Es geht doch!

Den Start in die Rückrunde der Fußball-Bundesliga hat sich der SV Werder Bremen auf Schalke sicherlich zunächst anders vorgestellt. Schon in der 4. Minuten kassierte man nach einem Eckball ein Tor. Und nach einer viertel Stunde hätten die Gelsenkirchener den Sack bereits zu machen können.

Jannik Vestergaard umarmt Clemens Fritz: Schalke 04 – Werder Bremen 1:3

Dann kam aber die Stunde von Werder-Kapitän Clemens Fritz (35 Jahre alt), der noch vor Verabreichung des Pausentees mit einer schönen Einzelaktion in seinem 300. Bundesligaspiel den Ausgleichtreffer erzielte. Und in der 2. Halbzeit ging es erfolgreich mit ihm weiter: mit zwei wundervollen Vorlagen bedient er erst Claudio Pizarro (37 Jahre alt), dann Anthony Ujah (25 Jahre jung), die sich bei ihm mit ihren Toren bedankten. Werder siegte auf Schalke mit 1:3. Es geht doch!

Trotz des Sieges bleibt Werder auf dem 16., den Relegationsplatz – immerhin aber auf Tuchfühlung mit Vereinen wie Stuttgart, Frankfurt und Augsburg – und mit vier Punkten Vorsprung auf Platz 17 und 18.

Am Samstag (30.01.) spielt Werder nun zu Hause gegen Hertha BSC, die überraschend auf Platz 3 der Tabelle zu finden ist. Die Berliner glänzten zuletzt durch eine starke Abwehr und mit hoher Effektivität nach vorn. Man kann nur hoffen, dass Werder den Schwung aus Gelsenkirchen mit ins Weserstadion bringt, denn die Ausbeute aus Heimspielen ist bisher in der laufenden Saison äußerst mager (lediglich ein Sieg und ein Unentschieden bei sechs Niederlagen). Werder muss endlich seine Heimschwäche überwinden.

Kleines Kuriosum am Rande: Assani Lukimya (29), Innenverteidiger der Bremer, hat seinen Vertrag überraschend mit Werder aufgelöst, um zum Liaoning FC in China zu wechseln. Für ihn wurde Papy Djilobodji vom FC Chelsea ausgeliehen, der gegen Schalke bereits in der Startelf debütierte und ein ordentliches Spiel machte. Allerdings hat Lukimya bis gestern Nachmittag seinen Vertrag noch nicht unterschrieben. Der Wechsel gilt damit nicht als vollzogen. Man darf gespannt sein, denn immerhin soll Lukimya zwei Millionen Euro Ablöse bringen, Geld, das Werder gut gebrauchen kann.

Und was sonst noch so aufgefallen ist: Im Spiel Hannover 96 – Darmstadt 98 (1:2) sind alle Tore durch ehemalige Werderspieler gefallen (Hugo Almeida und Sandro Wagner). Sandro Wagner konnte damals bei Werder nicht landen. Ähnliches gilt für Niels Petersen (SC Freiburg), der zz. mit 15 Treffern die Torjägerliste der 2. Liga anführt. Lennart Thy (zz. 6 Tore) wird im Sommer vom FC St. Pauli zu Werder zurückkehren.

Jacques Tati: Trafic (1971)

Ach, wie liebe ich diesen großen, schlaksigen Franzosen mit seinem beigen Trenchcoat, dem Hut und der langen Pfeife im Mund: Von Jacques Tati habe ich jetzt nach Die Ferien des Monsieur Hulot (1953) und Schützenfest (1949) einen weiteren Film angeschaut, dem letzten mit Monsieur Hulot in der Hauptrolle: Trafic aus dem Jahre 1971. Was für eine Erholung. Endlich wieder schmunzeln, ja lachen nach all den Dreck, von dem man zz. im Internet überschüttet wird.

JA DAS NETZ … und die Dummheit! Was dort von Rechtsaußen gehetzt wird, wie jeder Depp meint, seinen Hass unters Volk streuen zu müssen, kann einen fast sprachlos machen.

Da hilft selbst ein Hilferuf an die mindestens durchschnittlich Begabten von Sascha Lobo wenig. Denn dem ganzen Gesocks ist, wie Lobo selbst feststellt, nicht beizukommen: „Häufiger schon wurde darüber geschrieben, dass man mit diesen Leuten nicht diskutieren könne. Das liegt aber nicht nur daran, dass sie nicht wollen, sondern dass den Kommentatoren auf der Seite oft selbst die elementarsten Dialogfähigkeiten fehlen. An ihnen perlt sogar die Frage ‚Warum?‘ ab.“

Was sind wir für ein Volk geworden? Jede Knallcharge torkelt mit seinem Smartphone durch die Gegend und erbricht sich ins Netz. OMG, wohin soll das noch führen? Wenn ich vor irgendwen Angst habe, dann vor diesen hirnamputierten rechten Horden! Genug! Genug!

Wie entspannend ist da Jacques Tati!

Im Mittelpunkt steht ein modern konstruierter Campingwagen, an dessen Entwicklung auch Monsieur Hulot beteiligt war. Dieser soll zu einer Automobil-Ausstellung in Amsterdam überführt werden. Leider ergeben sich viele Verzögerungen, sodass Hulot und seine Kollegen erst in Amsterdam ankommen, als die Ausstellung beendet ist.


Jacques Tati Trafic – Trailer

„‚Trafic‘ spielt in einer Welt, die für das Auto geschaffen wurde und in der die Menschen nur zweitrangig sind. Die meisten kommen nicht pünktlich dort an, wo sie hin möchten. Das gilt nicht nur für die Autofahrer; also die drei Hauptfiguren, die Unfallbeteiligten, die Wartenden auf der Polizeiwache und die Wartenden in den zahlreichen Staus. Auch die Fußgänger werden in der abschließenden Szene von den Autos am zügigen Fortkommen gehindert.“

Wir heutigen Betrachter, die mit schnellen Schnitten und einem schnellen Handlungsablauf (Action nennt man das wohl) allzu oft gemartert werden, brauchen etwas Geduld (der Film hat immerhin 45 Jahre auf dem Buckel), um sich an das gemächliche Tempo des Films zu gewöhnen. Schon damals standen die Autos im Stau und kamen nur stockend voran. So sieht man Bilder von sich in der Nase popelnden Autofahrern – oder wie sie vor Müdigkeit gähnen. Die Langeweile überträgt sich – sicherlich gewollt – auf den Zuschauer (der dann vielleicht auch popelnd ‚in sich‘ geht).

In der zweiten Hälfte versprüht der Film dann aber jenen Tati’schen Humor in Hülle und Fülle. – Ich mag den schwarzen englischen Humor. Tatis Humor ist dagegen ‚bunt‘ Und ich mag auch diesen Humor, der mit viel französischen Charme daherkommt.

Jacques Tati als Monsieur Hulot in Trafic (1971)

Köstlich ist die Szene, in der Hulot einen beim Massenunfall Verletzten nach Hause bringen lässt, er an der Tür klingelt, die wohl nicht funktioniert. So wirft er Steinchen ans obere Fenster. Und als auch daraufhin niemand reagiert, versucht er, das Spalier hochzuklettern. Dabei kommt ihm das hochgerankte Gewächs entgegen. Später hängt er dann kopfüber in einem Baum beim Versuch, das Rankengewächs zu richten.

„Trafic“ ist der erste Film von Tati, der – teilweise – außerhalb Frankreichs spielt. Alle Darsteller sprechen ihre Texte in ihrer Muttersprache, also hauptsächlich Französisch, Flämisch und Niederländisch. Die Amerikanerin Maria Kimberly spricht Englisch. In der Fassung, wie sie der Sender arte zum Jahreswechsel ausgestrahlt hatte, müssen also einige wenige Teile deutsch synchronisiert worden sein. Für die Handlung ist das Sprachverständnis aber eigentlich (wie auch in den anderen Hulot-Filmen) unwichtig.

Bemerkenswert ist die Optik, die dieser Film vermittelt. Was mir sehr schnell auffiel, ist das Fehlen von Nah- oder Großaufnahmen von Personen. Tati verweist den Zuschauer in die Rolle des distanzierten Betrachters. Dies erreicht er durch die fast ausschließliche Verwendung von Totalen und halbnahen Einstellungen.

Weiter passen sich die Schnittfolgen dem Inhalt an. Harte, rhythmische Schnitte am Anfang vom Automobilwerk und kurze Einstellungen auf der Autobahn werden abgelöst von langen Passagen der Urlaubsidylle am Fluss und behutsamen Schwenks bei Aufnahmen der choreographischen Szenen: Hauben- und Türenöffnen bei der Messe, der Auftritt der beiden parallel agierenden Motorradfahrer und der Unfall auf der Kreuzung.

Tati ist großartig, der Film ein zeitloses Meisterwerk,– und ich freue mich schon auf einen weiteren Film von ihm, Playtime (Tatis herrliche Zeiten) aus dem Jahr 1967, der Tati allerdings wegen der für damalige Zeiten horrenden Kosten in die Insolvenz trieb.

Übrigens: Nach einem von Tati geschriebenen Drehbuch, aber dann nicht realisierten Film, entstand 2010 ein französisch-britischer Animationsfilm von Sylvain Chomet: L’Illusionniste. Leider ist der Film Trafic im Netz nur als Trailer oder in kurzen Ausschnitten verfügbar. Dafür (als Entschädigung) hier der Animationsfilm, in dem Tati als Tati auftritt:


The Illusionist(2010) – Full Movie

WilliZ Krimi des Jahres 2015

Ich weiß: Im Fernsehen, besonders bei den Öffentlich-Rechtlichen, werden fast nur noch Krimis und Heimatfilme gesendet. Mancher Krimi ist dann auch noch eine Art Heimatfilm – und umgekehrt. Wenn man weder das eine noch das andere mag, wird man wahrscheinlich längst den Dauerauftrag für den ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice (früher GEZ genannt) widerrufen haben. Oder man guckt Sport (aber immer die Bayern mag auch selbst der Fußballbegeisterte nicht mehr sehen).

Ich mag Krimis. Und Krimis mit einem gewissen Lokalkolorit sind mir auch durchaus recht. Viele fragen sich natürlich, warum man sich das antun muss: Mord und Todschlag ohne Ende. Ich denke, der Mensch ist eine Bestie und in jedem steckt, wenn auch nur verborgen, das Raubtier. Wer hat nicht schon mal gedacht: Den (oder die) bring ich um! Fürchtete man nicht die Konsequenzen, dann würden viele Leichen die Straßen pflastern.

Aber im Ernst: Es ist die psychologische Komponente, die mich an Krimis interessiert. Fällt die mager aus, dann taugt der Krimi nicht viel. Gemetzel (z.B. à la Tatort-Schweiger) sind nicht mein Ding. Hat ein Krimi dann auch noch eine gewisse Portion Humor, dann finde ich auch das in Ordnung.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Nun ist ein Jahr (nämlich 2015) wieder vorbei – und ich habe einmal gesichtet, welche Kriminalfilme mir im letzten Jahr besonders gefallen haben. Da gibt es eine fast unübersichtlich große Anzahl von Serie. An vorderster Front natürlich die ARD mit dem Tatort. 2015 hat der Tatort übrigens mit 40 Folgen einen neuen eigenen Rekord aufgestellt. So viele Folgen gab es bisher noch nie in einem Jahr. Drei Folgen ragten dabei für mich heraus:

Tatort (937): Das Haus am Ende der Straße – Frankfurt (Steier)
Tatort (964): Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes – Kiel (Borowski/Brandt)
Tatort (968): Wer bin ich? – Wiesbaden (Murot)


Tatort (937): Das Haus am Ende der Straße


Tatort (964): Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes – Kiel (Borowski/Brandt)

Die Frankfurter Episode war leider der letzte Fall mit dem Ermittler Steier (hervorragend von Joachim Król gespielt) und mehr Kammerspiel als Krimi – auch dank eines geradezu genialen Armin Rohde. Zum ‚stillen Gast‘ habe ich ja schon einiges geäußert. Axel Milberg ist der mir zz. liebste Tatort-Ermittler. Und Murot aka Ulrich Tukur – da reicht schon die Nennung des Namens Tukur: ein Tatort, der angenehm aus der Reihe fällt, soll plötzlich der Schauspieler, der den Kommissar spielt, ein Mörder sein – ein Spiel mit Identitäten (wie schon der Titel verheißt).

Was der Tatort für die BRD ist, das war vor der Wende der Polizeiruf 110 für die DDR. Wie gut, dass diese Serie nicht eingestellt wurde und jetzt auch Ermittler in den alten Bundesländern auf Tätersuche gehen wie z.B. Kommissar Hanns von Meuffels (hervorragend gespielt von Matthias Brandt) in München. Matthias Brandt ist übrigens der jüngste Sohn des früheren deutschen Bundeskanzlers Willy Brandt und dessen Frau Rut:

Polizeiruf 110 (351): Kreise

Apropos Armin Rohde. Er ist nicht immer der Böse, sondern kann auch auf gut (ohne ein Gutmensch zu sein) und ermittelt selbst in Hamburg in der ZDF-Reihe Nachtschicht:

Nachtschicht (12): Wir sind alle keine Engel


Nachtschicht (12): Wir sind alle keine Engel

Wie gesagt: Mancher Kriminalfilm ist auch (fast) ein Heimatfilm. So gibt er mehrere Serien, die die Region, in der sie spielen, im Namen tragen:

Spreewald-Krimi (8): Die Sturmnacht
Alle Folgen zu dieser wirklich sehenswerten Serie gibt es jetzt als Spreewaldkrimi – Komplettbox – Folge 1-7 [4 DVDs]


Spreewald-Krimi (8): Die Sturmnacht

Der Usedom-Krimi (2): Schandfleck


Der Usedom-Krimi (2): Schandfleck

Stralsund (7): Es ist nie vorbei

Weitere sehenswerte Kriminalfilme waren die folgenden, die aus dem Vielerlei an Krimis durch ihre Thematik oder Machart herausragten:

Begierde – Mord im Zeichen des Zen
Das Dorf der Mörder
Die kalte Wahrheit


Die kalte Wahrheit

Kritiken zu all den im Fernsehen gesendeten Kriminalfilmen gibt es viele. Ein gutes Näschen für Fernsehproduktion haben die Kritiker von tittelbach.tv – der Fernsehfilm-Beobachter (daher auch fast durchweg die Links zu den Filmen auf diese Website führen). Und so findet sich hier auch eine Kritik zu einem TV-Film, den ich gewissermaßen als die Nummer eins der 2015 gesendeten Krimis erwählt habe (okay, die Erstsendung war ein Jahr zuvor, 2014 – aber hier darf es auch einmal eine 2015 wiederholte Ausstrahlung sein):

München Mord (2): Die Hölle bin ich

In der 2. Folge der ZDF-Reihe München Mord tauchen wir als Zuschauer „in das andere München der neureichen Glücksritter [ein]. Ein rachsüchtiger Krimineller übernimmt die Arbeit der Polizei. Die Charaktere machen ihrem bisherigen Image als Kommissarin ohne Selbstvertrauen, als Casanova-Cop und als „Psycho“ alle Ehre.“ Es ist ein Krimi mit viel Witz und ebenso viel Spannung, wobei das mir liebe Psychologische keineswegs auf der Strecke liegen bleibt. Das mag ich.


München Mord (2): Die Hölle bin ich

Also viel Holz für mehrere lange Winternächte. Wer denn mag: Viel Spannung und Spaß beim Gucken!

siehe auch: Williz Tatort-Sammlung

Jethro Tull: Too Old to Rock ’n‘ Roll, Too Young to Die! (1976) – Box-Set

Im Halbjahresrhythmus schafft es Steven Wilson die Scheiben von Jethro Tull neu abzumischen. Nach Benefit, dann Thick as a Brick, A Passion Play. War Child und zuletzt Minstrel in the Gallery war nun das 1976 erschienene Too Old to Rock ’n‘ Roll, Too Young to Die! (TOTRNR) dran, als neuer Stereo-Mix und natürlich in 5.1-Version bereitgestellt zu werden.

Als die Scheibe vor jetzt 40 Jahren erschien, war ich wenig begeistert. Zu sehr hatte sich die Gruppe von der Musik wie auf Stand Up verabschiedet. Das war immerhin die Scheibe, die mich zu Jethro Tull geführt hatte.


Jethro Tull – Too Old To Rock’n’Roll Too Young To Die (‚Russian Mix‘)

TOTRNR ist wieder ein Konzeptalbum und sollte eigentlich die Musik zu einem Bühnenmusical liefern, das dann allerdings nicht realisiert wurde. Ian Anderson arbeitete hier eng mit David Palmer zusammen, der die Orchester-Arrangements schrieb und auf dem Stück ‚From A Dead Beat To An Old Greaser‘ das kurze Saxofonsolo spielte. Übrigens singt Maddy Prior, die später auch öfter mit Martin Barre, dem Gitarristen der Gruppe, zusammenarbeitete, auf dem Titelsong im Hintergrund (zusammen mit Angela Allen),

Jethro Tull: Too Old to Rock ’n‘ Roll, Too Young to Die! (1976)

Nun zu einem Bühnenstück reichte es nicht. Dafür wurde die Plattenhülle mit einem ansehnlichen Comic versehen, das die Geschichte von Ray Lomas, einem alternden, wenig betuchten Rocker erzählt. Die Geschichte findet sich dann natürlich auch in den Liedern wieder. Wirklich aufregend ist diese nicht gerade, auch wenn Ray am Schluss, weil sein Musikstil wieder gefragt ist, zum Popstar avanciert.

Einige Kritiker fassten das Album als persönliche Stellungnahme von Anderson auf. Der wollte damit nach eigenen Angaben allerdings keine Autobiographie von sich als alternder Songschreiber schreiben.


Jethro Tull – Too Old To Rock’n‘ Roll… TV Special 1976 Full Show

Das Album wurde für eine Fernsehshow neu aufgenommen und dann auch mit der Musik und den Musikern auf einer Bühne von BBC verfilmt. Die Aufnahme (weder die Musik noch der Film selbst) wurden bisher offiziell veröffentlicht, waren aber zwischenzeitlich im Internet verfügbar. Auf diesem neuen Remix in einer Box mit zwei CDs und zwei DVDs ist nun auch diese TV-Show enthalten. Das war der eigentliche Grund für mich, diese Box zu kaufen (zunächst war mir der Preis von 40 € etwas zu hoch, so habe ich gewartet, bis der Preis ‘runterging und mir am Ende die Box zu Weihnachten schenken lassen). Die Filmaufnahmen sind allerdings im Seitenverhältnis 4:3, dafür u.a. mit dem 5.1-Remix. Natürlich sind auch wieder einige bisher unveröffentlichte Stücke sowie der Quad-Mix dabei.

Jethro Tull: Too Old to Rock ’n‘ Roll, Too Young to Die! (1976)

Inzwischen bin ich auch mit dieser Scheibe halbwegs versöhnt. Das liegt sicherlich wieder einmal an diesem gelungen Remix von Steven Wilson. Was soll ich dazu noch groß schreiben: Das Remix (von der Neuaufnahme für die TV-Show) hört sich einmal transparenter an und wirkt viel dynamischer als die alten gemischten Aufnahmen von dem LP-Original. Die Instrumente kommen klar heraus. Der Bass klingt knackig und offenbart, welch hervorragender Bassist John Glascock war. Dieser starb drei Jahre später leider viel zu früh.

CD 1: Album re-recorded for TV special (Steven Wilson remix)
1. „Prelude“
2. „Quiz Kid“
3. „Crazed Institution“
4. „Salamander“
5. „Taxi Grab“
6. „From A Dead Beat To An Old Greaser“
7. „Bad-Eyed And Loveless“
8. „Big Dipper“
9. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“
10. „Pied Piper“
11. „The Chequered Flag (Dead Or Alive)“
12. „From A Dead Beat To An Old Greaser“ (Bonus – original LP tracks)
13. „Bad-Eyed And Loveless“ (Bonus – original LP tracks)
14. „Big Dipper“ (Bonus – original LP tracks)
15. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ (Bonus – original LP tracks)
16. „The Chequered Flag (Dead Or Alive)“ (Bonus – original LP tracks)
17. „Quiz Kid (Version 1)“ (Bonus – Monte Carlo out-take)

CD 2: Associated recordings (Steven Wilson remix)
1. „Salamander’s Rag-Time“
2. „Commercial Traveller“
3. „Salamander (Instrumental)“
4. „A Small Cigar (Acoustic Version)“
5. „Strip Cartoon“
6. „One Brown Mouse (Early Version)“
7. „A Small Cigar (Orchestrated Version)“
8. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die! (Demo)“
9. „Prelude“ (Bonus – Original album flat transfer)
10. „Quiz Kid“ (Bonus – Original album flat transfer)
11. „Crazed Institution“ (Bonus – Original album flat transfer)
12. „Salamander“ (Bonus – Original album flat transfer)
13. „Taxi Grab“ (Bonus – Original album flat transfer)
14. „From A Dead Beat To An Old Greaser“ (Bonus – Original album flat transfer)
15. „Bad-Eyed And Loveless“ (Bonus – Original album flat transfer)
16. „Big Dipper“ (Bonus – Original album flat transfer)
17. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die!“ (Bonus – Original album flat transfer)
18. „Pied Piper“ (Bonus – Original album flat transfer)
19. „The Chequered Flag (Dead Or Alive)“ (Bonus – Original album flat transfer)

DVD 1:
1. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die?“ (TV film with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and Dolby Digital Stereo)
2. „TV audio (stereo)“ (in 96/24 stereo PCM)
3. „Five original LP tracks (5.1 surround and stereo)“ (with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and 96/24 stereo PCM)

DVD 2: Associated recordings and others
1. „Salamander’s Rag Time“ (with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and 96/24 stereo PCM)
2. „Commercial Traveller“ (with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and 96/24 stereo PCM)
3. „A Small Cigar (Acoustic Version)“ (with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and 96/24 stereo PCM)
4. „Strip Cartoon“ (with DTS and Dolby Digital 5.1 surround sound and 96/24 stereo PCM)
5. „Quiz Kid (Version 1)“ (in 96/24 stereo PCM)
6. „One Brown Mouse (early version) (Original Master Mix)“ (in 96/24 stereo PCM)
7. „Salamander (Instrumental)“ (in 96/24 stereo PCM)
8. „Strip Cartoon (Original Master Mix)“ (in 96/24 stereo PCM)
9. „A Small Cigar (Orchestrated Version) (Original Rough Mix)“ (in 96/24 stereo PCM)
10. „Too Old To Rock’n’Roll: Too Young To Die (Demo)“ (in 96/24 stereo PCM)
11. „A flat transfer of the original 1976 Quad LP Production Master with DTS 4.0 and Dolby Digital AC3 4.0 surround sound.“
12. „A flat transfer of the original 1976 LP master at 96/24 stereo PCM.“

„Ein gesamtgesellschaftliches Problem“

Es ist viel gesagt und noch mehr geschrieben worden. Eines ist gewiss: Die Flüchtlingsfrage bleibt das bestimmende Thema auch in diesem Jahr. Die Vorfälle von Silvester am Kölner Hauptbahnhof müssen als einschneidendes Ereignis angesehen werden. Besonders den Rechtsextremen dienen sie als Vorlage, um gegen Flüchtlinge auf das Übelste zu schimpfen. Dabei steigt nicht nur die Zahl der Hasskommentare im Netz, sondern auch die Gewalttaten nehmen zu. Die Behörden registrierten im vergangenen Jahr etwa 850 rechts motivierte Attacken gegen Flüchtlingsheime, davon mehr als 70 Brandanschläge. „Es ist ein Wunder, dass dort noch keine Toten zu beklagen sind“, sagt Uwe-Karsten Heye vom Verein „Gesicht zeigen“ in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. (Quelle u.a. heute.de)

Im Kreiszeitung-Wochenblatt für die Region Nordheide wurde in der neuesten Wochenendausgabe ein Interview mit dem jungen Islamwissenschaftler Tim Langner veröffentlicht, in dem u.a. die Frage, ob eine frauenverachtende Einstellung Bestandteil islamischer Kultur ist, angesprochen wurde.

Ob mit Kopftuch verhüllt oder ‚freizügiger' gekleidet: Keine Frau darf Opfer sexueller Übergriffe werden

Nach den sexuellen Übergriffen von Männerhorden mit Migrationshintergrund, u.a. in Hamburg und Köln, überschlagen sich die Autoren in den sogenannten sozialen Netzwerken. Das islamische Facebook-Magazin „Muslim Stern“ gibt den weiblichen Opfern und ihrer „freizügigen Bekleidung“ die Schuld. Zitat: „Einige Frauen sollten darüber nachdenken, ob es klug ist, leicht bekleidet und angetrunken sich zwischen Horden von alkoholisierten Männern zu begeben. Generell trägt die Frau aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Verantwortung, wenn sie sich aus dem Haus begibt.“

Die Rechtspopulisten hingegen sehen sich in ihren Warnungen vor „Überfremdung“ bestätigt und hetzten gegen die „ausländische Meute“. Das WOCHENBLATT bat Islamwissenschaftler Tim Langner, der beim Beschäftigungsprojekt des Herbergsvereins Flüchtlinge betreut, um eine Einschätzung.

WOCHENBLATT: Wieviele Flüchtlinge betreuen Sie und Ihre Kollegen beim Beschäftigungsprojekt des Herbergsvereins Winsen und welche Nationalitäten sind vertreten?

Tim Langner: Wir betreuen momentan etwa 280 Menschen. Der Großteil der Menschen kommt aus dem arabischsprachigen Raum, wir nehmen die Nationalitäten zwar auf, führen aber keine diesbezügliche Statistik, weil das Projekt für alle nach Asylbewerberleistungsgesetz leistungsberechtigten Personen zugänglich ist und die Nationalität daher keine Rolle spielt.

WOCHENBLATT: Ist eine frauenverachtende Einstellung Bestandteil islamischer Kultur?

Tim Langner: Nein. Es gibt auch innerhalb des Islams viele unterschiedliche Strömungen, individuelle Ausprägungen und Auslegungen der religiösen Quellen. Jemand, der sich selbst als Salafist bezeichnet, ist nicht zwangsläufig ein gewalttätiger Jihadist, auch wenn er oder sie möglicherweise einem, in meinen Augen diskriminierenden Modell der Geschlechterrollen anhängt. Ebenso kann eine ägyptische Feministin, die sich für absolute Gleichberechtigung einsetzt, gleichzeitig eine gläubige Muslima sein.

Die Verbindung, die häufig zwischen einem diskriminierenden Frauenbild und islamischer Religion gezeichnet wird, liegt meiner Ansicht nach vor allem darin begründet, dass sich innerhalb einiger muslimisch geprägter Gesellschaften patriarchische Strukturen etabliert haben, die zur Folge haben, dass auch die Interpretation religiöser Quellen hauptsächlich von Männern durchgeführt wird. Dies führt zu patriarchisch dominierten Auslegungen, die leider in der öffentlichen Diskussion viel präsenter sind als z.B. reformislamistische oder feministische Interpretationen.

WOCHENBLATT: Spielen noch weitere Aspekte eine Rolle?

Tim Langner: Beispielsweise wirtschaftliche Verhältnisse oder bestehende gesellschaftliche Strukturen. Diese prägen ebenso wie religiöse Einflüsse einen Menschen, der grundsätzlich dazu neigt, Gelerntes zunächst einmal auf sein Leben anzuwenden. Das gilt meines Erachtens für alle Menschen, überall.

WOCHENBLATT: Ist Ihnen das Phänomen „El Taharrush“/„Taharrush gamea“ (gemeinschaftliche sexuelle Belästigung, d. Red.) bekannt? Wenn ja, wo und von welchen Bevölkerungsgruppen ausgehend finden solche Übergriffe statt?

Tim Langner: Das Phänomen ist mir bekannt, war jedoch keiner der gesellschaftlichen Aspekte, mit denen ich mich während meines Studiums eingehender befasst hätte. Darüber hinaus ist es kein Phänomen, das islamischen Gesellschaften exklusiv ist. Vielmehr findet es sich in vielen männlich dominierten Gesellschaften, etwa in Indien, wieder. Es gibt durchaus wissenschaftliche Auseinandersetzungen zu dieser Thematik, die versuchen, die Hintergründe dieses Phänomens zu untersuchen. Diese werden u.a. von den Organisationen der Vereinten Nationen durchgeführt und sind öffentlich zugänglich.

WOCHENBLATT: Gibt es Ihrer Einschätzung nach Möglichkeiten, diese Übergriffe zu verhindern?

Tim Langner: Sexuelle Übergriffe sind ein gesamtgesellschaftliches Problem. Es ist notwendig, die Menschen dahingehend zu sensibilisieren, dass sexuelle Belästigung auch als solche erkannt und im Fall der Fälle zur Anzeige gebracht wird. Repräsentative Studien weisen darauf hin, dass knapp 60 Prozent der Frauen in Deutschland bereits mindestens einmal zum Ziel sexueller Belästigung geworden sind. Die Ursachen hierfür zu erheben und anzugehen, ist ein erster Schritt, um ein gesellschaftliches Klima der Gleichberechtigung zu schaffen. Letztlich ist es notwendig, Straftaten zu verfolgen und mit den Mitteln des Rechtsstaates zu bestrafen. Dies gilt selbstverständlich auch für die Vorkommnisse in Köln. Da in der Bundesrepublik glücklicherweise der Grundsatz „in dubio pro reo“ gilt, braucht dies aber seine Zeit, ebenso wie ein eventuell anhängiges Gerichtsverfahren. Sonderregeln für bestimmte Vergehen oder Gruppen zu finden, untergräbt die Basis dieses Rechtsstaates und stellt eine Gefahr für die Demokratie und die Freiheit des Einzelnen dar.

WOCHENBLATT: Befürchten Sie, dass Anschläge wie der in Istanbul künftig auch in Deutschland geschehen können?

Tim Langner: Es ist natürlich – völlig unabhängig von Anschlägen in Beirut, Paris, Istanbul oder Jakarta – unmöglich, Anschläge kategorisch auszuschließen. Absolute Sicherheit ist eine Illusion und in meinen Augen auch kein wünschenswerter Zustand, denn das bedeutete, dass es eine Institution gäbe, die alles über jeden wüsste. Eine grauenhafte Vorstellung und paradoxerweise das tatsächliche Ende relativer persönlicher Sicherheit. Ich denke, die Wahrscheinlichkeit einem Anschlag zum Opfer zu fallen, ist äußerst gering.

WOCHENBLATT: Was müsste Ihrer Ansicht nach getan werden, um das Anschlagsrisiko zu verringern?

Tim Langner: Ein weltpolitisches Bestreben, Fluchtursachen zu bekämpfen, würde diese Wahrscheinlichkeit weiter verringern. Dazu gehören die konsequente Bekämpfung von Armut und Perspektivlosigkeit, die Hilfe zur Selbsthilfe durch Bildung und Qualifizierung, der bewusste und nachhaltige Umgang mit begrenzten Ressourcen sowie deren Verteilung. Terrorismus, Bürgerkriege, Radikalisierungen, Fluchtbewegungen, Hunger, all diese Dinge hängen miteinander zusammen. Deswegen können nur gemeinsame, internationale Bemühungen und Zusammenarbeit und nicht etwa nationale oder europäische Abschottung die Sicherheit geben, die sich die große Mehrheit aller Menschen wünscht. Dazu wird es vermutlich notwendig sein, dass die Industriegesellschaften auf Teile ihres Überflusses zu verzichten lernen müssen.“

Zur Person – Tim Langner (28) lebt in Hamburg und ist Sozialarbeiter im Beschäftigungsprojekt für Flüchtlinge beim Herbergsverein Winsen und Umgebung. Er absolvierte den Bachelor Studiengang „Geschichte, Sprache und Kultur des Vorderen Orients, Schwerpunkt Islamwissenschaften“ am Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg mit dem Nebenfach Politikwissenschaft. „Die Motivation hierzu ergab sich im Nachgang der Anschläge vom 11. September 2001. Die teilweise eindimensionale Auseinandersetzung mit den Anschlägen und den vermuteten Hintergründen war mir zutiefst zuwider und weckte in mir das Bestreben, mich mit unterschiedlichen Aspekten der Welt auseinanderzusetzen“, so Tim Langner. Während seines Studiums absolvierte er ein Auslandssemester an der University of Jordan in Amman. Nach dem Studium war er ein halbes Jahr für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) am Technical Trainers College in Riad, Saudi Arabien, beschäftigt.

Jacques Tati: Schützenfest (1949)

Nach Jacques Tatis zweiten Spielfilm Die Ferien des Monsieur Hulot aus dem Jahr 1953 habe ich mir jetzt auch seinen ersten von ihm selbst geschriebenen und inszenierten Langfilm Jour de fête (Tatis Schützenfest – 1947 gedreht, 1949 erschienen) angeguckt, der mit drei weiteren Filmen zum Jahreswechsel auf arte gezeigt wurde.

François (Jacques Tati), der linkische Briefträger in dem verträumten Dorf St.-Sévère-sur-Indre, begeistert sich plötzlich für den Fortschritt: Nachdem er im Kinozelt auf dem Schützenfest in einem Film gesehen hat, dass die Post in den USA mit Flugzeugen befördert wird, nimmt er sich keine Zeit mehr für ein Gläschen Wein oder ein Schwätzchen im Bistro, denn das Motto lautet von nun an: „Rapidité!“ Auf seinem klapprigen Fahrrad hetzt er durchs Dorf und erfindet waghalsige Kunststücke, um Zeit zu sparen. Die anderen Dorfbewohner schütteln den Kopf, wenn sie ihn rasen sehen. (Quelle: dieterwunderlich.de)

Schon in diesem Film zeigt Tati das Spannungsfeld zwischen „guter alter Zeit“ und den Errungenschaften der Moderne, die er 1967 auch in dem Film Tatis herrliche Zeiten (Playtime) persiflierte.

In „Tatis Schützenfest“ kommt es durch Fortschritt und Rationalisierung in einem Dorf zur Katastrophe, denn da bleiben die persönlichen Beziehungen auf der Strecke. Tatis Kritik richtet sich wohl auch gegen die Amerikanisierung des Lebens, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa einsetzte. Den Film inszenierte er als ein Geflecht von Miniaturgeschichten rund um den Postboten François.

Jacques Tatischeff wurde 1908 in Frankreich geboren, als Sohn eines Kunstrestaurators, Enkel eines russischen Grafen und mit italienischen, niederländischen und französischen Vorfahren. In den Dreißigerjahren trat er als angeblich betrunkener Pausenkellner in einem Pariser Nachtclub auf und zog als Pantomime durch Kabaretts, Varietés und Zirkuszelte. 1947 drehte er seinen ersten Kurzfilm: „Die Schule der Briefträger“.

Mit „Tatis Schützenfest“ ist ihm ein poetischer, liebevoller und urkomischer Film gelungen, der 1949 bei den Filmfestspielen in Venedig und im Jahr darauf mit dem Grand Prix du Cinema ausgezeichnet wurde.

Tati als Briefträger François ist einfach köstlich. Es klingt vielleicht komisch, aber um in den vollen Genuss des Films zu kommen, muss man erst einmal ‚loslassen‘ und vielleicht all den Schenkelklopfermist US-amerikanischer Machart vergessen. Besonders amüsant sind die Radfahrerszenen. In der ersten Szene hat sich François‘ Fahrrad selbständig gemacht:


Tatis Schützenfest (Jour de fête): Ausschnitt 1

Und hier ist François schneller unterwegs als das Peleton von Radsportlern:


Tatis Schützenfest (Jour de fête): Ausschnitt 2

Geschwindigkeit ist alles: Wie sich François die moderne Briefzustellung vorstellt:


Tatis Schützenfest (Jour de fête): Ausschnitt 3

Tatis Schützenfest (Jour de fête) - Kopf 'runter, in die Pedalen!

Zuletzt eine kleine Hommage an Tatis Film, der auch die Szene enthält, als François, vom Bäckerjungen auf dem Mofa angetrieben („Kopf ‚runter, in die Pedalen!“), die Abzweigung verpasst und, statt über die Brücke zu fahren, im Fluss landet:


Hommage an Tatis Schützenfest (Jour de fête)

Die Szene mit dem Sturz ins Wasser erinnert mich an eine Szene aus dem ebenfalls aus Frankreich stammenden Film Willkommen bei den Sch’tis. Hier landet Philippe, der deutlich angetrunkene Filialleiter der Post, mit dem Rad in ein Straßencafe. Ob die Macher des Films hier vielleicht an Jacques Tati gedacht haben?

Willkommen bei den Sch’tis: Ab geht die Post

Unwort des Jahres 2015: Gutmensch

Die Rechtsextremen-Szene hat ihren eigenen Jargon. Dabei werden oft Begriffe übernommen und in ihrem Wortsinne umgekehrt. Das Wort ‚Gutmensch‘ dient so der Verhöhnung von Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus einsetzen, und damit als „Kampfbegriff gegen Andersdenkende“.

Jetzt wurde ‚Gutmensch‘ zum Unwort des Jahres 2015 gewählt, nachdem das Wort bereits 2011 auf den zweiten Platz gelandet war. Ich finde das gut so. Wer „Toleranz und Hilfsbereitschaft pauschal als naiv, dumm und weltfremd, als Helfersyndrom oder moralischer Imperialismus diffamiert“, wer diejenigen, „die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren oder die sich gegen Angriffe auf Flüchtlingsheime stellen“, zu beleidigen sucht, wird auf diese Weise bloßgestellt. Wer andere mit diesem Unwort bedenkt, offenbart lediglich seine dumme Arroganz, Uneinsichtigkeit, ja sein ganzes asoziales Verhalten.

Unwort des Jahres 2015: Gutmensch

Leider wird der Ausdruck nicht nur im rechtsextremen Lager benutzt, sondern auch von Journalisten zur Pauschalkritik an einem „Konformismus des Guten“. Vielleicht lässt die Brandmarkung als Unwort des Jahres solche Journalisten ihr Schreiben überdenken.

Natürlich steht die Wahl des Wortes ‚Gutmensch‘ im Zusammenhang mit dem, was immer wieder als Flüchtlingskrise bezeichnet wird. Und geradezu zwangsläufig wären wir damit bei den Ereignissen der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof. Dazu ist bis heute sehr viel geschrieben worden. Vor allem viel Unsinn. Keine Angst, ich werde mich hüten, hier meinen Senf dazu beizutragen. Aber so ganz entkommt Ihr mir dann doch nicht.

Zunächst verweise ich auf einen Gastbeitrag der türkischstämmige Autorin Necla Kelek (58) auf rp-online.de: Kaum einer hat sich Gedanken gemacht, wer da ins Land kommt

Frau Kelek ist nicht unumstritten. Zu den vielen hunderttausend jungen männlichen Flüchtlingen schreibt sie: „Ihre Sozialisation ist von Gewalt, der Unterwerfung der Frauen durch die Männer, von Homophobie und Antisemitismus, von Unterwerfung des Einzelnen unter die religiöse Gemeinschaft, von der Familie, dem Clan geprägt.[ …] alle kommen mit der kulturellen Prägung eines islamischen Welt- und Menschenbildes hierher, das sich von dem libertären Freiheitsbegriff unserer Zivilgesellschaft fundamental unterscheidet.“

Damit hat sie meiner Meinung durchaus Recht. Sie schreibt dann aber weiter: „Das Ergebnis ist ein Kulturschock, der sich in Gewalt und Übergriffen entladen hat.“ – siehe Köln. Ich fürchte, dass hier extrem verallgemeinert wird. Ein Problem vieler (fast aller) Wortmeldungen in diesen Tagen. Die jungen Flüchtlinge kommen nach Deutschland durchaus mit der Einsicht, dass hier vieles anders ist und dass sie sich den Gegebenheiten anpassen, dass sie sich integrieren müssen, wenn sie bleiben wollen. Ausnahmen gibt es natürlich immer. Und die haben sich in Köln ‚vorgestellt‘.

Aber genug. Oder doch noch nicht ganz. Ich empfehle einen Beitrag von Thomas Fischer, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, auf zeit.de: Unser Sexmob. Sein ironischer, gar polemischer Ton mag manchen vielleicht abschrecken; ich finde diesen aber durchaus dem Thema angemessen. Denn so langsam glaube ich, dass wir in einem Irrenhaus leben. Und dem kann man nur noch mit einer Prise Humor begegnen. Herr Fischer geht mit viel gesundem Menschenverstand an die Sache. Und besonders unsere Politiker, allen voran Frau Merkel, bekommen ihr Fett weg. Ich empfehle dabei, die Kolumne bis zum Ende zu lesen. Von meiner Seite ist dem nichts mehr hinzuzufügen. Nun aber wirklich genug!

Noch eines: Leider predigt auch ein Bundesrichter mit seinem Text tauben Ohren. Und die, die etwas missverstehen wollen, werden es auch missverstehen. Wenn es aber gelingt, den oder die eine(n) nachdenklich zu machen, so wäre das schon ein Erfolg.

Tatort (307) aus München (1995): Im Herzen Eiszeit

Sicherlich ist es nicht unbedingt einer der besseren Tatort-Folgen aus München. Aber interessant ist er allemal. Die Münchner Kommissare Batic und Leitmayr ermitteln in ihrem 10. Fall Im Herzen Eiszeit, bei dem es um einen Mord unter den Tatverdächtigen eines alten Überfalles auf ein Geschäft von Rudolph Moshammer geht. Dabei führen die Ermittlungen zu einem privaten Rachefeldzug der Tochter des erschossenen Wachmannes.

Moshammer hat einen kurzen Auftritt (ohne seinem Yorkshire Terrier Daisy) und spielt sich natürlich selbst.

Hintergrund dieser Tatort-Folge ist die Hausbesetzerbewegung und neoanarchistischen Szene in München Anfang der 80-er Jahre. Die Hauptrolle spielt der Ex-Frontmann der Band Ton Steine Scherben Rio Reiser, der gut ein Jahr später verstarb. Er komponierte auch die Filmmusik und das Lied „Träume verwehn“. Angesichts seines politischen Engagements galt er als Idealbesetzung für die Figur des Kammermeier und bekam die Rolle vom Regisseur Hans Noever persönlich angeboten, denn in den 70er Jahren war Reisers Lied „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ in der Szene der Hausbesetzer bereits zur Hymne geworden.

Reinhard Kammermeier wird nach elf Jahren Haft aus der JVA entlassen, nachdem er als einziger der vier Täter verhaftet und verurteilt werden konnte. Er zieht wieder mit in seines Vaters Wohnung. Da dieser im Rollstuhl sitzt, war ihm oft die Nachbarin Susanne Koron behilflich. Reinhard, der im Gefängnis noch verschlossener geworden ist als er vorher schon war, weist die junge Frau zurück.

Franz Leitmayr in der Anarcho-Szene 1981

Intererssant ist sicherlich, etwas aus dem ‚Vorleben‘ eines der Münchener Kommissare, Franz Leitmayr, zu erfahren. Denn als die Ermittler alte Fernsehaufnahmen der Demonstrationen und Hausbesetzungen ansehen, ist auch Leitmayr zu sehen (im Bild links – rechts Rio Reiser als Reinhard Kammermeier). Als er dann später in den Polizeidienst eintrat, hat er natürlich seine früheren Kontakte zu der Anarcho-Szene verschwiegen, der böse Bub!


Tatort (307) aus München (1995): Im Herzen Eiszeit

Bereits ein Jahr zuvor im Tatort (300) … und die Musi spielt dazu (1994) hatten die Toten Hosen einen kurzen Gastauftritt. Da sage einer, der Bayerische Rundfank sei CSU-durchseucht.

Jacques Tati: Die Ferien des Monsieur Hulot (1953)

Zum Jahreswechsel sendete arte gleich fünf Filme von Jacques Tati, dem genialen französischen Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseur, dem Botschafter einer poetisch-burlesken Welt, die der Filmgeschichte ihren Stempel aufgedrückt hat.

Jacques Tati (bürgerlich Jacques Tatischeff; 1907 – 1982) kam von der Bühne, wo er mit pantomimischen Szenen Erfolg hatte, in denen er Sportarten und Reisen mit verschiedenen Verkehrsmitteln parodierte. Anfang der 1930er Jahre tauchte er erstmals in Kurzfilmen auf, etwa als Tennis-Champion.

1947 hatte Tati seinen Durchbruch mit dem ersten selbst geschriebenen und inszenierten Langfilm Jour de fête (Tatis Schützenfest).

Jacques Tati: Die Ferien des Monsieur Hulot (1953) - © Les Films de Mon Oncle

Sein zweiter Film Les Vacances de Monsieur Hulot (Die Ferien des Monsieur Hulot) spielt im Hôtel de la Plage (das heute noch als leicht verändertes Hotel existiert) in einem Urlaubsort am Meer (Saint-Marc-sur-Mer, nahe Saint-Nazaire im Département Loire-Atlantique). Er zeigt zum ersten Mal Tatis Alter Ego Hulot, einen liebenswürdigen Individualisten mit Hut und langer Pfeife, der mit den Tücken der modernen Zivilisation und den neuzeitlichen Umgangsformen einen permanenten Kampf austrägt. Der Film gewann 1953 den Louis-Delluc-Preis, das Drehbuch war 1956 für einen Oscar nominiert. Ein wesentliches Kennzeichen des Films ist der fast vollständige Verzicht auf Dialoge. Die Hauptfigur Monsieur Hulot, die Verkörperung eines tollpatschigen Antihelden, gibt so gut wie kein verständliches Wort von sich. Er spricht nur ein Wort, nämlich seinen Namen Hulot, den er dann auch noch kurz buchstabiert. Im Grunde funktioniert der Film wie ein Stummfilm. Von den wenigen Dialogen, die zudem in den verschiedenen Sprachen der Gäste − Französisch, Deutsch und Englisch − gesprochen werden, gehen die meisten in lauten Hintergrundgeräuschen unter oder sie sind bis auf ein paar Wortfetzen bis zur beinahe vollständigen Unverständlichkeit verstümmelt.


Jacques Tati: Die Ferien des Monsieur Hulot (1953) [leider fehlt hier das Ende des Films, die Verabschiedung der Urlaubsgäste]

Ich habe mir den Film „zwischen den Jahren“ nach vielen Jahren wieder einmal angeschaut. Um es gleich zu sagen: Der Film lässt sich nicht mit heutigen Filmkomödien vergleichen, die so oft die Tendenz haben, überdreht zu sein. Tatis Hulot kommt eher auf leisen Sohlen daher, wenn sein altmodisches Auto auch gleich zu Beginn des Films für viel Krach sorgt. Denke ich da z.B. an die zuletzt geschauten Schweiger-Tatorte, so mutmaße ich, dass dieser Film einem Til Schweiger natürlich nicht gefallen wird. Er ist nicht „kompromisslos, atemlos, viril“ genug und leider auch ohne „Non Stop Action“ a la Schweigers Tatorte. Dafür ist der Film „Die Ferien des Monsieur Hulot“ allerdings in die Filmgeschichte eingegangen (die Schweiger-Filme hat man kaum gesehen, dann schon vergessen …)

Der Film ist der erste, in dessen Mittelpunkt Monsieur Hulot steht, die von Tati erschaffene Figur des verträumten, biederen, linkischen Einzelgängers, der ebenso berühmt werden sollte wie sein Erfinder und in allen späteren Filmen des Regisseurs auftrat.

In einer kleinen Pension in der Bretagne bringt die Ankunft des exzentrischen Monsieur Hulot, der hier seine Urlaubstage verbringen will, die beschauliche Ruhe der Feriengäste durcheinander.

Vor dem Hintergrund des damals im Zuge des bezahlten Urlaubs gerade erst aufkommenden Massentourismus inszeniert Tati mit höchstem künstlerischem Fingerspitzengefühl eine nicht abreißende Reihe poetischer Gags.

Mit dem ihm eigenen Perfektionismus fertigte Tati insgesamt drei Fassungen des Films an: Nach der Originalfassung, die 1953 in die Kinos kam, folgte Anfang der 1960er ein Neuschnitt, in dem Tati mehrere Einstellungen auswechselte und Musik und Tonmischung neu erstellte. Die dritte Fassung (Ende der 1960er Jahre) war für eine neue Zuschauergeneration bestimmt. Neben mehreren Umschnitten fügte Tati eine neu gedrehte Szene hinzu: Der speziell inszenierte Gag war eine Anspielung auf Spielbergs Der weiße Hai, der 1975 in den Kinos weltweit Furore machte und das Bild vom Strand als Ort der Unbeschwertheit für Millionen von Urlaubern für immer veränderte. Diese dritte und letzte Fassung wird auf ARTE gezeigt. (Quelle: Olivier Père)

Tatis Alter Ego, der Monsieur Hulot, war das Vorbild für viele nachfolgende Komiker. Mr. Bean gäbe es mit Sicherheit ohne M. Hulot nicht. Otto Waalkes (dank an meinen alten Kumpel Hajo Graue) ‚hat sich die Gangart des M. Hulot zu eigen gemacht‘. Und wer kennt nicht den berühmten Sketch ‚Zimmerverwüstung‘ von Loriot: „Das Bild hängt schief!“. Hier hat sich Loriot bei M. Hulot bedient. Zzunächst der Loriot-Sketch:


Loriot: Zimmerverwüstung (“Das Bild hängt schief!”)

Und hier der kleine Filmausschnitt aus Tatis Film: Bei dem Versuch, ein Bild gerade zu rücken, hinterlässt Hulot ein Zimmer mit einigen demolierten und beschädigten Gegenständen. Okay, ganz so extrem wie Loriot treibt es M. Hulot nicht:


Ausschnitt aus: Jacques Tati: Die Ferien des Monsieur Hulot (1953) (“Das Bild hängt schief!”)

Und ich erinnere mich an ein Feuerwerk aus einen der Filme um Inspektor Clouseau (mit Peter Sellers), das auch ‚unbeabsichtigt‘ entzündet wurde.

„Wie eine Perlenschnur sind die Gags aufgereiht, verbunden von einer überaus liebenswerten Intelligenz und einem romantischen Charme, der über Chaplins kalkuliertes Spiel weit hinausgeht. Eine zärtlich-erfreuliche Typen-Komödie, die sich gegen jede filmische Einordnung nicht nur im französischen Kino sperrt.“ (Lexikon des Internationalen Films)

Tatorte (969/970) aus Hamburg: Showdown im ‚Metronom‘

Ach ja, gleich zum Jahresanfang diese zwei Schweiger-Tatorte. Zunächst aber zwei Nachrichten, die ich loswerden muss, eine gute und eine schlechte. Zunächst die gute Nachricht: Schweiger verschont uns knapp zwei Jahre als Kriminalhauptkommissar Nikolas „Nick“ Tschiller. Dafür gibt es Anfang Februar Tschiller: Off Duty in den Kinos. Wer sich das antun möchte, bitte … Ansonsten darf man voraussichtlich bis zum Januar 2018 warten. Dann wird dieser Kinofilm auch im Fernsehen gesendet. – Die schlechte Nachricht: Wer den Schluss der insgesamt vierten Folge Tschiller-versus-Clanchef-Firat-Astan („Fegefeuer“) gesehen hat, ahnt es bereits: Film- und reale Tochter von Tschiller-Schweiger (Luna Schweiger) übt mit ihrem suspendierten Vater das Schießen. Schweiger sorgt für Nachwuchs … – auch bei der Tatort-Serie?

    aus Tatort Hamburg: Willkommen in Hamburg (2013)

Apropos Schweiger-Tochter: In Folge drei Tschiller-gegen-Astan („Der große Schmerz“) wird die Ex-Frau unseres immer irgendwie gequält dreinschauenden Kommissars vom Bösewicht Astan erschossen, als sich diese schützend vor ihre Tochter stellt. Tschiller hat gerade Ladhemmung. Es wäre für den Zuschauer sicherlich erlösend gewesen, hätte Astan die Tochter getroffen (dann wäre aber nichts mit dem Tatort-Nachwuchs). Im Teil vier nun beteuert dieser Astan gegenüber Tschiller mehrmals, dass er dessen Frau eigentlich nicht erschießen wollte. Und zuletzt rückt er endlich damit heraus: Er wollte die Tochter töten! Ein Witz? Hätte er doch nur …

Überhaupt sind beide Tatort-Folgen ein Witz, denn was sich hier der Autor zusammengereimt hat, ist dermaßen an den Haaren herbeigezogen, das selbst James Bond gegen Tschiller wie ein Sängerknabe wirkt. Zwar holt sich der Hamburger Ermittler eine blutige Nase, wird unter Wasser gedrückt und gewürgt. Sobald aber auf ihn geschossen wird, scheint ihn ein Schild der Unantastbarkeit zu schützen. Keine Kugel kann ihn etwas antun.

Und wenn’s der Film erfordert, dann wird nicht lang gefackelt und die Handlung macht Sprünge, um dort zu landen, wo der Autor die Protagonisten haben will, auch wenn’s logisch nicht nachvollziehbar ist. Hohle Story, banale Psychologie, coole Action – so fasst tittelbach.tv die Tschiller-Doppelfolge zusammen. Action gibt es genug, aber Mord und Totschlag ist eben nicht alles, was einen guten Tatort ausmacht.

Immerhin sorgt Tschillers Mitstreiter Yalcin Gümer (gespielt von Fahri Ogün Yardım) mit einigen auflockernden, allerdings für einen Hauptkommissar auch recht proletenhaften Sprüchlein für einen gewissen Humor.

Und zum Ende zu gibt es noch eine dicke Überraschung, der Showdown im Zug, einem Metronom, der zwischen Bremen und Hamburg verkehrt und mit dem auch ich wochentags zur Arbeit unterwegs bin. Allerdings wird auch hier getrickst. Von dem Gleis in Sprötze (Gleis 1 – siehe Bild), von dem Astan und Tschiller den Zug besteigen, fährt der Zug eigentlich in Richtung Bremen und nicht wie im Film nach Hamburg. Übrigens liegt Sprötze nur 5 Bahnminuten bzw. eine Station von Tostedt entfernt, meinem Wohnort.

Tatort (970) aus Hamburg: Fegefeuer - Showdown im Metronom

Alle vier TschillerFolgen gibt es zz. ab 20 Uhr noch in der ARD-Mediathek zu sehen:

Willkommen in Hamburg (2013) – verfügbar bis 10.01.2016
Kopfgeld (2014) – verfügbar bis 10.01.2016
Der große Schmerz (2016) – verfügbar bis 08.01.2016
Fegefeuer (2016) – verfügbar bis 10.01.2016

Jahreswende

Ich lob’ es nicht, das alte Jahr,
Ich schimpf’ es nicht. So wie es war,
So wie es jetzt noch vor uns steht,
Ehdenn es ganz von hinnen geht,
Verbraucht und alt, die Taschen voll
Von unerfüllten Wünschen, soll
Es meinethalb vergessen sein!

Das neue tänzelt nun herein,
Mit falschem Lächeln im Gesicht,
Die Augen leuchtend, und verspricht
Dem einen dies, dem andern das,
Und allen viel, und jedem was
Und spitzt das Maul, ist zuckersüß,
Das richtige Spinatgemüs!
Dem sag’ ich – gebt mir erst noch Punsch! –,
Dem sag’ ich: Ich hab’ keinen Wunsch.
Bring, was du mußt, nicht, was ich mag,
Und fahre ab am letzten Tag!

    Ludwig Thoma (1867 - 1921)

So schrieb einst Ludwig Thoma, der sich schon als Schüler gegen Scheinautorität und Doppelmoral heftig zur Wehr setzte. Gleitet sicher aus dem Jahr und kommt gut im neuen an: Guten Rutsch oder wie der Hebräer sagt: ראש השנה טוב (Rosch ha schana tov).