Kategorie-Archiv: Machtgier

Frustrierendes aus Politik und Wirtschaft

Köhler geht

Die Äußerungen des Bundespräsidenten, Horst Köhler, zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr waren mehr aus umstritten. Sein Hinweis auch auf die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands (… „im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege.“) sorgten für Empörung, obwohl ich denke, dass dieser Hinweis durchaus berechtigt ist, wenn Köhler es auch anders gemeint hat. Hinter dem Einsatz der Bundeswehr stehen nicht nur hehre Ziele.

Gestern nun erklärte Horst Köhler mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt von dem Amt des Bundespräsidenten – für alle überraschend. Als Grund nennt er den fehlenden Respekt der Kritiker vor seinem Amt.

Horst Köhler war in seinem Amt darauf bedacht, ein Bundespräsident für alle Bürger zu sein. Er war sicherlich nicht ein Mann der großen Worte (wie z.B. Richard von Weizsäcker), aber seine klare Kritik an der Finanzwelt ließ auch mich aufhorchen. Daher überraschten mich Köhlers Äußerung bezüglich des Einsatzes der Bundeswehr zur Sicherung wirtschaftlicher Interessen doch sehr. Die Kritik daran war aufgrund der Brisanz des Themas durchaus angemessen.

Daher kann ich wie viele andere den Rücktritt nicht so ganz nachvollziehen. So wird auch vermutet, dass ein weiterer Grund dazu führte, dass sich Köhler zum Rücktritt entschloss: Die mangelnde Unterstützung derer, die ihn gewählt hatten, bei der aufflammenden Kritik an seinen Äußerungen. Wie auch immer: Köhler hätte sich der Kritik stellen müssen.

Nun muss innerhalb von 30 Tagen ein neuer Bundespräsident gewählt werden. Und das Gerangele um den Nachfolger ist so im vollen Gange. Immerhin ist die Frage, wer die Mehrheit in der Bundesversammlung hat, geklärt: Schwarz-Gelb kann einen Kandidaten benennen, der die Nachfolge Köhlers antreten wird.

Viele sehen im Rücktritt Köhlers ein weiteres Zeichen (nach dem Rücktritt Roland Kochs) für der Verfall der schwarz-gelben Koalition. Auch ich denke, dass Merkel, Westerwelle und Co. in der kurzen Zeit ihrer Regierung ‚abgewirtschaftet’ haben und weitaus zerstrittener sind als die große Koalition zuvor. Aber Totgesagte leben bekanntlich lange. Und so fürchte ich, dass uns die schwarz-gelbe Regierung noch länger erhalten bleibt, als es uns lieb ist.

Richtigstellung: Erweiterungsbau Rathaus Tostedt

Nachdem viele Bürger in Tostedt Sturm laufen gegen den geplanten Abriss eines Anbaus an dem historische Rathaus und deren Neubau in Tostedt (mein Beitrag: Rathaus Tostedt: Abriss auf unsere Kosten), sah sich die Rathausverwaltung genötigt, eine „Richtigstellung“ hierzu zu veröffentlichen, die als Postwurfsendung in Form eines Flyers an sämtliche Haushalte der Samtgemeinde Tostedt verteilt wurde.

Ich gebe zu, dass mir die Argumente der Neubaugegner sehr ‚einseitig’ formuliert erschienen und sicherlich zu Irritationen führen konnten; man wollte es auf den Punkt bringen (z.B. „Abriss auf Ihre Kosten – Mit 500 € sind Sie dabei“).

Die Gegenargumente nun sind in vielen Punkten allein zeitlich unpräzise oder unrealistisch. So soll die beschlossene Obergrenze von knapp 3,8 Millionen € für den Erweiterungsbau eingehalten werden. Aber was, wenn es am Ende doch teurer wird? Auch argumentiert man mit zu vielen Formulierungen wie „sollen … werden“ und „kann …“. Was aber „wird“?

Inzwischen gibt es natürlich auf der Website der Gegner eine Erwiderung auf das Flugblatt der Samtgemeinde.

Wie auch immer: Inzwischen sind rund 4200 Unterschriften fürs Bürgerbegehren gesammelt worden und es werden wohl noch mehr; d.h. es wird zu diesem Bürgerbegehren kommen, wenn nicht der Gesamtgemeinderat seinen Beschluss vom 09.03.2010 zurücknimmt, womit aus heutiger Sicht nicht zu rechnen ist. Fortsetzung folgt …

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 23

Ölpest an der US-Küste –Versagen BP und US-Regierung?

Keine Lösung für die Ölpest in Sicht, aber viele Drohungen in der Luft: US-Innenminister Salazar will BP „Im Nacken sitzen, bis der Job erledigt ist“. Der Kongress will die Ölsteuer vervierfachen. Doch der Chef der Küstenwache gesteht, dass sie auf BP angewiesen sind.

Endlich räumt BP die „katastrophale“ Ölpest ein. „Wütend und frustriert“ ist der amerikanische Innenminister über die Lage im Golf: Er droht dem Energiekonzern BP, ihm die Federführung im Kampf gegen die Ölpest zu entziehen. Medien berichten, dass BP wissentlich Sicherheitsrisiken in Kauf nahm.

Tschechen entzaubern die „Rote Maschine“

Tschechien ist zum zwölften Mal Eishockey-Weltmeister. Das Team um Jaromir Jagr besiegte im Finale in Köln Titelverteidiger Russland mit 2:1 (1:0, 1:0, 0:1). Die Tschechen beendeten eine bemerkenswerte Serie der Russen bei Weltmeisterschaften. Die deutsche Mannschaft wurde zwar ‚nur’ Vierter, überzeugte aber durch eine kämpferische Leistung bis zuletzt.

FC Bayern geschlagen – Inter Mailand feiert

Zum Triple hat es bei den Bayern nicht gereicht. Inter Mailand hat die Champions League 2010 gewonnen. Im Finale im Estadio Santiago Bernabeu von Madrid besiegten die Italiener den FC Bayern München verdient mit 2:0 (1:0). Beide Tore erzielte Milito.

Geheimniskrämerei: Löw entscheidet und schweigt

Bundestrainer bestimmt Torwart und Kapitän – Wackelkandidaten kämpfen für die Teilnahme: Joachim Löw weiß schon, wer bei der WM im deutschen Tor steht. Er weiß auch, wer an Stelle des verletzten Michael Ballack Kapitän der DFB-Elf sein wird. Er verrät es aber nicht – nicht vor Donnerstag.

Keine kalten Füße mehr …

Der geplante Abriss eines Anbaus an das historische Rathaus und deren Neubau in #Tostedt hat nicht nur einen Sturm der Entpörung bei den Bürgern entfacht (siehe meinen Beitrag: Rathaus Tostedt: Abriss auf unsere Kosten), auch die Medien sind auf diese Provinzposse aufmerksam geworden, allem voran das Fernsehen. So berichtete nicht nur der NDR auf N3 am 12.05.2010 in der Sendung „Menschen und Schlagzeilen“ von der geplanten Verschwendung von Steuermitteln, auch das ZDF sendete in der „Drehscheibe“ am gleichen Tag einen entsprechenden Beitrag:


Bürgerprotest gegen Rathausneubau in Tostedt (1 – Beitrag ZDF)


Bürgerprotest gegen Rathausneubau in Tostedt (2 – Beitrag NDR)

Ein Grund für den Neubau ist der Einbau eines „Blockheizkraftwerkes“, damit die Mitarbeiter im Winter keine kalten Füße bekommen. Es fragt sich aber, ob vielleicht der Bürgermeister der Samtgemeinde Tostedt, Herr Dirk Bostelmann, angesichts des Bürgerprotestes jetzt nicht ‚kalte Füße’ bekommt und einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses auf Rathausneubau stellt. Warten wir es ab …

Sollte Interesse an den beiden Videos bestehen, so kann ich diese gern zum Download im Netz bereitstellen (es handelt sich dabei um Videos im DIVX-Format, beide sind jeweils gut 23 MB groß). Bitte um Nachricht!

Bad Case Management

Die Banken haben es vorgemacht: Nach der Finanzkrise übernahmen so genannte Bad Banks (engl. für schlechte Bank) u.a. Zertifikate von in Zahlungsschwierigkeiten geratene Emittenten (Herausgeber von Wertpapieren) bzw. wickelten so genannte notleidende Kredite sanierungsbedürftiger Banken ab.

Was Banken können, kann ein Unternehmen, das für einen öffentlichen Auftraggeber wie eine Behörde arbeitet, natürlich auch. Diese ‚Dienststelle’ bekommt Anfragen, die durch die Mitarbeiter dieser Dienststelle beantwortet werden. Das können u.a. auch Rechtsauskünfte sein. Nun ist hier ein Rückstand von ca. 3000 Anfragen entstanden. Also 3000 Anfragen wurden bisher nicht beantwortet. Aber selbst die Frage, ob es sich dabei tatsächlich um Anfragen handelt und nicht evtl. um rücklaufende Post, ist noch nicht eindeutig geklärt.

Wie kann so etwas kommen? Diese Dienststelle bedient sich eines Workflow Managements. Die angesprochenen Anfragen (oder was auch immer) sind hierzu gescannt und auf Rechner abgelegt, sie sind also digitalisiert worden. Allerdings funktioniert diese Software für den Workflow nicht richtig, oder?

Was kann man also tun, um diese Rückstände aufzuarbeiten? Erst einmal, so denke ich, sollte man wirklich versuchen zu identifizieren, um was für eine Post es sich dabei handelt. Aber nein, so schnell schießen die Preußen nicht (ach nein, es sind ja Bayern, die Dienststelle befindet sich in München). Da die ganze Dienststelle sowieso organisatorisch auf den Kopf gestellt werden soll (Stichwort: Umstrukturierung) und dabei peu a peu mit der Schwester in Hamburg (da arbeite ich) zusammengeführt werden soll, und gerade die Finanzkrise mit dem Begriff Bad Bank das Stichwort lieferte, kommt man ‚am grünen Tisch’ auf die Idee, Ähnliches zu kreieren: Bad Case Management!

So lautet der am ‚grünen Tisch’ beschlossene, den der Weisheit letzten Schluss betreffende Beschluss:

Die Fall-Rückstände der bisherigen Organisationseinheit Abt. X werden nicht in die neue Struktur und Prozessorganisation übernommen. Durch diese (radikale) Maßnahme können die Mitarbeiter in der neuen Organisationseinheit XYZ unbelastet in die Umstrukturierung starten und zukünftig die zeitgemäße Abarbeitung der Fälle gemäß den neuen Zielvorgaben erledigen.
Die Rückstände werden entweder an 1-2 Mitarbeiter ausgelagert (Stichwort: „Bad Case Management“) oder es wird durch einen radikalen Schnitt die aktive Bearbeitung der Fälle endgültig beenden. Alternativ können die Fälle kategorisiert und gemäß einer noch zu definierenden Zeitspanne und Menge in die neue Bearbeitung miteinfließen. Einen endgültigen Vorschlag hierzu wird das Projektteam Anfang des 4. Quartals vorlegen.

Das klingt doch richtig toll – und so fachmännisch, oder? Insgesamt enthält dieser Beschluss (der nichts beschließt) drei Lösungsansätze:

1. Bad Case Management (Auslagerung und Bearbeitung durch 1-2 zusätzliche Mitarbeiter)
2. die 3000 Fälle einfach ignorieren
3. alles beim Alten lassen (den Rückstand zusätzlich kategorisieren lassen, um zu sehen, um was es sich dabei handelt – endlich)

Ich weiß nicht, wie andere Unternehmen in solchen Fällen reagieren. Ich musste nur herzhaft lachen, als ich diesen im Grunde nur aufgeblasenen Unfug gelesen habe. Ich bin gespannt, für welche Lösung man sich entscheiden wird – übrigens besteht der Rückstand schon seit einigen Jahren!

Rathaus Tostedt: Abriss auf unsere Kosten

Die Verwaltung der Samtgemeinde #Tostedt plant den Abriss eines Anbaus an das historische Rathaus und deren Neubau in Tostedt. Dieser Anbau (Springerbau) wurde erst 1984 erstellt und soll nun durch einen 3,8 Millionen € teuren Neubau ersetzt werden. Und das angesichts leerer Kassen. Noch im September 2009 sprach sich der Samtgemeinderat gegen einen Abriss und einen Rathausneubau aus. Jetzt fand sich eine Mehrheit für den Rathausneubau.

Springerbau – Rathaus Tostedt

Gegen diesen Beschluss hat sich nun eine parteienübergreifende Initiative gegründet, die durch einen Bürgerentscheid die Geldverschwendung verhindern will. Bereits vor drei Jahren fand in der Gemeinde Tostedt ein erster Bürgerentscheid [1] [2] [3] statt.

Für morgen, Dienstag, den 11.05.2010, 19 Uhr 30, sind die Bürgerinnen und Bürger zu einer Informationsveranstaltung im Meierhof, Tostedt, geladen. Evtl. kommt ein Fernsehteam vom NDR.

Um einen Bürgerentscheid herbeizurufen, sind 2000 Bürger-Unterschriften notwendig. Die Unterschriftenlisten (ca. 350 Exemplare sind gedruckt, 200 Exemplare sind davon bereits im Umlauf) wurden bei folgenden Stellen hinterlegt:

Buch und Lesen
Modehaus Wilkens
Steuerbüro Schulz- und Bojarski
Eisdiele Carmellini
Reisebüro Becker
Buchhandlung Matthies,
Friesecke beide Läden
Bosch Kröger
Sonnenstudio Himmelsweg
Freie Evangelische Christengemeinde, Brookring
Autohaus Soujon
Hotel Meierhof
Bäcker Weiß Todtglüsingen

Wer selbst Unterschriften sammelt, kann die ausgefüllten Unterschriftenblätter bei folgenden Sammelstellen abgeben:

Buch und Lesen Barbara Wilkens.
Buchhandlung Matthies Himmelsweg
Friesecke in der Bahnhofstr. und Unter den Linden

Weitere Sammelstellen in den Dörfern und in Tostedt werden sicher noch folgen.

Sollte sich herausstellen, dass in kurzer Zeit die erforderliche Stimmenmenge von 2000 erreicht wird, dann würde es sich anbieten, dass die Vertreter im der SG-Rat einen Antrag auf Aufhebung des Beschlusses auf Rathausneubau stellen. Das würde viele Kosten sparen und die Blamage lindern.

Zu fragen ist auch, warum die Verwaltung den Auftrag zum Neubau des Rathauses weiter verfolgt hat, wenn es doch im September einen ablehnen Beschluss gab.

Bis nichts mehr bleibt

Um sein Selbstbewusstsein und seine Durchsetzungskraft zu verbessern, besucht der Architekturstudent Frank Kurse der Scientologen. Er nimmt seine Frau Gine mit, die nach anfänglicher Skepsis bald ihre ganze Kraft und ihr Geld für die Sekte einsetzt. Das bleibt nicht ohne Folgen für Töchterlein Sarah. Daher sucht Frank Abstand zur Gemeinschaft, wird aber psychisch unter Druck gesetzt. Auch von Gine, die nicht bereit ist, sich von der Sekte zu trennen. Schließlich kämpft Frank vor Gericht um das Sorgerecht für die kleine Sarah.

Gestern lief in der ARD der Fernsehfilm „Bis nichts mehr bleibt“ (in der ARDMediathek ab 20 Uhr im Netz aufrufbar). Der Film erzählt, mit welch raffinierten Methoden es der Organisation Scientology immer wieder gelingt, Menschen von sich abhängig zu machen.

Im Anschluss gab es eine Diskussion in der Sendung Hart aber fair zum Thema „Sekten, Gurus und Gehirnwäsche“: Ein Glauben, der scheinbar alles erklärt, eine Welt, die keine Fragen mehr zulässt – Sekten oder Organisationen wie Scientology haben eine unheimliche Anziehungskraft. Warum suchen Menschen Halt bei solchen modernen Seelenfängern? Wie gefährlich sind deren Methoden?

Immer wieder macht die von L. Ron Hubbard gegründete Sekte Scientology in Deutschland Schlagzeilen. Sie selbst versteht sich als Kirche mit Alleingültigkeitsanspruch.

Scientologys Praktiken werden als Manipulationstechniken betrachtet. Rekrutierungsbestrebungen von Scientology, so ein Vorwurf, konzentrieren sich zum Teil ganz bewusst auf Menschen, die eine Krisensituation in ihrem Leben erreicht haben und deswegen besonders anfällig für Rekrutierungsbemühungen sind.

Ziel des Scientology ist es mittels körperlicher und geistiger Reinigungs- und Bearbeitungsprozesse den Clear-Status erreichen. In diesem anzustrebenden Zustand, der durch das Durchlaufen eines detailliert beschriebenen Programms zu erzielen sei, soll die Person von ihrem „reaktiven Verstand“ befreit werden, der sie zuvor dazu gezwungen habe, auf der Grundlage traumatischer Erfahrungen zu handeln. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass diese Programme, die zur einer körperlichen und geistigen Reinigung führen sollen, viel Geld kosten, sodass sich viele der Anhänger finanziell ruinieren.

Die Scientology gründet sich nach meiner Meinung auf eine sehr abstruse Mischung verschiedene Philosophien und formt daraus ein Weltbild mit Elementen aus der Science fiction. Durch Techniken, die aus der Psychoanalyse entliehen sind, soll der Anhänger auf den ‚richtigen’ Weg gebracht werden. Weicht einer von diesem Weg ab, dann ist man durchaus bereit, psychischen Druck auszuüben. Es dreht sich alles nur noch um die Gemeinschaft; Menschen der Außenwelt werden schnell zu „Unterdrückerischen Personen“ erklärt und sind strikt zu meiden. Was eigentlich der Befreiung (Clear-Status) dienen sollte, wird zu einem Prozess der Abhängigkeit. Es ähnelt einer Rekrutierung williger Streiter. Hinzu kommt die wirtschaftliche Macht, die Scientology weltweit errungen hat und weiterhin steigert. Welche Firmen direkt oder indirekt zu Scientology gehören, mag dahingestellt sein (UPS, Warsteiner – auch Lidl?). Für mich ist diese Sekte ein vorrangiges Wirtschaftsunternehmen, dass zielstrebig seine unteren Mitglieder abzockt, um seine Macht weiter auszubauen. Es dürften nur wenige sein, die eigentlich wirtschaftlich profitieren.

Lobbyisten am Hebel der Macht

Allein ist man machtlos, auch oder gerade in einer Demokratie wie der unseren. Wer bestimmte Interessen politisch durchsetzen will, muss sich entsprechenden Interessengruppen anschließen (oder selbst eine gründen). So gibt es für uns Otto Normalverbraucher z.B. Verbraucherverbände, die im persönlichen Kontakt mit Politikern oder durch die öffentliche Meinung über die Massenmedien mit mehr oder weniger Erfolg versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen.

Daneben haben besonders große Unternehmen und Wirtschaftsverbände ein Interesse daran, politische Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen.

So etwas nennt man Lobbyismus. Lobbyismus ist also eine Methode der Einwirkung auf Entscheidungsträger und Entscheidungsprozesse durch präzise Information im Rahmen einer festgelegten Strategie. Es handelt sich um punktuelle Beeinflussungen spezifischer Sachentscheidungen und weniger um anhaltende Mitgestaltung der (staats-)politischen Rahmenbedingungen.

Lobbyismus

Apropos anhaltende Mitgestaltung: Jetzt warnen Experten vor der zunehmenden Einflussnahme durch Lobbyisten, denn in Deutschland bekommen diese immer stärkeren Einfluss auf die Politik, kritisieren Rechtswissenschaftler und halten das für undemokratisch. So hat die neue Bundesregierung mehrere Spitzenpositionen in Ministerien mit ehemaligen Interessenvertretern großer Unternehmen und Wirtschaftsverbände besetzt. Beispiele dafür finden sich im Umwelt-, Gesundheits- und im Verkehrsministerium. So holte beispielsweise Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) kurz nach dem Regierungswechsel einen der führenden Atomlobbyisten, Gerald Hennenhöfer, in sein Ministerium und machte ihn zum Leiter der Abteilung Reaktorsicherheit. Demnach müsste Hennenhöfer auch seinen ehemaligen Arbeitgeber überwachen. Deshalb wirft die Deutsche Umwelthilfe (DUH) Hennenhöfer Befangenheit vor: „Die Berufung von Herrn Hennenhöfer ist ein politischer Fehler“.

Lobbyisten also in Ministerien? Dagegen sprechen nicht nur Bedenken, die der Bürger hat (Verlust des Vertrauens in Verwaltung und Politik), sondern auch rechtliche Gründe: „Paragraf 20 des Verwaltungsverfahrensgesetzes sieht vor, dass ein Beamter nicht tätig werden darf in Angelegenheiten, in der er vorher Partei war.“ „Der Staat wird zur Beute von Spezialinteressen und gibt damit seine Funktion, Repräsentant der Gemeinwohlinteressen der Gesellschaft zu sein, mehr und mehr auf“ (Verfassungsrechtler Professor Hans Meyer von der Berliner Humboldt-Universität).

Video Experten warnen vor zunehmender Einflussnahme

Nein, zu Westerwelle heute kein Wort.

Tarantinos Inglourious Basterds

Ist die Darstellung von Gewalt faszinierend? Das Massakrieren von Menschen, also rohe Gewalt fand ich immer abstoßend und finde es heute noch mehr. Es gibt aber eine sehr subtile Gewalt, die selbst mich interessiert, mich neugierig macht, weil sie vielleicht körperlich nicht verletzt oder gar tötet, die aber einen Menschen seelisch zerstören kann. Und die Hintergründe, die Psychologie der Bestie Mensch – ein Interesse hierfür ist im Grunde existenziell.

Quentin Tarantino ist ein Regisseur, der für beide Spielarten der Gewalt Interesse zeigt. Und da er geradezu obsessiv Bilder roher Gewalt in Szene setzt, in denen das Blut nicht allein fließt, sondern durch die Gegend spritzt, habe ich bisher bewusst seine Filme gemieden. Okay, Pulp Fiction aus 1994 kenne ich, auch From Dusk Till Dawn, den Tarantino 1996 als Autor bediente. Aber bei Kill Bill – Volume 1 (2003) und Kill Bill – Volume 2 (2004) versagte mein Interesse. Sin City (2005), für den Tarantino als Gastregisseur in einer kurzen Sequenz tätig wurde (nachdem Regisseur Rodriguez die Filmmusik für Tarantinos Kill Bill Vol. 2 (für eine Gage von einem US-Dollar) geschrieben hat, hat Quentin Tarantino in einer Szene Regie geführt (ebenfalls für einen US-Dollar Gage)), diesen Film habe ich zwar noch vorliegen, aber lediglich nur kurz quergeguckt.

Was mir endgültig den Rest gegeben hat, ist die Tatsache, dass Tarantino als ausführender Produzent für die beiden ersten Hostel-Filme (Regie: Eli Roth) zeichnete, für mich kranke Machwerke, deren Folter- und so genannte Goreszenen einfach widerlich sind (in „Hostel 2“ habe ich einmal einen Blick hineingeworfen, das genügte mir auf immer und ewig).

Jetzt liegt Tarantinos letzter Film Inglourious Basterds als DVD vor. In diesem Film arbeitet Tarantino den Nationalsozialismus auf seine ganz eigene Weise auf. Ich habe es gewagt und mir den Film am letzten Wochenende angeschaut:

Kapitel eins: Der Judenjäger Col. Hans Landa (Christoph Waltz) stattet dem französischen Bauern Perrier LaPedite (Denis Menochet), von dem er vermutet, dass er in seinem Haus eine jüdische Familie versteckt, einen Besuch ab. Es gibt leckere Milch zu trinken. Kapitel zwei: Die Basterds, eine Spezialeinheit unter der Führung von Lt. Aldo Raine (Brad Pitt), die hinter den feindlichen Linien Jagd auf Naziskalps macht, hat einen deutschen Soldaten gefangenen genommen. Der Bärenjude genannte Vollstrecker der Truppe, Sgt. Donny Donowitz (Eli Roth, genau: Regisseur der „Hostel“-Filme), klappert schon mit seinem Baseballschläger. Kapitel drei: Der deutsche Kriegsheld und Kinostar Fredrick Zoller (Daniel Brühl) verguckt sich in die hübsche französische Kinobetreiberin Shosanna (Mélanie Laurent). Die ist jedoch Jüdin und wartet nur auf den richtigen Moment, um sich an den Besatzern zu rächen. Dieser scheint gekommen, als Propagandaminister Joseph Goebbels (Sylvester Groth) zustimmt, eine deutsche Filmpremiere ausgerechnet in ihrem Lichtspielhaus zu veranstalten. Kapitel vier: Der britische General Ed Fenech (Mike Myers) entsendet den ehemaligen Filmkritiker Lt. Archie Hicox (Michael Fassbender) nach Frankreich, wo er sich gemeinsam mit den deutschsprachigen Mitgliedern der Basterds, Sgt. Hugo Stiglitz (Til Schweiger) und Cpl. Wilhelm Wicki (Gedeon Burkhard), und der Unterstützung des deutschen Filmstars Bridget von Hammersmark (Diane Kruger), die inzwischen für die Briten arbeitet, in die geplante Premiere schleichen soll. Kapitel fünf: das furiose Finale…

Aus: filmstarts.de


Inglourious Basterds – Deutscher Trailer

Zunächst: Von den 160 Minuten, die der Film dauert, sind 140 den ausgefeilten, aber auch ausufernden Dialogen gewidmet – in den restlichen Minuten spritzt das Blut. Die Darstellung von brutaler, roher Gewalt hält sich also ‚in Grenzen’, macht den Film aber mit Sicherheit für viele ‚ungenießbar’.

Kurze Exkursion: Ich habe einmal ein reales Video über eine Exekution gesehen. Einem Mann wurde der Kopf vom Körper getrennt. Gegen dieses Video ist Tarantinos Gewaltdarstellung Puppentheater. Es stellt sich für mich einfach nicht die Frage, ob rohe Gewalt in einem Film dargestellt werden muss, weil sie auch im wirklichen Leben existiert. Ähnlich wie in Bond-Filmen, die jenseits von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit den Protagonisten erlauben, mit dem Gegner ‚kurzen Prozess’ zu machen, so stehen auch in Tarantinos Film die ‚guten Helden’ jenseits aller Gerichtsbarkeit. Nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi, wobei alle Deutschen in Uniform vereinfacht Nazis zu sein haben. Aber selbst wenn dem so wäre, so ist diese Art von Blutschau eher abstoßend. Für mich werden durch solche Filme lediglich kranke Voyeure bedient. Aber das ist schon ein eigenes Thema.

Komme ich zum Film zurück: Es sind zwei Charaktere, die den Film prägen. Zum einen ist es Lt. Aldo Raine – Aldo, der Apache -, Anführer der Basterds. Brad Pitt spielt diese Figur mit viel Coolness. Aber es gibt jemanden, der Pitt ganz gewaltig die Schau stiehlt. Der Österreicher Christoph Waltz, der für seine Rolle als Judenjäger Hans Landa zu Recht mit dem Darstellerpreis in Cannes geehrt wurde und sich wohl auch für die Oscar-Verleihung 2010 einiges an Chancen ausrechnen darf, steht zwar in Sachen Marketing nicht an vorderster Front, fungiert aber als der eigentliche Motor des Films. Er bekommt von allen Darstellern die meiste Leinwandzeit und reißt jede Szene, in der er vorkommt, in Sekundenbruchteilen an sich. Zwar überhöht er seine Rolle bis zum Geht-nicht-mehr (Landas Art ist von einem derart schleimigen Zynismus geprägt, dass einem jedes Mal der Atem stockt, wenn er den Mund aufmacht), aber dennoch verkommt die Figur – im Gegensatz zum vom Theater- und „Tatort“-Star Martin Wuttke verkörperten Hitler – nie zur reinen Karikatur. Eher das Gegenteil ist der Fall: Landa ist ein Soziopath, wie er im Buche steht – er ist hochintelligent, kann Menschen lesen und hat die Lächerlichkeit der Nationalsozialisten längst durchschaut. Er selbst ist keinesfalls ein überzeugter Nazi, vielmehr ist er als eiskalter Analytiker nur Teil der SS, um bei der Judenjagd seine perfiden Mord- und vor allem Machtphantasien bis zum Exzess auszuleben.

Hier geht es um weitaus subtilere Gewalt, auch wenn sie am Ende in Mord und Todschlag endet (dafür hat Landa notfalls seine Chargen). Die Dialoge mit Landa/Waltz und den anderen lassen einem die Haare zu Berge stehen. Es hat geradezu etwas Teuflisches an sich, wie Landa/Waltz seine Antagonisten mit Worten in die Enge treibt. Hier ist Tarantino wirklich meisterlich.

„Inglourious Basterds“ ist auch eine Liebeserklärung an das Kino. In Shosannas Kino läuft gerade „Die weiße Hölle vom Piz Palü“ mit Leni Riefenstahl, dessen Regisseur Georg Wilhelm Pabst auch später immer wieder Erwähnung findet. Und der Showdown findet im gleichen Kino statt, in dem die Nazigrößen von Hitler bis Goebbels den Tod finden. Kino als Instrument gegen Gewalt? Es müssen schon Filmspulen, die leicht entzündbar sind, herhalten, um das Feuer zu entfachen, in dem Hitler und Konsorten im Film ums Leben kommen. Ansonsten mag das Medium Film als Propaganda dienstbar sein, als Mittel gegen Diktatoren taugt es leider weiterhin nur wenig.

Was mich irritiert, sind die vielen Dialoge, in denen es um Spitz- oder Nicknamen, wie man heute sagt, geht. Landa ist der Judenjäger, Aldo ist der Apache, was sowohl etwas zu seiner Abstammung als auch zu seinen Praktiken (Skalpierung) aussagt. Und da gibt es den Bärenjuden, eben jenen Basterd, der seine Opfer bis zur Unkenntlichkeit mit dem Baseballschläger traktiert. Hier verkürzt Tarantino die jeweilige Rolle auf eine Kurzbezeichnung. Solches hat sich eben auch bei uns eingebürgert. Gibt man so dem Grauen einen einprägsamen Namen?

Am Ende des Films sind es nur noch Landa und Aldo Raine, die die Tarintino’schen Massaker überleben. Landa hat einen Deal ausgehandelt. Er ist maßgeblich an dem Tod von Hitler und Co. beteiligt. Dafür bekommt er nicht nur Straffreiheit, sondern wird auch materiell ausreichend entlohnt. Auch ein dicker Orden muss es sein. Das Böse, das dem Guten dient. Eine schreckliche Vorstellung. Aber wir kennen es aus der amerikanischen Politik zur Genüge, in der Diktatoren oft genug hofiert wurden. Aldo, der Apache, mag sich im Namen aller Zuschauer damit nicht abfinden und ritzt seinem Gegner ein Kainszeichen, nämlich ein Hakenkreuz, in die Stirn. Damit will Tarantino gleichzeitig die Zuschauer zu Befürwortern seiner blutigen Phantasie machen, was ihm in den meisten Fällen sogar gelingen sollte.

Tarantinos Film lässt mich ziemlich ratlos zurück. Hätte er die Gewaltszenen auf ein notwendiges Übliches reduziert, so wäre ich begeistert von dem Film. Christoph Waltz als Landa hat den Oscar mit Sicherheit verdient. Aber die rohen Gewaltszenen irritieren mich. Vielleicht soll das so sein. Vielleicht will Tarantino aufzeigen, wohin selbst die subtilste Gewalt führt: in ein Blutbad ohne Ende! Ich sehe allein zumindest die Gefahr, dass ein solcher Film missverstanden und die rohe Gewalt verherrlicht werden könnte.


Der Film im Film: Stolz der Nation (Nation’s Pride)

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 22

EKD-Vorsitzende Käßmann tritt zurück

Auch eine evangelische Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD ist nur ein Mensch und begeht Fehler. Aber es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit: Es kann nicht Wasser gepredigt und Wein getrunken – und dann noch Auto gefahren werden. Als eine wesentliche moralische Instanz in Deutschland hat Frau Käßmann die Konsequenz gezogen und ist von ihren Ämtern zurückgetreten. Dafür mein voller Respekt.

Westerwelle wegen Vortrags-Honoraren in der Kritik

Ach, schon wieder der Westerwelle. Aber mich wundert nichts mehr: Mindestens 36 Vorträge unter anderem bei Firmen der Finanzindustrie sowie der Hotel- und Versicherungsbranche hat sich diese pockennarbige Fratze in der letzten Legislaturperiode üppig honorieren lassen. Jetzt fordert die SPD, er soll die Einnahmen offen legen.

Wie heißt es so schön: Eine Hand wäscht die andere. Die Hotelbranche hat bereits profitiert.

Kür für Olympiasieger: Aus Gold Geld machen

Nach Gold kommt Geld. Dank lukrativer Sponsorenverträge wird für viele Olympiasieger der Weg frei zum Sport-Millionär. Schließlich erhöht sich mit jedem Sieg und jeder Medaille der Marktwert.

Immer mehr Deutsche rutschen in die Privatinsolvenz

Vor allem junge Menschen sind von Pleite und Armut bedroht – das geht aus dem Schuldenbarometer der Hamburger Wirtschaftsauskunftei Bürgel hervor. Insgesamt ist die Zahl der Privatinsolvenzen im vergangenen Jahr um knapp neun Prozent gestiegen und dürfte auch in diesem Jahr weiter steigen.

Ein Esel als Außenminister

Was ich von Herrn Westerwelle halte, habe ich hier oft genug kundgetan. Was er sich jetzt aber ‚leistet’, ist fast schon unglaublich. Guido Westerwelle hat sein Thema gefunden: die Hartz-IV-Leistungen und den geistigen Sozialismus in der Diskussion zu diesem Thema. Eigentlich ist Herr Westerwelle Außenminister, ist aber in diesem Job wohl nicht ausgelastet und auch nicht genug in den Medien präsent. Aber das hat sich jetzt grundlegend geändert.

Westerwelle wettert

Vize-Kanzler Westerwelle klagte nach dem Richterspruch (das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Berechnungsmethode von Hartz IV für grundgesetzwidrig erklärt), es scheine in Deutschland „nur noch Bezieher von Steuergeld“ zu geben (auch Sie, Herr Westerwelle, beziehen Ihr Gehalt aus Steuergeldern), aber „niemanden, der das alles erarbeitet“. Und weiter. „Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird [wer, bitte, hat Sie angegriffen?], dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus“. Kleine und mittlere Einkommen dürften nicht länger „die Melkkühe der Gesellschaft“ sein.

Auf den ersten Blick gebe ich Ihnen sogar Recht, Herr Außenminister. Aber wie kann es kommen, dass es viele Menschen in Deutschland gibt, die jede Woche rund 40 Stunden arbeiten und sich doch kaum mit dem Lohn „über Wasser halten“ können? Was halten Sie, Herr Westerwelle, z.B. von Mindestlöhnen? Und mit Hartz IV hätten Sie (als Bezieher) sicherlich schnell Ihre Probleme.

Westerwelle nennt seine Kritiker scheinheilig und erweitert seine Kritik. „Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein.“

Hallo, Herr Westerwelle, sind wir noch im gleichen Film? Ich glaube nicht. Sie und Ihre Partei propagieren das Gedankengut, das Wegbereiter der Finanzkrise ist. Oder wie es Herr Steinmeier, SPD, sagt: Es habe nichts mit Müßiggang und Bequemlichkeit zu tun, wenn Menschen nach Jahren der grenzenlosen Gier in der Finanzwirtschaft ihre Arbeit verlören und Unterstützung bräuchten. „Wenn der FDP-Vorsitzende nach Anzeichen von Dekadenz sucht, hätte er sie bei denen finden können, die dieses Desaster durch ihr verantwortungsloses Treiben angerichtet haben“.

Apropos spätrömische Dekadenz: Der ehemalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler nannte Westerwelle in einer historischen Anspielung einen Esel. „Die spätrömische Dekadenz bestand darin, dass die Reichen nach ihren Fressgelagen sich in Eselsmilch gebadet haben und der Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannt hat. Insofern stimmt Westerwelles Vergleich: Vor 100 Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden“, sagte Geißler der „Welt“.

Zurück zu Herrn Westerwelles Aussagen: „Wir müssen vor allen Dingen denen mehr helfen, die sich selbst nicht helfen können, insbesondere den Kindern.“ Die Sozialpolitik müsse umfassender diskutiert werden als nur die Frage von Regelsätzen für Hartz-IV-Empfänger. „Für mich ist die beste Sozialpolitik immer noch die Bildungspolitik, und da haben wir in Deutschland mittlerweile geradezu dekadente Erscheinungen“, sagte der Vizekanzler.

Hier entdeckt Herr Westerwelle sein Herz für Kinder. Sicherlich ist Bildungspolitik die auf Dauer beste Sozialpolitik. Nur mit Steuerkürzungen lassen sich keine Schulen und Universitäten finanzieren.

Wer so wie Westerwelle alles über einen Kamm schert, wer dermaßen verallgemeinert, ist nicht anderes als ein übler Populist – oder wie die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth den FDP-Politiker attackiert: „Westerwelles kurzer Ausflug in die staatstragenden Sphären der Diplomatie ist beendet. Es tritt wieder auf: der Schreihals.“

Nach der Bundestagswahl 2009, als die FDP 14,6 % der abgegebenen Wählerstimmen bekam (von wem auch immer), geht es mit den Umfrageergebnissen für die FDP bergab. Inzwischen ist die Partei wieder im einstelligen Prozentbereich (viele FDP-Wähler dürften ihre Wahl inzwischen bereuen). Da muss Herr Westerwelle wieder einmal Flagge zeigen. Nur fürchte ich fast, dass er auf diese Art und Weise auch noch den letzten Wähler verschreckt. Populismus und Hetze sind nicht die geeigneten Mittel, um neue Wähler zu gewinnen.

In seiner Partei selbst erkennt man langsam, dass mit einer Ein-Mann-Schau Westerwelles zukünftig keine Blumentöpfe mehr zu gewinnen sein werden. Der stellvertretende FDP-Chef Andreas Pinkwart verteidigte Westerwelle zwar in Sachen Hartz IV, forderte aber zugleich eine Machtaufteilung an der Parteispitze. „Die FDP muss mehr Gesichter in den Vordergrund stellen“, sagte Pinkwart. Aber klar doch: Die Profilierung von Persönlichkeiten aus der engeren Führung dürfe „nicht gleich als Angriff auf den Parteivorsitzenden gesehen werden“. Noch mag keiner an Westerwelles Stuhl sägen. Woher auch nehmen und nicht stehlen: Die weiteren FDP-Bundesminister präsentierten sich bisher reichlich blutleer. Und aus der Landespolitik ist kaum ein FDP-Politiker bekannt.

Inzwischen fordert Westerwelle eine Debatte über Hartz IV im Bundestag, was sicherlich sinnvoll ist. Nur fürchte ich, dass hier eher schmutzige Wäsche gewaschen wird und die eigentliche Problematik des Themas auf der Strecke bleibt.

Herr Westerwelle, vielleicht kümmern Sie sich doch wieder um Ihren Job als Außenminister. Hierfür werden Sie vom Steuerzahler bezahlt – nicht für Ihre parteipolitisch geprägten Exkurse in die Arbeits- und Sozialpolitik. Wenn es einen üblen Schmarotzer auf Kosten der Allgemeinheit gibt, dann … kenne ich seinen Namen!