Kategorie-Archiv: Fußball: Welt- und Europameisterschaften

Zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006/2010 & Europameisterschaft 2008

Zeichen und Wunder: Blatter geht …

Dass Sepp Blatter so schnell wieder in die Schlagzeilen rückt, wer hätte das gedacht. Es geschehen manchmal doch noch Zeichen und Wunder. Oder vielleicht doch nicht? Blatter geht und tritt sein Amt als Präsident der FIFA, nur vier Tage nach seiner Widerwahl, ab.

Zuletzt schrieb ich: Aber vielleicht kommt es dann doch schneller anders, als man heute noch denken kann. – Ich sollte Recht behalten.

Blatter mit Beckenbauer © dpa

Berichte von US-Medien legen den Schluss nahe, dass Blatter nur auf juristischen Druck – und eventuell sogar in einer Kurzschlussreaktion agiert haben könnte. In der „New York Times“ ist sogar von FBI-Ermittlungen die Rede. Die Zeitung hatte in der Vorwoche die Verhaftungen von führenden Fußball-Funktionären als erste publik gemacht und den Anstoß zur neuen Eskalationsstufe der massiven FIFA-Glaubwürdigkeitskrise kurz vor Blatters dennoch geglückter Wiederwahl am Freitag gegeben. (Quelle: heute.de)

Ich bezweifle, dass die ganze Fußballwelt jetzt erleichtert ist. Blatter hatte es geschafft, besonders bei den afrikanischen und asiatischen Verbänden Rückhalt für sein Agieren zu finden, auch wenn dieser Rückhalt zuletzt zu bröckeln begann. Inwieweit diese Rückendeckung durch Korruption und Bestechung errungen wurde, kann man heute nur erahnen. Es waren in erster Linie die westlichen Fußballverbände (Europa, Nordamerika, Australien), die gegen Blatter geschossen haben. Das sollte bedacht werden, wenn jetzt ein Neubeginn der FIFA gelingen soll. Nur gemeinsam kann man das Gebäude des Weltfußballs wieder errichten.

in diesem Zusammenhang äußerst lesenswert: Wer ist eigentlich Sepp Blatter?: „… als Blatter 1975 zur Fifa stieß, damals eine kleine Klitsche mit elf Mitarbeitern, die alle vier Jahre gerade so eine Weltmeisterschaft organisiert bekam.“ Heute ist die FIFA ein milliardenschweres Unternehmen, auch durch Sepp Blatter!

Zum Fußball mit Ball: Ohne (auch in diesen Fällen) hellseherische Fähigkeiten zu besitzen, haben sich meine Prognosen bestätigt: Die Relegationsspiele zur Bundesliga und 2. Liga erwiesen sich als sehr enge Kiste (On the knife’s edge). Der KSC stand bereits zur Schwelle zur Bundesliga und führte 1:0 gegen den HSV, als in der Nachspielzeit der Schiedsrichter einen Freistoß wegen eines angeblichen Handspiels gegen den KSC verhängte, der zum Ausgleich und damit zur Verlängerung führte. Die Schiedsrichterentscheidung gilt als äußerst umstritten. In der Nachspielzeit erzielte dann der HSV den 2:1-Siegtreffer und damit den Verbleib in der Erstklassigkeit (ohne auch nur ansatzweise den Nachweis zu erbringen, erstklassig zu sein). In München war die Situation ähnlich. Bis zum Ablauf der regulären Spielzeit stand das Spiel zwischen 1860 München und Holstein Kiel im Relegationsrückspiel zur 2. Liga 1:1. Das hätte Kiel durch die Auswärtstorregel (Hinspiel endete bekanntlich 0:0) für den Aufstieg gereicht. Aber in der Nachspielzeit schaffte 1860 dann doch noch den Sieg und verbleibt so in der 2. Liga.

On the knife’s edge

Die Palastrevolte blieb aus: Sepp Blatter wurde zum Präsidenten der FIFA wiedergewählt. Allerdings erzielte er nur 133 Stimmen in 1. Wahlgang, also nicht die erforderliche 2/3-Mehrheit. Doch sein einziger Herausforderer, Prinz Ali bin al-Hussein von Jordanien, zog seine Kandidatur vor der zweiten Wahlrunde zurück. Dieser hatte überraschend 73 Stimmen bekommen. Immerhin …

Anstatt nun eine Strategie für den Weg aus der größten Krise des Weltfußballverbandes nach dem jüngsten Korruptionsskandal zu suchen, attackierte Blatter mit Verschwörungstheorien und drohenden Worten die US-Justizbehörden sowie die Europäische Fußball-Union (UEFA) um Michel Platini und DFB-Präsident Niersbach. Vor der Weltpresse legte er einen dünnhäutigen Auftritt hin. Ob er Sorge habe, angesichts des Korruptionssumpfs irgendwann selbst hinter Gitter zu müssen? „Verhaftet, wofür? Nächste Frage“, beschied Blatter und verabschiedete sich. Die wahre Gefahr für ihn kommt von außen und sie ist unberechenbar. Blatters Schicksal liegt nach den Ereignissen und Schlagzeilen der vergangenen Tage nicht mehr in seinen Händen und denen seiner FIFA-Brüder.

In diesen Tagen wurde sehr viel Hohn und Spott über Blatter ausgeschüttet. Nicht nur im Internet, sondern auch in den Medien wie Fernsehen und Presse. Blatter scheint das nicht zu tangieren. Irgendwo (ich denke, es war bei 11freunde.de) munkelt man, dass Blatter anstrebt, den Friedensnobelpreis zu bekommen (zumindest die FIFA während seiner Amtszeit). Bei Blatters bestehendem Realitätsverlust wäre so ein Ansinnen durchaus denkbar.

Die FIFA mit ihren 209 Mitgliedern übertrifft die Mitgliederzahl der UN (zz. 193) und ist damit eine wirklich weltumspannende Organisation. Fußball ist nun einmal ein Sport, der (fast) überall äußerst beliebt ist und bei dem die Menschen über Grenzen hinaus zueinanderfinden. Nur ist eben diese FIFA, in der Arm neben Reich mit gleichem Stimmrecht an einem Tisch sitzen, über alle Maße anfällig, wenn es z.B. um die Vergabe großer Sportereignisse wie Fußballweltmeisterschaften geht. Wie sollen so viele Köpfe unter einem Hut? Da wird eben nachgeholfen (und das nicht erst jetzt), für ein Land als Veranstalter zu stimmen, indem man finanziell unterstützt. Schon vor Blatters Zeiten soll es Korruption und Bestechung gegeben haben.

Nur hat eben dies unter Blatter Ausmaße angenommen, die mafiöse Strukturen ähneln. Wenn sich ein Land wie Katar für die Austragung einer WM bewirbt (das ist ihr gutes Recht) und dann ohne weiteres den Zuschlag bekommt, dann kann das nicht nur Kopfschütteln bei allen Fußballfans angesichts solcher Absurdität (Fußball in der Wüste!) erzeugen. Dann muss ein Aufschrei durch alle nationalen und kontinentalen Verbände gehen, die noch nicht korrupt sind. Ist das geschehen?

Hätte nicht jetzt die Justiz eingegriffen, dann wäre man auch in Europa möglichst schnell wieder zur Tagesordnung zurückgekehrt. Klar, man hätte Blatters Gegenkandidaten unterstützt – und verloren. Ist nun einmal so. Aber sonst? Business as usual! Gegen Katar und Russland als WM-Veranstalter ist sowie so nicht mehr anzustinken …

Was kann man also gegen Blatter und seine ‚Glaubensbrüder‘ tun? So etwas wie eine Neugründung des Weltverbandes – ähnlich wie im Profiboxsport – wurde bereits angedacht, ist aber wohl kaum realisierbar. Die WM 2018 in Katar und die 2022 in Russland boykottieren? Davon will in Europa bisher auch keiner etwas wissen. Dass auch Blatter hinter Gitter wandern wird, das wünschen sich zwar viele, aber ich glaube kaum, dass das geschehen wird. Es bleibt also alles wie gehabt: Blatter thront in seinem Wahn weiterhin über den Weltfußball!

Aber vielleicht kommt es dann doch schneller anders, als man heute noch denken kann. Wir dürfen gespannt bleiben …

Aufstieg in die 3. Liga 2015: SV Werder Bremen U23

Nun der Fußball ist nicht nur FIFA und Blatter. Am Samstag gewann der VfL Wolfsburg in Berlin den DFB-Pokal mit 3:1 gegen Borussia Dortmund. Und auch sonst ist die Saison 2014/2015 noch nicht ganz beendet. In diesen Tagen gibt es diverse Relegationsspiele, also Spiele, die über Verbleib oder Abstieg bzw. Aufstieg in verschiedenen Ligen entscheiden. Gestern schaffte z.B. die Mannschaft von Werder Bremen II (U23) den Aufstieg in die 3. Liga durch einen Sieg bei Borussia Mönchengladbach II in der Verlängerung mit 2:0 (Hinspiel in Bremen endete 0:0). Heute nun krampft ab 19 Uhr der HSV in Karlsruhe gegen den KSC um seinen Verbleib in der Fußball-Bundesliga (das Spiel in Hamburg endete wie bekannt mit 1:1). Und am Dienstag spielt dann noch 1860 München gegen Holstein Kiel um den Verbleib in Liga 2 (Hinspiel in Kiel endete 0:0). Alles bewegt sich auf des Messers Schneide. Gespannt bin ich auf jeden Fall auf das Spiel in Karlsruhe. – Aber das ist längst nicht alles: Schon läuft die U20-WM in Neuseeland mit deutscher Beteiligung (übrigens ohne Davie Selke). Und am Sonntag beginnt die Frauen-WM in Kanada für die deutsche Mannschaft (… am Ende tritt dann Herr Blatter wieder auf, um den Pokal zu überreichen).

Das Ausmisten des FIFA-Stalls

Fußball ist heute hauptsächlich ein Geschäft. Es geht also um Geld. Und im Fußball inzwischen um viel Geld. Und wenn’s um viel Geld, dann wird’s dreckig … Jeder Beteiligte versucht sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Da verwundert es keinen, wenn hohe Funktionäre der FIFA, des Weltfußballverbandes, schon einmal in die prallgefüllten Kassen greifen.

Am Morgen des 27. Mai 2015 sind sechs Fußballfunktionäre durch die Kantonspolizei Zürich im Auftrag des Bundesamts für Justiz auf Grund eines US-Verhaftsersuchen im Hotel Baur au Lac festgenommen worden. Das Gesuch datiert gemäß der Sprecherin des Bundesamts auf den 21. Mai 2015, es wurde durch das Office for International Affairs des Justizministerium der Vereinigten Staaten ausgestellt. Den Funktionären wird Korruption vorgeworfen. In Auslieferungshaft gesetzt wurden gemäß dem US-Justizministerium dabei die Funktionäre Jeffrey Webb, Eduardo Li Sánchez, Julio Rocha, Costas Takkas, Eugenio Figueredo, Rafael Esquivel sowie José Maria Marin. Am Abend des 27. Mai haben die Behörden von Trinidad und Tobago einen Haftbefehl für den früheren FIFA-Vizepräsidenten Jack Austin Warner erhalten.

Unabhängig davon hat die FIFA am 18. November 2014 eine Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt, worauf in Folge ein Strafverfahren eingeleitet worden ist. Daraufhin wurde im Auftrag der Bundesanwaltschaft ebenfalls am Morgen des 27. Mai 2015 das FIFA-Hauptquartier durchsucht. Hierbei geht es um die Vergaben der WM an Russland und Katar.
(Quelle: de.wikipedia.org)

Blatter mit Beckenbauer © dpa

„Derartiges Fehlverhalten hat im Fußball keinen Platz. Wir werden dafür sorgen, dass alle daran beteiligten Personen aus dem Fußball entfernt werden“, sagte Blatter in einem FIFA-Statement zu den juristischen Verfehlungen der Funktionäre, die vom Weltverband noch am gleichen Abend suspendiert worden waren. (Quelle: heute.de)

Man bekommt Tränen in die Augen, wenn man Herrn Blatter so reden hört. Welche Satansbrut haben Sie nur an Ihrem Busen genährt. Oder sollte es etwa so sein, dass Ihre Brust selbst ‚satanisch‘ ist? Ist es nicht geradezu ein ‚System Blatter‘, dem jetzt auf die Pelle gerückt wird? Also alles Gerede von Ihnen nichts anderes als Ablenkungsmanöver sind?

Wie viel Dreck Herr Blatter selbst am Stecken hat, kann man nur erahnen. Vorwürfe gibt es genügend gegen ihn. Aber der alte Mann vom Zürichberg klebt weiterhin an seinem Stuhl und will eine weitere Amtszeit für sich in Anspruch nehmen.

Nein, es wird Zeit, dass dieser Saustall von FIFA endlich ausgemistet wird. Die Verhaftungen und Strafverfahren können nur der Anfang sein. Immerhin werden auch schon die ersten Sponsoren sichtlich nervös.

„Aktuell sind die Mitglieder des UEFA-Exekutivkomitees davon überzeugt, dass es zwingenden Bedarf für einen Führungswechsel in dieser FIFA gibt und dass der FIFA-Kongress verschoben werden sollte, um innerhalb der nächsten sechs Monate eine neuerliche FIFA-Präsidentschaftswahl zu organisieren“, hieß es in einem Statement der UEFA, dem europäischen Fußballverband. Weil das „System FIFA“ den Fußball, wenn es nicht gestoppt wird, irgendwann „töten würde“. Der englische Verbandschef Greg Dyke forderte als Konsequenz aus dem Skandal in einem Interview den Rücktritt Blatters als FIFA-Chef.

Aber die FIFA und damit Herr Blatter wollen zur „Agenda“ übergehen. Herr Blatter hat schon viele ‚Krisen‘ überstanden. Warum nicht auch diese? Ich befürchte, dass nicht genügend Wasser zur Verfügung steht, um auch den Dreckhaufen Blatter aus dem Saustall der FIFA wegzuschwemmen. Die nächsten Tage versprechen viel FIFAtische Spannung.

Die Kleinen … ziemlich groß

Für viele Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft wird es Zeit, dass sich das Jahr dem Ende zuneigt. Morgen, am Dienstag in Vigo geht es noch einmal gegen Spanien. Da will man zeigen, dass es auch besser geht, obwohl einige Spieler (z.B. Özil, Neuer und Boateng) verletzt ausfallen. Dann ist erst einmal Pause angesagt. Die Helden vom Maracanã-Stadion sind müde.

Das deutsche Team muss sich erst einmal mit der Rolle des Gejagten anfreunden. Durch die vielen Belobigungen, Auszeichnungen mit silbernen Lorbeerblättern und jede Menge Shakehands kann der Blick aufs eigentlich Wesentliche schon einmal verloren gehen. Im nächsten Jahr wird alles anders (erst am 25. März 2015 geht’s weiter mit einem Freundschaftsspiel gegen Australien in Kaiserslautern und dann am 29. März in der Qualifikation zur EM 2016 in Tiflis gegen Georgien).

In einem Punkt dürfen sich die deutschen Spieler getröstet wissen: Gegen vermeintlich kleine Mannschaften, oft als Fußball-Zwerge oder gar Gnome abgetan, tut sich mancher schwer. Eigentlich sollte man nach dem 4:0-Sieg gegen Gibraltar froh sein, die einkalkulierten Punkte auch tatsächlich eingefahren zu haben. Natürlich geht es um das Wie, und da kann man nicht zufrieden sein. Aber da hat es in den bisherigen Qualifikationsspielen zur Europameisterschaft 2016 in Frankreich andere viel schlimmer erwischt. Die Niederlande verlieren in Island (das leider gestern Abend 1:2 in Pilsen gegen die Tschechen verliert – schade), Spanien verliert in der Slowakei und Griechenland, immerhin Europameister 2004 und FIFA-Ranglisten-18., verliert zu Hause gegen den Ranglisten-187., die Färöer mit 0:1. Der Torschütze Jóan Símun Edmundsson dürfte wohl als Nationalheld in die Geschichtsbücher der Inselgruppe im Nordatlantik eingehen.

Qualifikation zur EM 2016: Färöer gewinnt in Griechenland 1:0

Aber auch andere Mannschaften, die als Favoriten zu gelten haben, tun sich schwer. Belgien (zz. 4. der Weltrangliste) liegt hinter Israel zurück. Und die Russen verlieren gegen Österreich, die auf einem guten Weg sind, die Qualifikation zu schaffen.

Was noch nicht gerichtet ist, wird sich bestimmt im nächsten Jahr richten. Und selbst für Gruppendritte ist ja noch nicht alles verloren (gilt für Island wie für Deutschland). 😉

Gibraltar

Heute spielt die deutsche Fußballnationalmannschaft in der Qualifikation zur Europameisterschaft 2016 in Nürnberg gegen Gibraltar.

Obwohl die Gibraltar Football Association einer der ältesten Fußballverbände der Welt ist, wurde der gibraltarische Fußballverband erst im letzten Jahr Mitglied der UEFA, dem europäischen Fußballverband. Kernproblem bis dahin war der Widerstand Spaniens, das territorialen Anspruch auf den Besitz Gibraltars erhebt. Seit 1704, als die Englische Krone die Herrschaft über die Halbinsel erlangte und im Vertrag von Utrecht 1713 zugesichert bekam, versucht Spanien, die britische Kolonie zurückzuerobern. Der spanische Fußballverband drohte sogar damit, Mannschaften wie Real Madrid und den FC Barcelona aus den europäischen Vereinsmannschaftswettbewerben zu nehmen, wenn Gibraltar UEFA-Mitglied werden sollte.

Zuvor hatte sich Gibraltar bereits um eine Mitgliedschaft bei der FIFA, dem Weltfußballverband, bemüht. Die Bürokraten um Herrn Blatter brauchten angeblich zwei Jahre, um den Gibraltarern mitzuteilen, sie mögen erst Mitglied der UEFA werden. Am 26. September 2014 verweigerte dann die FIFA dem Verband die Mitgliedschaft mit der Begründung, dass Gibraltar kein unabhängiger Staat ist.

Nun der gibraltarischen Fußballelf werden keine Chancen gegen das deutsche Team eingeräumt. Diskutiert wird nur noch die Höhe des deutschen Siegs. Alles andere als ein hoher Sieg wäre allerdings auch blamabel.

    Der Felsen ('Rock') von Gibraltar 1986

Der Felsen von Gibraltar ist nicht unbedingt das ultimative Urlaubsziel, aber wenn man schon einmal im Süden Spaniens weilt (und vielleicht ein Faible für alles Britische hat), dann ist es durchaus lohnenswert, einmal einen Abstecher nach Gibraltar zu unternehmen. So war ich bereits zweimal dort (mit Frau und zuletzt auch mit meinen Söhnen), weil meine Eltern einmal an der Costa del Sol eine Ferienwohnung hatten. Das war in den Jahren 1986 und 1998.

Gibraltar hat schon einen eigentümlichen, gewissermaßen ‚kolonialen’ Charme. Man befindet sich nun einmal am Mittelmeer und unter mediterraner Sonne. Ansonsten ist aber (fast) alles ‚very british’: also rote Telefonzellen und Briefkästen, schwarze Taxen – und natürlich auch ‚Bed & Breakfast’. Und die Polizisten laufen mit dem berühmt-berüchtigen Bobbyhelm herum (zumindest war es 1998 noch so). Auf die Schnelle habe ich es leider nicht geschafft, Fotos (vielleicht auch Videos) von unseren kurzen Aufenthalten herauszusuchen, aber ich verspreche es: Ich werde in alten Fotoalben kramen …

Wenn aus Jägern Gejagte werden

Vielleicht kann jetzt der eine oder andere nachfühlen, wie es den Spaniern in den letzten Jahren erging. Die Iberer waren lange Zeit die Gejagten. Bis ins Endspiel bei der Fußball-Weltmeisterschaft in diesem Jahr in Brasilien war das deutsche Team Jäger und zudem erfolgreicher Jäger. Aber mit dem Gewinn des Weltmeistertitels ist es nun zum Gejagten geworden. Jede Mannschaft, die gegen Deutschland spielt, wird alles geben, um gegen die ‚beste Mannschaft’ der Welt zu bestehen.

Gejagte empfinden anders als Jäger. Und auch der Kopf ‚arbeitet’ anders. Natürlich hat die deutsche Mannschaft keine guten Außenverteidiger. Und im Sturm fehlt ein echter ‚Vollstrecker’. Aber es ist vor allem dieses ‚Gespenst’, das im Kopf der Spieler herumgeistert.

Mühte man sich im ersten Qualifikationsspiel zur nächsten Europameisterschaft 2016 in Frankreich gegen Schottland noch zu einem knappen 2:1-Sieg, so bot diese Woche Tage der Ernüchterung: der 0:2-Niederlage in Polen folgte ein mageres Unentschieden mit 1:1 gestern in Gelsenkirchen gegen Irland.

Schaut man auf die Statistik des Polenspiel, dann sieht man, dass die deutschen Spieler gar nicht so schlecht gespielt haben können:

    Statistik zum Spiel Polen – Deutschland 2014 - Endstand 2:0

Aber dann gibt es diese individuellen Fehler, die zu Gegentoren führen, während der eigene Angriff es verpasst, die guten Chancen in Tore umzusetzen. Alles wirkt überhastet, hektisch, ja verkrampft. Es fehlt einfach die Lockerheit. Die Köpfe der Spieler sind nicht frei. Und diese werden nicht freier dadurch, dass man im Vorfeld eines Spieles gewissermaßen nur noch über die Höhe des angepeilten Sieges spricht.

Noch ist Polen Deutschland nicht verloren. Sogar als Gruppendritte kann man sich noch (über Relegationsspiele) für Frankreich 2016 qualifizieren. Aber natürlich haben Löw und Co. höhere Ansprüche. Jetzt heißt es Ruhe bewahren. Und vergessen, dass man ‚die beste Mannschaft’ der Welt ist. Dann davon ist man zz. ein weites Stück entfernt.

Trost spendet die Tatsache sicherlich nicht, dass auch andere große Fußballnationen ihre Probleme haben. Die Niederlande kassierte bereits die zweite Niederlage (siehe weiter unten). Auch Spanien startete mit stotterndem Motor. Die Griechen liegen fast ganz am Boden. Portugal tut sich schwer. England und Italien haben zwar ihre Spiele bisher alle gewinnen können. Aber Glanz und Glorie sehen anders aus.

Freude bereitet mir zz. die isländische Nationalmannschaft. Ich habe ja bekanntlich ein Faible für Island und alles Isländische. Und so gucke ich immer auch schon mal, wie sich Island im Fußball präsentiert. Zur WM 2014 hatte es Island in der Qualifikation immerhin als Gruppenzweiter hinter der Schweiz (Gruppe E) bis in die Play-Offs geschafft, scheiterte dort dann allerdings an Kroatien (0:0 und 0:2). Jetzt führt Island in Gruppe A der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft nach Siegen gegen die Türkei, in Lettland und zuletzt am Montag zu Hause gegen die Niederlande (2:0 – der erste Sieg der Isländer gegen die Holländer) mit neun Punkten und einem Torverhältnis von immerhin 8:0 Toren in der Hammergruppe mit eben den Niederlanden, Tschechien, der Türkei, Lettland und Kasachstan. Die Aussichten, einen der beiden ersten Plätze zu erobern sind also gut (und selbst ein dritter Platz könnte vielleicht genügen). Am 16.11.2014 spielt Island in Pilsen gegen Tschechien. Da könnte ein weiterer Grundstein zum Erreichen des EM-Turniers in Frankreich gelegt werden. Ich drücke auf jeden Fall ganz fest die Daumen!

Sommermärchen 2014 – Teil 2: U19 ist Europameister

Die U19-Auswahl hat dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) den zweiten internationalen Titel innerhalb von nicht mal drei Wochen beschert. Im EM-Finale in Budapest besiegte das Team von Trainer Marcus Sorg Portugal mit 1:0 (1:0) und holte sich damit zum dritten Mal nach 1981 und 2008 die kontinentale Krone.

Der Treffer des Herthaners Hany Mukhtar in der 39. Minute sorgte 18 Tage nach dem WM-Endspielsieg des A-Teams im Maracana für den nächsten deutschen Fußball-Festtag. DFB-Präsident Wolfgang Niersbach („kann man sich dran gewöhnen“) und der designierte Sportdirektor Hansi Flick klatschten auf der Tribüne des mit rund 5000 Zuschauern zur Hälfte gefüllten Szusza Ferenc Stadions begeistert.

Angreifer Davie Selke von Werder Bremen holte sich mit sechs Treffern zudem die Torjägerkrone der Endrunde in Ungarn. Der deutsche Nachwuchs hat nun im kommenden Jahr bei der U20-WM in Neuseeland (30. Mai bis 20. Juni 2015) die Chance auf den ganz großen Coup.

U19-Torjägerkönig Davie Selke (Werder Bremen)

Der Sieg der deutschen Junioren gegen Portugal war, obwohl die beiden Offensivstars Max Meyer (Schalke 04) und Timo Werner (VfB Stuttgart) fehlten (beide erhielten von ihren Vereinen keine Freigabe), durch eine sehr gute Mannschaftsleistung verdient. In der ersten Halbzeit hatte sie eindeutig mehr Spielanteile und auch die meisten Torchancen. In Halbzeit zwei kamen zwar die Portugiesen besser ins Spiel, schließlich lagen sie zurück, aber die Defensive der deutschen Jungs erwies als unüberwindbar.

Schon jetzt ist das „Gerangel“ um die Stars von morgen groß. Insbesondere Davie Selke vom SV Werder Bremen hat Begehrlichkeiten geweckt. Werder möchte den 19-jährige Stürmer (Marktwert: 250.000 Euro – Vertrag bis 2015) aber unbedingt halten. „Wir wollen längerfristig mit Selke planen und sind bereit, auch über vertragliche Anpassungen zu reden“, so Rouven Schröder, Werders Direktor Profifußball.

Selke ist eines von vielen Talenten, die bei dem Turnier in Ungarn auf sich aufmerksam gemacht haben. Weitere Stützen der deutschen U19 sind die Innenverteidiger Niklas Stark vom 1.FC Nürnberg (Marktwert: 2 Mio. €) und Freiburgs Marc-Oliver Kempf (1,5 Mio. €), Leverkusens Spielmacher Öztunali (1,5 Mio. €/Enkel von Uwe Seeler), Linksaußen Julian Brandt (5 Mio. €, Bayer 04) sowie Mittelfeldspieler Marc Stendera (800.000 €) von Eintracht Frankfurt. Bemerkenswert: Die genannten Leistungsträger haben bei ihren Vereinen mit Ausnahme von Selke allesamt langfristige Verträge unterschrieben. Insofern können Leverkusen und Co. gelassen auf Wechselgerüchte rund um ihre Talente reagieren. (Quelle: transfermarkt.de)

Wer von den Jungs den großen Durchbruch schaffen wird, lässt sich heute noch nicht absehen. Ich denke da natürlich an die U21 von 2009, die heute den Stamm der A-Mannschaft des Weltmeisters mit Neuer, Boateng, Hummels, Höwedes, Khadira und Özil stellen. Talent ist reichlich vorhanden. Der deutsche Fußball braucht sich um seine Zukunft wohl keine Sorgen machen.

(Fast) unterschlagene Beiträge – Teil 33

Bernies Deal

Bernie Ecclestone ist der Herr der Formel 1. Im Juni 2012 soll er dem zu einer Haftstrafe von achteinhalb Jahren verurteilten ehemaligen Bankvorstand 44 Millionen Dollar Schmiergeld gezahlt haben, um einen Verkauf der BayernLB-Anteile an der Formel-1-Holding zu erreichen. Mitte Juli 2013 erhob die Staatsanwaltschaft München Anklage gegen Ecclestone wegen Bestechung und Anstiftung zur Untreue in einem besonders schweren Fall. Seit Ende April 2014 wird darüber vor dem LG München verhandelt. Dem Formel-1-Boss drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Jetzt beantragten die Verteidiger die Einstellung des Verfahrens, da die strafrechtliche Verantwortung des Formel-1-Bosses „höchst fragwürdig“ sei. Die Staatsanwaltschaft deutet an, zuzustimmen – wenn Ecclestone eine angemessene Summe zahlt. Ecclestone sieht zwar keinen finanziellen Schaden für die BayernLB – will aber dennoch 25 Millionen Euro als Ausgleich zahlen.

Man muss nur genügend Kohle haben, um sich in unserem ‚Rechtsstaat’ freizukaufen. Bravo!

Monty Python live (mostly) – One Down Five to Go

In weniger als einer Minute waren die 20.000 Tickets für die Reunion-Show von Monty Python in der Londoner O2-Arena ausverkauft: ARTE überträgt die letzte dieser Shows heute um 21 Uhr 30 – eine Mischung aus alten Sketchen und neuem Material mit spektakulären Spezialeffekten.

    Monty Python live (mostly) - One Down Five to Go - 2014

Die Pressekonferenz im vergangenen Jahr war ein Vorgeschmack auf den Hype, den diese Versammlung auslösen würde. Journalisten aus aller Welt waren nach London gekommen, um vom ersten gemeinsamen Auftritt von John Cleese, Terry Gilliam, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin seit Jahrzehnten zu berichten. Es fehlte lediglich der 1989 verstorbene Graham Chapman.

Zehn Shows wurden zwischen dem 1. und dem 20. Juli angesetzt, die letzte davon wird weltweit live in Kinosäle übertragen sowie im Online-Stream auf ARTE Concert zu sehen sein. Die Erwartungshaltung der Fans ist riesig. Deshalb setzen Monty Python auf eine Mischung aus alten Sketchen und neuem Material. „Wenn man eine Band sagen hört, jetzt spielen wir unsere neuen Songs, weiß man, es ist Zeit, auf die Toilette zu gehen“, sagt Eric Idle.

„Monty Python’s Flying Circus“ begann 1969 als BBC-Fernsehserie (ARTE zeigt 26 Folgen – OmU – auf ARTE Concert). Bis 1974 entstanden 45 Folgen. Zahlreiche Sketche sind in das kollektive Gedächtnis der Fans rund um den Globus eingegangen. In den 70er Jahren kamen sie auch mit mehreren legendären Filmen wie „Monty Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft“, „Die Ritter der Kokosnuss“ oder „Das Leben des Brian“ in die Kinos. Der bisher letzte gemeinsame Auftritt, damals noch mit Graham Chapman, fand 1982 in Los Angeles statt.

U19-DFB-Team zaubert sich bei EM in Ungarn ins Finale

Nach der WM ist vor der WM, nein, nach der WM ist mittendrin bei der EM der U19. In Ungarn läuft zz. die Endrunde der 30. Fußball-Europameisterschaft der U19-Junioren, also der Jugendnationalmannschaft bis zum 19. Lebensjahr (Jahrgang 1995).

Und das deutsche Team steht morgen am Donnerstag um 19 Uhr – auch dank der sechs Tore von Davie Selke, Werder Bremen – im Finale gegen Portugal. Übertragen wird das Spiel von Eurosport.

Mit dieser U19-Mannschaft um Trainer Marcus Sorg steht die nächste Generation hervorragender Spieler in den Startlöchern. Das junge Team sich durchaus mit der Europameistermannschaft der U21 von 2009 vergleichen lässt, die heute im wesentlichen die deutsche A-Nationalmannschaft ausmacht – und die wurde vor kurzem bekanntlich Weltmeister.

Marcus Sorg wird auch als neuer Co-Trainer des Bundestrainer und damit als Nachfolger von Hansi Flick gehandelt. Die schlechteste Entscheidung wäre das nicht. Und Sorg hätte sicherlich auch das Zeug, eines Tages Nachfolger von Joachim Löw zu werden.

WM 2014: Özil, ein Franz Kafka auf dem Rasen

Viele werden in ein tiefes Loch fallen, manch einer wird drei Kreuze machen: die Fußball-Weltmeisterschaft ist nach 32 Tagen endlich zu Ende. Mir reicht es jetzt mit Fußball. Endlich finde ich zu meinem bisherigen Tagesrhythmus zurück, der während der WM durch die für uns Europäer späten Anstoßzeiten doch erheblich ‚aus dem Gleis’ geriet. Trotzdem sei mir eine kurze Nachbetrachtung zu dieser WM erlaubt …

    FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien

Dass Sportereignisse dieser Größenordnung selbstverständlich auch eine wirtschaftliche und damit politische Dimension haben, dass die jeweiligen globalen Sportverbände (hier der Weltfußballverband, die FIFA) sich Rechte herausnehmen, die man nur skandalös nennen kann (steuerfreie Einnahmen für Fernsehrechte und Vermarktung in Milliardenhöhe – die Kosten trägt allein das veranstaltende Land) – Brasilien ist wie zuvor Südafrika ein Beispiel dafür, wie Gelder, die für Bildung und Gesundheitswesen benötigt werden, in Stadienbauten, Infrastruktur usw gesteckt werden, die nach der Fußball-WM nur wenig Nutzen bringen.

Zudem macht sich die FIFA die Welt, wie sie ihr gefällt. So durften nur positive Szenen einer störungsfreien, harmonischen WM aus den Stadien gesendet werden, keine Flitzer, keine Transparente, die z.B. die FIFA als geldgierige Mafia anprangern, kein Einschreiten von Militärpolizei und Ordnungskräften. Unter heftigem Protest der Zuschauer, unter Pfiffen und nicht zu überhörenden „Fifa-raus“-Rufen hatte das Sicherheitspersonal dafür gesorgt, dass die Fans ihre Banner einrollten. Gezeigt wurde davon in der TV-Übertragung nichts (Quelle: welt.de/wams und welt.de).

Sportlich war es sicherlich eine durchaus ansprechende Weltmeisterschaft mit Höhen und Tiefen. Das Halbfinalspiel Brasilien – Deutschland (1:7) war sicherlich nicht nur aus deutscher Sicht der Höhepunkt dieser WM (und der Tiefpunkt des brasilianischen Fußballs). Das Endspiel Deutschland – Argentinien konnte da sicherlich nicht mithalten, bot aber ein spannendes, da intensiv geführtes Spiel zwischen zwei gleichwertig guten Mannschaften („auf gleicher Augenhöhe“ wie man so schön sagt).

Natürlich gibt es dann auch immer die Frage nach den besten Spielern dieser Weltmeisterschaft. Den Goldenen Ball für den besten Spieler vergab die FIFA an Lionel Messi (der Silberne Ball ging an Thomas Müller, der Bronzene Ball an Arjen Robben). Dass diese Entscheidung kritisiert wird, verwundert keinen. Sicherlich ist Messi der beste Fußballspieler der Welt, aber er war es nicht bei diesem Turnier. So ist auch die Vergabe der FIFA-Fairplay-Trophäe an Kolumbien äußerst unglücklich. Immerhin spielte bei Kolumbien Juan Zuniga, der mit seinem brutalen Foul für das WM-Aus von Superstar Neymar verantwortlich war (siehe auch stern.de).

Die Vergabe des Goldenen Handschuhs an Manuel Neuer als besten Torhüter des Turniers geht wohl voll und ganz in Ordnung. Gestern veröffentlichte die FIFA dann auch die „Index Top 11“ der Weltmeisterschaft 2014:

Tor:
Manuel Neuer (Deutschland)

Abwehr:
Marcos Rojo (Argentinien)
Thiago Silva (Brasilien)
Mats Hummels (Deutschland)
Stefan de Vrij (Niederlande)

Mittelfeld:
James Rodriguez (Kolumbien)
Philipp Lahm (Deutschland)
Oscar (Brasilien)
Toni Kroos (Deutschland)

Stürmer:
Thomas Müller (Deutschland)
Arjen Robben (Niederlande)

Auch das bereitet einiges Kopfschütteln: Wenn man Lionel Messi zum besten Spieler des Turniers wählt, warum taucht er dann in dieser „Top 11“ nicht auf (weil die ‚Kriterien’ natürlich andere sind). Philipp Lahm spielte erst Mittelfeld, dann in der Verteidigung und war als rechter Verteidiger um einiges besser. Arjen Robben ist sicherlich ein Stürmer mit einer ungewöhnlichen Dynamik, aber auch mit einem Hang zur Fallsucht.

Die ‚Welt am Sonntag’ (ohne Berücksichtigung des Spiels um Platz 3 und des Endspiels) veröffentlichte folgende ‚Traumelf’:

Tor:
Manuel Neuer (Deutschland)

Abwehr:
Philipp Lahm (Deutschland)
David Luiz (Brasilien)
Mats Hummels (Deutschland)
Ricardo Rodriguez (Schweiz)

Mittelfeld:
Angel di Maria (Argentinien)
James Rodriguez (Kolumbien)
Toni Kroos (Deutschland)

Stürmer:
Thomas Müller (Deutschland)
Lionel Messi (Niederlande)
Neymar Jr. (Brasilien)

Da David Luiz (Brasilien) im Spiel um Platz 3 einigen Bockmist verzapfte, dagegen Jerome Boateng im Endspiel eine ‘abgezockte’ Leistung bot, würde ich ihn neben Mats Hummel in diese ‚Traumelf’ als Innenverteidiger einstellen. Und ich bleibe dabei: James Rodríguez ist für mich der beste Spieler des Turniers, wenn er mit Kolumbien auch schon im Viertelfinale ausschied. James Rodríguez ist übrigens bester Torschütze des Turniers und bekommt dafür den Goldenen Schuh (Thomas Müller ‚belegt‘ auch hier den 2. Platz und bekommt den Silbernen Schuh; der Bronzene Schuh geht immerhin noch an Neymar Jr.).

Deutschland wurde also am Sonntag zum 4. Mal Fußball-Weltmeister nach 1954, 1974 und 1990. Im Vorfeld zum Endspiel der deutschen Mannschaft gegen Argentinien las ich (ebenfalls in der ‚Welt am Sonntag’) ein Interview mit dem Philosophen und Autoren Martin Gessmann über die Emotionen in Deutschland und Argentinien: „Sehnsucht eines Klassenbesten“:

Interessant fand ich dabei die geschichtlichen Bezüge im Zusammenhang mit dem Gewinn einer Weltmeisterschaft: Mit dem Titelgewinn 1954 wurde das Nachkriegstrauma verarbeitet. Das Jahr gilt als Datum der eigentlichen Staatsgründung der Bundesrepublik Deutschland. „1974 war, wenn man so will, eine Einlösung dessen, was das deutsche Wirtschaftswunder bedeuten wollte: Wir können etwas, und das machen wir ganz gut. 1990 erklärt sich von selbst, Franz Beckenbauer hat es vielmals wiederholt, die deutsche Einigung war ein starkes Motiv.“ Zum Titel 2014 sagt Gessmann: „Deutschland muss irgendwie mit der Rolle eines Klassenbesten zurechtkommen, und der Sport bietet eine Möglichkeit, das einigermaßen akzeptabel hinzubekommen.“

Bezogen auf Argentinien: „Argentinien hat zweimal die WM gewonnen, 1978 und 1986. 1978 fällt in die dunkle Zeit der Militärdiktatur, wer heute zurückschaut, ist betroffen. Der Titel 1986 ist das sportliche Siegel auf den demokratischen Neubeginn nach dem verlorenen Falklandkrieg.“

Von Argentinien und dem Tango („Es ist ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann.“) führt das Gespräch zu Mesut Özil und der Frage:

Besitzt die Nationalmannschaft mit Mesut Özil nicht auch einen Profi, der selbst dann noch traurig blickt, wenn es sensationell gut läuft?

„Mesut Özil ist ein Poet, das ist etwas anderes. Oder wie es Hans Ulrich Gumbrecht sagen würde: Özil ist ein Franz Kafka auf dem Rasen. Alles ganz heiter, man muss es nur verstehen.“

Wie die Bilder dieser Tage zeigen, huschte auch Mesut Özil ein Lächeln übers Gesicht. Wer freut sich nicht, wenn er das Höchste erreicht, was in seinem Fach möglich ist.

Hier eine Übersicht meiner gesamten Beiträge zu der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien (und damit Schluss):

Auf zur WM 2014 nach Brasilien
Gelungener Auftakt
Adiós España!
WM 2014: Offener Schlagabtausch
WM 2014: Nur ein Bisschen … – Von Beißattacken und die Kurve kriegenden Griechen
WM 2014: James, der Star der WM
WM 2014: Auf Biegen und Brechen – Mit Hängen und Würgen
WM 2014: Auf ins Viertelfinale
WM 2014: Neymars Schatten
WM 2014: … und auf dem Mond da weiden Kühe!
WM 2014: Eine Lanze für Béla?!
WM 2014: Das glückliche Händchen des Herrn Löw

WM 2014: Das glückliche Händchen des Herrn Löw

Am 29. Juni 2009 war die Geburtsstunde einer neuen deutschen Fußballspielergeneration. Vor etwas mehr als fünf Jahren wurde das U21-Team Europameister. Spieler wie Manuel Neuer, Jérôme Boateng, Benedikt Höwedes, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut Özil gehören heute zum Stamm der deutschen A-Mannschaft – und diese wurden gestern in Rio de Janeiro nach 1954, 1974 und 1990 zum vierten Mal Fußball-Weltmeister (siehe meinen Beitrag Mit Multikulti zur Europameisterschaft).

Im Grunde wurde nach dem grandiosen 7:1-Sieg gegen Gastgeber Brasilien nur noch über die Höhe des deutschen Siegs diskutiert. Das ein Spiel immer anders als das nächste sein könnte, wurde nicht in Betracht gezogen. Aber Argentinien, vorneweg mit Lionel Messi, der am Ende zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, zeigte die mit Abstand beste Leistung während der 32 Tage in Brasilien und war zumindest ein ebenbürtiger Gegner für die Deutschen.

So stand das Spiel lange Zeit auf des Messers Schneide. Besonders brenzlig wurde es in der 21. Minute, als Toni Kroos, der bei diesem Turnier bislang überragende Mittelfeld-Regisseur, einen Blackout hatte und in der eigenen Hälfte ohne Not einen Ball zurück in Richtung Manuel Neuer köpfte – Higuain erlief den Fehlpass und ging frei aufs Tor zu – schloss aber viel zu überhastet ab. Vielleicht lag das an der ‚übermächtigen Präsenz’ die Neuer während des gesamten Turniers zeigte.

    FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien

Manchmal verlor die deutsche Mannschaft sogar den Faden, kämpfte sich dann aber wieder zurück. In der Nachspielzeit dieser unglaublich intensiven ersten Hälfte musste dann eigentlich das 1:0 für Deutschland fallen. Eine Ecke von Kroos landete auf dem Kopf des völlig freistehenden Höwedes – doch der wuchtete die Kugel aus sechs Metern an den rechten Innenpfosten.

Lionel Messi erspielte sich dank seiner hervorragenden Technik besonders in der zweiten Halbzeit einige Chancen, vergab diese dann aber doch eher überhastet. So endete das Spiel nach 90 Minuten ohne Tore. Verlängerung:

WM 2014: Endspiel Deutschland-Argentinien 1:0 - Torschütze Götze – Passgeber Schürrle

Es war dann Schürrle, der sich in der 113. Minute auf der linken Seite großartig durchsetzte und auf Götze passte – der den Ball technisch überragend mitnahm und ins lange Eck zum 1:0 für Deutschland vollstreckte. Danach machte Argentinien zwar noch einmal enormen Druck, konnte Neuer und die deutsche Abwehr aber nicht mehr in Verlegenheit bringen.

Mit der Einwechslung von Mario Götze für den WM-Rekordtorschützen Klose bewies der Bundestrainer, Joachim Löw, wieder einmal ein glückliches Händchen. Wie schon in anderen Spielen so stach auch hier der Joker.

Das deutsche Team tat sich teilweise ziemlich schwer. Besonders Toni Kroos und auch Mats Hummels hatten nicht ihren besten Tag erwischt. Und wie ich zuvor befürchtete, so hätte fast ein individueller Fehler eines einzelnen Spielers die Entscheidung zugunsten der Südamerikaner bringen können. Aber die Argentinier konnten keinen Profit daraus schlagen. Betrachtet man das gesamte Turnier (besonders das Jahrhundertspiel gegen Brasilien im Halbfinale), dann hat die deutsche Mannschaft letztendlich doch verdient das Turnier und damit den ‚vierten Stern’ gewonnen. Die Saat von 2009 ist nun aufgegangen.

WM 2014: Eine Lanze für Béla?!

    7:1. Würde dieses Ergebnis nicht morgen früh frischtätowiert auf Jerome Boatengs Unterarm prangen, wir würden es wohl nicht glauben.
    Dirk Gieselmann (11freunde.de)

Nun ist es also amtlich: die deutsche Mannschaft spielt am Sonntag (Anstoßzeit 21 Uhr MESZ) im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft gegen Argentinien. Während Deutschland gegen Brasilien am Dienstag ein Fußballfest feierte (siehe 11Freunde-Liveticker zum Nachlesen und Schmunzeln: Wenn dir etwas gefällt, analysiere es nicht, sondern tanze dazu!), konnte sich im 2. Halbfinalspiel Niederlande-Argentinien (siehe 11Freunde-Liveticker: Argentinien holt Silber) keiner so recht für das Fahrziel entscheiden: Brasilia zum Spiel um Platz 3 gegen Brasilien oder nach Rio de Janeiro zum Endspiel. Da selbst nach 120 Minuten kein Tor fiel, entschied das Elfmeterschießen zugunsten der Argentinier. Louis van Gaal hatte leider schon drei Spieler ausgewechselt (aber keiner der Joker zog), sodass Tim Krul nicht Held spielen konnte. Bis gestern noch als Taktikerfuchs gefeiert, mögen ihn heute die Holländer eher in den Hintern treten: van Gaal versucht von seiner verfehlten Defensivtaktik abzulenken und wettert gegen FIFA und Spiele um 3. Plätze.

    Bis gestern Abend war das noch ein Witz, jetzt ist es Wirklichkeit: Treffen sich ein Holländer und ein Deutscher beim Bäcker. Fragt der Deutsche: »Gegen wen spielt ihr morgen eigentlich?« Sagt der Holländer: »Argentinien!« Darauf der Deutsche: »Ach, guck an! Gegen die spielen wir am Sonntag!«
    FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien

Nun ein solches Spiel wie das gegen Brasilien verdient besonderer Betrachtung. Zuvor ein kleiner Rückblick: 1970 noch jung an Jahren und damit dank der Gnade früher Geburt durfte ich ein WM-Spiel live am Fernsehgerät miterleben, dass als das Jahrhundertspiel in die Geschichtsbücher des Fußballsport einging: ebenfalls ein Halbfinalspiel, damals bei der WM in Mexiko: Deutschland-Italien, das in der Verlängerung 3:4 für Italien endete. Dieses Spiel und zuvor die Aufholjagd der deutschen Mannschaft im Viertelfinale gegen England (nach 0:2 noch ein 3:2) hatten großen Anteil daran, dass die WM von 1970 bis heute (bis Dienstag!) als fußballerisch bisher beste WM bezeichnet wird.

Nun das Spiel am Dienstag dürfte vielleicht als das Jahrhundertspiel des 21. Jahrhunderts verbucht werden. So etwas gibt es nicht alle Tage. Daher hier zum Nachlesen die Einzelkritiken der deutschen Akteure, einmal in Kurzfassung bei stern.de: Es regnet Einsen – nur einer bekommt keine – und einmal etwas ausführlicher bei 11freunde.de: Nashörner auf Anabolika.

Zum Endspiel 2014: Mir sind die Argentinier irgendwie lieber. Dank einer lange währenden Feindschaft mit Brasilien darf man davon ausgehen, dass die brasilianischen Fans die deutsche Mannschaft unterstützen werden. Aber mir ist vor allem ein Filigrantechniker des Schlags Messi lieber als der Hauruck-Fußballer Arjen Robben. Nichts gegen Robben. Er war (sic!) sicherlich einer der Stars dieser WM. Aber sein immer gleiches schablonenhaftes Angriffsspiel (Sprint auf der rechten Außenbahn, dann der Hakenschlag um 90 Grad Richtung Spielfeldmitte und dort dann der Torschussversuch) kann ich nicht mehr sehen. Wie die Holländer so spielen die Argentinier allerdings weitgehend defensiv. Da tut sich also nicht viel. Da müssen die Deutschen den Riegel schon knacken. Schauen wir mal (auf der Arbeit habe ich ein 2:0 für Deutschland getippt).

Eine Fußball-Europameisterschaft oder wie jetzt die Fußball-Weltmeisterschaft – das ist auch Béla Réthy, der Fernsehkommentator, wenn der Ball im ZDF rollt. Er kommentierte u.a. die Endspiele der Europameisterschaft 1996 in England (Deutschland gegen Tschechien), der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea (Deutschland gegen Brasilien), der Europameisterschaft 2004 in Portugal (Portugal gegen Griechenland), der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 (Spanien gegen Niederlande) und der Fußball-Europameisterschaft 2012 (Spanien gegen Italien). Wie gut, dass das Endspiel bei der Weltmeisterschaft in Brasilien in der ARD (Kommentator: Tom Bartels) ausgestrahlt wird.

Nichts gegen Réthy. Es gehört zu einem Fußballländerspiel wie das Salz zur Suppe (wenn diese vielleicht auch oft genug versalzen ist). „Na klar, ein, zwei schräge Sätze sind immer dabei. Und lt. focus.de kommt er oft genug „daher wie der abgehalfterte Reiseführer einer Bus-Sightseeing-Tour. Das ist ein Ball! Das war ein Foul! Manchmal vergisst er Sehenswertes oder bringt auch mal Spieler durcheinander. … Réthy scheint zum Lothar Matthäus seines Gewerbes zu mutieren.“

„‚Ein 0:0 zur Halbzeit, das sich anfühlt wie ein 0:0’, mit dieser Botschaft schickte er die Zuschauer zum kalten Bier im Kühlschrank nach der ersten Halbzeit. Ein anderer Rethy-Satz: ‚Er hat eine Torquote von null, das ist für einen Torjäger nicht viel.’ Na, wo er Recht hat, hat er Recht.“ (Quelle: tagespiegel.de)

Manchmal weiß man wirklich nicht, ob es eher verbaler Slapstick oder einfach nur Gedankenverlorenheit ist, was Béla Réthy in Sätze verpackt. Seine Sprüche werden inzwischen als Best of im Netz gesammelt. Und wer Réthy absolut nicht mag, darf sich über Facebook der Gruppe BelaRethyUnlike anschließen.

Wie bereits erwähnt: Dieses Mal überträgt die ARD das Endspiel – und da ist Béla Réthy außen vor (aber auch Tom Bartels hat seine Kritiker). Wer partout weder Réthy noch Konsorten ertragen möchte, kann gewissermaßen den Kommentatoren die ‚rote Karte’ zeigen und den Fernseh- durch den Radiokommentar der ARD austauschen. ARD und ZDF übertragen diesen als zweite Tonspur, die sich bei gängigen Fernsehgeräten auswählen lässt. (siehe www.focus.de/digital).

    Fernbedienung: z.B. Umschalten bei Stereo-/Bilingualsendungen
    Fernbedienung: z.B. Umschalten bei Stereo-/Bilingualsendungen

Und wer’s einmal ganz anders will, der kann Fußballspiele live selbst kommentieren – oder anderen dabei zuhören über marcel-ist-reif.de.

Wer etwas für Taktik übrig hat und sich z.B. das unfassbare 7:1 ‚erklärt’ haben möchte, der kann dies bei spielverlagerung.de tun. Da lernt man noch etwas ‚fürs Leben’.

Zuletzt: Angeblich sollen die Chancen für das deutsche Team bei 61 zu 39 % liegen (Quelle: fivethirtyeight.com). Ich habe ja wie geschrieben ein 2:0 für Deutschland getippt. Eines sei aber wiederholt: Jedes Spiel ist anders. Und wer ein ähnliches Spektakel wie gegen Brasilien erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. Wohin allerdings ‚taktische Zwänge’ führen, haben wir im letzten Spiel der Niederländer gesehen. Da mag Louis van Gaal noch so ein Supertaktiker sein, wenn Herz und Leidenschaft fehlen, dann wird das nichts. Was das anbelangt, da bin ich bei der deutschen Mannschaft zuversichtlich. Die bewahren zudem immer auch einen ‚kühlen Kopf’. Auf denn nach Rio!