Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

40 Jahre Festival Isle of Wight (26.- 30. August 1970)

1969 fand das bisher wohl bekannteste Festival der Rockmusik in Woodstock statt, an dem auch die Gruppe Jethro Tull teilnehmen sollte; der Auftritt der Gruppe war für den Sonntag vorgesehen. Allerdings entschied sich der Manager der Gruppe, Terry Ellis (u.a. auch Mitbegründer des Plattenlabels Chrysalis) für einen finanziell lukrativeren Konzerttermin genau für die drei Tage vom 15. – 17. August im „Revolution“ in Monticello, NY. USA, also gar nicht soweit von Woodstock entfernt. Immerhin traten dann Jethro Tull 1970 beim Festival auf der Isle of Wight auf (das mit geschätzten 600.000 Besuchern wahrscheinlich bestbesuchte und auch chaotischste Festival in der bisherigen Geschichte der Rock-Musik); siehe hierzu auch mein Beitrag Jethro Tull – Their Fully Authorized Story

Bilder vom Soundcheck: Jethro Tull

Festival Isle of Wight 1970

Bilder vom Soundcheck: Jethro Tull

Bilder vom Soundcheck: Jethro Tull

Bilder vom Soundcheck: Jethro Tull

Der Begriff Isle of Wight Festival steht für drei Rock-Festivals in den Jahren 1968, 1969 und 1970 – aber auch für eine Reihe neuerer Musik-Festivals, die erst seit 2002 veranstaltet werden. Sie alle fanden auf der gleichnamigen, dem britischen Festland südlich vorgelagerten Kanalinsel Isle of Wight statt. Das Festival des Jahres 1970 ist zweifellos das bekannteste und bei weitem größte der drei Klassiker, sodass seine beiden Vorgänger darüber weitgehend in Vergessenheit gerieten. Es wurde früher auch vielfach als das „europäische Woodstock“ bezeichnet.


Isle of Wight Festival 1970 Intro zur DVD: Message to love

Von den Konzerten des Festivals 1970 gibt es zahlreiche DVDs auf dem Markt (u.a. von den Who), zunächst die ‚offizielle’ DVD Message to Love – Isle of Wight Festival 1970, aber natürlich auch eine DVD mit der Gruppe Jethro Tull – Nothing is Easy: Live at the Isle of Wight 1970.

Dieses Festival auf der Isle of Wight von 1970 jährt sich in diesen Tagen zum 40. Mal. Am letzten Tag, den 30. August 1970, also genau heute vor 40 Jahren, trat u.a. die Gruppe Jethro Tull auf. An jenem 30. August spielte tagsüber u.a. die Gruppe Free, deren „All Right Now“ vielen von Euch auch heute noch bekannt sein dürfte:


Free – All Right Now – Isle of Wight Festival 1970

Bevor Ian Anderson und seine Jungs die Bühne am Abend betraten, spielte die Gruppe Moody Blues (u.a. mit ihren Hit „Nights in White Satin“)


Moody Blues – Nights in White Satin: Isle Of Wight Festival 1970

Danach folgten dann Jethro Tull – und als Höhepunkt dieses letzten Abends stand Jimi Hendrix mit seinen Leuten auf der Bühne:


The Isle of Wight Festival 1970 Jimi Hendrix

Auf der DVD Jethro Tull live at the Isle of Wight 1970 finden wir ein Interview mit Ian Anderson, der den Auftritt der Gruppe, überhaupt das sehr chaotisch ablaufende Festival aus heutiger Sicht kommentiert:


My Sunday Feeling – Jethro Tull – Live at the Isle of Wight 1970


My God – Jethro Tull – Live at the Isle of Wight 1970


Nothing is Easy – Jethro Tull – Live at the Isle of Wight 1970

weiteres Material siehe auch in einem besonderen Forum zum Festival 1970

Jethro Tull: A

Wie kann man ein Musikalbum nur ‚A’ nennen? Schon allein der Titel des 1980 erschienenen Albums von der Gruppe Jethro Tull verwirrte die treue Fangemeinde; wie sehr sollte es die ‚neue’ Musik erst sein. Des Rätsels Lösung: Das Album ‚A’ sollte eigentlich ein erstes Solo-Album ihres Mastermind Ian Anderson werden; das A steht für Anderson.

Nachdem am 14. April 1980 im Hammersmith Odeon, London die Stormwatch-Tour und damit für viele Jethro Tull-Fans gewissermaßen das ‚goldene Zeitalter’ der Gruppe endete, denn es war auch endgültig das letzte Konzert mit John Evan, Barrimore Barlow und David Palmer (siehe auch meinen Beitrag: Jethro Tull live 1. April 1980 München Olympiahalle), zog sich Ian Anderson Mitte des Jahres zu Aufnahmen ins Maison Rouge Mobile und Maison Rouge Studio, Fulham, London, zurück, um das gesagte Album aufzunehmen. Neben Ian Anderson, Martin Barre und Dave Pegg wirkten Mark Craney (Drums) und Eddie Jobson (Keyboards, elektr. Geige) als neue Mitglieder der Gruppe mit. Das Album erschien am 29.08.1980 in Großbritannien und am 01.09.1980 in den USA.

Nach der Folk Rock-Phase der Gruppe (etwa 1976-1979) begann mit diesem Album die Phase des Electronic Rock von Jethro Tull, die etwa 1984 mit dem Album „Under Wraps“ endete. Bei vielen der bisherige Fans brach damals das nackte Entsetzen aus, weil es die bis dahin wohl größte Veränderung der Gruppe war, nicht nur personell (die alten Recken Evan, Barlow und Palmer mussten gehen, dafür kam u.a. der androgyn wirkende Eddie Jobson), sondern in erster Linie natürlich musikalisch (Jobson hinterließ bei den neuen Kompositionen seinen musikalischen Einfluss: Anderson/add. mus. mat. Eddie Jobson steht bei den Liedern in Klammern). Und während Ian Anderson auf der Stormwatch-Tour noch mit langer Mähne über die Bühne wirbelte, waren die Haare auf der am 4. Oktober 1980 begonnenen ‚A’-Tour nicht nur wesentlich kürzer (und vorn auch lichter) geraten, auch das Outfit hatte nicht mehr den altertümlichen Touch, sondern wirkte futuristisch.

Im ‚Windschatten’ des neuen Albums erschien dann auch noch die Videokassette Slipstream (heute gemeinsam als A remastered (CD+Bonus DVD Slipstream) erhältlich), auf der neben einigen interessanten Videoclips (u.a. Ian Anderson als Vampir) auch Ausschnitte von der neuen Tour enthalten sind.


Jethro Tull: Black Sunday (Live on ‚A‘-Tour on 20th or 21st Nov 1980 at Royal Albert Hall London, UK)


Jethro Tull – Fylingdale Flyer (Videoclip – hieraus stammt auch das Cover zum ‘A’-Album)

Es gibt noch weitere Video bei Youtube:
Jethro Tull – „Crossfire“ live 1980 (Live at the Sports Arena LA, on the 11/12/1980 )
Ian Anderson of Jethro Tull Rare 1980 interview
Jethro Tull – „Crossfire-Fylingdale Flyer“ (1980 aus der dt. TV-Sendung Rock Pop – leider nur Playback & in magerer Qualität)

Ian Anderson und Jethro Tull haben immer wieder durch gravierende Stiländerungen ihrer Musik überrascht. Anderson versteht sich als Musiker, weniger als Rockmusiker, und beansprucht natürlich für sich, aus allen musikalischen Töpfen schöpfen zu dürfen. Als ich mir damals ‚A’ kaufte, war ich natürlich auch überrascht. Aber so sehr auch elektronische Klänge die Musik verändert hatten, die musikalische Herkunft namens Anderson ließ sich nicht verleugnen. Wenn mir ein Album aus dieser Zeit nicht gefällt, dann ist es „Under Wraps“ aus dem Jahre 1984 – aber hauptsächlich wegen des Drum Computers, den Ian Anderson wohl eigenhändig programmiert hatte, der aber nie die feinen Facetten handgemachter Trommelarbeit ersetzen konnte, so komplex die rhythmischen Strukturen auch gesetzt waren – in der Lautstärke vielleicht etwas gedrosselt wären die Drums erträglicher anzuhören.

Jethro Tull live 1. April 1980 München Olympiahalle

Durchs Internet bin ich an eine DVD mit Konzertaufnahmen von der Gruppe Jethro Tull aus dem Jahr 1980 gekommen, bei der ich erst dachte, na ja, Bild und Ton sind akzeptabel, auch enthält es Stücke, die man sonst so nicht von Videos her kennt – aber mehr dann eben auch nicht. Aber bei näherer Betrachtung wurde mir dann klar: Bei diesem Konzert, das am 1. April 1980 in der Münchener Olympiahalle ausgezeichnet wurde, handelt es sich um eines der letzten Konzerte, bei denen John Evan an den Keyboards und Barrimore Barlow am Schlagzeug (David Palmer kann ich leider nicht erkennen) mitgewirkt haben.

Aber eines nach dem anderen:

Im Frühjahr bis in den Sommer des Jahres 1979 hinein wurde im Maison Rouge Mobile und Maison Rouge Studio, Fulham, London das Album „Stormwatch“ aufgenommen. Bei den Aufnahmen waren die genannten Evan, Barlow und David Palmer (der das Stück „Elegy“ aus seiner Feder beisteuerte) dabei, außerdem der Bassist John Glascock. Dieser war während der Heavy-Horses-Tour der Gruppe schwer erkrankt, als eine Zahnerkrankung sein (durch einen von seinem Vater ererbten Herzklappenfehler bereits vorbelastetes) Herz schädigte. Eine Operation, bei der die defekte Herzklappe ersetzt wurde, brachte nicht die erhoffte Besserung, und nachdem er bereits im Jahr 1978 nicht mehr alle Auftritte der aktuellen Tour bestreiten konnte, stand er am 1. Mai 1979, genau drei Jahre nach seinem Debüt, zum letzten Mal für Jethro Tull auf der Bühne. Während der Aufnahmen zum aktuellen Album „Stormwatch“ verschlechterte sich sein Zustand zusehends, und John war gezwungen, die Gruppe zu verlassen. Die noch fehlenden Parts am Bass übernahm Ian Anderson selbst. Glascocks Nachfolger wurde später Dave Pegg. Nachdem sein Körper die neue Herzklappe schließlich abgestoßen hatte, starb John Glascock am 17. November 1979 in London.

Mit Dave Pegg ging es dann auch auf die Stormwatch-Tour. Am 1. April 1980 gastierte die Gruppe dann in München. Das Konzert wurde vom Fernsehen aufgezeichnet und zusammen mit einem Interview mit Ian Anderson im österreichischen Fernsehen ORF 2 in Rahmen des Jugendmagazins „Ohne Maulkorb Spezial“ ausgestrahlt.

Die DVD, die mir jetzt vorliegt, enthält die (von einer VHS-Kassette digitalisierte) TV-Sendung und ist knapp 55 Minuten lang (Video: MPEG2 Video 720×576 (4:3) 25.00fps 8200Kbps – Audio: 48000Hz stereo 1536Kbps).

Nach diesem Konzert in München gab es noch weitere. Die Stormwatch-Tour endete am 14. April 1980 im Hammersmith Odeon, London. Das war dann auch endgültig das letzte Konzert mit John Evan, Barrimore Barlow und David Palmer. Mit diesem Konzert endete für viele Jethro Tull-Fans gewissermaßen das ‚goldene Zeitalter’ der Gruppe.

Zur Mitte des Jahres 1980 zog sich Ian Anderson zu Aufnahmen ins Maison Rouge Mobile und Maison Rouge Studio, Fulham, London, zurück, um das Album ‚A‘ aufzunehmen. Neben Ian Anderson, Martin Barre und Dave Pegg wirkten Mark Craney (Drums) und Eddie Jobson (Keyboards, elektr. Geige) als neue Mitglieder der Gruppe mit. Das Album erschien am 29.08.1980 in Großbritannien und am 01.09.1980 in den USA.

Aber zurück zu der Stormwatch-Tour und zu der TV-Sendung. Zwischen dem Interview mit Ian Anderson gibt es (fast) vollständig die Aufzeichnungen von dem Konzert. Jethro Tull spielte mit Ian Anderson (Gitarre, Flöte und Gesang), Martin Barre (E-Gitarre), Dave Pegg (Bassgitarre), John Evan (Keyboards bzw. Klavier) und Barriemore Barlow (Drums):

01. Intro/Interview
02. Aqualung
03. Interview
04. Dark Ages
05. Interview
06. Home
07. Orion
08. Interview
09. Too Old To Rock-n-Roll, Too Young To Die
10. Cross-Eyed Mary
11. Interview
12. Minstrel In The Gallery
13. Dambusters March (Locomotive Breath)

Und natürlich sind die Lieder auch bei YouTube auf dem Account von BenRossington im Internet zu betrachten. Ich habe diese zu einer Playlist zusammengefügt:


Jethro Tull 1980 live in der Olympiahalle München

Happy Birthday, Mr. Anderson

Heute habe ich einmal daran gedacht (stimmt auch nicht – durch YouTube-Kommentare wurde ich darauf aufmerksam gemacht – an seinen 60. hatte ich damals allerdings gedacht): Ian Anderson von der Gruppe Jethro Tull hat heute Geburtstag und wird 63 Jahre alt. Na denn: Happy Birthday, Mr. Ian Anderson!

Ian Anderson (Jethro Tull) 2008
aus: jethrotull.com/press/pressphotos (2008 – 1 MB groß)

Anlässlich des 300. Geburtstages von Johann Sebastian Bach trat die Gruppe Jethro Tull mit Ian Anderson und Gaststar Eddie Jobson am 16. März 1985 im Internationalen Congress Centrum Berlin auf: Bach Rock (Dank an www.laufi.de für die Videos).


Jethro Tull: Wond’ring Aloud (Bach Rock 1985)

Ians elf Finger?!

Nachdem ich die Gruppe Jethro Tull zum ersten Mal im Fernsehen sah (Wie ich zu Jethro Tull kam), kaufte ich mir meine erste Langspielplatte (LP – damals gab es noch keine CDs) am 6. September 1969. Das Datum ist mir auch heute noch gegenwärtig (6.9.69 – siehe meinen Beitrag: Mondlandung mit Shakespeare). Und natürlich war es eine Scheibe von Jethro Tull: Stand Up.

Jethro Tull: Stand Up (1969)

Es fiel mir nicht gleich auf, erst später: Auf der Zeichnung des Covers (genauer: ein Holzschnitt) hat Ian Anderson elf statt der üblichen zehn Finger. Über das Jethro Tull Board @ www.laufi.de bin ich wieder auf dieses Detail des Stand Up-Covers gestoßen: Ja, es sind elf Finger.

Ian Andersons elf Finger

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, warum elf Finger? Hat sich der Künstler James Grashow einfach vertan (kann er nicht bis zehn zählen?)? Oder war es höhere Absicht, da Ian Anderson als Flötist besonders viele Finger braucht – vielleicht eine Art Heiligenschein auf etwas niedrigeren Niveau? Nun James Grashow hat sich in einem Interview erst kürzlich dazu geäußert: It was a mistake. So profan sind manchmal die Dinge.

Ich fand (und finde auch heute noch) das Cover natürlich sehr cool. Besonders Ians Tabaksbeutel hatte es mir damals angetan, sodass ich mir bald nach Kauf der LP auch einen solchen Tabaksbeutel zulegte, den ich am Hosengürtel trug (zum Barett wie bei Lockwood hat’s bei mir aber nicht gereicht).

Jethro Tull: A Passion Play – Update

Vier Jahre ist es bereits her, dass TullTapes bei YouTube sein Projekt JETHRO TULL RARE PASSION PLAY 1973 LIVE vorstellte (ich berichtete darüber). Er hatte altes 8mm-Filmmaterial digitalisiert und zusammengeschnitten. Nun hat er dieses alte Material noch einmal aufgearbeitet und erneut bei YouTube ins Netz gestellt.

Ian Anderson (Jethro Tull): A Passion Play live 1973

Wer wenigstens einige Vorstellungen davon hat, welche Arbeit darin steckt, ein solches Video zusammenzustellen, wird mir zustimmen, dass das Ergebnis wirklich gelungen ist. Gegenüber seinem ersten Versuch verfügt TullTapes (inzwischen 40 Jahre alt, lebt in den USA) jetzt über eine Videobearbeitungssoftware, die mehrere Video- bzw. Tonspuren zulässt. Das eröffnet natürlich neue Horizonte. Ich kann mich bei ihm auf diesem Weg nur herzlich für die Arbeit und die Bereitstellung der insgesamt vier Videos (Gesamtlänge knapp 32 Minuten) bedanken (einzigstes Manko: die öfteren Einblendungen von TullTapes’ Mailadresse und der Hinweis „Not for Sale“ nerven etwas).

Das meiste Filmmaterial stammt von den Konzerten in Oakland (23.07.1973 – an diesem Tag erschien das Album „A Passion Play“ in den USA) und im Madison Square Garden (28. bzw. 29.08.1973). Der Sound des gesamten Films ist aus Oakland.

Gestern habe ich mir die Videos in aller Ruhe zu Gemüte geführt. Bedenkt man, dass das Ursprungsmaterial mit damals handelsüblichen Gerätschaften (z.B. 8-mm-Kameras) aufgenommen wurde, so ist das Ergebnis der digitalen Überarbeitung bestens gelungen. So sind die Videos auch im Vollbildformat noch gut zu betrachten. Überraschend gut ist auch der Ton. Dank TullTapes darf man auch 37 Jahre nach den Konzerten an diesem ungewöhnlichen Ereignis teilhaben und verspätet „A Passion Play“ live im Video sehen


Jethro Tull 1973: A Passion Play Oakland CA, New York NY (Playlist)

Altes „Neues“ von Jethro Tull (5)

Wenn es etwas Neues von Jethro Tull gibt, dann ist es meist Altes. Eines der bekanntesten frühen Konzerte der Gruppe, das auch filmisch aufgezeichnet wurde, war das am 07. Juli 1970 in Tanglewood (Lenox, MA). Leider habe ich davon bisher nur Material in beschiedener Qualität. In Wolfgangs Schatzkammer (ich vermelde immer wieder Neuigkeiten von dort – erst zuletzt in meinem Beitrag Und noch mehr aus Wolfgangs Schatzkämmerlein (5)) gibt es das gesamte Konzert jetzt zunächst einmal als Audiostream : Jethro Tull: Tanglewood (Lenox, MA) 07/07/1070

Und die Überraschung: Das Lied „Nothing ist Easy“ bietet Wolfgangs Vault nun auch als Video an: Jethro Tull: Nothing is Easy (07/07/1970) – Das Video lässt vermuten, dass vielleicht auch das gesamte Konzert in einer entsprechend guten Qualität vorhanden sein könnte. Eine Veröffentlichung solchen Videomaterials wäre nun wirklich etwas Neues.

Maestro Dr. h.c. Ian Anderson

Wer durch Hamburgs Straßen geht und einen Blick auf die diversen Plakatwände (z.B. auf den Bahnsteigen der S-Bahn) wirft, kommt an einem Aushang für den Hamburger Kultursommer 2010 nicht vorbei. Dieser findet vom 24. bis 30. August auf der Trabrennbahn Bahrenfeld statt; u.a. am Samstag, den 28. August ab 14 Uhr (Einlass ab 12 Uhr 30) das Rock Classic Festival. Neben Eric Burdon, Roger Chapman und Ten Years After ist die Hauptattraktion niemand anderes als Ian Anderson mit seinen Jungs. So plakativ zeigte sich Jethro Tull schon lange nicht mehr in Hamburg.

Rock Classic Festival mit Jethro Tull

Heavy Humoresque?

Jethro Tull eine reine Rockband? Mitnichten, wie wir wissen. Nicht nur, dass Masterhead Ian Anderson in seinen Stücken immer wieder selbst auf klassische Musik zurückgreift, nein, bekannt wurde er und seine Band mit einem Stück aus der Hand von Johann Sebastian Bach. Aus der Suite e-Moll BWV 996, einem Werk für die Laute, arrangierte Ian Anderson den 4. von 5 Sätzen (Bourrée e-Moll) neu für Querflöte: Bourrée von Jethro Tull ging so in die Rockgeschichte ein.

Damit war Bach aber noch lange nicht zu den Akten gelegt. Anlässlich des 300. Geburtstages von Johann Sebastian Bach trat Ian Anderson & Co. am 16.03.1985 in Berlin im International Congress Centrum auf: Bach-Rock und spielte dort auch Bach’s Double Violin Concerto – außerdem gab es David Palmers Elegy (… a piece in a Bachian style – wie Anderson es nannte).

Am 31.07.76 hatten die Jungs von Jethro Tull einen Auftritt im Tampa Stadium in Florida, von dem es einen exzellenten Video-Mitschnitt gibt: Tullavision. Hier stellte die Band u.a. eine eigenwillige Interpretation von Beethovens Neunter auf die Bühne: Jethro Tull: Beethoven’s Ninth

Weitere Rückgriffe gab auf es dann auch später, u.a. am 8. Dezember 2004 mit „Pavane“ in fis-moll (F-sharp minor), Opus # 50, einer Komposition für Orchester und optional für einen Chor – 1887 von dem französischen Komponisten Gabriel Fauré geschrieben – hier gespielt von Ian Anderson samt Band mit dem Orchester der Neuen Philharmonie Frankfurt im Rosengarten Mannheim: Ian Anderson & Orchestra: Pavane of Gabriel Fauré

Ein Stück von Jethro Tull darf ich allerdings nicht vergessen: „By kind permission of“, das Klaviersolo von John Evan, das u.a. auf dem 1972 erschienen Album „Living in the Past“ erschienen ist und bereit im November 1970 live in der Carnegie Hall von New York City aufgenommen wurde. Hierzu habe ich mich in einem früheren Beitrag einmal kurz geäußert: Was ist bloß mit Ian los? Teil 85: Intelligenz & Plagiate:

Auch Herrn Anderson selbst hätte man jahrelang des Plagiats beschuldigen können, steht bei Bourree auf früheren Scheiben immer der Name Ian Anderson allein; erst sehr spät finden wir neben seinem Namen auch den von J.S. Bach. Aber da habe ich noch ein weiteres Beispiel: „By kind permission of“, das Klaviersolo von John Evan (meist mit „With you there to help me“ gespielt so wie bei dieser Live-Aufnahme im altehrwürdigen Beatclub [leider bei YouTube nicht mehr verfügbar]). Mit wessen freundlicher Genehmigung spielt er denn da wohl. Ich bin kein großer Klassikkenner, aber angeblich soll das Rachmaninov sein, dessen Prélude in Cis-moll opus 32 oder so. Und dank youtube, was finde ich da, genau Rachmaninov, wenn es auch Opus 3 Nr. 2 ist. Evan hat eindeutig bei Rachmaninov geklaut.

Jethro Tull: Heavy Horses

Aber was hat das alles nun mit einem der beliebtesten Tull-Stücke: Heavy Horses zu tun?

Ein Kommentar von jevicci auf meinem Channel bei YouTube ließ mich aufhorchen:

Does anyone know if they intentionally based the verse melody on Dvorak’s „Humoresque“ as some kind of homage or something?

Was jevicci meint, ist Antonín Dvoráks Humoreske – op. 101.7 in Ges-Dur für Klavier (The Humoresque No 7 in G Flat Major). Das Hauptthema dieses kurzen Stückes kennen eigentlich alle, auch die, die mit Klassik nicht viel am Hut haben: Irgendwann hat es jeder schon einmal gehört. Mittendrin ist nun ein zweites Thema (im nachfolgenden Video von 1:18 bis ca. 2:00 zu hören). Wer nun wiederum das Heavy Horses-Video sieht und hört (so ca. ab 3:20), wird aufhorchen. Hab ich das nicht eben schon einmal gehört?


Dvorak: Humoresque

Um es gleich zu sagen: Ian Anderson kann man keinen Vorwurf des Plagiats machen. Sicherlich wird Ian Anderson Dvoráks Stück damals beim Komponieren gekannt haben. Vielleicht stimmt sogar jeviccis Vermutung, dass Anderson an eine Hommage zugunsten von Dvorák gedacht hat (ich vermute aber eher nicht). Interessant finde ich diese ‚musikalische Angleichung’ allemal. Hier noch einmal beide ‚Ausschnitte’ noch einmal aneinandergereiht zum näheren Vergleich:


Heavy Humoresque?

Jethro Tull: Beltane

Tanz in den Mai, wer kennt nicht das ausgelassene Treiben. Dabei ist die Nacht von heute auf den 1. Mai ursprünglich die Walpurgisnacht, eigentlich das Mondfest, das in der Nacht des ersten Vollmondes zwischen der Frühjahrstagundnachtgleiche und der Sommersonnenwende gefeiert wird. Traditionell gilt jedoch die Nacht vom 30. April auf den 1. Mai als die Nacht, in der angeblich die Hexen insbesondere auf dem Blocksberg (eigentlich Brocken), aber auch an anderen erhöhten Orten ein großes Fest abhalten und auf die Ankunft des „gehörnten Gottes“ warten.

Beltane in Schottland

Diese Nacht entspricht aber auch dem keltischen Fest „Beltane“. Es war wie viele ähnliche Feste ein Frühlings- und Fruchtbarkeitsfest, es gehört zu den sogenannten Feuerfesten. Es steht für das Neuerwachen und die Aufbruchstimmung der Erde nach dem Winter, ein Fruchtbarkeitsfest nicht nur im Sinne der Fortpflanzung, sondern auch für Kreativität, neue Ideen, Projekte oder neue Beziehungen. Im keltischen Jahreskreis kann es mit der aufblühenden Jugend verglichen werden.

Ian Anderson von der Gruppe Jethro Tull, geboren in Schottland, hat sich in vielen Liedern mit den Ursprüngen seiner Heimat beschäftigt. Und so gibt es auch ein Lied von Jethro Tull mit dem Titel „Beltane“ (erschienen 1988 auf dem „20th Anniversary box set“, später auf der remastered CD „Songs from the Wood“ als Bonus-Track).

Have you ever stood in the April wood and called the new year in?
While the phantoms of three thousand years fly as the dead leaves spin?

Hast du jemals im April-Wald gestanden und das neue Jahr herbeigerufen?
Während die Phantome aus 3000 Jahren fliegen wie tote Blätter-Wirbel?

aus: Beltane


Jethro Tull: Beltane

Brian Protheroe featuring Ian Anderson 1976

Unser Meister, Ian Anderson von der Gruppe Jethro Tull, war immer dann zur Stelle, wenn es galt, für ein Folk- oder Rockstück die Flöte zu bedienen – meist bei Plattenaufnahmen, in Ausnahmefällen sogar live mit auf der Bühne. In dem Jethro Tull Board @ www.laufi.de habe ich nun gesehen, dass unser Flötengnom (u.a. auch mit Barriemore Barlow am Schlagzeug) im Jahre 1976 auch unterstützend bei einer Aufnahme für die LP „I/YOU“ von Brian Protheroe, einem bei uns weitgehend unbekannten Schauspieler und Sänger/Songwriter aus UK, tätig war. Auf dem Stück ‚Under The Greenwood Tree’ spielt Mr. Anderson eine fein folkige Flöte. Der Text ist ein Poem von William Shakespeare:

William Shakespeare: Under the Greenwood Tree

[Amiens sings:] UNDER the greenwood tree,
Who loves to lie with me,
And turn his merry note
Unto the sweet bird’s throat,
Come hither, come hither, come hither:
Here shall he see
No enemy
But winter and rough weather.

Who doth ambition shun,
And loves to live i‘ the sun,
Seeking the food he eats,
And pleased with what he gets,
Come hither, come hither, come hither:
Here shall he see
No enemy
But winter and rough weather.

[Jaques replies:] If it do come to pass
That any man turn ass,
Leaving his wealth and ease
A stubborn will to please,
Ducdame, ducdamè, ducdamè:
Here shall he see
Gross fools as he,
An if he will come to me.


Brian Protheroe feat. Ian Anderson – Under the Greenwood Tree (1976)

Download @ www.laufi.de: Brian Protheroe – Under the Greenwood Tree