Kategorie-Archiv: Machtgier

Frustrierendes aus Politik und Wirtschaft

Die Spitze des Eisbergs

Aus Erklärungsnot waren die norwegischen Sicherheitsbehörden am Freitag zunächst davon überzeugt, dass Islamisten hinter dem Anschlag auf das Regierungsgebäude in Oslo, in dem sich das Büro des sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg befindet, stecken: al-Qaida bzw. islamische Fundamentalisten. Der Terrorismus-Experte des ZDF, Elmar Theveßen, beleuchtete auch gleich den Hintergrund: Norwegen und sein Öl. Da wusste man noch nicht viel von dem eigentlichen Verbrechen, bei dem fast 90 Jugendliche auf der Ferieninsel Utøya unweit von Olso sterben sollten. In Medienberichten war zunächst von fünf Verletzten bei einer Schießerei die Rede.


Utøya

Gegen 17 Uhr am Freitag, gut anderthalb Stunden nachdem die Autobombe in Oslo explodiert war, erreicht ein Mann in Polizeiuniform mit einem kleinen Boot die Insel Utøya. Er trägt sichtbar zwei Waffen, was in Norwegen ungewöhnlich ist. Zunächst erklärt er, er sei zum Schutze der Jugendlichen gekommen, plötzlich beginnt er dann aber zu schießen. Mehrere Jugendliche rufen eine Notrufnummer an. Dort wird ihnen jedoch erklärt, sie sollten die Leitung nicht blockieren, falls ihr Anruf nicht mit dem Anschlag in Oslo zu tun habe. Um 17 Uhr 38 bricht endlich eine Sondereinheit der Polizei von Oslo nach Utøya auf. Die Einsatzleitung entscheidet, über Land zu fahren, da ein Hubschrauber offenbar nicht unmittelbar einsatzbereit ist. 17.52 Uhr: Ein Patrouille kommt zum Tyrifjord. Ein geeignetes Boot zur Überfahrt auf die kaum einen Kilometer entfernte Insel muss erst geordert werden. 18.09 Uhr: Die Antiterror-Einheit „Delta“ aus Oslo trifft am Fjordufer ein. 18.25 Uhr: Die Polizei erreicht die Insel. (Quelle: zdf.de – Chronologie eines Massakers)

Um 18.27 Uhr wird der 32-jährige Täter gestellt. Der Mann ergibt sich und wird festgenommen. Es handelt sich um Anders Behring Breivik, der später auch den Anschlag in Oslo gesteht. Er möchte als konservativer Christ gesehen werden und gibt sich als Tempelritter aus, der in einem 1.516 Seiten starken Pamphlet in wirren Thesen, das er rund eine Stunde vor dem ersten Attentat an zahlreiche Freunde gemailt hat, schreibt, er habe Europa retten wollen. „Die Zeit für Dialog ist vorbei. Wir haben dem Frieden eine Chance gegeben. Jetzt ist die Zeit für bewaffneten Widerstand gekommen“, schreibt Breivik unter englischem Pseudonym in seinem Manifest. „2083. Eine europäische Unabhängigkeitserklärung“ – hat er das Manuskript genannt. Er will Europa vor dem Islam und dem „Kulturmarxismus“ retten. Sein Kampf gilt dem Multikulturalismus, also den politischen Kräften und ihren Anhängern, die eine multikulturelle Gesellschaft propagieren.

Was für ein Mensch ist dieser Massenmörder, der fast 100 Menschen auf dem Gewissen hat? Ich kann nur mutmaßen, gehe aber davon aus, dass er an einem psychischen Defekt leidet. Er hat sich in einen Wahn hineingesteigert und lebt in einer anderen Wirklichkeit als die unsere. Sein ganzes Tun und Trachten der letzten neun Jahre, so lange hat er diese Anschläge vorbereitet, war auf diesen einen Tag ausgerichtet. Aber wir konnte es dazu kommen, dass er sich z.B. die Rolle eines Tempelritters zu eigen machte? Allein die Faszination für ein Computerrollenspiel wie „World of Warcroft“ kann es nicht sein. Stand er unter dem Einfluss rechtsgerichteter Zirkel?

Es ist noch nicht allzu lange her, da haben konservative Politikerkreise in Deutschland, die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland für gescheitert erklärt (siehe meinen Beitrag: Multikulturelle Gesellschaft und Leitkultur). Und ich erinnere an das Buch „Deutschland schafft sich ab“ eines Herrn Sarrazin, immerhin SPD-Mann. Hier wurde die Saat gesät, die jetzt in Norwegen ihre unheilvollen Früchte trägt. Anders Behring Breivik ist nur die Spitze eines Eisberges, einer Szene, „die in den Krisen und Kriegen dieser Welt den großen Endkampf der Religionen – die Schlacht von Armageddon – wiederzuerkennen glaubt; die den Islam als das Böse und jeden Muslim als Feind ansieht. Und die jeden Europäer, der für Toleranz und Offenheit zwischen den Religionen, den ethnischen Gruppen und gegenüber Zuwanderern eintritt, zum Verräter stempelt, der in der großen Schlacht sterben muss. Die Anhänger dieser Theorien lesen Bücher, in denen der Generalsekretär der Vereinten Nationen der Antichrist ist, spielen christliche Ballerspiele, trainieren ihre Kinder für den Kampf und vernetzen sich quer durch Europa und die USA.“ Das sind nicht meine Worte, so schreibt Elmar Theveßen im ZDF Kennzeichen Digital – das Blog.

Natürlich erklärt sich hiermit dieser Blutrausch in Norwegen nur zum Teil. Es muss wahrscheinlich dem Täter vor Jahren etwas innerlich zu tiefst verletzt haben. Zusammen aber entwickelte sich aus diesen Einflüsterungen, dem ‚Spiel’ mit Rollen und weiteren bisher unbekannten Komponenten, über die man heute nur spekulieren kann, dieser explosive Cocktail. Zuvor hatte sich der Täter im Internet in Szene gesetzt. Dem nicht genug, will er seine Motive nun vor dem Haftrichter darlegen. Dafür wünsche er Öffentlichkeit, um diesen Auftritt zu Propagandazwecken zu nutzen. Anders Behring Breivik äußerte außerdem den Wunsch, „in Uniform“ vor dem Richter erscheinen zu dürfen.

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 31

Löw plant nicht mehr mit Ballack

Es hat lange gedauert, bis es jetzt offiziell geworden ist: Ballack spielt in den Planungen des Fußball-Bundestrainers keine Rolle mehr. Warum das so lange ‚brauchte’, bis es endlich gesagt wurde, weiß wohl nur Herr Löw. Immerhin gibt es für Ballack ein „Abschiedspiel“ gegen Brasilien: Der 34-jährige Leverkusener darf am 10. August gegen Brasilien noch sein 99. Länderspiel absolvieren. Torsten Frings darf dann höchstens zuschauen.

Al Kaida verkündet neuen Chef

Keiner ist unersetzlich. Das Generalkommando des Terrornetzwerks Al Kaida hat einen Nachfolger für Osama bin Laden bestimmt. Der Ägypter Aiman al Sawahiri soll demnach als neuer Kopf der Terrorgruppe den „Heiligen Krieg“ fortführen. Eigentlich wachsen der Hydra doch zwei Köpfe nach?!

Stell‘ dir vor, es ist Kernschmelze und keiner geht hin…

„Die Atomkatastrophe in Fukushima hat die Welt verändert, in Deutschland den Atomausstieg beschleunigt. Aber was machen die Japaner selber? Sie machen weiter wie zuvor.“ „Über Atomausstieg wird nicht mal nachgedacht, die Medien sind zahm, die AKW-Betreiber pfuschen und vertuschen und die Politiker schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Der Alltag kehrt zurück und alles ist wie vorher.“ Wie gut, das diese Durchhalte-Mentalität der Japaner nicht auch das deutsche Wesen prägt.

Rating-Agenturen „brutal entmachten“

„Sie entwerten Staaten und bringen diese wie Griechenland fast zu Fall: die Rating-Agenturen. Ein Unding, sagt Wirtschaftsforscher Straubhaar. Der Ökonom fordert, diese [privaten] Firmen zu entmachten. Sie dürften sich nicht zu ‚Göttern in Nadelstreifen’ erheben.“

Standard & Poor’s hatte zuletzt griechische Anleihen um drei Bonitätsstufen auf den Ramschstatus „CCC“ gesenkt und damit weitere Pleite-Gerüchte provoziert. Von denen möchte ich meine Bonität nicht überprüfen lassen. Ja, das sträuben sich einem die Haare, Herr Straubhaar!

Mondfinsternis – so schön kann sie sein

Es war die längste Mondfinsternis seit mehr als zehn Jahren. In Deutschland versteckte sich der „Blutmond“ gestern Abend allerdings fast überall hinter den Wolken. Das war dann noch nicht einmal ein Blick in den Ofen. Andernorts hatten die Fans mehr Glück.

Von Anklagen und Freisprüchen

Ja, die spanische Gurke ist ohne Schuld. Aber ein glatter Freispruch wurde es nicht: Sie ist nur mit einem anderen EHEC-Keim belastet, ist also auch nicht ganz ungefährlich. Jetzt muss man sich tatsächlich wieder auf die Suche nach dem wahren Übeltäter machen. Wäre ja auch zu schön, wenn’s die spanische Gurke gewesen wäre. Dank dieser unberechtigten Panikmache dürfen deutsche Gurkenbauern ihre Ernten in den Müll feuern, weil kein Schwein mehr Gurken kauft. Vielleicht sucht man jetzt etwas effektiver nach dem Verursacher von EHEC?

Im Namen des Zweifels gab es für Herrn Kachelmann einen Freispruch: „in dubio pro reo“, im Zweifel für den Angeklagten. Aussage gegen Aussage und nur wenige Indizien. Dafür gab es einen Prozess, der wochenlang Futter für die Medien und den unstillbaren Hunger nach Sensationen für das Fußvolk lieferte. Im Mittelpunkt stand dann wohl auch noch ein karrieregeiler Staatsanwalt, dem eigene Profilierung manchmal wichtiger war als Rechtsprechung. Amerikanische (Rechts-)Verhältnisse nennt man das wohl auch.

Andersherum zeigte der Prozess wieder einmal, dass Gutachter (hier besonders der Verteidigung) quasi das Sagen haben. Ziel der Verteidigung war dabei die Glaubwürdigkeit des Opfers herabzusetzen. Beim Publikum ist das gelungen. Der Beifall der Zuschauer nach Verkündigung des Urteils, lediglich ein Freispruch wegen mangelnder Beweise, zeigt das deutlich. Ob dieser Beifall „des Volkes“ aber dem Rechtsstaat zuträglich ist, möchte ich bezweifeln. Siehe hierzu ein interessantes Interview auf diestandard.at

Neben diesen Freisprüchen gab es dann natürlich diese Woche auch noch einige neue Klagen bzw. Anklagen. Endlich hat man den „mutmaßlichen“ Massenmörder (Massaker von Srebrenica), den ehemaligen militärischen Führer der bosnischen Serben, Ratko Mladic, gefasst und in Den Haag ins Gefängnis eingeliefert. Bestraft ist der eigentlich jetzt schon: Wirre im Kopf (dement nach Schlaganfall und Herzinfarkt) und sichtlich hinfällig. Aber wirre im Kopf war er ja schon früher.

„Kernkraftbetreiber E.ON wird die Bundesregierung verklagen, weil die an der Brennelementesteuer festhält. Der Konzern sieht die Beibehaltung der Steuer trotz der Rücknahme der Laufzeitverlängerung als „unzumutbare Doppelbelastung“. Auch die Milliardenbelastung durch die endgültige Stilllegung der ältesten deutschen Atomreaktoren will der Konzern nicht widerspruchslos hinnehmen.“ (Quelle: zdf.de) Ja, meine Herren von E.ON und Co.: Die fetten Jahre sind vorbei. Also ist es Zeit, vor dem Atomaus noch einmal richtig Kasse zu machen. Und die jetzige Bundesregierung kommt der Atomindustrie auch noch einmal richtig entgegen. Der Atomausstieg entpuppt sich mehr und mehr als „Laufzeitgarantie für Atomkraftwerke“ (Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin).

Und dann wäre da noch der „Gaddafi des Fußballs“, Joseph Blatter. Mit ihm, dem Präsidenten der FIFA, herrscht das reine Chaos beim Weltfußballverband. Zwar gab es bisher nicht den angekündigten Enthüllungs-Tsunami rund um den Herrn Jack Warner, inzwischen suspendierter Vizepräsident der FIFA und Präsident der CONCACAF (Fußball-Verband für Nord- und Mittelamerika/Karibik). Der ruderte aus unerfindlichen Gründen mit seinen Vorwürfen und Klagen, Blatter hätte von Zahlungen an Bestechungsgelder im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-WM 2022 an Katar gewusst, zurück und stellt sich plötzlich wieder hinter Blatter. Und welche Rolle Mohamed Bin Hammam, der Präsident der Asiatischen Fußball-Konföderation, der eigentlich heute gegen Amtsinhaber Blatter antreten wollte, spielt, weiß wohl nur er selbst. Bereits vor der Suspendierung durch die Ethik-Kommission der FIFA hatte der Katerer seine Kandidatur zurückgezogen. Blatter ist nun der einzige Kandidat.

Das Ganze hat Züge einer Farce. Jetzt sind es eigentlich nur noch die Engländer, die sich bei der Vergabe der Fußball-WM 2018 (ging an Russland) übergangen fühlten und die eine Wahl von Sepp Blatter verhindern wollen. Man darf gespannt sein, wie das heute ‚verlaufen’ wird.

„Krise? Wir haben keine Krise, nur einige Schwierigkeiten. Und die lösen wir in der Familie!“ so Herr Blatter. Das klingt irgendwie nach Mafia, findet Ihr nicht auch?

Die kriminelle Arroganz der Macht

Dominique Strauss-Kahn, bis vor kurzem geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und bis dahin auch aussichtsreicher Kandidat für die französischen Präsidentschaftswahlen, sitzt so ziemlich in der Bredouille. Während einer privaten Reise wurde er am 14. Mai 2011 am John F. Kennedy International Airport in New York wegen versuchter Vergewaltigung, sexueller Belästigung (erzwungener Oralsex) und Freiheitsberaubung einer Angestellten des New Yorker Hotels Sofitel festgenommen und angeklagt.

Kaum geht der Fall Kachelmann in die letzte Runde, da beschäftigt ein weiterer Fall von Vergewaltigung – mutmaßlich durch einen Prominenten begangen – die Öffentlichkeit, die im Fall Strauss-Kahn bisher mit vielen Gerüchten und wenigen Fakten konfrontiert wurde. Selbst von Verschwörung war die Rede.

Inzwischen ist Strauss-Kahn zwar gegen Auflagen und Kaution auf freiem Fuß, aber er hat es vorgezogen, seinen Sessel als Direktor des IWFs zu räumen. In einem verbittertem Schreiben wandte er sich an seine früheren Mitarbeiter und wies darin den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung scharf zurück. „Die Wahrheit werde ans Licht kommen.“ Nur welche Wahrheit? Inzwischen sollen Medienberichten zufolge Sperma-Spuren an der Uniform des Zimmermädchens gefunden worden sein, die mit der DNA des Ex-IWF-Chefs übereinstimmen. Und er soll weiteren Hotelangestellten Avancen gemacht haben.

Eine gewisse weitere Brisanz bekommt der Fall durch die Tatsache, dass die Anklage durch den Staatsanwalt von New York, Cyrus Vance, geführt wird. Dieser ist Sohn des demokratischen Politikers Cyrus Roberts Vance, der von 1977 bis 1980 unter Präsident Jimmy Carter US-Außenminister war. Vance steht schon deshalb im Fokus, weil er sich mit dem Fall Strauss-Kahn landesweit und sogar international einen Namen machen kann. Zudem ist das Amt des Staatsanwaltes ein Wahlamt in dem USA.

Interessant zu wissen ist vielleicht, dass im Fall einer Verurteilung in allen Anklagepunkten Strauss-Kahn eine Gesamtstrafe von bis zu 74 Jahren Haft droht. Dass die Verteidiger mit allen Tricks und Kniffen arbeiten werden, gilt als sicher. Strauss-Kahns Anwalt Brafman handelte 1991 CNN zufolge für den gefürchteten Auftragskiller Salvatore „Sammy the Bull“ Gravano einen guten Deal aus: Sein Mandant gestand 19 Morde im Namen der Mafia. Im Gegenzug für seine Aussage musste er nur fünf Jahre hinter Gittern verbringen.

Strauss-Kahn wäre nicht der erste Politiker, der wegen eines Sexualdelikts verurteilt würde: Israels Ex-Präsident Katzav wurde u.a. wegen Vergewaltigung während seiner Amtszeit für schuldig gesprochen. Und die Sexeskapaden des Herrn Berlusconi, nach wie vor Ministerpräsident Italiens, sind hinreichend bekannt.

Manch mächtiger Mann scheint für sich besondere Rechte in Anspruch nehmen zu können. Ein Schuldbewusstsein kennen sie dabei nicht. Der Fall Guttenberg ist nur ein Beispiel. Auch er beteuerte bis zuletzt, „unschuldig“ zu sein – trotz klarer Beweislage.

Es wird Zeit, dass diese Herren (und Damen) langsam wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen. Auch sie haben sich an die Spielregeln zu halten, die für uns Otto Normalverbraucher gelten. Wer meint, z.B. in privaten Situationen über alles erhaben zu sein, wird auch in seinem politischen Handeln keine Scheu zeigen, ‚über Leichen’ zu gehen. Ohne Skrupel. Ähnlich den Herren Gaddhafi, Mubarak oder Assad. Diese kriminelle Arroganz der Macht ist beängstigend und tritt jede Rechtschaffenheit, die Grundlage unseres Staatsgefüges sein sollen, mit Füßen.

Wie gut, dass wir eine Frau Merkel haben, die wenig für sexuelle Gefälligkeiten anfällig sein dürfte.

Empörung und Melancholie

Der dänische Regisseur Lars von Trier gilt als einer der markantesten und umstrittensten europäischen Filmemacher der Gegenwart. Seine Werke sind düster und werfen einen äußerst pessimistischen Blick auf die menschliche Existenz. „Ich provoziere nicht nur die anderen, ich erkläre mir, meiner Erziehung, meinen Werten, auch ständig selbst den Krieg.“ (Quelle: zeit.de)

Auf den Filmfestspielen in Cannes stellte Lars von Trier jetzt seinen neuesten Film „Melancholia“, eine düstere Geschichte um Depressionen und die Apokalypse, vor. Während einer Pressekonferenz verhaspelte es sich förmlich und erzählte, dass seine Familie deutsche Wurzeln habe. „Ich bin ein Nazi“, schlussfolgerte er und fügte hinzu: „Ich verstehe Hitler. Ich glaube, dass er ein paar schlechte Dinge gemacht hat, klar, aber ich kann ihn mir in seinem Bunker vorstellen, am Ende.“ Außerdem möge er die Architektur von Albert Speer.

Die Empörung war natürlich groß. Die Festivalleitung des Filmfestes in Cannes erklärte Lars von Trier zur unerwünschten Person. Bereits am Abend nach dem Interview entschuldigte sich der Däne für seine Bemerkungen: „Wenn ich heute Morgen jemanden durch meine Worte verletzt habe, möchte ich mich aufrichtig entschuldigen. Ich bin weder antisemitisch, habe keine rassistischen Vorurteile, noch bin ich ein Nazi.“

Also Aufregung um nichts? „Weil Lars von Trier seit Jahren als Garant für jede Art von Provokationen gilt und gerade wegen seiner Rolle als Enfant terrible geschätzt und eingeladen wird. Wenn man sich schon wundern will, dann darüber, dass von Trier mittlerweile auch zur billigsten aller Provokationen greift, um Aufmerksamkeit zu heischen.“ (Quelle: zeit.de)

Die Frage ist, ob mehr hinter dieser geistigen Entgleisung von Lars von Trier steckt. Hitler, der Nationalsozialismus, das ganze Drumherum um diese menschverachtende Ideologie hat immer wieder Künstler veranlasst, nach dem Warum zu fragen. Vielleicht ist das ein Aspekt, der von Trier zu diesen unsinnigen Äußerungen veranlasst hat: Hitler im Bunker, am Ende! Lars von Trier ist kein Nazi. Die gegenteilige Bemerkung war scherzhaft gemeint, ging aber völlig in die Hose. Die Reaktion der Festivalleitung war ebenso unsinnig und überzogen – und zudem inkonsequent. Auch sein Film hätte dann aus dem Wettbewerb genommen werden müssen.

Was mich dabei beschäftigt, ist die Frage nach dem Umgang mit solchen Äußerungen. Im Falle von Triers ist sein Ausschluss bestimmt nicht die richtige Lösung, auch wenn er über alle Maßen die Geschmacksgrenzen überschritten hat. Im Grunde ist nicht nur von Triers Provokation billig – es ist auch die Aufregung darüber. Warum ist es eigentlich ein so Leichtes, immer wieder Empörung zu erzielen, wenn man mit dem Namen Hitler herausfordern möchte? Besteht nicht die Gefahr, in aller Erregung am Ende verlogen, zumindest überzogen oder gar albern zu wirken? Jede Überempfindlichkeit ist wenig dienlich. Und Ausgrenzung bestärkt nur den Ausgegrenzten in seinen gedanklichen Vorstellungen. Neo-Nazis berufen sich immer wieder darauf, ausgegrenzt zu sein und leiten daraus ein besonderes Recht (eine Art Märtyrertum) für sich ab. Wenn, dann müssen wir uns der Provokation stellen, sie als das entlarven, was sie ist und verdeutlichen, das es zu diesem besonderen Recht keine Veranlassung gibt, im Gegenteil: das einige ganz gezielt Profite erzielen wollen, indem sie ihre Gesinnungsgenossen schamlos abzocken.

Lars von Trier ist ein Misanthrop, aber er ist kein Nazi. Er ist ein außergewöhnlicher Künstler, der gern provoziert. Jetzt ist Cannes hat er sich ziemlich vergaloppiert und damit seine Karriere aufs Spiel gesetzt. Immerhin ist sein Film „Melancholia“ im Wettbewerb von Cannes 2011 geblieben und hat Kirsten Dunst den Preis als beste Hauptdarstellerin eingebracht.

Siehe auch spiegel.de: Was bleibt, ist Melancholie

Blendender Süden

Die Sonne steht mittags am höchsten – im Süden. Blendende Sonne. Blendender Süden könnte man gleichwohl sagen. Und blendende Menschen, die in Deutschlands Süden wohnen. Bekannt sind unsere Südländ(l)er nicht nur dafür, dass sie alles können (außer Hochdeutsch – das gilt nicht nur für unsere Mitbürger in Baden-Württemberg, das gilt gleichermaßen für die Bayern), nein, sie begreifen alles besser und das früh, wie die bisherigen PISA-Studien im nationalen Vergleich zeigen. Woher mag das kommen?

Sind Bayern, die Badener (oder sagt man doch Badenser?) und Württemberger etwa so viel schlauer als die Menschen nördlich des Mains (Weißwurstäquators)? Ich vermute, nein! Die können nur besser ‚abschreiben’. Nach dem Freiherrn zu Guttenberg hat es nun Veronica Saß, die Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU), erwischt: auch sie muss auf ihren Doktortitel verzichten. Am Dienstagnachmittag hat die Universität Konstanz ihr diesen akademischen Grad entzogen. Okay, auch in etwas nördlicheren Gefilden wird geschummelt: Ex-FDP-Hoffnung Silvana Koch-Mehrin wurde zu einer Stellungnahme von der Universität Heidelberg aufgefordert. Ihre Doktorarbeit enthalte offensichtlich zuviel nicht kenntlich gemachtes „Fremddenken“. Übrigens, Heidelberg mit seiner Uni liegt wiederum weiter südlich.

Ich will hier keine alte Soße aufwärmen (Plagiat-Thema). Was mich zu diesem Beitrag verleitet hat, sind persönliche Erfahrungen. Mein Arbeitgeber unterhält neben dem Standort in Hamburg auch einen in München. Bisher hatte jeder sein eigenes Süppchen gekocht. Nun müssen wir vermehrt zusammenarbeiten. Auch unsere Abteilung. Wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt, ist das okay. Aber die Münchner Kollegen haben das Geschick, uns jetzt auch ihren Kram aufzuhalsen. Und schmücken sich nach außen gern mit fremden (unseren) Federn.

Ja, der blendende Süden. Und seine uns blendenden Menschen.

Realitätsverlust

Es ist schon so etwas, wenn alte, verknöcherte Herren meinen, alles bestimmen zu müssen. Das gilt für Familien, das gilt für die Politik – und das gilt auch für Sportverbände wie die FIFA. Hier ‚regiert’ Herr Blatter seit 13 Jahren und möchte demnächst wiedergewählt werden.

Herr Joseph S. Blatter ist ‚von Haus aus’ umstritten. Gerüchte über Fälle von Korruption vor seiner jeweiligen Wiederwahl 1998 und 2002 waren im Umlauf. Jetzt hagelt es Kritik an Blatters Birma-Reise: „FIFA-Präsident Joseph S. Blatter muss sich mit Kritik seitens des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung auseinandersetzen. Markus Löning empfand die Reise des Schweizers Blatter vor wenigen Wochen nach Birma unpassend. ‚Dialog ist gut, es muss aber zweifelsfrei sein, dass es um die Birmesen geht und nicht um die Wiederwahl von Herrn Blatter’, sagte Löning dem Nachrichtenmagazin Focus. Sylvia Schenk, Vorstandsmitglied der Antikorruptionsorganisation Transparency International, schloss sich der Ansicht Lönings an.“

Und die Vergabe der Fußball-WM 2018 nach Russland und 2022 an den Wüstenstaat Katar – beides wurde von Herrn Blatter lanciert – sorgte nicht gerade für all zu große Begeisterung in der Fußballwelt. Besonders Katar 2022 geriet in die Kritik wegen des subtropischen und heißen Klimas im Sommer dort. Die Luftfeuchtigkeit liegt dann bei 85 %, Temperaturen von 45 °C sind keine Seltenheit. Die Anregung, diese WM im Winter stattfinden zu lassen, wurde zunächst von Sepp Blatter abgelehnt. So meinte er zur Hitze-WM in Katar: „Wer weiß, wie in zehn Jahren das Klima ist“. Inzwischen ist aber wohl eingelenkt.

Sepp Blatter ist inzwischen 75 Jahre alt. Ich denke, dass es da Zeit wird, abzudanken. Es ist schon erschreckend, wie sehr alte Herren aus Führungspositionen heraus über alle Belange des Sports meinen bestimmen zu müssen. Geltungsbedürfnis, Machtgier und zunehmend Starrsinn bis hin zum Realitätsverlust prägen die Entscheidungen solcher ‚alter Männer’. Herr Blatter, wollen Sie als Gaddafi des Fußballs in die Geschichte eingehen?!

Kamikaze Mappus

Es war schon überraschend, wie bei den Politikern der Union und der FDP eine kollektive Nachdenklichkeit ausgebrochen ist und sie plötzlich Skrupel zeigen, was die Energiegewinnung aus Atomkraft betrifft. So plötzlich von heute auf morgen, als wären sie in Japan dabei gewesen. Und besonders die Hardliner a la Mappus, die bisher bedenkenlos (gedankenlos?) Atomkraft befürwortet haben, begeben sich in innere Klausur: „Merkel sagte, durch die Störfälle in japanischen Atomkraftwerken habe sich die Realität verändert. ‚Ein kluger Ministerpräsident wie Stefan Mappus reagiert darauf’, sagte sie. Wer nicht zur Kenntnis nehme, was passiert sei und sich keine Gedanken darüber mache, sei ein Ignorant. Auch hätten die Ereignisse Mappus und Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) ‚einander energiepolitisch näher gebracht’. In der Debatte um die Laufzeitverlängerungen im vergangen Jahr hatte Mappus den Rücktritt Röttgens gefordert, weil ihm dessen Pläne für eine Laufzeitverlängerung nicht weit genug gingen. In dieser Woche sprach Mappus sich dann für die schnelle und dauerhafte Stilllegung des Atommeilers Neckarwestheim I aus.“ (Quelle: zdf.de)

Aber was hören wir da auf einmal? Was meinte Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle im Kreise der Atom-Lobby? „Am Tag, als die Bundesregierung ihren atemberaubenden Atomschwenk verkündete, saß Brüderle mit Kernkraftbossen beim Lobbyverband BDI und lüftete offenbar in trauter Runde den Schleier der Politik. ‚Der Minister… wies … darauf hin, dass angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen Druck auf der Politik laste und die Entscheidungen daher nicht immer rational seien.’ So zitiert die ‚Süddeutsche Zeitung’ aus dem Sitzungsprotokoll des BDI..“ (Quelle: zdf.de)

Auf gut Deutsch: „Das Atom-Moratorium ist offenbar nur unter dem Druck der Landtagswahlen entstanden.“ (Quelle: zdf.de) Gewissenbisse aus wahltaktischem Kalkül? Von einer größtmöglichen Wählerverachtung will ich gar nicht sprechen (das machen andere viel besser). Ich kann nur auffordern, den Lügenbaronen und Machtbesessenen morgen am Sonntag eine Abfuhr zu erteilen. Schickt Mappus und Co. in die Wüste. Wir haben alle genug von solchen Kamikaze-Politikern, wie sie uns in Berlin meinen regieren zu können.

Natur und Hightech: Japan nach Erdbeben und Tsunami

Japan lebt mit der Erdbebengefahr. Was das Land aber jetzt durchmacht, ist die schwerste Katastrophe seit dem 2. Weltkrieg. Zuerst zerstörte ein schweres Erdbeben das Land, kurz darauf rollte eine durch dieses Erdbeben ausgelöste Flutwelle über die Ostküsten des Landes. Die Anzahl der Todesopfer ist nicht absehbar. Viele tausend Menschen werden noch vermisst. Die Zerstörung ist gewaltig. Weitere Nachbeben erschüttern das Land.

Video bei zdf.de: Verstörendes aus einem zerstörten Land
Bilderserie bei zdf.de: Nach dem Tsunami: Spuren der Verwüstung
Japan – vor und nach der Welle: Satellitenbilder
Augenzeugenberichte aus Japan u.a. via YouTube: Citizentube

Japan ist ein Hightech-Land und hat viel Know-how eingesetzt, um Häuser, Straßen und besonders Atomkraftwerke (AKW) erdbebensicher zu bauen. Jetzt zeigt sich, dass auch die Japaner gegen solch verheerende Naturgewalten nicht gewappnet waren. „Das Erdbeben der Stärke 9,0 am Freitag im Nordosten Japans hat in sechs Atomkraftwerken große Probleme vor allem mit der Kühlung ausgelöst, die entscheidend für die Vorbeugung gegen eine Kernschmelze ist.“ Besonders das AKW Fukushima, in dem sich bisher zwei größere Explosionen ereigneten, ist betroffen. „In Tokio und anderen japanischen Städten wurde am Montag für drei Stunden der Strom abgeschaltet. Damit sollen Verluste ausgeglichen werden, weil die Atomstromproduktion momentan nur eingeschränkt läuft. 1,9 Millionen Haushalte waren von den Blackouts betroffen. Viele Menschen mussten auch auf eine andere Grundversorgung verzichten: Mindestens 1,4 Millionen Haushalte hatten kein Wasser.“ (Quelle: zdf.de)

Bisher ist nicht absehbar, wie dieser Alptraum endet. Mit dem Schlimmsten, den Super-GAU, muss weiterhin gerechnet werden. Natürlich ist damit die Atomdebatte auch in Deutschland wieder entfacht. Eine Rückkehr zur Tagesordnung ist nach den Ereignissen in Japan kaum möglich. Wenn Frau Merkel jetzt die Atommeiler in Deutschland überprüfen lassen will, dann ist das nur Augenwischerei, eine Überprüfung soll vor dem Hintergrund der vielen Landtagswahlen in diesem Jahr Handlungsfähigkeit signalisieren. Ansonsten hält sie weiter an der Kernenergie fest. Es stellt sich die Frage, warum jetzt eine Überprüfung erfolgen soll und diese nicht schon vor der Verlängerung der Laufzeiten erfolgte.

Die deutsche Anlagen sind für einen derartigen Notfall wie in Japan ebenso wenig ausgelegt, denn auch in den 17 deutschen Atomkraftwerken sei der Ausfall der Kühlung möglich. Im hessischen Biblis habe am 8. Februar 2004 die Kernschmelze gedroht. Außerdem bleibt die Frage der Endlagerung von Atommüll weiterhin ungeklärt.

Lothar Hahn, Physiker und früherer Geschäftsführer der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit sagt: „Es war ein Fehler, den Atomkonsens aufzukündigen. Damals wurden Nachrüstungs-Maßnahmen gerade bei älteren Reaktoren unterlassen, weil diese noch kurze Restlaufzeiten hatten. Das schien vertretbar. Jetzt, bei acht oder 14 Jahren längerer Laufzeit, ist es das nicht mehr. Ich empfehle dringend: Die Regierung sollte die Verlängerung zurücknehmen.“ (Quelle: blog.zdf.de)

Atomkraft bleibt unbeherrschbar. Die Risiken sind einfach zu hoch. Deshalb müssen die Laufzeitverlängerungen deutscher AKW rückgängig gemacht werden. So fürchterlich die Katastrophe in Japan ist, so muss sie bei uns zu Konsequenzen und zu einem Umdenken der verantwortlichen Politik führen. Ansonsten hat der Wähler das Wort.

siehe auch meine Beiträge: Merkel und die AtomlobbyZiviler Ungehorsam

Nachtrag: siehe ard.de – Kommentar: Merkels hilfloses Wahlkampfmanöver zum Moratorium der Bundeskanzlerin

Nachschlag zum Ex-Ex

„Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen!“ heißt es im Sprichwort. Ex-Verteidigungsminister Ex-Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg sorgte zuletzt für reichlich Spott. Seinen Rücktritt werden manche Kabarettisten bedauern, denn da verlässt eine lichte Glamourgestalt die politische Bühne, die immer wieder Anschauungsmaterial für Satire und Parodie bot, um „durch den Kakao“ gezogen zu werden. Aber es bleiben ja noch Politiker genug, die Merkels, Westerwelles und Seehofers. Den Satirikern und Karikaturisten wird der Stoff schon nicht ausgehen.

Eine Arbeitskollegin machte mich auf folgendes Video aufmerksam, in dem Volker Pispers, ein bekannter Kabarettist, unseren fränkischen Lügenbaron noch einmal voll ‚aufs Korn’ nimmt und alles gekonnt auf ‚den Punkt bringt’. Viel mehr ist zu diesem Ex-Ex nicht zu sagen:


Volker Pispers: Guttenberg

Der tiefe Graben im Meinungsbild

Karl-Theodor zu Guttenberg hat Recht: Es gibt Wichtigeres als die Diskussion um seine Person. Aber die hat jetzt ja ein Ende: Guttenberg nimmt seinen Hut! Das hat zwar etwas gedauert; Herr Gutenberg nennt in seiner Rücktrittserklärung hierfür akzeptable Gründe. Dass er freiwillig geht – dafür zolle ich ihm meinen Respekt.

Freiwillig? Ginge es nach Volkes Meinung, dann wäre Guttenberg auch heute noch Verteidigungsminister mit guten Aussichten, Frau Merkel eines Tages abzulösen. Von einer „medialen Hetzjagd“ ist die Rede – und: „Die Medien sollten sich wieder mehr an der öffentlichen mehrheitlichen Mehrheit orientieren.“ (User „shegerer“ im heute.de-Blog „Kennzeichen digital“) Guttenbergs Plagiat stellt sich für viele als Bagatelle dar: „… wie Abschreiben in der Schule, das hat doch jeder einmal getan!“. Daher ist es für viele auch nicht nachvollziehbar, dass Guttenberg wegen eines vermeintlichen Kavaliersdeliktes seinen Rücktritt erklärt.

Was die Ausrichtung der Medien an der ‚mehrheitlichen’ Mehrheit betrifft, da sollte uns die BILD-Zeitung genügen. Und es soll tatsächlich vorkommen, dass einige Schüler auch ‚ohne Abschreiben’ zu guten Noten kommen. Das Plagiat Guttenbergs ist keine Jugendsünde, die wäre sicherlich verzeihlich. Es ist Täuschung und Lüge. Wenn ein Mann wie Guttenberg wohlfeile Reden hält, in denen er hohe Ansprüche an sich und andere stellt, dann strahlt eine solche Verfehlung ein Licht aus, das dunkle Schatten wirft.

Die Plagiataffäre ist für mich nur die Spitze eines Eisbergs weiterer Affären. Es ist der bisherige Zick-Zack-Kurs des Herrn Guttenberg, der ihn dieses sagen lässt, um anderes dann zu tun (Stichworte: Opel, Kundus, Wehrpflicht). Sein sorgsam aufgebautes Macher-Image deckt sich nicht mit seinen Taten.

Was mich erschreckt, ist der tiefe Graben, der sich durchs deutsche Meinungsbild in Sachen Guttenberg zieht. Volkes Meinung ist geprägt vom Schein. Das spricht für eine erfolgreiche Imagepflege. Herr Guttenberg gibt sich eloquent, wohl gekleidet und volksnah. Ein Mann von Adel. Und ein Macher eben. Aber wie sieht die Wirklichkeit aus? An diesem so makellos scheinenden Lack kratzte nun eine ganze Webgemeinde. Ohne Internet, so die Experten, wäre sein Rücktritt wohl nicht denkbar. Besonders der Aufruf von 23.000 Doktoranden gegen Guttenberg dürfte ihm den letzten Rest gegeben haben. Natürlich sollten solche Aktionen (besonders wie die gemeinschaftliche Dokumentation der Guttenberg-Plagiate auf dem GuttenPlag Wiki) nicht zum Tagesgeschäft werden (Oder doch?). Ist Guttenberg also freiwillig gegangen? Wohl nicht ganz.

Wird sich Guttenberg nun völlig aus der Politik zurückziehen oder hofft er auf eine zweite Chance? Entsteigt er als geläuterter Sünder wie Phoenix eines Tages aus der Asche hervor? Es deutet einiges daraufhin, dass er in seiner Rücktrittsrede bereits den Grundstock für ein Comeback gelegt hat.

Auch wenn er sich bisher redegewandt und volksnah gab, so wenig interessierte ihn – nach meiner Meinung – das Volk selbst. Es war lediglich Selbstzweck. Ihn interessierten nur die Wählerstimmen, um an die Macht zu kommen. Wie volksnah er wirklich war, beweist das Beispiel Opel: Zunächst wollte Guttenberg Opel den Märkten überlassen, staatliche Hilfen lehnte er ab. Die Arbeitnehmer interessierten ihn dabei wenig. Erst, als es opportun erschien, änderte er die Richtung.