlich wird auf die Kamera auf der vom Zuschauer aus rechten Bühnenseite umgestellt, von der aus vermutlich die ganze Aktion komplett im Bild gewesen wäre. Warum eigentlich nicht gleich so?

Xerokambos, Kreta – 22.06.2007

Gestern habe ich nach dem Baden noch eine kleine Wanderung in eine Schlucht unternommen. Immer nur in Gesellschaft von Krabben fand ich es auf die Dauer doch etwas öde, ich wollte einmal wieder die Ansprache eines Wirbeltiers, und in Schluchten trifft man üblicherweise auf Ziegen. In dieser hatte ich allerdings Pech. Die einzigen Lebewesen, auf die ich traf (außer den Insekten) waren ein paar Vögel, vor allem ein Bussard oder Habicht, der sich etwa 3 Meter über meinem Kopf schlechtgelaunt aus eine Felshöhle stürzte. Ich hatte ihn wo möglich beim Brüten gestört.

Abends in der Taverne hatte ich dann nochmals Pech. Auch hier am Ende der Welt ist ja schon die Neuzeit eingekehrt, und bei Kostas kann man gratis im Internet surfen. Also dachte ich, ich schaue mal in meinen Emails nach, ob es etwas Neues von Wilfried oder Lockwood gibt. Die technischen Gegebenheiten, die ich vorfand, entsprachen allerdings nach meiner Erinnerung dem Stand aus dem letzten Jahrtausend. Es dauerte mindestens 5 Minuten, bis auch nur die Verbindung zum Internet hergestellt war, und danach dauerte jeder Seitenaufbau ungefähr genauso lang. Als ich auf diese Weise nach einer halben Sunde endlich bei Yahoo eingeloggt und in meinem Postfach angekommen war, konnte dann plötzlich die Seite mit den Mails nicht angezeigt werden und der Rechner hängte sich komplett auf. Restart – Dauer ca. 10 Minuten – neue Verbindung mit dem Internet. Das Einloggen konnte ich mir diesmal sparen, aber wieder konnte die Seite mit den Mails nicht geöffnet werden. Dann habe ich testhalber mal versucht, meine eigene Homepage aufzumachen – ging auch nicht. Da habe ich mich bei Yahoo wieder ausgeloggt (wenigstens das ging noch!) und bin unverrichteter Dinge gegen Mitternacht nach Hause gezogen.

Soweit mein pannenreicher Tag von gestern. Und nun zu den pannenreichen Videos. Das letzte, das mir zu diesem Thema im Moment einfällt, ist der CCR-Clip zu Sweet Hitch-Hiker von 1972 – eigentlich weniger ein Pannen-Video als mehr ein weiteres Beispiel für unsinnige Kameraführung. Nahaufnahmen sind wirklich sehr schön, aber man kann es auch übertreiben. Wenn eine Nahaufnahme so nah ist, dass nur noch zwei Zähne im Bild sind, dann fragt man sich langsam, was das soll.

Apropos Zähne – ich finde es immer wieder herzerfrischend wie die Herren um 1970 beim Singen ihre nicht immer tadellosen Gebisse entblößt haben. Mr. Anderson’s Zahnfehlstellungen lassen sich z.B. sehr schön anhand dieses bei mir besonders beliebten Witch’s Promise Video analysieren. John Fogerty’s lückig vorstehende Schneidezähne können u.a. in den bereits verlinkten Videos zu …Grapevine oder …Backdoor besichtigt werden. Das oben erwähnte Video zu „Sweet Hitch-Hiker“ wäre sicher auch als Arbeitsgrundlage für einen Kieferorthopäden oder Zahntechniker geeignet. Heute stehen bei diesen Herren die Zähne makellos in Reih und Glied, was vermuten lässt, dass sie alle nicht mehr echt sind. Ich fand sie mit den Original-Zähnen irgendwie netter, das hatte sowas Ursprüngliches. Meine Zähne sind jedenfalls immernoch so schief wie damals…

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Heute gab es bei mir am Strand noch mehr Pannen. Zunächst einmal war es nicht nur windig sondern stürmisch. Eigentlich meide ich Sandstrände an solchen Tagen, aber es gab da noch ein bestimmtes Felsplateau, bei dem ich schnorcheln wollte, direkt am Sandstrand. Während ich im Wasser war muss wohl der Wind aufgefrischt sein. Als ich plitschnass herauskam geriet ich jedenfalls direkt in einen Sandsturm und wurde mit Sandkörnern paniert. Das liebe ich garnicht, also schnappte ich schnell meine Sachen, um barfuß quer über den Strand zu den windgeschützten Felsen zu laufen. Ungefähr auf halbem Wege trat ich in irgendetwas – AUA – konnte mich aber nirgends hinsetzen und hatte im Sandsturm auch keine Lust dazu. Also humpelte ich bis zu den Felsen weiter, wo ich schließlich am Wasser einen Stein zum Hinsetzen fand. Dort konnte ich mir dann einen kleinen Glassplitter aus der sandigen Fußsohle ziehen.

Während ich noch darauf wartete, dass der Schmerz nachlässt, fiel mir ein, dass es mir vor Jahren in Italien noch viel schlimmer ergangen war. Im zarten Alter von 16 Jahren war ich mit meinen beiden besten Freundinnen für zwei Wochen nach Sorrent in Urlaub gefahren. Es war das erste Mal, dass wir unbeaufsichtigt auf den Rest der Menschheit losgelassen waren, und der Rest der Menschheit in Form von Horden heißblütiger Italiener auf uns. Ich möchte mich jetzt nicht über die Details dieses erlebnisreichen Urlaubs auslassen, nur soviel: Falls Ihr noch Töchter unter 18 Jahren habt, lasst sie nicht allein nach Italien! Ich glaube nicht, dass sich die Zustände inzwischen gebessert haben. Übrigens: Falls die Töchter schon über 18 sind, würde ich sie auch nicht fahren lassen. Aber ich komme vom Thema ab.

In diesem Urlaub war es uns allen Dreien gelungen bereits am ersten oder zweiten Tag in Seeigel zu treten, übrigens auf der Flucht vor Italienern. Da die Stacheln nicht mehr aus den Füßen zu bekommen waren, haben wir praktisch 2 Wochen Urlaub mit Seeigel-Stacheln in den Füßen verbracht. Wir konnten zwar nur mühsam laufen, aber es war trotzdem ein toller Urlaub, der uns immer in guter Erinnerung bleiben wird. Beim Gedanken daran war der Glassplitter schon bald vergessen.

Ich hatte danach noch einen schönen restlichen Nachmittag auf den Felsen, aber ich sollte noch nicht die letzte Panne erlebt haben. Auf meinem Weg zurück vom Strand zum Zimmer komme ich immer an einem Salzsee vorbei. Es ist eine mit Meerwasser gefüllte Senke, die schon vor Wochen durch eine Sandbank vom Meer abgetrennt wurde und seither vor sich hin dümpelt. Das seichte Wasser hat Badewannen-Temperatur, die Algen wachsen, es stinkt. Man kann zusehen, wie der „See“ durch Verdunstung von Tag zu Tag kleiner wird, in ein paar Wochen wird es nur noch eine salzverkrustete Sandfläche sein, so wie seinerzeit im August, als ich das letzte Mal hier war.

Am Rande des Sees ragen inzwischen einige Sandkuppen aus dem schlammigen Wasser, und es schien mir eine nette Abwechslung, meinen Weg zurück über diese Sandkuppen zu nehmen. Allerdings hatte ich nicht mit deren schmieriger Konsistens gerechnet. Bereits beim Sprung von der zweiten zur dritten Kuppe – ich musste einen kräftigen Satz machen – rutschte ich auf der glitschigen Oberfläche aus und fiel der Länge nach hin. Zum Glück konnte ich meine diversen Badesachen vor der Algenbrühe bewahren, aber davon abgesehen war ich großflächig schlammverschmiert und in meinen Sandalen befand sich je ungefähr ein Pfund sandiger Schlick – es sind die Sandalen, die ich morgen ins Konzert anziehen wollte, ich habe keine anderen.

Nun ja, ich habe die Sandalen inzwischen gewaschen und zum Trocknen aufgehängt, hoffentlich sind sie morgen wieder brauchbar. Ansonsten steht mir morgen ein anstrengender Tag bevor – Sachen packen, zurück nach Iraklio fahren (ca. dreieinhalb Stunden reine Fahrzeit), Zimmer für die Nacht finden, Busfahrzeiten nach Lendas für Sonntag in Erfahrung bringen, Auto zurückgeben, und nicht zuletzt – irgendwie ins Jethro Tull Konzert kommen. Mal sehen, wie mir das alles gelingen wird. Vermutlich komme ich frühestens übermorgen wieder zum Schreiben, dann aus Lendas.

Bis dahin grüßt Euch

Kretakatze

PS.: Um noch ein weiteres Mal auf das Karohemd-Thema zurückzukommen (nicht gleich stöhnen…) und dabei noch einen weiteren Aspekt ins Blickfeld zu rücken: Tatsächlich gibt es einen Fernsehauftritt von 1969, bei dem John Fogerty in einem einfarbig schwarzen Hemd erscheint: Es ist die Aufnahme von Fortunate Son, die ich schon mehrfach verlinkt hatte. Das hat mich zunächst tief betrübt, bis ich am Schluss dieser bei gleicher Gelegenheit aufgenommenen Version von Down On The Corner erkannt habe, warum. John trägt das gleiche Hemd wie sein Bruder Tom, wahrscheinlich sollte das der „Brüder-Look“ sein. Ich würde soweit gehen zu vermuten, dass man John vor diesem Auftritt von höherer Stelle nahegelegt hatte, mal was Gescheites anzuziehen, schließlich hatten CCR bei irgendeiner Wahl den ersten Platz belegt und ein kurzer Auftritt zusammen mit dem Moderator war auch noch angesagt. Tom hatte sich zu diesem feierlichen Anlass gar extra noch eine weiße Kravatte ans schwarze Hemd gebunden und sah daher wohl so seriös aus, dass er schließlich als einziger von der Truppe auch noch ein paar Worte sagen durfte.

Was mir bei dieser Gelegenheit auch noch auffiel: Doug Clifford war zu dieser Zeit bei Auftritten üblicherweise mit einem geringelten T-Shirt bekleidet. Auch er erscheint zu diesem Anlass im einfarbigen Hemd, allerdings: Dafür ist die Hose gestreift. Ich finde die Jungs wirklich so goldig… Tatsächlich fällt mir ein nicht geringelter Doug Clifford ungefähr genauso heftig ins Auge wie ein unkarierter John Fogerty. Ich weiß nicht mehr, was die Jungs auf dem Poster über meinem Bett anhatten, aber ich würde wetten: Fogerty war kariert und Clifford war geringelt. Es ist wirklich unglaublich, wie sich diese Bilder aus frühster Kindheit und Jugend für immer ins Gehirn einbrennen.

Jetzt bin ich aber immer noch nicht ganz bei dem Punkt, zu dem ich eigentlich kommen wollte – sorry, ich bin heute ziemlich weitschweifig. Aber jetzt kommt’s gleich. Wenn man mich nun fragen würde, wie die anderen beiden Band-Mitglieder eingekleidet sein müssten, dann würde ich sagen: Stu Cook – gemustertes Hemd, Tom Fogerty – einfarbiges Hemd. Ob auch wegen dem Poster, weiß ich nicht, aber diese Kleiderordnung passt zu fast allen Videos, die ich bisher gesehen habe. Und das finde ich ein geradezu geniales Prinzip. Man vepasst in einer Gruppe jedem sein eigenes Muster: Einer kariert, Einer gestreift, Einer sonstwie gemustert und Einer einfarbig. Das hat einen ungeheuren Wiedererkennungswert selbst bei Personen mit schwerer Sehbehinderung oder solchen, die sich keine Gesichter merken können (so wie ich zum Beispiel). Heutzutage werden nach monatelanger Markterforschung derartige Gruppen am Reissbrett entworfen, und CCR haben das schon Ende der 60er Jahre einfach so aus dem Ärmel geschüttelt. Bewundernswert!

Bei Jethro Tull hätte dieses Prinzip leider nie funktioniert, denen wären schon nach kurzer Zeit die Muster ausgegangen. Dabei hätte ich es bei denen viel nötiger gehabt. Die CCR-Jungs sahen alle so unterschiedlich aus, die hätte ich auch ohne Muster auseinanderhalten können. Bei den Jethro Tullern hatte ich da immer Probleme – Alle mit so langen Haaren und ziemlich zugewachsen, Anderson und Barre beide irgendwie blond gelockt, dazu von Jahr zu Jahr mindestens ein Musiker ausgetauscht – da wären klar abgegrenzte Muster oder Farben zur Identifikation schon hilfreich gewesen.

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 75: Andersons Interview

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

mit dem Video von „Brighton Rock“ scheine ich wirklich einen Griff ins Klo getan zu haben. Zum operettenhaften Eindruck der ersten Queen-Platten: Gerade das gefällt mir daran. Aber lassen wir das; ich will nicht missionieren.

David Lindley ist mir in der Tat vollkommen fremd. Sein „Bon Tempes Roulez“ drängt mich nicht dazu, mehr von ihm hören zu wollen.

Wilfried hat in seiner letzten mail ein Interview mit Ian Anderson vorgestellt. Leider, lieber Wilfried, verstehe ich nicht, was Du daran glaubhaft findest. Der Meister erklärt hier seiner gläubigen Gemeinde, dass er weiterhin auf Tour geht, um sich immer weiter in Richtung des perfekten Auftritts zu entwickeln. Das ist doch der reinste Hohn, soviel Arroganz hätte ich nicht einmal ihm zugetraut. Wenn er nach Perfektion strebt, hätte er vor über 20 Jahren aufhören sollen, spätestens nach seiner Halserkrankung.

Wenn er auf seinen Instrumenten nach eigener Aussage einen falschen Ton trifft, – was niemand bemerkt – so stört ihn das. Aber es ist ihm gleichgültig, wenn er (wie neulich in einem Blog-Kommentar sehr treffend zu lesen war) den Hals wie ein Ganter strecken muss, um einen hohen Ton zu treffen. Wo ist die Verbindung zwischen seinem aktuellen Gesang und Perfektion ?

Seine Aussage, dass er sich mit seinem Alter und seiner physischen Kondition gut arrangieren kann, nehme ich ihm ebenfalls nicht ab. Wenn es so wäre, würde er sein gefärbtes Resthaar nicht unter einem Lappen verstecken. Seine schlaffen Arme sind wirklich sein geringstes Problem. Ansonsten versteht es der Meister wie eh und je, sich und seine Musik gekonnt in Szene zu setzen. Ich wünsche ihm, dass er damit ein unkritischeres Publikum erreicht als ich es bin.

Als Geschenk für den Meister zu seinem runden Geburtstag fällt mir noch etwas Gehässigeres ein als ein (längst überfälliger) Rentenbescheid: Ein Mitschnitt des Tampa-Konzerts oder vom Hippodrom, damit er sich vergegenwärtigen kann, was die Fans unter Perfektion verstehen.

In eigener Sache: In NRW haben die Ferien vergangenen Donnerstag begonnen. Ich muss noch zwei Wochen zur Arbeit, um dann ab dem 9. Juli für vier Wochen Urlaub (incl. Abbau von Überstunden) zu nehmen. Vier Wochen ! So lange hatte ich noch nie an einem Stück Urlaub. Hoffentlich geht das gut. Das ist schon fast „Pappa ante portas“.

Mit den besten Wünschen für ein trockenes Wochenende verbleibe ich
Lockwood

22.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

nach längerer Sendepause melde ich mich wieder bei Euch. Entschuldigt, aber die letzten Tage hatte ich keine große Lust auf Herrn Anderson, zudem gab es auf der Arbeit reichlich Stress (ich bin einfach urlaubsreif, muss aber noch bis Ende des Monats durchhalten, aber dann …).

Aber zunächst zu Dir, Kretakatze, wie war Dein Urlaub, hoffentlich nicht zu heiß, oder? – und warst Du beim Tull-Konzert in Iraklio und wenn ja, wie war es? Der erste Teil der Deutschland-Tour ist ja vorbei und es gibt dazu viele unterschiedliche Meinungen, auch viele Bildchen usw., im Laufi-Forum ist davon vieles zu finden. Oder hier von der Kieler Woche (ohne Segelboote).

Achtung, Anderson!

Es sind auch einige Bilder vom Publikum dabei, die mich wirklich nachdenklich gestimmt haben. Okay, ich bin nun wirklich auch nicht mehr der Jüngste, aber betrachtet man z.B. das Foto unten, dann deutet wenig daraufhin, dass das die Besucher eines Rockkonzertes sind. Es sieht irgendwie nach einem Freiluft-Rentnertreff aus. Stimmt nicht ganz, ziemlich vorn links ist ein junges Gesicht zu sehen (aber wohl ein Enkel, der seine Großeltern begleiten musste oder ein Zivi, der den Rollstuhl schiebt – vielleicht gibt es für Begleitpersonen von Rollstuhlfahrern freien Eintritt zum Konzert).

Rentnertreff

Auch noch einige Worte zum Anderson-Interview. In gewisser Hinsicht halte ich es nicht nur für aufschlussreich, sondern durchaus für glaubhaft, wenn man es aus der Sicht von Ian Anderson betrachtet. Ältere Menschen haben nun einmal die Gewohnheit, die Dinge manchmal so hinzubiegen, dass diese für sie ‚stimmig’ werden (So hebt man gern manche ‚Sachen’ hervor, um andere zu ‚verdecken’). Rein instrumental denke ich wirklich, dass Ian Anderson nach höchster Perfektion strebt. Das hat nichts mit seinem Gesang zu tun (immerhin hat selbst er inzwischen gemerkt, „dass das Alter auch in meiner Stimme seine Spuren hinterlassen hat“, wie er sagt; okay, das ist äußerst beschönigend betrachtet). Und instrumental ist er, was die spieltechnische Seite betrifft, sicherlich besser, als z.B. beim Tampa-Konzert. Von daher wäre es keine so gute Idee, Herrn Anderson einen Mitschnitt von diesem Konzert zum Geburtstag zukommen zu lassen. Er würde mit sich unnachsichtig jeden Fehler aufzeigen wollen, der ihm damals unterlaufen ist.

Okay, es geht natürlich nicht nur um Spieltechnk. Unser Hauptkritikpunkt ist und bleibt eben der Gesang. Ein Grund, weshalb ich vorerst in kein Konzert mehr gehen werde. Kann man aber Herrn Anderson deshalb verbieten, weiterhin Konzerte zu geben? Andere sind nachsichtiger mit ihm. Erst jetzt habe ich über youtube eine Nachricht von einem 17-jährigen Mädel bekommen, die das Konzert in Chemnitz gesehen hat und es „einfach nur geil“ fand. Also sind es dann doch nicht nur Rentner, die die Konzerte besuchen, sondern es ist auch Jungvolk. Das mit dem „einfach nur geil“ lasse ich dabei unkommentiert durchgehen.

Kretakatze hat ihren Urlaub hinter sich, Lockwood muss nur noch diese eine Woche durchstehen (Pappa ante portas ist gut, so lange Du nicht versuchst, den Haushalt zu managen, wirst Du zu Hause geduldet sein, Lockwood, ich kenne das). Ich muss mich noch über drei Wochen quälen. Aber auch das werde ich schaffen. Und dann geht es zwar nicht nach Kreta, aber in die Berge.

Übrigens, das Montreux-Konzert von Jethro Tull 2003 gibt es ab 24. August auch als DVD. Ich könnte mir denken, die Scheibe anzuschaffen. Eigentlich warte ich vor allem auf die Veröffentlichung alten Materials von Konzertaufzeichnungen, die das ZDF in seinen Archiven hat. Entsprechende Ankündigungen gab es ja bereits.

Jethro Tull live at Montreux 2003

Für erstes soll das genügen. Man/frau liest sich weiterhin.
Eine angenehme Woche wünscht Euch
Wilfried

03.07.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 74: Favourite Guitarists (2)

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

Lockwood hat in seinem letzten Beitrag Brian May und die Gruppe Queen ins Spiel gebracht, und das fand ich sehr interessant. Anscheinend war Queen eine Gruppe mit mehr als einem Kopf, und siehe da, diese Band hat in unveränderter Zusammensetzung zwanzig Jahre zusammen gespielt. So sieht das wohl aus, wenn Musiker zusammen arbeiten, von denen keiner alles alleine kann und die sich für ihre kreative Arbeit gegenseitig benötigen und befruchten. Das hätten viele Jethro Tull Fans von „ihrer“ Gruppe wohl gerne genauso und machen Mr. Anderson einen Vorwurf daraus, dass das nicht nach ihren Wunschvorstellungen geklappt hat. Aber was kann Mr. Anderson dafür, dass er eine One-Man-Show ist? Sollte er lieber ein paar Talente weniger haben, damit er für dies oder das doch einen oder mehrere andere Musiker braucht, die nicht austauschbar sind? Und ist es jetzt so wichtig, ob er seine One-Man-Show „Jethro Tull“,“Ian Anderson“ oder sonstwie nennt?

Und welche Rolle spielt Martin Barre in diesem Theater? Das kann ich natürlich auch nur vage vermuten. Zusammenbrechen würde sicher nichts, wenn er nicht da wäre. Andererseits ist es schon ziemlich einsam, so ganz ohne „alten Freund“, könnte ich mir vorstellen. Und jemand anderen, der so geduldig und gutmütig alle seine Eskapaden mitmacht, wird Mr. Anderson so leicht nicht finden. Irgendwie haben die beiden schon fast etwas von einem alten Ehepaar…

Zurück zu Brian May – nach dem was ich bei Wikipedia gelesen hatte, war ich mächtig gespannt. Es klang, als könne es eine Musik sein, die ganz nach meinem Geschmack ist und die ich bislang nur durch einen dummen Zufall noch nicht entdeckt hatte. Singender Klang der Gitarre – genau das liebe ich. Aber dann war ich doch ziemlich enttäuscht. Brighton Rock klingt für mich wie ein startender Düsenjet, teilweise vielleicht auch wie eine startende Mondrakete. Mit Musik hat es für meine Ohren nur bedingt zu tun. Eine Melodie konnte ich auch nicht entdecken. Erst etwa ab 7:00 entlockt Mr. May seiner Gitarre tatsächlich so etwas wie Gesang. Aber auch hier wieder – es klingt ganz nett, aber da fehlt immernoch die Melodie. Was ist der Unterschied zwischen einer Melodie und hintereinander gereihten Tönen? Es ist nicht wirklich zu erklären. Eine Melodie lebt, sie spricht zu mir. Sinnvolle Worte und Sätze, die ich verstehe. Und die Sprache des Brian May verstehe ich wohl nicht. Es hat mich ein wenig gewundert, lieber Lockwood, dass Dir so etwas gefällt, da Du doch sonst eher ein Liebhaber akustischer Musik bist. Und sehr akustisch klingt das für mich nicht.

In zwei Punkten bin ich allerdings mit Dir völlig einer Meinung. Mr. May macht persönlich wirklich einen sehr sympathischen Eindruck. Und „The Green Fields Of France“ ist eine großartige und beeindruckende Ballade. Ein zeitloses Lied, das ich mir gerne auch noch öfter anhören werde! Es liefert außerdem einen nahtlosen Übergang zu dem Titel, der mir als erstes in den Sinn kommt, wenn ich das Wort „Gitarre“ höre – akustische Gitarre allerdings. Ich habe ihn im Rahmen des Themas „Gitarristen und Gitarrensoli“ nicht erwähnt, da es ja mehr um elektrische Gitarre ging, und da ich auch nicht einen Musiker mit dem anderen erschlagen möchte. Einer nach dem anderen… Aber hier kommt es nun, das epische Meisterwerk von Al Stewart über Hitlers’s Russland-Feldzug aus Sicht eines russischen Soldaten: Roads To Moscow.

Nachdem ich dieses Lied im Radio gehört hatte, habe ich mir die erste Platte von Al Stewart gekauft. Der sind noch ein knappes Dutzend weitere gefolgt. Al Stewart ist der dritte Schotte in meiner Sammlung (von der zeitlichen Reihenfolge her eigentlich der erste…). Irgendwie habe ich’s mit den Schotten. Und weil diese akustische Gitarre so schön klingt, hier gleich noch ein zweiter Titel hinterher:
On The Border. Und wer jetzt noch sehen und hören möchte, wie sich zwei ältere Herren auf ihren Klampfen austoben bei einem „Scottish-Irish Jig“, kann auch noch diese ziemlich abgefahrende Version von Al Stewart’s Hit Time Passages anklicken.

Um nun noch einmal auf John Fogerty zurückzukommen. Auf seiner Homepage lese ich gerade, dass die Aufnahmen für das neue Album abgeschlossen sind und die Veröffentlichung im Herbst geplant ist. 12 funkelnagelneue Songs, die Titel kann man schon mal nachlesen. Und was liest man auf Meister Anderson’s Website. Jedenfalls keinen Ton mehr von einem neuen Album. Wollte der nicht eigentlich auch im Frühjahr etwas aufnehmen?

Nach den Studioaufnahmen stürzt sich Fogerty nun wieder „on the road“, ab nächste Woche tourt er quer durch Europa, darunter sind auch (wie Wilfried ja schon erwähnt hat) 8 Auftritte in Deutschland. An den meisten Orten kommt er etwa 2 bis 3 Wochen nach Jethro Tull durch, z.B. Zwickau, Gelsenkirchen oder Berlin. Wenn ich mir die Terminpläne der Herren Anderson und Fogerty anschaue, wird mir ganz schwindelig. Mr. Anderson hat wohl die längere Liste, dafür sind bei Mr. Fogerty die Termine fast noch enger. Gerademal einen Tag Luft zwischen einem Auftritt in Österreich und einem Auftritt in Montreal – die Zeit sitzt man ja fast allein im Flugzeug, wie vereinbart er das mit seinem Jetlag? Da werde ich den Eindruck nicht los, die Herren wollen sich selbst beweisen, dass sie noch keine 60 sind und unterziehen sich dem Härtetest.

Ich muss zugeben, dass ich in den letzten Jahren auf Tour-Aktivitäten von Rock-Senioren nicht geachtet habe, aber dieses Jahr scheint mir wirklich fast jeder unterwegs zu sein. Neben Jethro Tull, bei denen das ja nun nichts ungewöhnliches ist (same procedure as every year) und John Fogerty, der seit 2004 von Jahr zu Jahr mehr aufzudrehen scheint, z.B. auch Elton John, Joe Cocker, Robert Plant, Bryan Adams, Meat Loaf, die Stones, The Who und Genesis. In Athen kann sich Mr. Anderson mit Alice Cooper die Türklinke in die Hand geben, der tritt dort in der gleichen Location einen Tag vor ihm auf. Sie scheinen alle gegen die Zeit anzurennen, die ihnen davon läuft. Wenn man einmal 60 oder darüber ist, weiß man nie, wie lange man diesen Tourstress gesundheitlich noch durchhalten kann, das kann jeden Tag vorbei sein. Und ich fange an richtig wehmütig zu werden bei dem Gedanken, dass vermutlich innerhalb der nächsten 10 Jahre alle diese Herren einer nach dem anderen für immer von der Bühne verschwinden werden. Da kann jede Tour die letzte gewesen sein.

So, nachdem es mir nun sicher gelungen ist, Euch in melancholische Schwermut zu versetzen, möchte ich Euch jetzt mit ein paar Kinderliedern wieder aufheitern. Lockwood meinte ja, einige CCR-Titel wären so ernst und traurig, dass sie kaum für 7-Jährige geeignet scheinen. Hideaway und Fortunate Son – der erste Song klingt wirklich sehr traurig, der zweite eher wütend – sind auch wohl kaum die Hit-Titel bei den Kindern, obwohl durchaus auch Kinder traurig oder wütend sein können. Sehr, sehr wütend sogar, wenn ich da an meinen Sohn denke… Es werden eher Songs wie Down On The Corner oder Looking Out My Backdoor sein, die auch wirklich wie Kinderlieder klingen. Und wenn ich noch diese Bilder dazu sehe, dann denke ich, CCR müssen wohl doch die erste Boy Group gewesen sein – wie die Jungs von nebenan, immer nett, adrett und gutgelaunt, und für jeden Geschmack Einer dabei… Aber ich weiß, Ihr steht mehr auf Kate Bush als auf Boy Groups.

Inzwischen fand ich auch einen neuen Altersrekord für einen CCR-Fan unter diesem Video von Proud Mary: „CCR Rock!I remember dancing and singing to this song when I was like 5 and I knew all the words“. Weitere Kommentare unter dem gleichen Video: „i totally agree with you, duno how old you are but im 14 and i cant stand rap and hip hop crap.“ – „I’m just 13 and I love the CCR!“ – „same here…oh right…14“ – „I used to sing and dance to this song as a little kid.“ – „I’m just 16 and I love the music of the CCR!!“ – „im only 15 and i like ccr.“ Und unter Have You Ever Seen The Rain geht es geradeso weiter: „i’m 13 and i agree. todays music is crap.“ – „same here man. im 15 and i listen to all the early rock bands.“ – „Yeah, I’m 16 and even though this music is older, we still grow up with our parents listnening to it. So it’s part of us also. I LOVE this song.“ – „yo im 12 althoug profile says otherwise i love classic rock ccr ledzeppelin? acdc all of those are way better than almost all of the crap nowadays“ – „I agree and i’m 12 too“ usw. – da sind noch mehr von der Sorte. Das lässt mich für die heutige Jugend hoffen, wenn es auch traurig ist, dass sie kaum gute Musik von ihrer eigenen Generation geboten bekommen und ihren Großvätern beim Rocken zusehen und zuhören müssen. Aber es könnte bedeuten, dass in einem John Fogerty Konzert nicht nur 50- bis 60-Jährige zu finden sind.

Übrigens habe ich dann auch noch unter einigen vielbesuchten Jethro Tull Videos nach ähnlichen Kommentaren gesucht – Fehlanzeige. Dort outen sich weder 5-Jährige noch 15-Jährige. Nur Solche, die in den 70ern 15 waren. Woran das liegen könnte, ist mir auch nicht ganz klar. Dass die 5-Jährigen von Aqualung oder Thick As A Brick überfordert sind, verstehe ich schon, aber warum fehlen auch die 15-Jährigen? Vermutlich liegt es daran, dass im Radio die alten CCR-Hits auch heute noch bedeutend öfter zu hören sind als die Tull-Klassiker.

Noch einmal kurz zur Auflösung des „Rätsels“ der beiden Textpassagen von Anderson und Fogerty. An zwei Merkmalen hätte man den Anderson’schen Text vielleicht erkennen können, auch ohne nachzuschlagen. Zum Einen verwendet Anderson Worte, die ich nicht kenne. „Boulder“ mußte ich nachschlagen, „steelhead“ kann ich nur erraten. Bei Fogerty kenne ich jedes Wort. Zweitens stammt Anderson aus Schottland, er sitzt zum Angeln auf einem Felsen. Fogerty angelt in den Sümpfen Louisianas, da gibt es keine Felsen. Also sitzt er auf einem Baumstamm. Lustig fand ich allerdings, dass Fogerty „catfish“ angelt, die scheinen nicht nur von Mr. Anderson auf Platten-Covers gezüchtet zu werden, sondern auch „On The Bayou“ frei herumzuschwimmen (oder wo auch immer der „Green River“ fließt).

Und zu Lockwood’s Frage wegen der Aussprache von Mathilda – ich nehme an die getrennte Aussprache von „t“ und „h“ ist darin begründet, dass es sich um einen zusammengesetzten Namen handelt, aus „Mat“ und „Hilda“ nämlich (wobei ich nicht weiß, für was genau „Mat“ die Abkürzung sein soll).

So, jetzt verabschiede ich mich aber endgültig in den Urlaub. In 24 Stunden muss ich schon am Flughafen am Check-In erscheinen. Um die Zeit gehe ich sonst gerade eben ins Bett…

Erholt Euch gut von mir!
Liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Da ich für Blödsinn immer Zeit finde, habe ich mir für den Schluss noch etwas Schönes ausgedacht. Schließlich sollt Ihr mich nicht vergessen, während ich im Urlaub bin. Also habe ich mich extra Euch zuliebe ins John-Fogerty-1970 Outfit geworfen und mir – in Ermangelung einer E-Gitarre – mein Gitarrenbanjo umgehängt. Dann hat mein Sohn einige meisterliche Bilder von mir geschossen. Die Photoserie trägt den Titel Kretakatze Rockt 2007 (live): (1) (2) (3) (4) . Ich denke jetzt sollten keine Zweifel mehr daran bestehen, dass ich aufgrund meines aktuellen seelisch-geistigen Gesundheitszustands einen kleinen Urlaub dringend nötig habe.

15.06.2007

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Hallo Kretakatze & Wilfried,

in der Aufzählung der besten Gitarristen dürfen die Herren Clapton und Hendrix natürlich nicht fehlen. Menschen, die etwas vom Gitarrenspiel verstehen, zählen sie zur Weltspitze. Ich gehöre nicht zu diesen Menschen. Wie bereits gesagt, kann ich mich in meinen Beurteilungen nur danach richten, ob mir die Musik gefällt oder nicht. Der Musik von Clapton und Hendrix kann ich nichts abgewinnen. Das wird für die meisten Rockfans befremdlich klingen. Das ist so, als würde ein Freund der klassischen Musik sagen, dass er mit Beethoven nichts anfangen kann. Aber in meinem Fall ist es nun mal so. Mark Knopfler und die Dire Straits liegen mir da schon eher. Ihre Single „Brothers in Arms“ ist einer meiner Lieblingssongs. Die Tatsache, dass ich nicht sagen kann, welcher Gitarrist aufgrund seiner handwerklichen Fähigkeiten mein Favorit ist, bedeutet im Umkehrschluss, dass ich auch nicht sagen kann, welcher Gitarrist für mich der Schlechteste ist.

Ich habe mir Wilfrieds Link zu Artist United angesehen. Das Lied war mir vollkommen fremd und den Jahren, in denen ich das Lied durch meine Unkenntnis nicht hören konnte, weine ich nicht nach. Bunt zusammengewürfelte Künstler, die sich für ein Hilfsprojekt einsetzen, waren einmal sehr en vogue. Man kann trefflich darüber streiten, ob eine solch Aufnahme bereits eine politische Aktivität darstellt oder mehr eine Gelegenheit für einen Künstler, sich noch einmal ins Gespräch zu bringen. Ich hege meine Zweifel, ob durch dieses Projekt ein Quadratmeter Regenwald vom Bagger verschont geblieben ist.

Bei den Künstlern in diesem Projekt waren einige, bei denen ich annehmen muss, dass ihr Lebenswandel (dicke Limousinen, Sportwagen, beheizte Pools, klimatisierte Garagen, Privatjets usw.) nicht auf ein ausgeprägtes Umweltbewusstsein schließen lässt. Mr. Anderson mag hier eine Ausnahme bilden, aber in der Summe mache ich mir schon Gedanken über die Glaubwürdigkeit einer solchen Aktion. Das wirklich bemerkenswerte an dem Liedchen ist für mich die Tatsache, dass Größen wie Anderson und May zusammen mit dem deutschen Schlagersternchen Sandra an einem Projekt arbeiten. Diese Kombination hätte ich mir in meinen tollsten Fieberphantasien nicht ausdenken können. Vielleicht gibt es auch ein gemeinsames Video von Jimmy Hendrix und Mary Roos, wer weiß ?

Das Stichwort Brian May bringt mich zur letzten Vorurlaubs-Mail von Kretakatze. Hier schreibt sie, dass sie bei Mr. May endlich eine singende Gitarre zu hören hoffte, aber von einem startenden Düsenjet enttäuscht wurde. Das hat mich schwer getroffen. Mit Tränen der Wut und der Enttäuschung in den Augen habe ich das betreffende Video noch einmal aufgerufen und versucht, es mit den Ohren von Jemanden zu hören, der nicht mit der Musik von Queen aufgewachsen ist. Und siehe da: stellenweise erinnert die Liveversion tatsächlich an einen startenden Jet; das Bild passt sehr gut. An dieser Stelle kann ich also nur empfehlen, sich die Studioaufnahme dazu zu Gehör zu bringen. Leider kann ich bei youtube kein Video zur Studioaufnahme finden. Ich weiß weder aus noch ein: Da preise ich Mr. May als meinen Lieblingsgitarristen, mit dem Erfolg, dass er als akustischer Umweltverschmutzer abgestempelt wird. Ich bin vollkommen am Ende !

Bitte, bitte, liebe Kretakatze: Vielleicht gibt es in Deinem Verwandten- oder Bekanntenkreis jemanden, der die ersten Queenalben aus der Zeit von 1974 – 1977 in seiner Sammlung hat. Falls dem so ist, mach Dir bitte die Mühe, dort einmal hineinzuhören. Da ist von startenden Jets keine Spur. Vielleicht ist das aber bei der Vielzahl unserer Themen zuviel verlangt. Mein Gott, was habe ich getan ??? Ich möchte Dir versichern, dass Mr. May durchaus in der Lage ist, so etwas wie eine Melodie zu spielen. Die Liveaufnahme von Brighton Rock war möglicherweise nicht der bestmögliche Einstieg in die Queen-Musik.

Nach einigem Suchen habe ich eine andere Studioaufnahme von Queen gefunden: The March of the Black Queen. Eine Aufnahme, die dazu geeignet ist, den Brighton Rock – Radau aus dem Wembleystadion zu relativieren. Bitte, liebe liebe Kretakatze, tu‘ mir den Gefallen und hör‘ es Dir einmal an ! Wenn Du danach Dein Urteil nicht revidieren kannst, gebe ich mich geschlagen.

Großer Absatz

Das „Roads to Moscow“ ist ein schönes Lied. Natürlich nicht zuletzt wegen der akustischen Gitarren. Aber auch der textliche Inhalt verdient eine Würdigung. Bei Gelegenheit werde ich mir den Text hierzu besorgen. Darüber hinaus bin ich leider kein großer Fan von Al Stewart.

Der Hinweis auf die überraschend deutsche Aussprache von „Mathilda“ ist schlüssig und einleuchtend. Allerdings frage ich mich, ob die englischsprachige Weltbevölkerung wirklich darüber informiert ist, dass sich dieser Name aus zwei althochdeutschen Begriffen zusammensetzt. Mir war das bis eben neu. Apropos Aussprache: Wilfried, hast Du eine Erklärung dafür, warum Mr. Clapton sein After Midnight wie Äfter ausspricht ?

Für heute ist es genug. Es ist sogar schon gar nicht mehr heute.
Bis bald also
Lockwood.

17.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood;

wenn wir eine Gruppe oder einen Musiker mögen und von denen ein bestimmtes Lied, dann verstehen wir es kaum, wenn andere nicht die gleiche Begeisterung aufbringen. Aber so ist das nun einmal. Lockwood kann nicht viel mit griechischer Musik und Clapton anfangen, Kretakatze wenig mit „Queen“ – und auch ich habe meine Schwierigkeiten, mich für das eine oder andere Lied zu begeistern, was ihr mögt. „Queen“ z..B. lag mir nie so recht und liegt mir auch heute nicht – trotz Lockwoods Bemühungen. Das Gitarrensolo von Brian May von „Brighton Rock“ war ein Eigentor von Lockwood; vielleicht hat man deshalb das Wembley-Stadion abgerissen und neu aufgebaut 😉 Aber auch „The March of the Black Queen“ kann mich nicht überzeugen. Es ist nicht meine Musik, zu operettenhaft. Jetzt bekommt Lockwood von beiden Seiten Druck, der Arme. Aber er wird es überstehen.

Al Stewart kenne ich eigentlich nur vom Hörensagen. „Year of the Cat“ habe ich sicherlich schon öfter gehört, aber nicht gewusst, von wem das ist. Und da es nicht „meinem Geschmack“ entspricht, gab es keine Veranlassung zu forschen, von wem das ist. Die „Roads to Moscow“ finde ich ganz okay. Aber Al Stewart insgesamt sagt mir wenig zu. Die Texte mögen in Ordnung gehen, aber die Musik ist mir etwas „zu leicht“ (auch wenn ich jetzt einen Aufschrei höre, aber sie erinnert mich etwas an Chris de Burgh und der ist mir einfach zu schmalzig).

Aber wir haben neben Jethro Tull wenigstens noch eine gemeinsame Schnittstelle: Mark Knopfer und Dire Straits. Ich habe mir damals auch eine LP von denen gegönnt, weil mir das Gitarrenspiel sehr gut gefiel (und heute noch gefällt). „Sultans of Swing“ findet sich so auch in den Top 100 der besten Gitarrensoli.

Ja, die Gitarrenspielerei! Ich pendle ja mit dem Zug zwischen Zuhause und Arbeitsstätte und höre mir jetzt schon mehrere Tage diese „100 Greatest Guitar Solos“ an. Fast die Hälfte der Stücke lässt sich dem „Hard Rock“ (Heavy Rock, Metal Rock, was weiß ich) zuordnen und besteht meist aus turnerischen Übungen (immer höher, immer schneller). Also abgehakt! Dann gibt es viele Stücke, die mir einfach nicht gefallen. Ich gebe euch darin völlig recht: Die Musik muss einem gefallen, sonst taugt auch das beste Solo nichts. Am Ende, so fürchte ich, bleiben gerade einmal ein Dutzend Stücke übrig, bei denen dann auch das Gitarrensolo halbwegs überzeugt. Ein Stück habe ich Euch eben genannt: „Sultans of Swing“ von Dire Straits, für mich nach wie vor: Aqualung mit Martins Solo.

Und dann gibt es sicherlich Gitarristen, die auf den diversen Bestenlisten nicht auftauchen, die mir trotzdem sehr gut gefallen, z.B. Ry Cooder, der sich u.a. auch viele Verdienste für seinen Einsatz zum Erhalt traditioneller Musik erworben hat (Stichwort: Buena Vista Social Club). Und in diesem Zusammenhang David Lindley (Prince Of Polyester genannt, Euch ist er sicherlich völlig unbekannt), der mit Ry Cooder zusammengearbeitet hat und wie er u.a. die Slide-Guitar spielt. Zu weiteren erwähnenswerten Gitarristen später mehr.

Apropos: David Lindley … als kleine Kostprobe ein kleines Lied von ihm : Bon Tempes Roulez. Wie gesagt, man nennt ihn den Prince of Polyester. Wenn es einen Preis fürs scheußlichste Outfit eines Musiker geben würde, so bekäme Ian Anderson durch Lindley echte Konkurrenz.

Womit ich bei Ian Anderson wäre. Dank der augenblicklich zu Ende gehenden Konzerttour von Jethro Tull durch Deutschland (Fortsetzung im Juli) finden sich in den News im Internet diverse Berichte. Zunächst aber zu den Reaktionen im Laufi-Forum von unseren Eingeweihten und Hardcore-Fans: Germany 2007 (wenn der Link noch klappt, ich fürchte der gute Laufi hat sein Forum in die Grütze gehauen oder es wurde gehackt): Zunächst ist viel von Euphorie zu lesen. Aber dann … Plötzlich kehrt sich der Eindruck und von Verriss zu sprechen, wäre fast schon geschmeichelt. Wie diese so völlig unterschiedlichen Beurteilungen der Konzerte zu Stande kommen, vermag ich kaum zu ergründen. Deshalb will ich mir das auch ersparen. Die verriss-ähnlichen Kritiken dürften aber, so fürchte ich, den Nagel am ehesten auf dem Kopf treffen.

Ich bin u.a. auch über ein Interview mit Herrn Anderson gestolpert, das mir in mancherlei Hinsicht sehr aufschlussreich (auch glaubhaft) erscheint. Zunächst eine mögliche Erklärung, warum Ian Anderson immer noch auf Tour geht (Geld allein kann nicht die Ursache sein), hierzu der Meister:

„Ich versuche mich in die Richtung des perfekten Konzerts zu bewegen. Ich weiß natürlich, dass es falsch ist anzunehmen, dass man tatsächlich irgendwann zu absoluter Perfektion gelangen kann. Aber es macht mir Spaß, es wenigstens zu versuchen. Ich weiß, dass ich immer noch Fehler mache. Jede Nacht haue ich mal daneben, spiele drei oder vier Noten falsch. Das mag Ihnen als Zuschauer gar nicht auffallen, vielleicht noch nicht mal den Typen in der Band, aber mir fällt es auf. Es dreht sich alles darum, keine technischen Fehler zu machen. Aber es ist auch mehr, es ist das Übertragen von Emotionen. Diese Kommunikation ist die ästhetische Seite ein Performer zu sein. Mit anderen Worten, es geht nicht nur um die technische Perfektion, es ist auch die Suche nach der besten Möglichkeit einen Gedanken oder eine Idee für einen Song zu kommunizieren.“

Zu seinem Piratenoutfit zwar kein Wort, aber doch etwas zu Alter und Aussehen :

„Ich möchte, dass die Leute meine schlaffen Arme sehen und mein gealtertes Gesicht und ich möchte, dass sie hören, dass das Alter auch in meiner Stimme seine Spuren hinterlassen hat. Ich schäme mich nicht dafür, dass ich ein alter Mann bin. Ich kann immer noch richtig sauer werden auf der Bühne und ich denke, dass meine Musik nach wie vor eine große emotionale Bandbreite abdeckt. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich nichts von diesen Aktionen unternehmen muss, was sich die jüngeren Leutchen heute so antun. Ich bin nun mal keine Zwanzig mehr. Aber ich kann mich mit meinem Alter und meiner physischen Kondition gut arrangieren.“

Bildchen gibt es natürlich auch von den Konzerten, u.a. vom Auftritt in der Zitadelle Spandau in Berlin.

Ian hoch auf dem roten Stuhl (Leipzig 07.06.2007)
Ian hoch auf dem roten Stuhl (Leipzig 07.06.2007)

Nun, Kretakatze, ein wirklich neues Album von Jethro Tull ist zwar immer noch nicht in Sicht, aber um die Wartezeit zu überbrücken, gibt es ab 24.08.2007 ein Doppelalbum: Live in Montreux 2003. Leider interessiert mich der Audio-Teil weniger als das Video, das ich zwar in beschiedener Qualität habe, aber gern in bester DVD-Auflösung hätte. Vielleicht kommt das ja dann später auch noch auf den Markt. Genug Anderson …

Kretakatzes Fotoserie mit dem Gitarrenbanjo finde ich höchst interessant. Ich mutmaße, dass Du dem Instrument auch einige wohlklingende Töne entlocken kannst (ich sehe Dich den D-Dur-Akkord greifen, auch C- oder ist es F-Dur; wie lange habe ich selbst schon nicht mehr auf der Gitarre gespielt; das Gitarrenbanjo müsste gleich gestimmt sein, oder?). Da ich gerade bei Deinen Fotos bin: Was hat es eigentlich mit dem Klauenbeschneiden auf sich? Warst Du früher in der Landwirtschaft tätig?

Nun am Samstag tritt ja Jethro Tull in Kreta auf. Hoffen wir, dass unsere gute Kretakatze noch ein Ticket bekommt, denn ich bin gespannt, wie ihr Urteil über das Konzert ausfällt.

Gruß nach Kreta. Und Gruß an Dich, Lockwood.
Gönnen wir uns eine kleine Verschnaufpause.

Wilfried

P.S. Lockwood, wann machst Du eigentlich Urlaub? Deine Kinder müssten doch bereits ab Donnerstag Ferien haben. Bei uns ist es bis zu dem Sommerferien noch vier Wochen hin.

P.P.S. Der Meister wird übrigens am 10. August d.J. 60 Jahre alt. Nur als Vorwarnung. Vielleicht fällt Euch ja etwas Hübsches ein, was man ihm ‚schenken’ könnte. Ich denke da an so etwas Ähnliches wie einen ‚Rentenbescheid’.

19.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 73: While my Guitar gently weeps

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

diesen Beitrag muss ich einmal wieder mit einer Entschuldigung beginnen. Mir ist klargeworden, dass die Ursache für meine „John-Fogerty-Karohemd-Psychose“ in meiner ganz persönlichen Vergangenheit zu suchen ist, und nicht, wie ich das getan habe, verallgemeinert werden kann. Insbesondere möchte ich mich dafür entschuldigen, dass ich Euch hier mit meinen persönlichen Psychosen belästigt habe. Es ist nämlich so, dass ich selbst einen gewissen Teil meiner Vergangenheit im Karohemd-Outfit verbracht habe – hauptsächlich beim Kühe melken und Schafe hüten. Zum Beweis hier ein Bild von Kretakatze 1984 in Karohemd, Latzhose und Gummistiefeln beim Klauen schneiden (Bild ist miserabel, da aus einer Zeitung abgescannt – das Tier vor mir auf dem Boden ist ein Lamm mit schwarzem Kopf und schwarzen Beinen).

Tatsächlich habe ich, soweit ich mich erinnern kann, selbst jahrelang bei der Arbeit ausschließlich karierte Hemden getragen. Insofern erscheinen mir vermutlich Personen in Karohemd instinktiv vertraut, da sie mich an mich selbst erinnern. Dazu kommt, dass ich inzwischen bei genauerer Betrachtung weitere, über das karierte Hemd hinausgehende äußere Ähnlichkeiten zwischen Mr. Fogerty und mir entdecken konnte. Das reicht von den vorstehenden Schneidezähnen bis zur Pony-Frisur – ich möchte jetzt nicht in die Details gehen. Das alles könnte dazu geführt haben, dass ich mich unbewußt in einer unangemessen übersteigerten Form mit der Person des Mr. Fogerty identifiziert habe. Ich bitte daher, meine bisherigen Ausführungen betreffend Mr. Fogerty in diesem Lichte ggf. neu zu bewerten – Danke!

Uff – und jetzt wechseln wir ganz schnell das Thema. Bringen wir mal einen ganz anderen Musiker ins Spiel, mit dem ich garantiert keine Ähnlichkeit habe…

Von der Sorte „One-Man-Band“ habe ich in meiner Plattensammlung nämlich noch eine weitere Gruppe stehen (bemerkenswerterweise habe ich dort nur Solo-Musiker oder „One-Man-Bands“ stehen): Mark Knopfler und seine Dire Straits. Auch hier gibt es eine Geschichte mit einem Bruder, der nach relativ kurzer Zeit die Band verlässt und sich mit einer Solo-Karriere versucht, in diesem Fall Mark’s jüngerer Bruder David. Auch er wird nie ersetzt, die Truppe spielt zu dritt weiter. Von den Dire Straits hat man seit bald 15 Jahren nichts mehr gehört, obwohl die Band nie offiziell aufgelöst wurde. Mark Knopfler ist dagegen durchaus noch aktiv, so spielte er z.B. im Jahre 2004 auf dem letzten Album von John Fogerty mit – sozusagen Brothers In Arms, Brüder unter sich. Dabei sollte man meinen, dass Knopfler mit Ian Anderson mehr Gemeinsamkeiten hat als mit John Fogerty. Zum Einen sind beide Schotten und Literaten (Knopfler ist studierter Journalist), und zum Anderen hat Anderson schon einmal ein Album herausgebracht, von dem man sagt es klingt als wäre es von Knopfler. Just für dieses Album hat er dann auch noch einen Grammy bekommen. Da wäre es doch naheliegend auch einmal zusammen zu musizieren. Aber das könnte Anderson vielleicht seinem Martin Barre nicht antun. Oder er befürchtet, dass er neben Knopfler doch nur als der Zweitbeste erscheinen könnte? Fogerty dagegen scheint keine Probleme damit zu haben sich einen Gitarristen „einzukaufen“, von dem er auch noch etwas lernen kann.

Wie man an dem obigen „Brothers in Arms“-Video sieht, stehen da auch bei den Dire Straits schon in den 80ern (Video stammt vermutlich aus der Tour 1985/86) deutlich mehr als die eigentlichen 3 Bandmitglieder auf der Bühne. Ich könnte jetzt nicht einmal sagen, wer von diesen Musikern zu den Dire Straits gehört und wer „zugekauft“ ist. Was man auch sieht: Der völlig andere Bühnenauftritt im Vergleich zu Anderson. Knopfler erscheint in Jeans und T-Shirt, spricht üblicherweise so gut wie überhaupt nicht mit dem Publikum, steht mit unbewegtem Gesicht nahezu regungslos am Mikrophon und wirkt teilweise fast gelangweilt. Krasser geht’s eigentlich nicht mehr. Trotzdem habe ich mich noch nie bei einem Video von ihm gelangweilt.

Aber auch Knopfler hat im Laufe der Jahre dazu gelernt. So bewegt er sich jetzt mehr auf der Bühne und lächelt sogar gelegentlich! Im Gegensatz zu Anderson und Fogerty scheint ihm allerdings immernoch jede Eitelkeit fremd zu sein. Er erscheint auf der Bühne weißhaarig, kahlköpfig und bebrillt – wie er halt so ist. Und die Fans störts überhaupt nicht, die sind begeistert. Zum Beweis hier ein ziemlich gutes Bootleg von 2005, Knopfler’s „Werbespot“ für Deutschland und deutsches Bier:
Why Aye Man (Soundqualität nicht ganz so toll, aber ich wollte was Aktuelles). Das Einzige, was ich bei diesem Song schon beim ersten Hören einwandfrei verstanden habe, waren die Zeilen „plenty Deutschmarks here to earn“, „german beer is chemical free“ und „tonight we’ll drink the old town dry“. Wahrscheinlich wird er extra von der deutschen Bierindustrie dafür bezahlt, dass er diese Worte deutlich ausspricht, ansonsten bekommt er ja beim Singen die Zähne kaum auseinander. (Damit – wer möchte – wenigstens ein bißchen was vom Text versteht, hier noch der Original-Videoclip von 2002). Bleibt vielleicht noch zu ergänzen, dass sich Knopfler’s Stimme bislang nicht verändert zu haben scheint. Er hatte allerdings auch noch nie eine.

Diese wenigen Worte über Mark Knopfler hatte ich übrigens bereits geschrieben, bevor Du, lieber Wilfried, nach den Gitarristen und Gitarrensoli gefragt hast. Es hat nur zu meinen letzten Beiträgen nicht gepasst. Aber Du wirst Dir jetzt wahrscheinlich schon denken können in welche Richtung meine Antwort gehen wird. Wenn ich eine Rangliste der besten Gitarrensoli aufstellen sollte, dann wären mindestens die Plätze 1 bis 20 lückenlos von Mark Knopfler belegt. Danach hätten dann vielleicht auch noch andere Musiker eine Chance (in den Lücken). Das Solo aus I Put A Spell On You wäre sicher mit dabei, außerdem While my Guitar gently weeps und vielleicht noch ein paar Titel von Al Stewart, dessen beste Songs auf YouTube leider nicht zu finden sind (jedenfalls keine mit Gitarrensolo). Ansonsten kann ich mich Lockwood nur anschließen: Welche Gitarristen „gut“ sind, kann ich nicht beurteilen. Ich entscheide einzig danach, ob mir die Musik gefällt, ganz gleich ob sie leicht oder schwer zu spielen ist.

Tatsächlich war ich ziemlich überrascht Aqualung auf der Liste der Gitarrensoli zu finden – mir war bislang nicht einmal bewusst, dass es in Aqualung ein Gitarrensolo gibt (dabei dachte ich, ich kenne das Stück). Da kannst Du mal sehen, wie beeinduckt ich von dem Solo war. Ich muss zugeben, dass ich in der Musik von Jethro Tull Gitarrensoli nie wahrgenommen habe, ich kann mich an kein einziges erinnern. Das ist vermutlich eine fürchterliche Schande für einen Jethro Tull Fan – falls ich einer bin. Deshalb habe ich gerade noch einmal Aqualung angeschaut, damit ich wenigstens weiß, wovon wir sprechen. Und ja, das ist die Stelle wo Mr. Anderson kurz die Bühne verlässt und ich – zumindest geistig – auch. Es ist eins von den Gitarrensoli, die laut und schnell sind, aber für mich ohne erkennbare Melodie. Bei solcher Musik schalte ich ab.

Ich habe überhaupt ein Problem mit Instrumentalmusik. Für mich ist der Gesang, der Klang der menschlichen Stimme in der Musik sehr wichtig, um mein Interesse und meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Bei den meisten Instrumentalpassagen beginne ich mich schon nach 30 Sekunden zu langweilen. Instrumentalmusik muss schon sehr viel zu bieten haben, damit sie mich anspricht. Am ehesten gelingt das, wenn der Klang des Soloinstruments der menschlichen Stimme ziemlich nahe kommt, und auch die Melodie wie gesungen klingt. Dafür ist eine Querflöte schon einmal recht gut geeignet. Noch besser geht das mit einer elektrischen Gitarre, aber der Klang muss stimmen – lärmend und kreischend mag ich garnicht. Deshalb schaue ich bei den meisten Gitarrensoli eher auf die Uhr und frage mich, wann’s endlich vorbei ist.

Die einzige Ausnahme ist da Mark Knopfler. Dem kann ich stundenlang zuhören, ohne dass ich merke wie die Zeit vergeht. Eigentlich dachte ich, ich hätte Sultans Of Swing schon so oft gehört, dass es mir langsam zum Hals heraushängt, aber ich wollte trotzden eine Version in meine Playlist verlinken. Also habe ich mich durch die verschiedenen Versionen durchgeklickt, weil ich die beste heraussuchen wollte. Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich seit anderthalb Stunden nicht anderes als verschiedene Versionen von Sultans Of Swing höre, und ich hätte noch eine Weile so weitermachen können.

Krasser Wechsel zu einem ganz anderen Musikstil.
Proud Mary in der Version von Ike und Tina Turner war mir bisher unbekannt. Vielleicht habe ich das Stück auch schon so gehört, nur habe ich es nicht mehr wiedererkannt. Die ursprüngliche Melodie kann ich in dieser Version nämlich nur noch mit großer Mühe erkennen, der Anfangsteil ist zu langsam und der Schluss zu schnell. Die Interpretation dieses Stücks scheint hauptsächlich aus Gekreische und Hinterngewackel zu bestehen. Was das mit dem Inhalt des Lieds zu tun hat, ist mir bislang verborgen geblieben. Und warum sich Tina zum Hinternwackeln gerade dieses Musikstück ausgesucht hat, wird mir wohl auch ein Rätsel bleiben. Jedenfalls weiß ich jetzt wieder, warum ich sie noch nie leiden konnte – sie schafft es ein gutes Lied bis zur Unkenntlichkeit zu versauen.

Lieber Wilfried, da finde ich Deine Version doch noch deutlich besser (wenn sie auch nicht ganz an das Original herankommt). Und das gilt noch viel mehr für „Dirty Old Town“. Während sich die „Originale“ (?) von den Pogues und den Dubliners in meinen Ohren kaum unterscheiden und beide so klingen, wie das Lied heißt – dirty and old, stumpf-dumpf trist und schwerfällig – klingt Deine Version flott und beschwingt. Also in meiner Hitparade belegst Du jedenfalls die vordernen Plätze deutlich vor der Prominenz! Und von „belegter Simme“ konnte ich auch nichts hören. Sei nur nicht so bescheiden. Warum habt Ihr das Musizieren eigentlich aufgegeben?

So, machen wir Schluss für heute. Und am besten verabschiede ich mich auch gleich in den Urlaub – ich werde mich höchstens noch einmal kurz melden, falls mir die Zeit noch reicht. Amüsiert Euch in der Zwischenzeit gut ohne mich!

Liebe Grüße
Kretakatze

PS.:Da ich nun schon einmal im Photoalbum gekruschtelt habe und außerdem nicht möchte, dass Ihr denkt ich laufe die ganze Zeit in Karohemden, Latzhosen und Gummistiefeln herum: Hier noch ein paar Bilder von mir, die beweisen, dass ich vielseitig veranlagt bin und nicht nur Klauen schneiden sondern auch griechisch tanzen kann. Dem möchte ich noch vorausschicken, dass unsere Tanztruppe sehr laienhaft zusammengesetzt und ausgestattet war, also nicht vergleichbar mit Tanz-Videos, die ich bereits verlinkt hatte. Ich hoffe daher auf stark gedämpfte Erwartungen, damit ich diese zumindest noch knapp übertreffen kann (Die Bilder stammen übrigens von 1995):
Seimbekikos
Sirtaki
Chasaposervikos

11.06.2007

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Hallo Ihr beiden Hübschen,

Ihr wart ja wieder fleißig. Besonders Kretakatzes letzte Beiträge haben mir sehr gut gefallen. Du hast die beiden Herren, Fogerty und Anderson, wohl sehr treffend geschildert. Ich möchte dabei auf den von Dir angesprochenen Unterschied zwischen nationaler Herkunft einerseits und unterschiedlichem familiären und gesellschaftlichen Background andererseits kurz zurückkommen. Ich habe John Fogerty als typisch amerikanisch hingestellt. Ich muss dazu sagen, dass ich nie in den USA war. Aber man liest halt so manches und Hollywood gibt ja auch genügend Anschauungsunterricht. Was ist also typisch amerikanisch? Amerika ist bekanntlich das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Und sicherlich gibt es dort einen allgemeinen Trend, die gesellschaftlichen Schranken aufzuheben (trotz der Rassenschranken). Auf jeden Fall fragt man zunächst weniger nach dem Staat, sondern ist gern selbst seines Glückes Schmied. Man ist freundlich und aufgeschlossen, aber doch meist sehr unverbindlich dabei (z.B. Einladungen, wozu und wohin auch immer, sollte man nicht unbedingt wörtlich nehmen). Und in einer Länderkunde von Dietrich Schwanitz in seinem Buch „Bildung“ las ich das Folgende:

„Wundere dich nicht, wenn beim Essen der Amerikaner zuerst das ganze Steak mit Messer und Gabel zerschneidet, dann das Messer hinlegt, die Gabel in die Rechte nimmt und die Linke unter dem Tisch auf das Knie stützt. Er braucht sie, um den Colt zu halten.“

Einfach gefühlsmäßig würde ich John Fogerty so auch als netten amerikanischen Guy sehen.

In Großbritannien dagegen herrscht auch heute noch ein ausgeprägtes Klassenbewusstsein – sowohl in der Upper als auch Lower Class. Zur Upper Class gehört man dabei nicht unbedingt durch Geburt, sondern mehr noch durch eine entsprechend gute Schullaufbahn. In diesem Sinne gehört Ian Anderson sicherlich zur Oberklasse – und entsprechend gebärdet er sich auch. Also um Herrn Anderson halbwegs (tiefenpsychologisch) näher zu kommen, muss man vieles von dem verstanden haben, was als typisch britisch angesehen wird. Ich habe mich hierzu einmal etwas näher ausgelassen, wenn auch bezogen auf deutsche Verhältnisse: Die ‘neue’ und die ‘alte’ Unterschicht Teil 1 und Teil 2

Andersons politische Engagement ist nicht offensichtlich. Er nimmt an keiner Demonstration teil. Wir haben ihn auch nicht in Heiligendamm gesehen. Unpolitisch ist er dagegen mit Sicherheit nicht. Er hat sich z.B. im amerikanischen Fernsehen bewusst kritisch über die Allgegenwart der Amerikatümelei (in Form von amerikanischen Flaggen, die in jedem Vorgarten wehen) geäußert, was ihm u.a. ein Verbot bei einigen anderen Sendern einbrachte. Auch hat er sich oft genug ablehnend gegen George W. Bush geäußert (nun, gut, das ist kein Kriterium – welcher Mensch mit Verstand wird Bush mögen). Seine Texte sind gespickt mit kritischen Anmerkungen zum politischen Geschehen. Nur ein Beispiel: Vor einiger Zeit hatte ich das Solo-Album von Ian Anderson Walk into Light für mich digitalisiert. Auf dem Album gibt es das Lied Different Germany. Es thematisiert auf Anderson’sche Art die wachsende politische Tendenz in den 80-er Jahren in Deutschland nach rechts außen. Und, um noch einmal auf dunkle Segel am Horizont zurück zu kommen, es finden sich auch in vielen anderen Texten vielleicht verschlüsselte, aber durchaus entzifferbare Hinweise auf kritische (und damit durchaus politische) Stellungnahmen. Ähnlich ist es um das Lied „No Lullaby“ bestellt. Anderson bedient sich einer Bildersprache, die zunächst ein ‚oberflächliches“ Szenario wiedergibt. Erst wenn man am Lack kratzt, zeigt sich, dass sich das alles auch anders, eben ‚tiefer’ deuten lässt. So ist nun einmal die Sprache der Dichter: metaphorisch, meist auch reichlich kryptisch.

Neben seinem Engagement für Wildkatzen usw. hat er sich auch für den Regenwald stark gemacht, wie das folgende Video beweist (auch wenn das bereits längere Zeit her ist): Artists United For Nature – Yes We Can – hier hat er sich u.a. mit Musikern und Sänger wie Brian May (sic!), Joe Cocker, Harold Faltermeyer, Herbie Hancock, Chaka Khan und vielen anderen zusammen getan. Eine solche Aktion muss man auch als politisch werten.

Brian May und Mark Knopfler lasse ich gern als hervorragende Gitarrenkünstler gelten. Natürlich tauchen beide auch in den entsprechenden Bestenlisten auf. Martin Barre gilt weiterhin als unterbewertet, obwohl er einen sehr eigenen Stil entwickelt hat, der sich in einigen Stücken an der menschlichen Gesangsstimme orientiert. Mein Neffe, auch viele Jahre als Gitarrist unterwegs, war kein ausgesprochener Tull-, dafür aber ein um so größerer Barre-Fan. Er könnte Euch sicherlich einiges mehr zu dessen Stil und technisches Können erzählen. Ich muss eines gestehen: Dass ich ähnlich Kretakatze früher den guten Martin auch eher überhört habe, manchmal ihn eher als schlecht empfunden habe. Heute aber (und nach längeren Diskussionen mit meinem Neffen) bin ich hörtechnisch Martin Barre ‚hintergestiegen’. Er ist schon etwas gewöhnungsbedürftig.

Und Kretakatze hat es erfasst: „Crest of a Knave“ klingt wirklich sehr knopfler-isch. Zum einen klingt Martin Barres Gitarre sehr im Stile von Mark Knopfler; und dann ‚imitiert’ auch noch Herr Anderson dessen Stimme. Mich hat das damals auch sehr verwundert. Obwohl ich nicht unbedingt von Plagiat sprechen möchte, so würde es mich eigentlich schon interessieren, wie es bei Anderson & Co. dazu gekommen ist, sich an Dire Straits zu orientieren, denn leugnen wäre zwecklos.

Zu den Gitarrengöttern zählen sicherlich Eric Clapton und Jimi Hendrix. Beide haben ebenfalls einen unüberhörbaren eigenen Stil. Von Hendrix hätte ich gern mehr Stücke, in denen er nicht so vollgedröhnt daherspielt, als müsste er die ganze Welt in Flammen setzen. Bei diesen Endlossoli klappen mir auch die Ohren zu, schnell zum nächsten Stück. Clapton ist aber nun wirklich „God“. Er hat zwar kaum wirklich gute eigene Lieder erfasst (aber welcher gute Gitarrist hat das schon). Wie er aber z.B. mit Cream bei den Stücken White Room oder Crossroads in die Saiten haut, das hat schon etwas. White Room ist zudem ein Lehrstück für (künftige) Bassisten (ich finde das Stück einfach geil, eines meiner Liebensstücke eben).

Apropos Clapton: Kretakatzes Link auf den Beatles-Titel While My Guitar Gently Weeps – kein anderer als Clapton spielt hier das Solo (am Ende zusammen mit Harrison). Und zusammen mit Mark Knopfler war sich Clapton nicht zuschade, auch einmal nur auf der Gitarre zu schrammeln, hier eine andere Version von Sultans of Swing.

Zu anderen (auch meist unterbewerteten) Gitarristen später etwas mehr. Die Gitarre ist nun einmal in der Rockmusik DAS Instrument. Welcher Jugendliche, der daran denkt, einmal Musik zu machen (Rockmusik meine ich), der will natürlich Gitarre spielen. Keyboards, Schlagzeug, Bass – alles ganz nett, aber KLAMPFE, das ist es eben!

Zum Ende der ‚legendären’ Band Black Out: Das Ganze spielte sich in Bremen ab, weil alle Beteiligten dort wohnten. Ich bin dann Anfang der 80-er Jahre zwecks Studium nach Hamburg gezogen – und an den Wochenende nach Bremen gependelt. Das wurde mir mit der Zeit aber zuviel. Außerdem wollte unser Schlagzeuger öfter auftreten (wir übten in einem dunklen Keller), um zusätzlich Geld zu verdienen. Das wollten die anderen (und ich) aber nicht. Und so kam es, wie es kommen müsste. Es wurde liquidiert, was liquidiert werden musste. Und das war es denn. Also keine Streitigkeiten zwischen Brüdern.

Kretakatzes John-Fogerty-Karohemd-Psychose finde ich ganz normal. Was mein Outfit anbelangt, ich schrieb es bereits, da bewege ich mich ganz auf dem Fogerty’schen Niveau. Ich bin da das, was man bekanntlich den Schotten zuschreibt: geizig! Ich trage vielleicht nicht immer karierte Hemden, aber oft genug, und ansonsten Hemden, die eben bunt sind (wenn auch gestreift oder so statt kariert). Und die trage ich meist so lange, bis sie aus dem Leim gehen. Ähnliches gilt für meine Hosen, die meist Jeans sind (aber nicht von Armani). Ich sehe nicht ein, mich einem Modediktat zu beugen und mehr für Klamotten auszugeben, als es Not tut. Bequem muss es sein, dass ist das erste (und einzigste), was zählt. Anzüge, Schlips und Kragen sind nichts für mich. Es war wohl letztes Jahr, da habe ich zum ersten Mal selbst in meinem Leben einen Krawattenknoten gebunden (Anleitung aus dem Internet), übrigens eine Krawatte im Anderson-Tartan (klar: schottisches Karomuster), die ich spaßeshalber zu einer Familienfeier trug. Ansonsten mussten mir immer andere helfen (manchmal kommt man nicht umhin, ein solches Stranguliergerät zu tragen). Mit Jacketts und dergleichen tue ich mich ebenso schwer. Ist nun einmal so und ich stehe dazu.

Nun denn, ich wünsche euch noch einige geruhsame Arbeitstage. Und Dir, Kretakatze, wünsche ich einen schönen, erholsamen Urlaub. Ich drücke Dir die Daumen, dass es klappt mit der Eintrittskarte. Es steckt auch etwas Eigennutz dahinter, denn schließlich wollen wir wissen, wie sich Herr Anderson so gemacht hat im weiten Süden.

Wir lesen voneinander.
Viele Grüße

Wilfried

12.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Jethro Tull live at Hammersmith Odeon, London (8. Sept. 1984)

Wolfgangs Schatzkämmerlein (Wolfgang ’s Vault) macht es möglich: Das Konzert von Jethro Tull zur „Under Wraps“-Album Tour aus dem Hammersmith Odeon in London vom 8. September 1984 ist in (fast) voller Länge (rund 2 Stunden) als Audio-Stream zu hören. Man muss sich nur auf der Website anmelden, das natürlich kostenlos.

Neben Ian Anderson, Martin Barre, Doane Perry (der kurz zuvor bei Tull sein Debüt als Drummer gab) und Dave Pegg am Bass ist Peter-John Vetesse an den Keyboards zu hören. Setlist: Locomotive Breath (inst. intro.)/Hunting Girl, Under Wraps, Later That Same Evening, Nobody’s Car, Pussy Willow, Clasp, Living In The Past, Thick As A Brick, Aqualung, Locomotive Breath, Too Old To Rock’N’Roll/Thick As A Brick (reprise)

Jethro Tull at Hammersmith Odeon 1984

Jethro Tull
live at Hammersmith Odeon, London (8. Sept. 1984)
weitere Konzerte (meine Favoriten):
Ry Cooder
at Record Plant, Sausalito, CA – 7/7/74
Gentle Giant
at Academy of Music – New York, NY 01/18/195