Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Was ist bloß mit Ian los? Teil 72: Favourite Guitarists (1)

Liebe Kretakatze, lieber Wilfried,

Wilfrieds Zeitdokumente von Black Out sind gute Beispiele dafür, dass auch mit geringem technischem Aufwand gute Musikaufnahmen möglich sind. Mich würde interessieren, wie es zum Ende der Gruppe gekommen ist. Ich kann mir vorstellen, dass das nicht jedem der beteiligten Musiker leicht gefallen ist.

Wilfried, wirst Du die aktuelle intensive Beschäftigung mit John Fogerty zum Anlass nehmen, Dir sein Konzert in Hamburg anzusehen ? Ich denke, die Gefahr, dass sich seine Fans immer noch aus 7jährigen rekrutieren, ist eher gering. Eine persönliche Inaugenscheinnahme einer unserer Zielpersonen könnte unsere Diskussion gewiss zusätzlich beleben. Allerdings muss ich zugeben, dass ich persönlich kein großer Freund von Open-Air-Konzerten bin, wegen Akustik und Stimmung, you know.

Ich bin Dir sehr dankbar für Deine Frage nach den Lieblingsgitarristen. Eine wirklich gute Idee und ein sehr schönes Thema. Natürlich schätzen wir alle die Saitenkünste des Martin Lancelot Barre. Seine Verdienste um die musikalische Qualität von Jethro Tull kann man nicht überbewerten. Er ist allerdings nicht mein Lieblingsgitarrist. Das hat überhaupt nichts mit seinen Fähigkeiten an der Rockgitarre zu tun, sondern einzig und allein damit, dass Jethro Tull für mich eine Folk-Rock – Band ist, mit der Betonung auf Folk. Mit anderen Worten: Mir gefallen der Gesang (der weiteren Vergangenheit) des Mr. Anderson und die akustischen Saiteninstrumente besser als die Aspekte der Rockmusik, die Mr. Barre in das Spektrum der Gruppe einbringt.

Mein favourite Guitarist ist Brian May von Queen. Er und seine Red Special. Die beiden gehören zusammen wie John Wayne und die Winchester. Trotz meines wenig musikalischen Gehörs würde ich die Red Special unter hundert anderen Gitarren heraushören. Das wohl populärste Zeugnis seiner Kunst legte Mr. May mit dem Solo in der Live-Version von Brighton Rock ab: Durch eine spezielle Spieltechnik (Echo- und Delay-Effekte) ist er in der Lage, mit sich selbst mehrstimmig zu spielen (der Mehrstimmen-Effekt beginnt etwa bei Minute 2:20, aber es lohnt sich, das ganze Video anzusehen). Diese Live-Version hörte ich erstmals auf dem Album Live Killers Ende der 70er Jahr. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nichts von dem Echo-Effekt. Ich wusste nur, dass dort mehr als eine Gitarre zu hören ist. Damals dachte ich, dass sich ein anderes Bandmitglied mit einer Gitarre bewaffnet hat um Mr. May zu unterstützen. Aber, meine lieben Freunde, ein Mr. May hat keine Unterstützung nötig.

(Wem das Brighton-Rock – Solo gefallen hat, mag zusätzlich auf eine kleine Gitarrenschule von Mr. May klicken.)

Neben dem einzigartigen Klang seines Instruments und seinem virtuosen Spiel ist es einfach seine sympathische Erscheinung, die ich an ihm schätze. Ähnlich wie Mr. Barre blieb Mr. May als graue Eminenz bescheiden im Hintergrund. Er hat auch schöne Hände, der Lange. Für mich war er mindestens ebenso entscheidend für den Queen-Sound und den Erfolg der Gruppe wie Mr. Mercury seligen Gedenkens.

Jimmy Page von Led Zeppelin zähle ich ebenfalls zu den ganz großen. Obwohl: Seine Auftritte gefallen mir nicht immer. Ich habe irgendwann einmal einen Auftritt der Gruppe gesehen, bei dem er eine 3-stöckige Gitarre umgeschnallt hatte. Mehr Instrument als Page. Man konnte nur noch vermuten, wer sich hinter diesem Instrument befand. Das ist in meinen Augen reine Protzerei. Dessen ungeachtet steht das Led Zeppelin – Album „Physical Grafitti“ weit oben auf meiner persönlichen Bestenliste.

(Das wäre vielleicht auch ein interessantes Thema: Die Lieblings-Alben unserer Dreier-Runde, getrennt nach JT und dem Rest der Welt).

Beim Schreiben dieser Zeilen wird mir klar, dass ich die Leistung eines Gitarristen nicht objektiv beurteilen kann. Für mich ist entscheidend, ob das, was er spielt, mir gefällt. Ein Beispiel: Möglicherweise ist Ricky King der beste Gitarrist aller Zeiten, aber von mir wird er niemals auch nur einen einzigen Punkt bekommen.

An Wilfried: Als ich vom Evangelischen Kirchentag in Köln hörte, habe ich tatsächlich daran gedacht, ob Familie Albin sich daran beteiligen wird. Diese Frage ist nun beantwortet. Leider scheinen die Kirchentage ganz schön ins Wasser zu fallen; das ganze Rheinland liegt seit Tagen unter einer Gewitterfront.

Ich teile den Eindruck von Kretakatze, dass Mr. Anderson in seinen Texten fast nie politisch geworden ist. Er hat einige gesellschaftskritische Texte geschrieben (Thick As A Brick, Aqualung, Cross Eyed Mary…), aber zu Innen- oder Außenpolitik hat er sich so gut wie nie geäußert. Ungewöhnlich für einen Intellektuellen.

Dass er sich, seine Musik, Texte und sein Publikum für etwas Besonderes hält, versucht er erst gar nicht zu kaschieren. Ich denke da an ein Interview mit ihm, in dem er sinngemäß sagt: „Ich erwarte nicht, dass jeder Künstler solche Texte schreibt wie ich. Es muss auch Texte für Fußballfans geben.“ Das klingt nicht bloß latent arrogant. Ein wenig egozentrisch ist er schon, unser Mr. Anderson. In diesem Zusammenhang: Deine Einschätzung, liebe Kretakatze, dass Jethro Tull de facto ein Solo-Unternehmen ist, teile ich uneingeschränkt. Die Bezeichnung Jethro Tull für seine häufig wechselnde Ansammlungen von Studiomusikern halte ich für den reinsten Etikettenschwindel. Das bringt mich wieder auf den guten Mr. Barre. Welche Rolle spielt er wirklich im Andersonschen Musiktheater ? Ist er ein Freund, den man nicht im Regen stehen lassen will ? Oder ist er eine musikalische Säule, ohne die das Potenkimsche Gebilde namens Jethro Tull zusammenbrechen würde ? Ich wüßte dazu gerne die Meinung des Mr. Barre. Mr. Anderson’s Meinung dazu interessiert mich nicht; dem kann man sowieso nichts glauben.

Liebe Kretakatze, die von Dir vorgestellten CCR-Songs „Hideaway“ und „Fortunate Son“ wirken sehr ernst, traurig, melancholisch. Wenn man diese beiden Lieder hört, kann man sich nur schwer vorstellen, dass sehr viele Kinder zu den CCR-Fans zählen.

Den von Dir getippten Text von JT habe ich nicht erkannt. Ich musste nachschlagen. Der Text ist aus dem Lied „Silver River Turning“ aus dem Album „Nightcap“. „Nightcap“ gehört zu den späten Alben der Gruppe, die ich mir schon gar nicht mehr gekauft habe. Zu viele Metamorphosen sind im vorausgegangen.

Ich erlaube mir, dass o.g. Antikriegslied von CCR als Brücke zu missbrauchen, um auf zwei weitere Antikriegslieder aus dem britischen Umfeld aufmerksam zu machen. Es sind Lieder des zeitgenössischen schottischen Liedermachers Eric Bogle, die oft von Künstlern aus dem irisch-schottischen Dunstkreis interpretiert werden. Beide Lieder haben die Schrecken des Ersten Weltkriegs zum Inhalt: The Green Fields of France behandelt den jungen Gefreiten Willi McBride, der in den Schützengräben Frankreichs ums Leben kam. Durch dieses Lied ist Willi McBride wohl der bekannteste Gefallene des Ersten Weltkriegs geworden. Das Lied gehörte zum Repertoire unserer lokalen Irish-Folk – Gruppe und ich kann Euch versichern, dass ich dabei jedesmal eine Gänsehaut bekam. Der Sänger konnte den Eindruck vermitteln, er habe selbst an der Somme im Schützengraben gelegen.

The Band played Waltzing Mathilda, hier in einer Version von den Pogues, handelt von der furchtbaren Schlacht um Gallipoli. Und Wilfried hat Recht; dieses Lied ist auch von Tom Waits interpretiert worden. Anmerkung des Autors: Ich verstehe nicht, warum das th in Mathilda nicht wie das englische ti-ädsch ausgesprochen respektive gesungen wird.

Meine Lieben, ich wünsche Euch einen schönen Sonntag und einen sanften Einstieg in die neue Woche !

Wenn ich mich recht erinnere, steht Kretakatze kurz vor ihrem verdienten Urlaub, oder ?
Bis bald
Lockwood

09.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

ich fürchte mit meiner Bemerkung zu Kate Bush habe ich etwas überzogene Erwartungen geweckt. Tatsächlich war ich natürlich auch Anno 1978 von ihrem Titel Wuthering Heights begeistert. Nun ist sie auch ungefähr so alt wie ich, höchstens ein paar Monate älter, und es war damals etwas Neues für mich, dass jemand im gleichen Alter in den Charts war. Ich habe auch ein paar Fernsehauftritte von ihr gesehen und fand ihre Darbietung ziemlich stark – da sie halt nicht nur einfach dasteht und singt, sondern ihre Lieder praktisch darstellt. Ihre Stimme fand ich anfangs ziemlich gewöhnungsbedürftig – sie klingt doch etwas kindlich-quäkend – aber bei einem Titel wie Wuthering Heights kann einen das auf Dauer nicht stören. Das ist der Urschrei des Verlangens, und den kann ich auch fünfmal hintereinander hören, ohne dass es mir langweilig wird.

Das war es dann aber auch schon mit Kate Bush und mir für die nächsten knapp 30 Jahre. Anfang diesen Jahres kam ich zu dem Schluss, dass ich mir ein paar Lieder aus dem Internet herunterladen sollte von Musikern, von denen ich vielleicht ein oder zwei Stücke gut finde, so dass sich die Anschaffung einer ganzen CD nicht lohnt. Kate Bush und ihr Wuthering Heights standen ganz oben auf meiner Liste. Dann hatte ich da noch so vage in Erinnerung, dass es in den 70ern noch ein anderes Stück von Kate Bush gegeben hatte, das mir gefallen hatte, ich konnte mich nur weder an Melodie noch Titel erinnern. Schließlich habe ich meinen Sohn gefragt, ob er eine Idee hätte wo man im Internet nach so etwas suchen könnte, und er hat mir YouTube empfohlen. Das war der Anfang vom Ende meines Nachtschlafs. Den gesuchten Song von Kate Bush habe ich allerdings nicht gefunden, wahrscheinlich habe ich mir den nur eingebildet.

Nun finde ich Kate Bush’s Musik durchaus sehr anhörbar, ich habe aber keinen anderen Titel gefunden, bei dem mich die Melodie irgendwie angesprochen hätte, und ich habe auf der Suche nach dem „verlorenen Lied“ wirklich so ziemlich alles durchgeklickt. Aber ich habe vollstes Verständnis dafür, wenn sie Dich , lieber Lockwood, mehr anmacht als – sagen wir mal John Fogerty (nein, das sollte nur ein Scherz sein…). Dass ein geschlechtsloser Außerirdischer mit dem von Dir verlinkten Video viel anfangen könnte, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich fürchte man muss ein Geschlecht haben, um dieses Video zu verstehen.

Eine Bemerkung vielleicht noch zu „Room For The Life“: Mich erinnert Kate Bush’s Gesang in diesem Lied an Vogelgezwitscher. Nett anzuhören, aber für mich ohne greifbare Melodie. Allerdings finde ich, es passt recht hübsch zu einem zwitschernden Vögelchen, wie sie sich da in ihrem Nest räkelt… Ich glaube den geschlechtslosen Außerirdischen hast Du gerade gefunden.

Auch Deine Videos zu den Pogues habe ich angeschaut, aber ich fürchte, das ist nicht meine Welt. Mir erschienen sie beide düster und trist, was aber auch an den Bildern liegen könnte. Deshalb habe ich noch ein paar weitere Videos angeklickt, aber mit denen bin ich auch nicht viel glücklicher geworden. Irgendwie scheinen alle diese Lieder denselben „Hauruck“-Rhythmus zu haben, den ich als eintönig, schwerfällig und zu simpel empfinde. Er erinnert mich stark an deutsche Volksmusik. Und die Texte, soweit ich etwas verstehen konnte, sprechen mich auch nicht gerade an. Eigentlich hatte ich mir die irische Volksmusik etwas „filigraner“ und beschwingter vorgestellt. Sorry, aber ich fürchte, mit dieser Musik kann ich nichts anfangen.

Themawechsel! Diese Mail habe ich mit enttäuschten Erwartungen begonnen, und ich denke das ist ein interessantes Thema. Wir alle leben in dem Korsett der Erwartungen, die unsere Umwelt an uns hat, oder von denen wir denken, dass unsere Umwelt sie an uns hat. Eigentlich tun wir ständig nichts anderes, als uns Gedanken darüber zu machen, was unsere Mitmenschen von uns erwarten, und uns zu bemühen diese Erwartungen zu erfüllen – oft auch völlig unbewußt. Man möchte niemanden enttäuschen. Ich denke das gilt in noch viel höherem Maße für Künstler, die davon leben, dass sie Erwartungen erfüllen oder gar übertreffen. Was erwarte ich also z.B. von unseren Hauptakteuren Anderson und Fogerty?

Von Mr. Fogerty um 1970 erwarte ich zunächst einmal, dass sein Hemd kariert ist. Das klingt wie ein Witz, ist aber keiner. Zu Fogerty’s Erscheinungsbild gehört einfach, dass er kariert aussieht, und wenn er nicht kariert ist, dann bin ich enttäuscht. Es gibt 2 oder 3 Videos, in denen die Karos auf seinem Hemd so kontrastarm sind, dass es aus einiger Entfernung wie einfarbig aussieht. Das sticht mir sofort ins Auge. Ich bin verwirrt und irritiert. Kann es sein, dass das Hemd nicht kariert ist? Ich starre aufs Hemd, kneife die Augen zusammen, ob ich dann vielleicht doch Karos erkennen kann, auf die Musik achte ich schon längst nicht mehr. Dann geht die Kamera näher ran und ich sehe – ah, da sind ja doch Karos drauf, alles in Ordnung, ich kann aufatmen und mich erleichtert zurücklehnen. Und dann erst denke ich „Spinnst Du eigentlich?“. Es ist ein interessantes psychologisches Phänomen, das sich sicher lohnen würde näher zu ergründen. Zur rein optischen Gewöhnung – und der Mensch gewöhnt sich bekanntermaßen nur ungern um – kommen die Zweifel an der eigenen Menschenkenntnis. Da denkt man, man kennt einen Menschen seit über 35 Jahren, und dann muss man plötzlich feststellen: Er trägt auch unkarierte Hemden. So etwas verunsichert.

Desweiteren erwarte ich, dass das, was er singt, nicht klingt wie Mary Don’t You Weep. Nach diesem Video hätte ich fast geheult, ich habe zweimal Witch’s Promise gebraucht, um die Fassung zurückzuerlangen. Auch ich habe meine Erholungsvideos, und gegen süßlich-schmalztriefend, was ich besonders schlecht verkrafte, hilft Witch’s Promise am besten. Ansonsten habe ich eigentlich keine besonderen Erwartungen, das Übliche eben. Er sollte was singen, wenn möglich dazu ein bißchen Gitarre spielen, und falls er was sagt, keinen allzu großen Blödsinn reden. Das war’s dann auch schon.

Sollte ich jetzt aber ein neues Video entdecken mit der Überschrift „Jethro Tull – Thick As A Brick 1972 live Part2“ von TullTapes (nein, Ihr braucht jetzt nicht danach zu suchen, das gibt’s nicht, das ist nur Wunschdenken), dann würde ich einen Meter hoch vom Stuhl aufspringen, eine Flasche Champagner kaltstellen… nein, ich will Euch jetzt nicht mit dem ganzen Vorbereitungs-Prozedere langweilen. Vermutlich würde ich auch nichts von alledem tun, da ich reflexartig innerhalb von Millisekunden dieses Video anklicken würde, bevor mein Gehirn auch nur an Champagner denken kann. Was ich dann erwarten würde, wäre nicht weniger als ein Paradoxon: Ich würde erwarten, dass ich etwas zu sehen bekomme, das ich nicht erwarte. Etwas Sensationelles eben, das ich mir noch nicht einmal vorstellen kann.

Wenn man es geschafft hat, in seinen Mitmenschen eine derartige Erwartungshaltung aufzubauen, dann hat man eigentlich ausgespielt, dann sitzt man in der Falle. Solche Erwartungen kann man auf Dauer nicht erfüllen, da bleibt nur noch eins: Man schert sich einen feuchten Sch***rott um das, was von einem erwartet wird, und tut etwas ganz anderes. Am besten das genaue Gegenteil, oder einfach sonst etwas Schreckliches, Fürchterliches, Entsetzliches. Jedenfalls irgend etwas, mit dem man erreicht, dass diese unerfüllbaren Erwartungen so heftig enttäuscht werden, dass sie eines jähen Todes sterben. Diese Strategie scheint Mr. Anderson nun schon seit einigen Jahrzehnten zu verfolgen.

Bei mir hatte er damit Erfolg. Meine Erwartungen sind inzwischen auf knapp über den absoluten Nullpunkt gesunken. Finde ich ein neues Video mit der Überschrift „Jethro Tull – Thick As A Brick 2007 live“, dann gehe ich folgendermaßen vor: Ich mache zuerst einige entspannende Atemübungen. Dann spreche ich mir selbst Mut zu, indem ich mir sage, dass es eigentlich nichts Schlimmeres geben kann als das, was ich bereits gesehen habe, und dass ich das ja auch überlebt habe. Schließlich klammere ich mich am Stuhl fest und klicke das Video an. Wenn ich das Video überstanden habe, ohne vom Stuhl gefallen zu sein, und ohne laute Entsetzensschreie von mir gegeben zu haben, dann fühle ich mich bereits positiv berührt. „Hm“, denke ich mir, „das war ja garnicht so schlimm, da kann ich ja auch mal ins Konzert gehen.“ Wenn man bei seinen Fans eine derartige Erwartungshaltung erzeugt hat, ist das eine Basis, auf der man aufbauen kann. Von da an kann es eigentlich nur noch aufwärts gehen.

Um es noch einmal kurz zusammenzufassen. Ein einfaches Konzept, wie das von Mr. Fogerty – eingängige Melodie, starke Stimme, kariertes Hemd – lässt sich durchaus 40 oder mehr Jahre durchhalten, solange einem die dafür notwendigen Melodien einfallen, die Stimme mitmacht und es karierte Hemden gibt. Dieses Glück war Mr. Fogerty bislang beschieden. Ein Konzept wie das von Mr. Anderson – jedes Jahr etwas neues, jedes Jahr besser und jedes Jahr sensationeller als im Jahr zuvor – lässt sich unmöglich 40 Jahre durchhalten. Es ist erstaunlich genug, und beweist Mr. Anderson’s Genialität, dass es ihm etwa 10 Jahre lang gelungen ist. Allerdings erklärt das auch noch nicht, warum Mr. Anderson ins Gegenteil verfallen musste: Seine Fans fast jährlich mit neuen Fehlgriffen zu schockieren.

Nachdem ich nun kürzlich meine tiefenpsychologischen Fähigkeiten an Mr. Fogerty angewandt und ihn bis auf den Grund seiner Seele durchleuchtet habe, wäre es wohl eigentlich an der Zeit, nun auch Mr. Anderson dieselbe Behandlung angedeihen zu lassen. Nur muss ich zugeben – da bin ich völlig überfordert. Nicht in meinen kühnsten Phantasien kann ich mir vorstellen, was in seinem Kopf vorgeht. Deshalb bin ich ja überhaupt in diesem Weblog gelandet. Ursprünglich war ich hier von YouTube mal hergesurft, um ein paar Videos anzuschauen. Dann habe ich diesen Link gesehen „Was ist bloß mit Ian los?“. „JA!“ habe ich mir gesagt, „Das ist doch genau das, was ich auch gerne wüßte. Vielleicht steht’s ja hier.“ – klick. Leider, so muss ich gestehen, lieber Wilfried und lieber Lockwood, wurde ich bitter enttäuscht. Ich mußte feststellen, dass Ihr auch nicht mehr wisst als ich, ja dass Ihr bereits mit so einfachen Fragen wie Haar- und Augenfarbe völlig überfordert seid. Da habe ich beschlossen, Euch ein wenig hilfreich unter die Arme zu greifen. An dem Versuch der Beantwortung der Frage „Was ist bloß mit Ian los?“ kann aber auch ich nur hoffnungslos scheitern.

Lieber Wilfried, zu Dir, der Gruppe „Black Out“ und Deinen Gesangskünsten bin ich jetzt noch garnicht gekommen. Aber das verdient eingehende eigene Betrachtung, und deshalb werde ich mich darüber erst in meiner nächsten Mail auslassen. Solange schon einmal vielen Dank, dass Du Dir die Mühe gemacht hast die alten Aufnahmen auszugraben und aufzubereiten. Das muss auch entsprechend gewürdigt werden – in meiner nächsten Mail…

Seid lieb gegrüßt
Kretakatze

PS.: Und hier jetzt wie versprochen die Videos zu diesen beiden Textpassagen vom letzten Mal:


Take me back down where cool water flows,
Let me remember things I love,
Stopping at the log where catfish bite,
Walking along the river road at night…

I walked down that boulder road,
Through a child’s eye saw places where I used to go.
Where I crawled barefoot with a fishing pole
To the rock that overlooked that steelhead hole…

Den catfish hat Mr. Fogerty im Green River gefangen, während Mr. Anderson dem steelhead (ich nehme mal an, das ist eine Fischart) in Silver River Turning (mit komplettem Text in der Beschreibung des Videos) aufgelauert hat. Die Texte sind sich so ähnlich, aber wenn man die beiden Titel so kurz hintereinander hört, sticht einmal wieder der enorme Unterschied in Art und Qualität der Musik ins Ohr – es sind extreme Gegensätze.

10.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 71: Stolze Maria in schmutziger, alter Stadt

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für die Komplimente zu meinen unvorstellbaren Link-Künsten. So ganz langsam komme ich im 21. Jahrhundert an. Ich gestehe, dass ich mich zwischen zwei IT-Profis manchmal klein und hilflos fühle. Aber dank Wilfrieds geduldiger und effektiver Nachhilfe kann ich die schlimmsten Lücken schließen.

Zum Verhältnis von Abba und CCR (ich glaube, es gibt nicht viele Foren, in denen diese beiden Namen in einem Satz genannt werden):
In meiner letzten mail wollte ich ausdrücken, dass ich es mir nicht vorstellen kann, ein CCR-Lied von den Abba-Damen gesungen zu hören. Das liegt aber allein an meiner schon sprichwörtlichen Unmusikalität und nicht daran, dass es musiktechnisch unmöglich wäre. Ich habe ganz einfach zu wenig musikalische Vorstellungskraft. Das Abba-Cover vom „Midnight Special“ klingt vollkommen nach Abba. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass es aus der Feder von jemand anderem stammen könnte. Mit dieser Coverversion ist meine unzureichende Phantasie in musikalischen Fragen unwiderlegbar bewiesen.

Liebe Kretakatze, ich muss zugeben, dass ich Deinen vorangegangenen Beitrag über die Parallelen zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty gründlich missverstanden habe. Ich habe aus Deinen Zeilen das herausgelesen, was ich herauslesen wollte. Du wirst bei mir noch häufiger den Hang zur selektiven Wahrnehmung und kognitiver Dissonanz feststellen müssen. Also, vielen Dank für die Richtigstellung !

Deine Frage, warum Fogerty-Fans so zufrieden mit ihrem Star sind, während Anderson-Fans ganze Bücher mit ihren Lamentis füllen können, finde ich sehr interessant. Fast ein Sinnfrage, gerade für JT-Fans. Hätte ich mich also als junger Mensch für CCR begeistert, so wäre ich jetzt ein zufriedener Mann. Aber das klappte damals nicht und es klappt heute nicht. Wie gesagt, die Musik von Mr. Fogerty ist für mich ok, mehr aber auch nicht. Trotz aller Enttäuschungen der letzten Jahrzehnte habe ich meinen Status als selektiven JT-Fan nie bereut. Es reicht schon, mir einige der alten Tull-Platten anzuhören, um zu wissen, dass ich auf der richtigen Seite stehe.

Zurück zu Deiner Frage: Möglicherweise kennen wir die Antwort. Es ist die Beständigkeit, die die Fogerty-Fans bei der Stange hält. Er ist für seine Fans eine feste und berechenbare Größe. Eine Konstante in ihrem Leben. Der Fels in der Brandung des Zeitgeistes. Etwas, woran man sich klammern kann in Zeiten der Veränderungen und Umbrüche. Er ist jemand, der die Brücke zur guten alten Zeit schlägt, in der bekanntlich alles besser war. Er ist fleischgewordene Nostalgie, ein Bollwerk gegen eine nicht immer lustige Gegenwart und eine ungewisse Zukunft. Im krassen Unterschied dazu hat der aktuelle Mr. Anderson außer seinem Namen nichts, was mich an seine ruhmreichen Zeiten erinnert. Er ist ein anderer geworden. In Aussehen, Stimme, musikalischer Orientierung. Dein Bild der Metamorphosen passt hier sehr gut. Leider.

Abrupter Themenwechsel: Wenn man ein Bild der irischen Folklore zeichnen möchte, sollte man sich nicht zu lange bei den Dubliners aufhalten. Sie sind möglicherweise die populärsten Vertreter dieser Musik jenseits der Insel, aber bestimmt nicht die Besten. Ich möchte dem geneigten Leser an dieser Stelle eine weitere Formation vorstellen: Die Pogues spielten eine gefällige Mischung aus Folk, Rockabilly und Punk. Dabei interpretieren sie Traditionals ebenso wie eigene Werke. Die Pogues zähle ich ebenso wie die Dubliners nicht zu den Archetypen der irischen Folklore, aber sie machen deutlich, wie weit sich dieser Begriff dehnen läßt. Genialer Frontmann der Pogues war Shane McGowan, an dessen Alkoholsucht die Gruppe zerbrochen ist. McGowan ist vielleicht der hässlichste Mann, der jemals freiwillig eine Bühne betreten hat, aber auch das hat einen enormen Wiedererkennungswert. Neben Jethro Tull sind die Pogues für mich die Allergrößten !

Dass Jethro Tull – Fans hochintelligente, gebildete, sprachlich und musikalisch interessierte Intellektuelle mit hohen Qualitätsansprüchen sind, habe ich schon lange geahnt. Nach der letzten mail von Kretakatze wird es zur Gewissheit.

Das Faible für Kate Bush haben wir Drei gemeinsam. Vor einiger Zeit haben Wilfried und ich einige Gedanken zu dieser einzigartigen Künstlerin ausgetauscht. Gerade habe ich mir ihr Video zu Room for the Live noch einmal angeschaut. Ich bin jedesmal hin und weg. Ich habe noch nie einen Bühnendarbietung mit einer stärkeren femininen Austrahlung gesehen als diesen Auftrittt. Mrs. Bush verkörpert hier alles, was eine Frau ausmacht. Vielleicht haltet Ihr mich für einen Macho, aber das Risiko gehe ich ein. Wenn ich einem geschlechtlosen Außerirdischen erklären müsste, was eine Frau ist, würde ich ihm dieses Video zeigen. Kate Bush kenne ich seit ihrem Wuthering Hights, also seit 1978, und damit länger als JT, auf die ich erst später gestoßen bin.

1978 war ich zarte 15 und Ihr müsst Euch klar machen, welche Wirkung dieses Lied auf einen pubertierenden Jüngling haben kann. Irgendwie, wenn auch auf eine andere Art, stehe ich heute noch in ihrem Bann. Wenn ich abends im Bett liege und lese, höre ich dazu oft ihr letztes Album „Aerial“. Sie hat wirklich nichts von ihrer Faszination verloren.

Liebe Kretakatze, es würde mich interessieren, was Du zu Mrs. Bush zu sagen hast.

Das war es von meiner Seite für heute.
Es grüßt Euch herzlich
Lockwood

07.06.2007

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Hi Mädel(s) und Jung(s),

zunächst zu John Fogerty und dem Lied „Proud Mary“. Leider muss ich Dich enttäuschen, Kretakatze, aber bei dem Lied habe ich vor vielen Jahren in der Band lediglich Bass-Gitarre gespielt … und beim Chorus mitgebrummt: Rrrrroollin’, rrrroollin’, rrrroollin’ on the river. Und irgendwie kam dann noch ein Gezirpe a la doo-up-doo-doo-doo (oder so) ab dem Mittelteil hinzu.

Ich habe in den Tiefen meines Archivs geforscht und habe tatsächlich eine Aufnahme auf Kassette gefunden (ich habe zwar noch Tonbänder mit besserer Qualität, aber ohne funktionierendes Tonbandgerät nützen die mir nicht viel). Hier also die legendäre Gruppe Black Out mit „Proud Mary“ (Gesang übrigens von meinem Bruder mit seiner damaligen Frau):

Zur Ergänzung hier eine Version von Ike & Tina Turner-Proud Mary Live 1974.

Durch Lockwoods viele Links zu den Dubliners bin ich auf das folgendes Video bei youtube gestoßen: The Dubliners (Luke Kelly) – Dirty Old Town. Auch das Stück hatten wir gecovert – und mich dazu sogar als Sänger. Und damit sich der Kreis (fast) schließt: Wir kannten das Lied in einer Version von Rod Stewart und der ist bekanntlich Schotte. Ich habe lange überlegt, ob ich es euch wirklich antun soll (Proud Mary sollte für heute eigentlich genug sein). Die Aufnahme ist ziemlich bescheiden und meine Stimme belegt wie ein vielschichtiges Sandwich. Ich habe wenigstens noch die Höhen etwas herausgekitzelt … Nun, denn, ich denke, Ihr wollt es nicht anders: Hier also nochmals Black Out, diesmal mit „Dirty Old Town“:

Jetzt aber bitte keinen zu stürmischen Beifall. Dafür noch etwas zu John Fogerty. Der kommt Anfang Juli (wohl der 3.) tatsächlich nach Hamburg und gibt dort (fast könnte ich hier schreiben) im Stadtpark ein Open-Air-Konzert. Und da treten eigentlich nur die (fast) ganz Großen auf (okay, Jethro Tull ist 2001 und 2003 auch im Stadtpark aufgetreten).

Zum Thema Folklore im Allgemeinem: Sicherlich kannst Du, Kretakatze, nicht viel zur deutschen Folklore, speziell zum deutschen Volkslied, sagen; aber zur griechischen Folklore hast Du doch schon vieles beigetragen, wie anders lassen sich die griechischen Tänze deuten, wenn nicht als Volkstanz. Und Lockwood ist ja jetzt bemüht, uns die irische ‚Volksmusik’ Stück für Stück näher zu bringen. Vielen Dank dafür. Mit der einen oder anderen Ergänzung aus der schottischen Ecke (Irland und Schottland haben viele gemeinsame Wurzeln) kann ich dann vielleicht auch aufwarten.

Ich möchte noch einmal kurz auf das Wort ‚Volkslied’ zurückkommen. Der gute Herder hat den Begriff ja geprägt und die englische Bezeichnung ‚popular song’ hiermit übersetzt. Wir gehören einer Generation an, die noch oft die Begriffe Pop- und Rock-Musik benutzt. Von Pop-Musik spricht heute fast keiner mehr. Und Rock-Musik beinhaltet so viele Schublädchen, dass man darüber schnell den Überblick verliert. Nun ‚Pop’ kommt von englisch ‚popular’ und wird meist im Sinne von populär (bekannt, gängig, beliebt) benutzt. Der begriffliche Zusammenhang mit ‚Volk’ ist dabei verloren gegangen.

Kurz zum Technischen, das mit den Standbildern aus den youtube-Videos: Die Videos können ja angehalten werden, dann macht man eine Hardcopy (des Bildschirms – unter Windows mit der Druck-Taste), fügt das Bild in ein Grafik-Programm ein und bearbeitet es dort (z.B. Ausschneiden). Leider klappt das nicht mit allen Videoformaten (z.B. nicht bei RealMedia). Da benötigt man meist schon Videobearbeitungsprogramme usw.

Ich bin im Internet über diverse Listen der ‘100 greatest guitar solos’ gestolpert und habe mir auch schon viele der Liedchen angehört. Martin Barres Solo auf ‚Aqualung’ findet dabei die entsprechende Würdigung (einmal Platz 25, ein anderes Mal sogar Platz 9). Dem stimme ich gern zu. Es ist allerdings auch vieles dabei, bei dem ich mich frage, was diese Lieder/Soli hier zu suchen haben. Da würde ich Creedence Clearwater Revival mit I Put A Spell On You durchaus eine Chance geben, sich zu platzieren. Und natürlich fehlen mir Gitarristen, die ich für hervorragend halte. Ich weiß, dass das wieder ein neues Thema ist. Ich werde mich vielleicht in einem eigenen Beitrag dazu äußern. Mich würde nur interessieren, welche Gitarristen ihr gut findet (vom guten Martin einmal abgesehen – wer würde ihn als Tull-Fan nicht in den Gitarrenhimmel heben wollen).

Soll von meiner Seite her heute reichen. Wenn ich mich die nächsten Tage etwas rar mache: Wir haben Besuch von den sizilianischen Freunden meiner Frau, die für eine Woche ihre alte Heimat besuchen (ich hatte sie früher einmal erwähnt). Hoffentlich bleibt das Wetter einigermaßen. Und Lockwood, mein Sohn ist dieser Tage in Köln, ja, Kirchentag und so. Von dort sind es ja nur noch rund 80 km bis zu Dir.

Ansonsten schon heute ein schönes Wochenende.
Viele Grüße
Wilfried

P.S. Wir müssen etwas auf unseren Lockwood achten. Vor lauter Linkerei findet er jetzt auch kaum noch den nötigen Schlaf (ach nein, der konnte ja heute ausschlafen, denn er hatte einen Feiertag, Fronleichnam – du auch, Kretakatze? Ich durfte heute arbeiten!)

P.P.S. Dass sich Herr Anderson selbst die Haare färbt, bezweifle ich. Wozu hat er seine Frau? Nein, im Ernst, ich kenne keinen Mann, der sich selbst die Haare färbt, wenn er sie sich färbt. Und die Prominenz lässt sich die Haare von ‚seinem’ Friseur färben. Daher gibt es neben Bank- und Steuer- ja auch das Friseurgeheimnis (siehe Gerdi Schröder, dessen Friseur nach Sibirien verbannt wurde, nachdem dieser gegen jenes verstoßen hatte).

P.P.P.S. Ist ja nun wirklich kein Witz: Ich habe Lockwoods neueste Mail zwar auf der Arbeit gelesen, aber noch nicht die Links ‚gelüftet’. Und was kommt mir da jetzt entgegen: Dirty Old Town von den Pogues (nur zur Klärung des zeitlichen Zusammenhangs: Gestern hatte ich meine alten Aufnahmen eingespielt und auch schon mit dieser Mail begonnen …) Zu den Pogues später wohl etwas mehr. Irgendwie klingt da einiges nach Tom Waits.

07.06.2007

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Hallo Ihr Lieben!

Lieber Lockwood, Du solltest Dein Licht nicht so unter den Scheffel stellen. Außerdem – wir alle neigen zu selektiver Wahrnehmung, und ich kann verstehen, wenn nicht jeder sofort meinen wilden Phantasien folgen kann. Was ich mit „wilden Phantasien“ meine, wirst Du wahrscheinlich an meinem heutigen Beitrag noch erkennen. Deinen Ausführungen betreffend der Frage, warum Fogerty-Fans zufrieden sind und Anderson-Fans nicht, habe ich nichts hinzuzufügen – sie waren schlüssig und umfassend! Trotzdem gibt es von mir heute noch einmal einen Beitrag „volle-Kanne-Fogerty“ (sorry!), aber ich denke, das war dann der letzte in dem Umfang. Zu Deinen Videos und Kate Bush komme ich nächstes Mal, dafür muss ich mir noch ein bißchen Zeit lassen. Und was Abba und CCR betrifft – ich glaube, dass die beiden Gruppen sich musikalisch wesentlich näher sind als Abba und Jethro Tull oder CCR und Jethro Tull.

Manche Dinge erkennt man besser, wenn man sie vor einem kontrastfarbigen Hintergrund betrachtet, und deshalb werde ich jetzt – wie bereits erwähnt – noch einmal Mr. Fogerty bemühen und dabei auch noch tiefenpsychologisch werden. Es wurde hier schon angesprochen, dass ein Grund für den sehr unterschiedlichen Stil – betreffend Musik, Kleidung, Auftreten, eigentlich alles – der Herren Anderson und Fogerty die Tatsache ist, dass der Eine sehr schottisch-britisch und der Andere sehr amerikanisch ist. Ich glaube, das ist erst die Hälfte der Wahrheit. Die andere Hälfte ist im unterschiedlichen familieren und gesellschaftlichen Background der beiden Musiker zu suchen.

Ian Anderson singt „I come down from the upper class … my father was a man of power…“. Auch wenn er sich anschließend damit brüstet, seinen Vater „zurechtgestaucht“ zu haben, schwingt da doch Bewunderung mit und bestimmt der Wunsch, ihm in diesem Punkte nicht nachzustehen.

Anderson hat schon immer ein gewisser elitärer Anspruch angehaftet. In einem Interview ist es ihm wichtig zu betonen, dass er in seinen Texten versucht hat Worte zu verwenden, die sonst kaum jemand verwendet, und über Themen zu schreiben, über die noch nie ein Anderer geschrieben hat. Seine Texte sind häufig so verklausuliert, als ob sie einen Intelligenztest darstellen sollten. Seine Musik ist für höchste Ansprüche konzipiert, sie besteht vielfach aus komplexen Melodien in komplizierten Rhythmen und ist aufwändig arrangiert. Er ist stolz darauf, auf höchstem Niveau gegen den Strom zu schwimmen und trotzdem erfolgreich zu sein. Auf simplere Gemüter schaut er gerne ein wenig herab.

John Fogerty dagegen verkündet „I’m no senator’s son … I’m no millionaire’s son … I’m no fortunate son…“. Für mich steckt da auch so etwas drin wie „I come up from the lower class“.

Der Fogerty’sche Text entstammt dem Stück Fortunate Son, das üblicherweise als Protestsong gegen den Vietnamkrieg betrachtet wird. In meinen Augen ist es eigentlich eher ein Lied gegen die Ungleichbehandlung von „upper class“ und „lower class“ in der amerikanischen Gesellschaft. Obwohl Fogerty nicht wirklich aus der „lower class“ stammt – seine Mutter war Lehrerin – hat er sich immer mit den einfachen Leuten identifiziert, wie einige seiner Songtexte beweisen. Insofern hat er auch immer nur einfache Songs für’s einfache Volk schreiben wollen. Das Prinzip seiner Musik ist entsprechend simpel: Eine einfache, eingängige Melodie, vorgetragen von einer starken Stimme. Das Ganze muss dann nur noch ein bißchen instrumentell ausgefüttert werden.

An der obigen Version von Fortunate Son (TV-Studio Playback zur Originalaufnahme von 1969) finde ich übrigens noch interessant, dass sie Zeitgeschichte dokumentiert – den Vietnamkrieg und sein Einfluß auf die Rockmusik, andererseits aber auch die Möglichkeiten der Rockmusik, sich politisches Gehör zu verschaffen. Mir ist nicht bekannt, dass Jethro Tull jemals derart politisch geworden wären, aber vielleicht wisst Ihr da mehr als ich.

Auffällig ist an dem Songtext von „Fortunate Son“ aber auch dieses wiederholte „I’m no…son“. Fogerty’s Vater verließ die Familie, als dieser noch klein war, er hat ihn nur wenig gekannt. Soweit in seinen Liedern ein „Dad“ vorkommt – und das tut er an 3 oder 4 Stellen – ist der gerade am Weggehen, oder er schickt seinen Sohn fort. Am bittersten klingt das in dem Titel Porterville

They came and took my Dad away to serve some time,
But it was me that paid the debt he left behind.
Folks said I was full of sin, because I was the next of kin.
I don’t care! I don’t care!…

Vielleicht hat er sich aufgrund des „Makels“, von einem Vater im Stich gelassen worden zu sein, dem er – nach Meinung anderer – wohl auch noch ähnlich ist, auch einfach „lower class“ gefühlt…

Und jetzt möchte ich noch einmal auf das Thema „Band oder Solo-Karriere“ zurückkommen. Ich habe ja schon einmal erwähnt, dass ich glaube Mr. Anderson wäre eigentlich von Natur aus schon immer eher ein Solo-Musiker gewesen. Nach meiner Meinung sollte das Wesen einer Band darin bestehen, dass alle Musiker gleichberechtigt im Team zusammenarbeiten. Natürlich wird immer irgend einer die Führung übernehmen, aber die Arbeit sollte so verteilt sein, dass jeder seinen Beitrag leisten und sich auch im Ergebnis wiederfinden kann. Sonst macht so eine „Teamarbeit“ keinen Spass.

Die wichtigsten Aufgaben in einer Band sind Musik und Texte zu schreiben, das (oder die) Soloinstrument(e) zu spielen und zu singen. Üblicherweise ist der Sänger fürs Publikum die Hauptperson, er ist Gesicht und Stimme der Band, auf ihn sind Augen und Kameras gerichtet, er kommuniziert mit dem Publikum. Er wird also die meiste Aufmerksamkeit bekommen, dahinter müssen die Anderen immer ein bißchen zurückstehen. Wenn aber schließlich alle wichtigen Aufgaben in einer Band praktisch nur noch von einer einzigen Person wahrgenommen werden, wie das bei Jethro Tull und CCR der Fall war (bzw. ist), dann werden die anderen Bandmitglieder schließlich zur Staffage und zur Hintergrund-Dekoration degradiert. Die Kleinarbeit in der Entwicklungsphase der Songs, wenn zusammen an den Arrangements und am Sound gefeilt wird, wird vom Publikum üblicherweise nicht wahrgenommen und auch nicht honoriert. Wer hier welchen Beitrag geleistet hat, ist im Nachhinein nicht mehr zu erkennen. Für kreative Musiker ist das auf Dauer eine ziemlich unbefriedigende Situation. In einer solchen „Band“ wird es eine hohe Fluktuationsrate geben, oder sie zerbricht ganz. Da ist es ehrlicher, Solo zu arbeiten und sich nach Bedarf die erforderlichen Musiker „einzukaufen“ wie es ja Mr. Anderson im Prinzip auch schon seit Jahren tut – nur halt immer noch unter dem Namen Jethro Tull, da der bekannter ist als sein eigener.

Ich denke in diese „Band-Karriere“ ist Anderson nur durch seine Anfänge in einer Schülerband und seine musikalischen Schulfreunde „hineingerutscht“. Natürlich hat er sich in jungen Jahren auch erst noch entwickeln müssen. Bei Gründung von Jethro Tull war vermutlich noch jedes Bandmitglied der Meinung, mehr oder minder gleichberechtigt mitarbeiten zu können. Nach und nach hat dann einer nach dem anderen gemerkt, dass sie neben Anderson keine Chance haben, und sind gegangen. Nachgerückt sind Musiker, die dann schon wußten, auf was sie sich einlassen, und die zumindest eine zeitlang bereit waren das zu akzeptieren. Da dieses System in den 70ern erfolgreich war und gut funktioniert hat, hatte Anderson auch keinen Grund auszusteigen.

Als er es nach 15 Jahren Jethro Tull dann doch versucht hat, war er in einer musikalischen Phase, die eigentlich keiner so recht hören wollte. Entsprechend war der Erfolg bescheiden. Da hat er halt Jethro Tull weitergemacht, das hat sich vermutlich allein wegen des Namens besser verkauft, auch wenn nichts anderes drin war. Aber letztendlich hat er Jethro Tull genau so betrieben, als ob er Solo wäre. Als Band in dem Sinne, wie sich das manche Fans so vorstellen und wie es in den 70ern – zumindest nach außen – auch ausgesehen hat, hätte Jethro Tull nie so lange überleben können. Wäre Anderson von Anfang an ein Solo-Musiker gewesen, wäre musikalisch vermutlich auch nichts anderes herausgekommen, es hätte nur einen anderen Namen gehabt. Um aufzutreten muss man nicht in einer Band spielen, Elton John, David Bowie und Sting treten auch auf.

Bei CCR war die Situation ganz anders, da diese Truppe einen ganz anderen Zusammenhalt hatte. Als sie 1972 endgültig auseinanderbrach, hatte John Fogerty fast die Hälfte seines Lebens in diesem fixen „Familienverband“ verbracht, er war praktisch darin aufgewachsen. Anfänglich hatte man ihn vielleicht nur mitmachen lassen, damit „der Kleine“ halt aufgeräumt ist – als großer Bruder hat man ja manchmal auch Babysitter-Pflichten. Im Laufe der Jahre hat „der Kleine“ den Rest der Gruppe dann einfach überrollt – erst war er besser an der Gitarre als Tom, dann hatte er auch noch die interessanter klingende Stimme (Tom konnte durchaus auch singen) und zum Schluss hat er auch noch die Hits geschrieben. Alle anderen Mitglieder von CCR haben auch Songs geschrieben, dabei ist aber nie ein Hit herausgekommen. Ich glaube nicht, dass es seine Absicht war die Anderen platt zu machen, es ist einfach passiert.

Als Tom 1971 ausgestiegen ist, war wahrscheinlich niemand schockierter als John. Da war nicht irgendjemand gegangen, sondern sein Bruder, und einen Bruder kann man nicht ersetzen. Deshalb blieb die Position des Rhythmus-Gitarristen bei CCR auch unbesetzt. Danach kam in über einem Jahr nur noch eine Platte heraus, zuvor hatten CCR über 3 Jahre hin alle 6 Monate ein neues Album auf den Markt geschmissen – der rote Faden war weg und die Luft war raus. John hat noch versucht was er konnte, durch Kompromisse bei der Arbeit am letzten Album (es entstand nach dem Motto: Jeder schreibt 3 Songs und die spielen wir dann…) wenigstens seine „Restfamilie“ zu retten, aber sie ist ihm unter den Fingern weggebrochen. Ich glaube ich weiß, von wem er sich in diesem Song (Hideaway – hatte ich schon einmal verlinkt – siehe Text in der Videobeschreibung) verabschiedet.

Und ich verabschiede mich jetzt auch für heute, es wird mal wieder Zeit, dass ich etwas anderes tue…


Seid gegrüßt

Kretakatze

PS.: Heute gibt’s als Nachschlag zwei Textpassagen, die eine stammt von Anderson und die andere von Fogerty. Es geht um Kindheitserinnerungen und einen Fluß:

Take me back down where cool water flows,
Let me remember things I love,
Stopping at the log where catfish bite,
Walking along the river road at night…

I walked down that boulder road,
Through a child’s eye saw places where I used to go.
Where I crawled barefoot with a fishing pole
To the rock that overlooked that steelhead hole…

Sicher habt Ihr als Experten den Anderson’schen Text sofort erkannt, aber Ihr werdet zugeben, dass der Inhalt der beiden Passagen doch ziemlich ähnlich ist. Die Links zu den Songs gibt’s dann nächstes Mal.

07.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 70: Von folkloristischen grauen Haaren aus Dublin

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

bevor ich zu meinem Vortrag über Folklore komme, doch noch einige Anmerkung zu Ansehen und Kleiderordnung bei Rockmusikern. Ich hatte schon einmal einige Bildchen unter dem Motto: Nur älter, nicht schöner … hier an anderer Stelle veröffentlicht. Ja, der Zahn der Zeit nagt unerbittlich an einem, da hilft nichts (oder nur wenig, wenn auch nicht lang, z.B. Haare färben). Herr Anderson ist wahrlich ein doppelt tragisches Beispiel für den Verfall der menschlichen Hülle. Erst fallen ihm die Haare aus, dann versagt die Stimme, genauer: Gesangsstimme, denn seine Sprechstimme ist nach wie vor stabil. Dank an Kretakatze für das kleine sehr aktuelle Video mit dem Interview, zeigt es Ian Anderson, für uns alle überraschend, auch mit grauen Haaren (Ist etwa sein Friseur gestorben?).

Ian Andersons graue Haare

Zu den Auftritten von Tiefseetauchern, Bären und dem weißen Kaninchen Harvey und den geigenden vier Damen unter Lockenperücken usw. bei früheren Tull-Konzerten habe ich noch einmal nachgeforscht, bin aber bisher nicht fündig geworden. Ich erinnere mich nur an Bilder in Musikzeitschriften u.ä. und denke, dass es im Zusammenhang mit „A Passion Play“ gewesen sein musste.

Dass mit der versagenden Stimme bei dem Lied von Nikos Papazoglou finde ich etwas merkwürdig. Das Lied heißt doch auf Deutsch „Niemand singt hier …“, und beim scheinbaren Versagen hat auch gleich ein Zuschauer ein Mikrophon zur Hand (und schließlich singen alle!): Ist das Ganze nicht eine abgekartete Sache? Im Falle von den Dubliners (Fields of Athenrye – lese ich da nicht Athen heraus?) singt das Publikum auch mit – ohne dass es dem Sänger die Stimme verschlägt. Lockwood, ist das ein traditionelles irisches Lied?

Kretakatzes Parallelen zwischen Fogerty und Anderson finde ich ziemlich interessant. Auch ist die Schlussfolgerung im Bezug auf Ian Andersons Experimentierfreude nicht von der Hand zu weisen: Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Warum also doch die Band? Genauso gut kann man fragen, weshalb Herr Anderson immer noch auf Tour geht. Genug Geld müsste er längst haben. Herr Anderson tritt eben gern öffentlich auf, liebt es, sich ‚zur Schau’ zu stellen. Und wie ein großes Kind verkleidet er sich auch gern (z.B. als Pirat, ein am Kopf verletzter Pirat). Da er nicht mehrere Instrumente gleichzeitig spielen kann, so braucht er also ein mehr oder weniger festes Team. Die Betonung liebt auf „mehr oder weniger“ wie an der Personalpolitik von Herrn Anderson abzulesen ist. Jethro Tull als solches ist wirklich längst ein Solo-Projekt. Auf der anderen Seite verkaufen sich CDs von Jethro Tull besser als die unter dem Namen Ian Anderson.

Noch etwas zum Vergleich Fogerty – Anderson: Beide sind stark von ihrer Herkunft geprägt. John Fogerty ist bis heute in vielen Dingen sehr amerikanisch (Kleidung, Musik, sicherlich auch Essen); Ian Anderson ist zum einen Schotte, aber auch ein typischer Brite, der das Extravagante liebt.

Hier also mein kleiner Vortrag zum Thema Folklore. Der passt vielleicht nicht mehr so ganz in den Kontext unseres zuletzt geführten Gedankenaustausches, aber da ich mich nun einmal hingesetzt und folgendes verfasst habe, müsst Ihr Euch das schon einmal anhören (lesen): Ich habe ihn allgemein gehalten, um ihn gewissermaßen allgemeingültig zu halten, wenn im Mittelpunkt auch die deutsche Folklore steht. Zum Volkstanz habe ich mich nur kurz geäußert, dürfte da aber von Kretakatze sicherlich ergänzt werden.

Folklore in Lied und Tanz

Der Begriff „Folklore“ kommt aus dem Englischen und umfasst zunächst alle Überlieferungen aus dem Volk, neben Sprichwörtern, Märchen und ähnlichem natürlich auch Volkslieder, Balladen und Tänze (Volkstänze). Im angelsächsischen Raum hat sich für Volkslieder der Begriff „Folk“ durchgesetzt.

Wir in Deutschland tun uns aus geschichtlichen Gründen etwas schwer mit dem Begriff Volksmusik. Ich schrieb vor längerer Zeit:

Natürlich finde ich „Schwarz-braun ist die Haselnuss“ und dergleichen auch zum Kotzen. Aber das ist nicht die deutsche Folklore oder nicht allein, sondern immer noch der ‚volksnahe‘ Beitrag, der sich aus der Nazizeit herübergerettet hat. Schriebst Du nicht etwas von Liederjan oder Zupfgeigenhansl (und ‚Schelmish‘)? Da greift man durchaus auf altes, ‚deutsches‘ Liedgut zu, was weder schwarz noch braun angehaucht ist.

Ich sehe hier zunächst eine Zweiteilung. Auf der einen Seite die Volksmusik (Volkslieder), die sich aus langer Tradition entwickelt hat, oft mit politischem Hintergrund und mit Themen besetzt, die den Alltag des (nicht nur) niederen Volkes betreffen. Daneben die volkstümliche Musik (Schunkelmusik), die sich gern als Volksmusik ausgibt, aber die lediglich der Unterhaltung dient (und daher kommerziell ausgeschlachtet wird). Themen hier: Herz und Schmerz und schwarz-braune Haselnüsse. Dieser Art von Volksmusik bedienten sich auch die Nationalsozialisten.

Das deutsche Volkslied hat eine lange Tradition und beginnt mit den Minnesängern und Bänkelsängern. Bereits hier lässt sich diese Zweiteilung beobachten:

• Die Minnesänger, die auch den Grundstein für das Kunstlied legten, dem sich später bekannte Komponisten von Mozart bis Franz Schubert bedienten

• Die Bänkelsänger, die sich mehr den volkstümlichen Liedern (und Moritaten) widmeten

Als „Vater“ des Volksliedes gilt Johann Gottfried Herder, der auch diesen Begriff prägte (Herder gilt übrigens als Meister der Neologismen, so stammt auch der Begriff Zeitgeist von ihm). Und bei ihm begegnen wir auch dem schottischen Volkslied. Überhaupt beschäftigten sich in der Zeit der Romantik u.a. Achim von Arnim sowie Clemens Brentano mit Volksliedern und die Brüder Grimm mit Märchen und Sagen.

Die „Herkunft“ eines Volksliedes lässt sich bereits erahnen. Beim zum Kunstlied erhobenen Volkslied kennen wir in der Regel Dichter und Komponist. Es wurde zum Volkslied, weil es in den Volksmund übergegangen ist. Beim eher volkstümlichen Lied sind beide, Dichter und Komponist, meist nicht mehr bekannt. Auch ein schlicht und leicht fassbares Lied in Text und Melodie ist hierzu zu zählen. Aber es gibt natürlich Mischformen. So gibt es viele Gedichte, die zu einer Volksweise (Melodie) gesungen werden (z.B. „Der Mai ist gekommen“). Auch der schottische „Volks“-Dichter, Robert Burns, bediente sich häufig traditioneller Musik, z.B. „A Man’s A Man for A’ That“. Überhaupt sind es diese Mischformen, die ich vorrangig zur (nicht nur) deutschen Folklore, zu den Volksliedern zähle. Die Lieder, für die wir (sicherlich nicht immer richtig) den angelsächsischen Begriff „Folk“ verwenden, einfach um eine Abgrenzung zum volkstümlichen Lied zu schaffen. Und aus dieser Quelle schöpfen heute viele Musiker, kreieren ihre eigenen Lieder, die dann unter anderen Begriffen wie Folkrock, Politrock usw. an und in unsere Ohren dringen.

Volkslieder beider Art sind meist regional entstanden, haben sich aber oft national ausgebreitet, teilweise auch über die (staatlichen bzw. sprachlichen) Grenzen hinweg.

Wie verhält es sich nun mit Volkstänzen? Musikalisch bedient man sich nach meiner Meinung hier aus beiden Töpfen (Kunstlied und volkstümliches Lied, eher aber letzteres als so genannte Volksweise). Im Gegensatz zu den Volksliedern sind Volkstänze meist regional begrenzt, was u.a. auch mit den durch regional verschiedenen Trachten zusammenhängt. Das lebendige Vorhandenseins dieses Brauchtums ist zudem von Region zu Region sehr unterschiedlich und wird eher in ländlichen Gegenden gepflegt. Dort, wo Volkstänze besonders einem breiteren Publikum (Touristen) vorgeführt werden, greift man eher auf „standardisierte“ Tänze zurück.

Soviel fürs erste. Einen Aspekt habe ich vernachlässigt. Es geht um die Marschmusik, die immer wieder gern in so genannten Volksmusiksendungen gezeigt wird, in Deutschland z.B. irgendwelche böhmischen Blaskapellen; in Schottland die bekannten Drums and Pipes Bands. Wie der Name schon sagt, Marschmusik, gibt es hier eine (pseudo-)militärische Ausrichtung. Sicherlich ein Grund mehr, weshalb mir solche Hitparaden der Volksmusik zuwider sind.

Weiterhin frohe Schaffen!
Viele Grüße

Wilfried

04.06.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Mr. Anderson färbt seine Haare. Seit Jahren. Ich bin froh, dass es nun einen Bildbeweis für meine Behauptung gibt. Ganz kann er sich dem Jugenlichkeits-Wahn also auch nicht entziehen. Findet er, nicht ich. Aber auf mich hört ja keiner.

Die Gemeinsamkeiten zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty scheinen sich auf Personalpolitik und andere Äußerlichkeiten zu beschränken und nicht so sehr auf die Musik. Das erleichtert mich; ich dachte schon, ich hätte wieder die simpelsten Dinge wie Tonart, Rhythmus und Halbtöne nicht erkannt.

Die Fields of Athenrye sind nicht unbedingt ein Paradebeispiel für irische Folklore. Es ist nicht der „klassische“ Folk. Es ist fast wie ein Schlager, wenn auch mit sehr ernstem Hintergrund. Das Lied handelt von der großen Hungerkatastrophe, die die grüne Insel Mitte des 19. Jahrhunderts heimgesucht hat.

Eben so wenig wie das Lied verkörpern die Dubliners die ursprüngliche Folklore. Die Dubs sind mehr für Schunkel- und Trinklieder zuständig. Und auch für Kampf- und Kriegsgesänge, von denen es in Irland reichlich gibt. Natürlich besteht auch an Liebesliedern kein Mangel. Ich habe die Felder von Athenrye trotzdem als erstes Beispiel ausgesucht, um einen sanften Einstieg in die irische Folklore zu finden. Die „echte“ Folklore der Insel ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Will man einen Kulturschock vermeiden, sollte man sich ihr langsam nähern.

The Fields of Athenrye sind erst in den 70er Jahren komponiert worden, also für meine Begriffe zu jung, um als `Traditional` durchzugehen. Der im gelinkten Wikipediatext erwähnte Paddy Reilly ist übrigens niemand anderer als der nette Opatyp, der das Lied im Video singt. Mr. Reilly spielt seit 1995 bei den Dubliners, genau wie hunderte vor ihm und nach ihm. Jethro Tull und CCR stellen nicht die Spitze der Personalfluktuation dar. Ist Euch aufgefallen, wie alt das Publikum in dem Video ist ? Ich schätze das Durchschnittalter auf 61,7 Jahre. Entweder war das Konzert auf Betreiben eines Seniorenclubs zustande gekommen oder die Dubliners erreichen die jungen Menschen nicht mehr. Beides halte ich für möglich.

Wie in meiner kurzen Beschreibung des Dubliners-Repertoire schon angeklungen, scheint sich die Welt der Iren hauptsächlich um drei Dinge zu drehen: Trinken, Liebe und der Kampf gegen die Engländer. Tatsächlich habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Iren den Hass auf alles Englische schon mit der Muttermilch aufnehmen. Betrachtet man die Geschichte der beiden Länder, wird das niemanden wundern. Angefangen bei Edward I, über Henry VIII und Oliver Cromwell bis in unsere Tage wird nicht viel dafür getan, um die politischen Wogen zu glätten. Aber das nur am Rande, ich möchte kein Geschichtsforum eröffnen.

Ich wollte eigentlich nur sagen, dass die Songs einer so populären Gruppe wie den Dubliners zu einem nicht geringen Anteil politisch angehaucht sind. Ohne Zweifel spielen sie Volksmusik, und somit ist Wilfrieds These über das politisch motivierte Volkslied auch für den irischen Teil der Welt untermauert. Und tanzen können die Iren natürlich auch (vermutlich am besten dann, wenn sie genug getrunken haben). Ihre wichtigsten Tänze sind Reel und Jig.

Als eines der katholischsten Länder der Erde (was immer das heißen mag) kennen die Iren auch religiöse Lieder. Hier als Beispiel der Text eines Liedes, das sich so gar nicht nach Kirchenlied anhört. Seit Riverdance wissen wir auch, dass die Iren steppen können.

Einige Gedanken zu der letzten mail von Kretakatze:
Ich bin versucht, Werbung für Israel zu machen. Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass unsere Kretakatze ihr El Dorado in der Ägäis gefunden hat. Dabei ist Israel von Kreta nur einen Katzensprung entfernt. Nein, im Ernst: Israel ist in erster Linie für den historisch und religiös Interessierten die engere Wahl; tolle Strände, nette Menschen und ein schönes Hinterland finden sich auch anderswo.

Zum Schönheitsideal: Es gibt sicher einige Faktoren, die hier hineinspielen. Ein Anthropologe schrieb einmal, dass wir uns als Partner den Menschentyp aussuchen, der uns von frühester Jugend vertraut ist. Also: ist meine Mutter dunkelhaarig- und äugig, werde ich mir auch eine solche Frau suchen. Wir alle kennen sicher -zig Fälle, die dieser Theorie widersprechen. Jedoch: bei meinen ersten Freundinnen (möge der Himmel ihnen ein glückliches Leben bescheren) war das so.

Liebe Kretakatze, Deine frühe Vorliebe für CCR hat mich angenehm überrascht. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass junge Mädchen in den 70ern Abba, Smokie und Bay City Rollers hörten. Schön zu sehen, dass es auch anders ging.

Mein Bett ruft und ich werde dem nachgeben.
Bis bald
Lockwood

04.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich zuerst einmal dem Lockwood ein großes Kompliment machen – er verlinkt inzwischen wie ein Weltmeister, da komme ich ja kaum noch mit. Vielen Dank auch für die zahlreichen interessanten Videos zu den Dubliners. Das muss ich erst noch ein bißchen verdauen. Auf’s erste Hören muss ich allerdings sagen, dass mich davon nichts so richtig vom Hocker reisst. Abgesehen vom angenehmen akustischen Sound klingen die Melodien für mich doch alle ein bißchen – tja, langweilig. Von Rhythmus und Takt erinnert mich alles stark an deutsche Volksmusik, und die spricht mich auch nicht gerade an. Aber wenn ich mich recht entsinne, müsste es eigentlich auch ein paar ziemlich flotte irische Tänze geben, oder? Auf jeden Fall ein sehr interessanter Ausflug auf die „Grüne Insel“, die weißen Flecken auf unserer Landkarte werden immer kleiner.

Lockwood hat außerdem Einiges über Beständigkeit und Wandel im äußeren Erscheinungsbild der Herren Anderson und Fogerty geschrieben. Dem kann ich nur zustimmen. Ich denke beide sind auf ihre Weise Phänomene. Anderson, weil er sich alle paar Jahre so derart wandelt, dass man kaum noch glauben kann dieselbe Person vor sich zu haben – es sind regelrechte Metamorphosen – und Fogerty, weil er über Jahrezehnte hin völlig unverändert wirkt, man kann garnicht glauben, dass schon wieder 10 Jahre um sein sollen. Unter einem Live-Video von Fogerty fand ich z.B sinngemäß den Kommentar: „Ist das wirklich erst dieses Jahr aufgenommen? Ich habe ihn vor 10 Jahren live gesehen, da sah er genauso aus“. Das könnte Mr. Anderson nie passieren.

Lockwoods Ansicht zu Down On The Corner kann ich aber nicht teilen. Für mich ist dieser Titel vom Stil her mehr Pop als Rock und würde daher für Abba bestens passen. Eine Coverversion macht ja auch nur dann Sinn, wenn sie sich in mindestens einem wesentlichen Punkt vom Original unterscheidet, sonst ist sie überflüssig. Und dieser Unterschied könnte in diesem Fall die völlig andere Stimme sein – warum nicht? Dass Abba stattdessen Midnight Special gecovert haben, wundert mich eher. Das hätte ich nicht für ihren Stil gehalten. Andererseits glaube ich, der Titel ist im Original auch nicht von CCR, die haben auch teilweise Songs gespielt, die sie nicht selbst geschrieben hatten. Grapevine gehört z.B. dazu, I Put A Spell On You (für meinen Geschmack ein echter Knaller!) und Nighttime Is The Right Time. Proud Mary stammt aber definitiv aus der Feder von John Fogerty. Es soll wohl eines der am häufigsten gecoverten Stücke überhaupt sein mit mehr als 100 Versionen, und jetzt gibt es auch noch eine Version von Wilfried! Die würde ich aber wirklich gerne Mal hören!

Überhaupt hat der Wilfried ja mal wieder ganz tolle Videos ausgegraben – Danke! Mr. Anderson sieht vergleichsweise richtig chic aus und benimmt sich auch beim Interview nicht daneben – na also, es geht doch! Auch der Gesang war schon schlimmer (man wird ja so bescheiden…). Das „Mother Europe“ klingt richtig gut. Weiter so! Auch die von Lockwood entdeckte Tull-Coverband ist ja wirklich super! Besser als das Original, würde ich sagen, jedenfalls besser als das, was man so in den letzten Jahren vom Original zu hören bekommen hat.

Von Wilfried wüsste ich gerne mal, wie er das mit den Standbildern aus den Videos macht – das könnte ich auch gerne! Übrigens braucht man zum Haare färben keinen Friseur, das macht man zuhause zwischen Wäsche waschen und Wohnung putzen – naja, ich jedenfalls. Mr. Anderson hat wahrscheinlich so viel zu waschen und zu putzen, dass er zum Färben keine Zeit mehr findet. Da er seine Haarreste üblicherweise unter einem Kopftuch verbirgt, wäre Haare färben ja auch nur eine unnötige Geldverschwendung – ein bißchen sparsam muss man schon sein. Mr. Fogerty ist da z.B. bei seiner Haarpracht verschwenderischer. Nur für die Augenbrauen scheint die Farbe dann nicht mehr gereicht zu haben, die sind nahezu weiß (Anschauungsbeispiel).

Und um noch einmal auf den Herrn Papasoglou zurückzukommen – seine Stimmprobleme sind echt, da bin ich mir ziemlich sicher. Ich denke es ist nicht zu überhören, dass er kaum noch einen Ton herausbekommt. Abgesehen davon gehört er zufällig zu den Musikern, die ich selbst schon live erlebt habe – das war 1989 in Esslingen, einer Griechen-Hochburg im Stuttgarter Raum. Bei dem Konzert sah es aus wie hier im Club (die Sendung scheint in einem Club aufgezeichnet worden zu sein) – alles steht in den Gängen oder in den Reihen, zum Schluss auch auf den Stühlen, und tanzt und singt – ich auch. Das ist nicht gespielt, das ist echt. Der Herr mit dem Mikrophon ist nicht irgendein Zuschauer, ich habe mich auch schon gefragt, wer das sein könnte. Vielleicht der Moderator der Sendung oder der Besitzer des Clubs, in dem die Sendung aufgezeichnet wurde.

Zum Thema Volksmusik, Folk(lore) und Volkstanz fällt mir leider garnichts ein, lieber Wilfried. Ich muss zugeben, dass ich mit dieser Musik wenig anfangen kann, es sei denn sie tendiert zum griechisch-orientalischen oder zum mittelalterlichen. Mit sonstiger mitteleuropäischer Volksmusik habe ich mich sehr wenig befasst. Trotzdem fand ich Deinen Beitrag zu diesem Thema sehr interessant, gerade auch was die Texte des Dichters Robert Burns betrifft.

Aber jetzt noch einmal zu Anderson – Fogerty. Aus Lockwoods Reaktion auf meinen letzten Vergleich schließe ich, dass nicht so richtig deutlich geworden ist, was ich mit meinen vielen Worten eigentlich sagen wollte. Deshalb jetzt noch einmal als kurze Zusammenfassung:

Bislang habe ich lediglich den Werdegang bzw. die Entwicklung der beiden Musiker und ihrer Bands verglichen, zur Musik habe ich mich noch nicht näher geäußert. Die Unterschiede sehe ich vor allem in der Personalpolitik – insofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat – und in der Fluktuation – ebenfalls in sofern, als es bei CCR nie eine gegeben hat. Die Band war 12 Jahre lang (von 1959 bis 1971) so statisch wie ein Monolith, um dann, ebenfalls wie ein Monolith, unter den inneren Spannungen einfach zu zerspringen. Jethro Tull dagegen war von Anfang an so dehnbar wie ein Kaugummi. Deshalb gibt es diese „Band“ auch heute noch.

Die Parallelen zwischen Anderson und Fogerty bestehen nach meiner Meinung vor allem in ihrem Werdegang – Beginn in jungen Jahren in einer Schülerband, kleine Auftritte, mäßiger Erfolg, lange Lehrjahre etc. – und in ihrem Wesensmerkmal, durch Fähigkeiten, kreative Ideen, Energie und Durchsetzungsvermögen eine Gruppe so dermaßen zu dominieren, dass Andere neben ihnen keine Luft mehr bekommen und keine Möglichkeit zur eigenen Entfaltung mehr sehen und schließlich das Weite suchen. Als „Äußerlichkeit“ würde ich eine solche Persönlichkeitstruktur nicht bezeichnen.

Ich habe Fogerty nicht deshalb für den Vergleich ausgewählt, weil ich zufällig vor 35 Jahren mal ein Bild von ihm über dem Bett hängen hatte – auch das ist vielleicht ein bißchen falsch rübergekommen. Das Poster hatte ich im Übrigen auch garnicht wegen ihm aufgehängt, sondern weil ich den Drummer Doug Clifford damals ziemlich süß fand. Aber lassen wir diese nebensächlichen Details. Jeder Vergleich macht ja nur Sinn, wenn es eine wesentliche Gemeinsamkeit gibt, von der ausgehend man untersuchen kann, warum dann unterm Strich doch etwas völlig anderes herausgekommen ist. Sonst könnte ich Anderson jetzt auch mit Luciano Pavarotti oder Heintje vergleichen und die wesentlichsten 357 Unterschiede aufzählen – das wäre nicht nur witzlos, sondern auch gähnend langweilig. Gut, den Vergleich Anderson – Fogerty findet Ihr vielleicht auch ziemlich öde, aber mich interessiert er eben gerade.

Die Frage, die ich mir stelle, ist folgende: Zwei Männer mit ähnlichen Voraussetzungen (siehe oben) gründen im Jahr 1967 je eine „One-Man-Rockband“, d.h. sie selbst als „Frontman“ zusammen mit ein paar Musiker-Statisten (oder zumindest entwickelt sich die Gruppe schnell in diese Richtung). Beide sind sie in ihrem Job erfolgreich (Musik machen und verkaufen), trotzdem ist bei dem Einen nach 5 Jahren die „Firma“ am Ende, während sie beim Anderen nach 40 Jahren immernoch läuft. Andererseits hat der „ohne Firma“ nach 40 Jahren begeisterte Fans, die meinen er wäre noch gerade so gut wie damals, während die Fans von dem „mit Firma“ jammern und klagen, dass nichts mehr ist wie vor 30 Jahren. Wie kommt’s?

Gut, das hängt natürlich auch damit zusammen, dass die beiden aufgrund ihres unterschiedlichen Musikstils auch unterschiedliche Fans haben. Wenn ich mir z.B. die Mädchen ansehe, die hier auf diesem Bild ihre Arme sehnsuchtsvoll über den Bühnenrand recken, dann sehen sie für mich so aus als wären sie nicht älter als ich damals war (ich bin aber nicht dabei…). In einer leicht abgewandelten Version eines bekannten Ausspruchs bin ich versucht zu sagen: „Zeige mir Deine Fans, und ich sage Dir, wer Du bist.“ So fand ich unter einem CCR-Video z.B. diesen Kommentar: „I remember when this whole concert was on TV (I think it was live in 1971 or 72). I was so mad at my parents for not letting me stay up and watch it, even though they knew CCR was my favorite band. I was only 7 though, so now I can forgive them.“
Ich wage zu bezweifeln, dass es sehr viele 7-jährige Jethro Tull Fans gegeben hat. Tull-Fans sind üblicherweise hochintelligente, gebildete, spachlich und musikalisch interessierte Intellektuelle mit hohen Qualitätsansprüchen – so wie wir eben. Und die sind ziemlich schwer zufrieden zu stellen.

Eines möchte ich aber doch zur Ehrenrettung für Mr. Fogerty noch sagen. Ich glaube nicht, dass er nicht weiß, was ein Armani-Anzug ist. Im Stall lebt er auch nicht gerade, auch wenn er um 1970 herum auf der Bühne und im Fernsehstudio in Kleidung erschien, die aussah als wäre er gerade eben von der Feldarbeit hereingekommen – er ist tatsächlich, wie Anderson, auch sehr naturverbunden. In den letzten Jahrzehnten trug er, zumindest bei Filmaufnahmen, meist schwarze Hemden, auch gestreift oder gar gemustert wurde er bereits gesichtet. Ich könnte mir vorstellen, dass er das karierte Hemd nicht zuletzt seinen Fans zuliebe anzieht. Es ist ja auch so herrlich schön und einfach, wenn man nicht mehr braucht als ein Karohemd um bei seinen Fans das 1970-Feeling auszulösen. Davon kann Mr. Anderson nur träumen.

Jetzt lasse ich es für heute wieder erst einmal gut sein. Es ist ja schon wieder so spät – meine Güte…

Seid lieb gegrüßt

Kretakatze

PS.: Lieber Lockwood, warum findest Du es denn so schön, dass ich gerade eine Vorliebe für CCR hatte. Und das, obwohl die doch an Dir so (fast) spurlos vorübergegangen sind? Abba waren, glaube ich, erst später aktuell, so ab Mitte der 70er Jahre. Smokie weiß ich nicht mehr und Bay City Rollers sagen mir nichts. Ich glaube, da war ich aus dem Alter raus… Ach ja, Deine Vorliebe für Kate Bush fand ich interessant. Wegen Kate Bush bin ich erstmals auf YouTube gelandet. Aber dazu vielleicht ein andermal.

05.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 69: Kleiderordnung

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

John Fogerty’s CCR habe ich nie so richtig wahrgenommen und ich kann noch nicht einmal sagen, warum das so ist. Ihre Musik ist ok, der Gesang ist markant, mit hohem Wiedererkennungswert. Ich kenne zwar ihre Gassenhauer wie Proud Mary, Sweet Hitch Hiker usw, aber viel mehr nicht. Den Hinweis von Kretakatze auf Mr. Fogerty’s Beständigkeit in Hinsicht auf Garderobe und Stimme finde ich sehr interessant. Nicht zuletzt für einen Jethro Tull – Fan. Die Aussage, dass sich jemand jahrzehntelang nicht verändert oder weiterentwickelt, klingt zunächst einmal negativ. Wenn ich hingegen die Entwicklung des Mr. Anderson in den letzten Jahrzehnten betrachte, werden die positiven Aspekte dieser Aussage sichtbar.

Mr. Fogerty hat augenscheinlich seinen Geschmack in Fragen von Hemden, Jeans und Frisur nicht geändert. Er bleibt sich treu, wie man in solchen Fällen sagt. Er ist selbstbewusst genug, um auf jedes Diktat des Zeitgeschmacks zu pfeifen. An der jahrelangen Präsenz von CCR können wir ablesen, dass sich der Frontmann einer Band nicht unbedingt in aufsehenerregende Gewänder hüllen muss, um den Bestand der Gruppe zu gewährleisten. Statt über die Garderobe definiert sich Mr. Fogerty über die Stimme. Nicht das schlechteste Vorgehen für einen Sänger.

Das bringt mich wieder zu Jethro Tull. Mr. Anderson hatte gewiss ebenfalls die Möglichkeit, sich über seine musikalischen Fähigkeiten zu profilieren. Aber nein, in den letzten Jahren greift er zu Outfits, vor denen selbst die Kelly-Family zurückgeschreckt wäre. Ich kann das nicht verstehen. Wenn ich es nicht bereits mehrfach getan hätte, würde ich an dieser Stelle meinem Unmut und mein Unverständnis auf langen Seiten Luft machen.

Um zur Abwechslung einmal etwas Positives über Mr. Anderson’s Bühnenbekleidung zu sagen: Seine historischen Kostüme aus der Mitte der 70er Jahre gefallen mir gut. Sie passten wunderbar zur folkorientierten Musik, der sich die Gruppe damals verschrieben hatte. Und genau hier sehe ich den Unterschied zwischen Mr. Anderson und Mr. Fogerty: Die Musik von Jethro Tull hat sich in den fast 40 Jahren ihres Bestehens stark verändert. Wenn nun Mr. Anderson Wert darauf legt, Musik und Kleidung aufeinander abzustimmen, kommt er um einen Wechsel des Kleidungstils nicht herum. Das sehe ich ein und das halte ich auch für richtig. Hinzu kommt, dass ein athletischer 30jähriger in engen Strumpfhosen eine bessere Figur macht als ein untersetzter Endfünfziger. Ich räume also ein, dass Mr. Anderson seine Bühnengarderobe an die jeweilige Musikrichtung und sein Alter angepasst hat. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, im Gegenteil. Offen bleibt aber die Frage, warum Mr. Anderson seinem Alter und Leibesumfang gerecht zu werden versucht, indem er getupfte Schlabberanzüge und Kopftücher trägt. Wir wissen doch spätestens seit Eric Clapton, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, sich dem Alter entsprechend zu kleiden.

Vor meinem geistigen Auge entsteht gerade folgendes Szenario: Presseempfang für verdiente Haudegen der Rockmusik. Mr. Anderson im Piratenoutfit steht neben Mr. Clapton im Armani-Anzug. Ich denke, mehr muss ich nicht sagen.

Vor einigen Tagen überraschte mich jemand mit der Feststellung, dass der CCR – Song „Down On The Corner“ gut zu Abba gepasst hätte. Es mag sein, dass es Parallelen gibt, wenn man die musikalischen Parameter von CCR- und Abba – Titeln genauer untersucht. Aber das kann ich nicht leisten. Ich persönlich habe große Schwierigkeiten damit, die glockenklaren Stimmen der Abba – Frauen und die Synthi-Popmusik der Schweden mit der kernigen Stimme und dem urwüchsigen Rock’n’Roll des Mr. Fogerty unter einen Hut zu bringen.

Aber, meine lieben Freunde, jetzt haltet Euch gut fest: Zu meinem großen Erstaunen stellte ich heute rein zufällig fest, dass Abba einen CCR-Song gecovert haben ! Es handelt sich um „Midnight Special“. Leider ist die Abba -Version bei youtube nicht verfügbar. Das ist nicht verwunderlich: Ich kenne die Abba – Version aus einem Sammelalbum, das bisher unveröffentlichtes Material enthält. Ich gehe also davon aus, dass diese Coverversion nie als Single erschienen ist.

Die Tatsache, dass Abba ein Lied von CCR covern, reicht mir als Beweis dafür, dass es in der Musik dieser beiden Formationen keine so großen Unterschiede gibt, wie mein unzureichender Musikverstand mich das bisher glauben machen wollte. Tja, man lernt nie aus.

Mit dieser positiven Feststellung verabschiede ich mich für heute und wünsche Euch ein wunderbares Wochenende !

Lockwood

01.06.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

was John Fogerty und CCR anbelangt, ist es mir ähnlich wie Lockwood gegangen, ich habe sie gelegentlich im Radio gehört oder bei Freunden, auch im Fernsehen gesehen, fand die Musik ganz gefällig, aber die Gruppe gab mir keinen weiteren Anlass, mich näher mit ihr zu beschäftigen. Gehört und fast schon wieder vergessen. Die Titel, die Lockwood genannt hat, kenne ich natürlich auch. Und Proud Mary (in der Interpretation mit Ike und Tina Turner) habe ich sogar früher mit meiner Band gecovert (das Original ist von CCR?).

Nun, Lockwood ist ja wohl nicht nur unser DNA-Spezialist, sondern auch für die ‚hohe Schneiderkunst’ (Haute Couture) zuständig. Ob Herr Fogerty überhaupt weiß, was unter Armani zu verstehen ist, bezweifle ich fast (von Armani dürften seine Jeans nicht stammen). Herr Anderson wird sicherlich nicht ständig in Anzügen dieser Marke herumlaufen, aber vielleicht hat er doch den einen oder anderen im Kleiderschrank. Neben den 20 Piratenkostümen besitzt er doch einiges Tragbare für den festlichen Anlass wie im Kloster Laach-Auftritt zu sehen war. Ich habe da übrigens ein hübsches Video von Jethro Tull zugespielt bekommen (Living in the Past), das zeigt Herrn Anderson mit Zylinder (muss aus dem Jahre 1993 stammen, da für das 25th Anniversary box set Werbung gemacht wird; Dave Pegg hatte wohl gerade die Gruppe verlassen und Jon Noyce kam erst 1995, wenn ich richtig informiert bin. So muss sich Herr Anderson für diesen Auftritt vom Arbeitsamt einen arbeitslosen Bassisten geholt haben). Ich bin nun wirklich kein Modekenner (und bewege mich auch eher im Fogerty’schen Geschmackslevel), aber das Jackett von Herrn Anderson erinnert mich an Batik-Arbeiten (oder ist ein Muster aus der Kunst der Maya?), modisch also sehr ‚gewagt’. Von dem Teil muss er mehrere Stücke besessen haben, ich erinnere mich an einen Auftritt mit Mandokis Soulmates im deutschen Fernsehen, bei denen er ähnliches trug (ich hab nachgeschaut, tatsächlich – das gleiche Stück – und schnell bei youtube eingespielt: Soulmates „Mother Europe“):

Die Stimme von Ian Anderson ist auf dieser Aufnahme (Living in the Past) bereits stark angekratzt, daher ist der instrumentale Teil etwas gedehnt worden, was ich aber sehr hörenswert finde (auch Martin Barres Gitarrenspiel).

Weiteres dann später (auch meinen „Folklore“-Vortrag und weiteres zu den letzten Griechenland-Videos).

Ich wünsche Euch eine angenehme Woche.
Bis bald

Wilfried

P.S. Ich bekomme gerade eine Mitteilung von dem Typen, der das „Living in the Past“-Video ins Netz gestellt hat: Ich nehme alles zurück (von wegen arbeitsloser Bassist): Der langmähnige Mensch ist angeblich kein anderer als der Sohn von Dave Pegg, Matt Pegg, der auch ab und zu bei Tull ausgeholfen hat. Interessant auch ihn einmal in Bild und Ton zu erleben!

03.06.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

Wilfrieds Hinweis, dass Mr. Fogerty ebenso weit von Armani-Anzügen entfernt ist wie Mr. Anderson, ist an dieser Stelle berechtigt. Seit Maria Laach wissen wir, dass Mr. Anderson auch edlen Zwirn im Kleiderschrank hat, aber er hält es damit wie ich; die guten Stücke werden nur zu Weihnachten herausgeholt. Es gibt drei Gründe, warum ich keine Armani-Anzüge trage: Erstens sprengen sie mein Budget, zweitens würden sie in meiner Größe überhaupt nicht mehr gut aussehen und drittens habe ich keine Gelegenheit, so feines Tuch zu tragen. Aber an Mr. Clapton sehen sie topp aus!

Den Zylinder trug der Meister bei mehreren Gelegenheiten, wie ich dem Bildteil des Songbook entnehmen kann. Ich finde, er steht ihm gut zu Gesicht und macht einen schmalen Fuß. Jedenfalls passt dieser Aristokraten-Helm besser zum British Way of Live als der Kopfverband.

Das Jackett aus „Mother Europe“ ist zwar modisch gewagt, geht für meine Begriffe aber in Ordnung. Ich bin nicht grundsätzlich gegen modische Extravaganzen; ein Rockmusiker sollte sich in seiner Garderobe schon von einem Finanzbeamten unterscheiden.

Ich wusste nicht, dass Mr. Anderson schon seit den 90er Jahren bei Mandoki’s All-Star-Band mitspielt. Ich bin bisher davon ausgegangen, dass diese Truppe sich erst vor einigen Jahren formiert hat, um bei Thomas Gottschalk aufzutreten. Bis auf den Meister und Herrn Mandoki kenne ich niemanden aus der Band. Und Herrn Mandoki kannte ich bis dahin nur als musikalischen Steppenreiter. Ihr wisst schon: „Dschingis Khan“, die deutsche Antwort auf die „Village People“.

Liebe Kretakatze, ich hoffe, Du verzeihst Wilfried und mir, dass CCR an uns spurlos vorübergegangen sind. Erst meine Probleme mit der griechischen Musik und jetzt das. Bitte bleibe uns gewogen und gib uns noch eine Chance !

Vor einiger Zeit fragtest Du nach einem Beitrag zur irisch-schottisch-bretonisch-gälischen Folklore. Ich picke jetzt wahllos ein Stück dieses Genres heraus und stelle es zur Diskussion. Falls es Euch nicht gefallen sollte, habt bitte keine Hemmungen, das auch zu sagen.

Übrigens: Durch Zufall entdeckte ich eben ein Video einer weiteren Jethro Tull – Coverband. Musikalisch in Ordnung, aber eben nicht das Original.

So, genug für heute (am 7. Tage sollst Du ruhen !).
Ich wünsche Euch eine sonnige Woche

Lockwood

03.06.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

es ist wirklich immer wieder interessant, was man so aus fernen Landen hört, und inzwischen haben wir ja schon eine ganz nette Reise hinter uns – von Schottland über Island, Spanien und Kreta bis nach Israel. Ich war noch in keinem dieser Länder (außer Griechenland natürlich), mich hat es immer einseitig nur in eine Gegend gezogen. In nordischen Ländern ist es mir zu kalt – ich bin ein sehr wärmebedürftiger Mensch – und Israel ist wohl auch nicht für mich geeignet, denn ich bin weder blond noch attraktiv.

Schönheitsideale sind überhaupt auch ein interessantes Thema. Woher kommt es, dass ein Mensch oder sogar ganze Völker nun z.B. gerade blonde Haare für erstrebenswert erachten. In anderen Kulturen sind es auch kleine Füße, lange Hälse oder gar „angespitzte“ Zähne. Teilweise führt dieses Streben nach Schönheit regelrecht zur Selbstverstümmelung – auch Piercing würde ich dazu zählen. Da sind blond gebleichte schwarze Haare noch vergleichsweise harmlos.

Schönheitsideale unterliegen dem Wandel der Zeit. Häufig sind sie von Vorbildern abgeleitet, denen man nachzueifern versucht. In verschiedenen Epochen galt ein „griechisches Profil“ als schön, da man die Griechen der Antike wegen ihrer Kultur und Bildung bewunderte. In südlichen Ländern gilt offensichtlich ein mittel- oder nordeuropäisches Aussehen als attraktiv, vermutlich da man zu den Mitteleuropäern wegen ihres wirtschaftlichen Erfolgs und ihres politischen Einflusses aufschaut. In Mitteleuropa dagegen legt man sich ins Sonnenstudio um sich die Haut zu bräunen, um wie ein Südländer auszusehen, da das so gesund und naturverbunden wirkt. Es scheint – wie meist im Leben – besonders das erstrebenswert zu sein, was man nicht hat und was nur schwer zu erlangen ist.

Manchen Menschen kann man an ihrem Äußeren bereits ansehen, welche Vorbilder sie haben. John Fogerty z.B., den ich ja letztes Mal schon kurz erwähnt habe, und zu dem ich heute noch einmal ausführlicher kommen werde, scheint wohl ein Bewunderer der Beatles gewesen zu sein. Das lässt zumindest seine Frisur vermuten.

Wer nun vielleicht das Vorbild für Ian Anderson’s Löwenmähne gewesen sein könnte, vermag ich nicht zu erraten, aber in dieser britischen TV-Sendung vom 16.03.2007 sagt er etwas, das sehr aufschlussreich ist in Bezug auf die Frage, was ihn zur Wahl dieser Haartracht bewegt haben könnte. Diese Sendung war im Übrigen kein Interview, sondern eine Art Boulevard-Magazin, in dem es um die „Seitenlage“ des Scheitels eines britischen Oppositionspolitikers ging. Mr. Anderson wurde wohl als Experte für „haarige Angelegenheiten“ eingeladen. Sein Auftritt beginnt etwa bei 0:50 (leider kann man bei diesen Videos ja nicht in der Mitte aufsetzen), etwa ab 1:20 beschreibt er wild gestikulierend, wie die Haare von Personen aussehen, die wir sympathisch finden, und den entscheidenden Satz sagt er etwa bei 1:40 – „We love the guys with the crazy, fly-away hair“. Also ungefähr so wie bei diesem Herrn hier.

Mr. Anderson möchte also geliebt werden. Wer möchte das nicht? Leider hat es die Natur nicht gut mit ihm gemeint und ihn eines Großteils seiner Haarpracht beraubt. Wenn er wollte, könnte er aber heute sicher auch noch so ähnlich aussehen wie dieser Herr, mit dem er außer den Haarproblemen ja auch noch die Stimmprobleme gemeinsam hat – wir erinnern uns (mit Grausen). Aber offensichtlich möchte er das nicht. Er hat sich wohl gesagt „Entweder – oder, halbe Sachen mach‘ ich nicht“, hat die verbliebenen Haare abrasiert bis auf Streichholzlänge und versteckt diese rudimentären Reste nun noch unter einem Kopfverband. Das könnte man fast schon als Trotzreaktion betrachten.

Soweit zur Schönheit des Mr. Anderson. Jetzt möchte ich aber noch einmal zum Vergleich Anderson – Fogerty zurückkommen, den ich letztes Mal so kurz und provokativ angerissen hatte. Würde ich es bei diesen wenigen Worten belassen, dann würde ich wohl beiden Herren unrecht tun. Wie ich nun gerade auf John Fogerty komme, wo er auf den ersten Blick mit Mr. Anderson so gut wie nichts gemeinsam hat?

Creedence Clearwater Revival war die einzige Band, von der ich jemals ein Poster über meinem Bett hängen hatte. Das muss um 1971 gewesen sein, denn damals war ich Bravo-Leser, und es war ein Bravo-Poster. Ich war nicht direkt ein Fan, ich habe auch nur eine einzge Single von CCR – für ein Album hat mein damaliges Taschengeld noch nicht gereicht. Ich hatte ja nicht einmal einen Plattenspieler, und im Wohnzimmer hätte ich das nicht hören dürfen. Wie auch immer, als ich dieser Tage auf YouTube gelandet bin, habe ich natürlich auch die alten CCR-Hits ausgekramt und bin dabei auch auf die neuen Videos von John Fogerty gestoßen. Bis dahin wusste ich nicht einmal, dass er überhaupt noch Musik macht. Nach dem Ende von CCR 1972 hatte ich nichts mehr von ihm gehört.

Wohl noch aus meiner Bravo-Zeit weiß ich, dass es ein paar bemerkenswerte Parallelen zwischen Anderson und Fogerty gibt. In den meisten Punkten sind die Beiden aber praktisch exakte Gegensätze, so wie ihre Musik wohl auch die entgegengesetzten Enden der Rockmusik markiert. Fangen wir mit den Parallelen an…

Die Band Creedence Clearwater Revival wurde im Dezember 1967 gegründet – im gleichen Monat wie Jethro Tull! Vorher hatten die Jungs allerdings schon jahrelang unter anderen Bandnamen Rockmusik gemacht. Die Anfänge gehen auf 1959 zurück, als John’s 4 Jahre älterer Bruder Tom Fogerty in El Cerrito, Californien, zusammen mit seinem Freund Douglas Clifford (Drums) die Schülerband Blue Velvets gründete. Der damals 14-jährige John durfte vermutlich mitspielen, da er Tom’s kleiner Bruder war. Einige Monate später stieß dann noch Stuart Cook als Bassist dazu. Damit waren CCR eigentlich schon komplett.

Die Band spielte anfänglich Cover-Versionen aktueller Hits. Gegen Mitte der 60er Jahre begann John dann selbst Songs zu schreiben und löste seinen Bruder Tom nach und nach als Leadgitarrist und schließlich auch als Sänger ab. In dieser Zeit wurden auch schon erste Platten aufgenommen, allerdings mit wenig Erfolg. Die Gründung – eigentlich eher Umbenennung – der Band 1967 fiel zusammen mit einem Wechsel in der Plattenfirma und außerdem dem Zeitpunkt, zu dem sich der Youngster John endgültig auch als Bandleader durchgesetzt hatte.

Gleich das erste Album der Band Anfang 1968 schlug ein wie eine Bombe, 1969 wurden drei weitere Alben veröffentlicht und 1970 zwei. Die ausgekoppelten Singles gaben sich in den Top Ten die Türklinke in die Hand. Spätestens ab 1970 müssen CCR eine der kommerziell erfolgreichsten Bands der USA gewesen sein. Ich erinnere mich noch, dass sie von den Bravo-Lesern jährlich zur beliebstesten Rockband gekürt wurden.

Der Erfolg seiner Musik führte dazu, dass John Fogerty die anderen Bandmitglieder restlos an die Wand spielte und zu Statisten degradierte. Das konnte nicht lange gutgehen. Als Erster wollte sein Bruder Tom nicht mehr mitmachen, er stieg 1971 aus und versuchte sich in einer wenig erfolgreichen Solo-Karriere. 1972 verließen auch Doug Clifford und Stu Cook die Band, um zusammen mit anderen Musikern eine neue Gruppe zu gründen. Das war das Ende von CCR.

Ich glaube bis hierher kommt Euch die Geschichte so vor, als ob Ihr sie so ähnlich schon einmal gehört hättet. Auch Ian Anderson hatte es bis 1972 geschafft, alle anderen Gründungsmitglieder von Jethro Tull loszuwerden. Allerdings hatte er die „Lücken“ immer sofort wieder mit anderen Musikern aufgefüllt. Er konnte auch auf ein „Reservoir“ von eigenen musikalischen Schulfreunden zurückgreifen, während John Fogerty immer nur mit den Freunden seines großen Bruders musiziert hatte. Trotzdem wäre es für ihn sicher kein Problem gewesen ein paar neue Musiker zu finden, die sich gerne mit ihm auf die Bühne gestellt und auch ein paar Millionen verdient hätten. Aber von den Querelen des Gruppenlebens und dem harten Job eines Bandleaders hatte er offensichtlich genug. Stattdessen nahm er als erstes ein Soloalbum auf, bei dem er jedes Instrument selbst spielte und damit vollkommen ohne andere Musiker auskam. Ein Schritt so demonstrativ und radikal, dass er genauso gut von Ian Anderson hätte sein können.

Überhaupt habe ich mich schon mehrfach gefragt, warum es Mr. Anderson nicht schon viel früher mit einer Solo-Karriere versucht hat. Eigentlich war er in meinen Augen prädestiniert dafür, viel mehr als Mr. Fogerty. Das ist schon in seinem völlig anderen musikalischen Ansatz und Anspruch begründet. Er war immer der Experimentierer, der etwas Neues und Anderes ausprobieren wollte – neue Musikrichtungen, neue Instrumente, neue Formen der Darbietung. Da ist ein festes Team von Musikern eher hinderlich. Er hat das auch selbst einmal in einem Interview angedeutet.

Wenn man in einer Band einen Drummer, einen Bassisten und einen Gitarristen hat, dann kann man schlecht einen Titel z.B. nur für Keyboard, Flöte und Gesang schreiben. Da sind die übrigen Musiker traurig, weil sie nichts zu tun haben. Das lässt sich zwar bis zu einem gewissen Grad dadurch ausgleichen, dass man den Drummer ans Glockenspiel setzt und dem Gitarristen eine Querflöte in die Hand drückt (wie es Anderson ja auch schon getan hat), und wenn man mit Profis arbeitet, dann funktionert das auch. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass man immer eine bestimmte fixe Anzahl Musiker einsetzen muss, nicht mehr und nicht weniger. Und das schränkt die kreativen Möglichkeiten schon ein, ganz abgesehen davon, dass in so einem Team vermutlich manche neue Idee auch sehr schnell im Keim erstickt wird, da der eine Musiker dies und der andere das nicht mitmachen will oder nicht gut findet.

Kommen wir zu Mr. Fogerty zurück. Seine weitere Karriere enthielt mehr Tiefen als Höhen. Die ersten Solo-Platten konnten an die früheren Erfolge nicht anknüpfen, zumal er seinen Musikstil teilweise änderte und sein Repertoire um Gospels erweiterte. Mit Liedern a la Mary Don’t You Weep konnten seine Froschteich-Rock gewohnten Fans nichts anfangen – ich habe es auch fast nicht glauben können. Wie man sieht hat auch Mr. Fogerty musikalische Verirrungen und Verwirrungen hinter sich, wenn auch in eine andere Richtung als Mr. Anderson.

Dazu kamen jahrelange Rechtsstreitigkeiten mit der ehemaligen Plattenfirma. Es ging um Verträge und die Rechte an den CCR-Titeln. Fogerty durfte seine eigenen Lieder nicht mehr spielen, er durfte nicht einmal etwas spielen, was so ähnlich klang (d.h. von sich selbst abschreiben). Das brachte seine musikalischen Aktivitäten schließlich erst einmal völlig zum Erliegen. Hier zeigt es sich, dass Mr. Anderson beim Abschließen von Verträgen und im Handhaben seiner „personellen Entscheidungen“ vermutlich cleverer war. Dadurch, dass er über jeden personellen Schnitt in der Band zumindest Martin Barre hinübergehoben hat, konnte er vermutlich auch den Namen Jethro Tull und die damit verbundenen Rechte und Pflichten wahren. Inzwischen ist Jethro Tull wahrscheinlich sowieso sein Privatunternehmen.

Bemerkenswerterweise im Abstand von jeweils etwa 12 Jahren gelangen Mr. Fogerty noch erfolgreiche Alben – mit „Centerfield“ erreichte er 1985 die Spitze der amerikanischen Album Charts, und mit „Blue Moon Swamp“ gewann er 1997 einen Grammy. Dazwischen lag noch ein weniger erfolgreiches Album und musikalische Sendepause. Erst seit Ende der 90er Jahre scheint er bei Live-Auftritten auch wieder CCR-Hits im Programm zu haben. Seither wird er anscheinend musikalisch auch wieder aktiver. So verkürzten sich zuletzt die Abstände zwischen neuen Studioaufnahmen dramatisch – nach „Deja Vu“ im Jahr 2004 ist er laut seiner Homepage zurzeit schon wieder in den Studios – da muss sich aber Mr. Anderson langsam mal ranhalten. Außerdem tourt Fogerty seit 2005 auch wieder jährlich durch Europa. Es scheint als ob es ihn beflügelt hätte, dass er sich 2004 nach über 30 Jahren mit seiner ehemaligen Plattenfirma (die inzwischen unter anderer Führung steht) vertraglich einigen konnte und nun auch wieder die Rechte an seinen CCR-Titeln hat. Dieses jahrzehntelange Hickhack um seine Musik muss wie ein böser Fluch auf ihm gelastet haben.

So weit für heute zu meinem Vergleich Anderson – Fogerty. Aber keine Sorge, ich bin noch lange nicht fertig, das war nur die Einleitung. In meiner nächsten Vorlesung werde ich dann im Detail auf Musik, Songtexte sowie Bühnenshow (insoweit man Fogerty’s Auftritte so bezeichnen kann) eingehen. Für heute habe ich Euch aber erst einmal genug gelangweilt.

Ich wünsche Euch einen guten Start in die Woche!

Liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Als Anhang gibt es heute noch einen seltenen und ungewöhnlichen CCR-Song. Er wurde erst 1986 auf einer Compilation-Platte veröffentlicht und kann eigentlich nicht wirklich von CCR sein, denn er ist mit einem Keyboard instrumentiert, und bei CCR gab es nie einen Keyboarder. Es ist aber unverkennbar John Fogerty’s Stimme. Vielleicht ein erster Solo-Track? In diesem Video gibt es keine Bilder, dafür ist unter der Beschreibung der komplette Songtext abgelegt: (Wish I Could) Hideaway

03.06.2007

English Translation for Ian Anderson

Mein 500.000. Youtube-Besucher

Dieser Tage hatte ich den 500.000sten Besucher meiner Videos bei youtube.com. Den Kommentaren zufolge ist viel Dank auf mein Haupt geschüttet worden, das ich auf diesem Wege gern zurückgeben möchte.

Übrigens gibt es, was die „most viewed“ (am meisten betrachteten) Videos betrifft, ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Videoclip „Heavy Horses“ und Ians Andersons Flötensolo (live aus dem Tampa Stadium vom 31. Juli 1976 in Tampa, Florida/USA), wobei das letzte wohl in Kürze die Nase vorn haben dürfte (vom Flötensolo gibt es zz. fast 500 Aufrufe täglich – Heavy Horses bringt es gerade einmal auf 200).

Top 10 von WilliZos Youtube-Besuchern
Top 10 meiner Youtube-Besucher

Was ist bloß mit Ian los? Teil 68: Vom Sein und vom Schein

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

ich muss dem Lockwood Abbitte leisten – ich hatte ihm gegenüber behauptet, Sirtaki wird immer nur auf das Sorbas Lied getanzt. Nun habe ich im Internet eindeutige Beweise gefunden, die diese These widerlegen. Zu meiner größten Überraschung haben sich nämlich offenbar die Türken des Sirtaki angenommen und ihn zum Disco-Paartanz weiterentwickelt. Hier zuerst die Sorbas-Variante, bei der zum Schluss auch noch Teller zerschlagen werden – eine Tradition, die eigentlich zum Seimbekikos gehört. Sei’s drum, in den Sirtaki kann man alles reinpacken, da muss man es nicht so genau nehmen. Das sieht man auch bei diesem von Türken getanzten Sorbas-freien Paar-Sirtaki – er scheint mir gar Elemente aus dem Flamenco zu enthalten, teilweise kommt er mir jedenfalls irgendwie spanisch vor…

Und da wir gerade bei multikulturellen Tänzen sind, hier noch ein weiteres Kuriosum: Ein Tanz aus Sri Lanka. Im ersten Moment habe ich tatsächlich selbst geglaubt, dass diese ceylonesischen Tänzerinnen auf das armenisch-griechische Lied tanzen – es passt perfekt. Und wenn man das 12-saitige Banjo nicht sieht, dann denkt man fast man hört eine indische Sitar… Zum Vergleich hier noch das Original, dem der Ton entnommen wurde: Dinata Dinata. Dieses Lied ist überhaupt sehr vielfältig einsetzbar, so war es auch bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele 2004 in Athen der musikalische Hintergrund fürs Feuerwerk.

Tja, was der Einzelne aus einer Musik heraushört oder wo er Ähnlichkeiten zu entdecken meint, das scheint doch individuell sehr verschieden zu sein. Das griechische Lied „Mavra Matia“ klingt also schottisch und „Fat Man“ ist indisch – da wäre ich nie drauf gekommen. Tatsächlich gehört Fat Man z.B. zu den Titeln, die ich zwar seit Ende der 70er kenne, deren Existenz ich aber völlig vergessen hatte, da ich damals nichts mit ihnen anfangen konnte. So war ich erst vor zwei Monaten ziemlich überrascht das „Stand Up“- Album in meinem Regal zu finden – ich war fest davon ausgegangen, dass ich es nicht besitze. Erst als ich es wieder in den Händen hielt erinnerte ich mich schwach, dass es wohl so um 1980 herum einmal ein Geburtstagsgeschenk von meinem Bruder gewesen sein muss. Ich habe es einmal gehört, fand die Musik schrecklich, habe es in den Schrank gestellt und geistig verdrängt. Als ich die Platte jetzt aufgelegt habe fand ich einige Stücke durchaus hörenswert, und besonders Fat Man klang in meinen Ohren sofort vertraut – so griechisch eben.

In mancher Hinsicht verstehe ich Dich ja, lieber Lockwood. Ich muss zugeben, dass mir die traditionelle griechische Volksmusik auch nicht von Anfang an gefallen hat. Als Tourist ist man die übliche Bousouki-Musik gewöhnt und die „Laika“, die beim Griechen um die Ecke zum Souflaki aus dem Lautsprecher dudeln. Unter „Laika“ versteht man übrigens in Griechenland so ziemlich alle populäre Musik, die nicht älter als 100 Jahre ist, es ist also ein sehr weit gefasster Begriff. Auch große Teile der Musik von Mikis Theodorakis oder Jannis Markopoulos fallen darunter. Wie auch immer – als ich das erste Mal auf Kreta bei einem Tanzfest mit traditioneller Lira-Musik konfrontiert wurde, empfand ich das auch als ein furchtbares Gejaule (das habe ich natürlich niemandem gesagt…). Es hat einige Zeit gedauert, bis ich mit diesen Klängen warm geworden bin, und es war dazu nötig darauf zu tanzen. Ich glaube diese Musik kann sich einem überhaupt nur beim Tanzen erschließen. Die Hoffnung, dass ich Tanzmuffel wie Euch davon begeistern kann, habe ich daher längst aufgegeben.

Wie ich schon einmal erwähnt habe, kann sich das Musik-Bedürfnis oder das Musik-Empfinden im Laufe der Jahre ändern, und ich bin davon überzeugt, dass ich nicht zuletzt wegen meines Ausflugs in die griechische Musik (wenn man 25 bis 30 Jahre als Ausflug bezeichnen kann) heute Zugang zu manchen Jethro Tull Stücken habe, mit denen ich in den 70ern nichts anfangen konnte – Fat Man, Witch’s Promise und A Passion Play gehören dazu. Im Laufe der Jahre haben sich meine Ohren an wilde Taktwechsel, schräge Rhythmen und dem üblichen mitteleuropäischen Musikgefühl zuwiderlaufende Melodien gewöhnt. Heute kommt mir das alles vertraut vor.

Schade, lieber Lockwood, dass Du mit der griechischen Musik so garnicht zurecht kommst. Was Du für Probleme mit der Sprache hast, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, und eigentlich kann doch Deine Abneigung gegen griechische Musik nicht schon immer so bestanden haben. Schließlich hast Du Dir selbst einmal freiwillig (nehme ich doch an) die „20 Sirtaki von Mikis Theodorakis“ gekauft. Das hätte ich jetzt nicht getan, Sirtaki ist nicht so mein Fall – für mein Empfinden zu langsam, öde und oberflächlich.

Aber wechseln wir das Thema, bevor der arme Lockwood noch über meinen langatmigen Ausführungen einschläft. Kommen wir zu roten Hüten, Piratenlook und gepunkteten Seiden-Pyjamas. Mir ist schon klar, dass das Golders-Green-Outfit eine Art modifizierten Reitdress darstellen soll, wie er in England z.B. zur Fuchsjagd getragen wird – durchaus sehr passend, wenn man beabsichtigt in einem Hippodrom ein Hunting Girl auf Velvet Green zu treffen. Zu solch einem Reitdress gehört auch eine Kopfbedeckung, im Original allerdings eher eine Art schwarze Reiterkappe, nicht gerade eine rote Melone. Da Mr. Anderson mit Reitkappe aber vermutlich auch nicht geistreicher ausgesehen hätte, will ich mich über den roten Hut ja garnicht mehr beschweren. Ich habe mich praktisch an ihn gewöhnt, man kann damit leben.

Auch das Piraten-Kopftuch finde ich garnicht mehr so schlimm, seit mir klargeworden ist, dass Mr. Anderson sich doch nur für einen pontischen Kriegstanz zurechtmachen will. Dass er dazu sein aktuelles Bühnen-Outfit noch arg aufpeppen müsste, finde ich nicht einmal – noch zusätzlich ein schwarz gefärbtes Bettlaken um den Kopf drapiert und ein altes Brotmesser in den Gürtel gesteckt – fertig! Wie ich Dich, lieber Wilfried, inzwischen kenne, könntest Du den Meister in Minutenschnelle mit diesen Utensilien ausstatten. Die Griechen würden ihn dann sicher mittanzen lassen, zumal er auch von Alter und Statur her perfekt zu ihnen passen würde und ihm die erforderlichen Tanzbewegungen keine Schwierigkeiten bereiten sollten.

Den gepunkteten Pyjama zum gleichfarbigen Kopfverband fand ich zwar auch nicht besonders geschmackvoll, übler fand ich da aber noch diesen Schmuddel-Look aus der „Under Wraps“-Tour, wo Anderson aussieht, als ob er zuvor 2 Wochen ungewaschen und unrasiert unter einer Brücke übernachtet hätte, oder diesen Halbstarken-Look mit unappetitlich durchgeschwitztem Lederwestchen auf blanker Männerbrust, in dem er Anfang der 90er Jahre auf Bühnen und im Fernsehen zu bewundern war. Der Gipfel ist für mich aber doch der Tampa-Auftritt, vielleicht weil es einfach ein so krasser Fehltritt zwischen den für meinen Begriff durchaus geschmackvollen und passenden Kostümen der Jahre davor und danach war, und weil mir die Bilder auch farblich einfach in den Augen brennen. Ab 1980 gab es ja dann eigentlich fast nur noch Fehltritte, da hat man schon garnichts anderes mehr erwartet. Aber dieses Thema habt Ihr sicher auch schon bis zum Abwinken behandelt.

Nun will ich doch noch einmal zu Tänzen zurückkommen (der arme Lockwood…), denn der Wilfried war ja fleißig und hat einen schottischen Tanz auf YouTube gestellt. Das bietet natürlich interessante Vergleichsmöglichkeiten. So arg viel Ähnlichkeit mit griechischen Tänzen kann ich aber nicht entdecken. Zum einen klingt der Dudelsack für meine Begriffe vergleichsweise schrill – vielleicht liegt’s auch am Ton. Der griechische dudelt jedenfalls für meine Ohren angenehmer. Dann handelt es sich offensichtlich um einen Tanz, den jeder für sich allein tanzt, auch wenn das hier vier Personen gleichzeitig tun. Ich kenne nur drei griechische Tänze – Seimbekikos, Tsifteteli (Bauchtanz) und Karsilamas (ein Paartanz), bei denen einzeln getanzt wird. Bei allen anderen Tänzen fasst man sich irgendwie an: Hand-Fassung (Sirtos, fast alle pontischen und makedonischen Tänze), Schulter-Fassung (Chasapikos, Pentosalis, Sirtaki und verwandte), Hand-Überkreuz-Fassung (z.B. Sonaradikos), Gürtel-Fassung (Tanz habe ich vergessen). Dieser „Körperkontakt“ ist ein ganz wesentliches Merkmal eines Tanzes, er schafft dieses „Gemeinschaftsgefühl“, das bei diesem schottischen Tanz bestimmt nicht so entsteht.

Und erst als die Kamera näher rangeht sieht man den nächsten gravierenden Unterschied: Da tanzen ja nur Frauen. Und das ist doch ein Schwerter-Tanz – oder? Der ist doch ursprünglich nicht für Frauen gedacht. Aber die tanzmuffeligen Männer glänzen mal wieder durch Abwesenheit und überlassen das Tanzen den Frauen. Typisch für wahrscheinlich fast alle Länder in Europa, außer Griechenland. Dort tanzt jeder vom 2-jährigen bis zum 90-jährigen, Männlein und Weiblein ohne Unterschied. Niemals würde man die Vorführung eines Schwerter-Tanzes Frauen überlassen. Früher durften sie bei Tänzen wie der jetzt schon mehrfach erwähnten Sera (Pontischer Kriegstanz) bestenfalls zur Verzierung dahinter stehen, klatschen oder vielleicht ein paar zaghafte eigene Schritte tun – aber bitte in einer eigenen Reihe und hinter den Männern! Heute dürfen sie auch mittanzen, aber nur im Familienkreis oder bei einem Tanzfest, nicht bei einer Vorführung. Und ja, dieser Tanz wird nicht nur auf der Bühne für Touristen aufgeführt, er wird auch noch privat auf Festen getanzt (da allerdings dann meist in seiner etwas vereinfachten „Verkleinerungsform“ der Seranitsa, bei der schon eher auch Frauen zugelassen sind). Und auch das ist noch ein wesentlicher Unterschied. In Griechenland „leben“ diese traditionellen Tänze noch. Ich wage zu bezweifeln, dass das in Schottland auch so ist.

Ach, der arme Wilfried, jetzt habe ich sein schottisches Tanz-Video völlig niedergebügelt. Aber so war das nicht gemeint, lieber Wilfried, wirklich ein sehr schönes Video, das Du da gemacht hast! Und als versöhnlicher Abschluss hier noch ein Kommentar, den ich auf YouTube unter einem Video des Lieds „Dinata Dinata“ (siehe oben) gefunden habe: Talking about different cultures, I am scottish and if I wasn’t I would love to be Greek! I love everything about the Greek culture from the history, the language to the music! I am hooked!. Na also, sage ich doch – Griechisch und Schottisch, das passt!

Lieber Lockwood, ich muss Dir völlig recht geben: Inzwischen haben sich so viele verschiedene Themen aufgetan, dass man in einem Zug garnicht mehr alle ansprechen kann. Jetzt habe ich mich langsam müde geschrieben, und zu den Mendel’schen Gesetzen bin noch nicht gekommen. Bitte nicht enttäuscht sein, ich fange nächstes Mal gleich damit an, versprochen.

Ich wünsche Euch ein schönes Pfingstfest!

Liebe Grüße

Kretakatze

PS.: Vielen Dank, lieber Wilfried, dass Du versucht hast Mr. Anderson von Beck’s Bier zu überzeugen. In seinem gegenwärtigen Outfit als pontischer Kriegstänzer würde er aber vermutlich auch nicht mehr optimal in eine Bierreklame passen. Ich werde mir noch etwas Besseres für ihn einfallen lassen müssen (man will ja doch, dass er finanziell nicht darben muss…)..

26.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute muss ich schon wieder eine frühere Aussage revidieren oder doch zumindest relativieren. Sicher werdet Ihr mich hier bald rausschmeissen, wenn ich weiterhin jeden Beitrag mit einem Widerruf beginne, in dem ich meine haltlosen Behauptungen vom Vortag zurücknehme. Wie ich schon einmal erwähnte, komme ich zu meinen Ansichten und Einsichten meist aus dem hohlen Bauch heraus. Manchmal sollte ich den vielleicht doch vorher mit etwas Substanz füllen. Ich werde versuchen mich zu bessern.

Ich hatte, stark vereinfacht, die blonden Haare des Achilles deutschen Archäologen in die Schuhe geschoben – nicht ganz wörtlich natürlich. Das war wohl doch etwas zu schnell geschossen. Später erst ist mir eingefallen, dass der Achilles eine Gestalt aus den Erzählungen des Homer und anderer antiker Schriftsteller ist, und es daher möglich wäre, dass z.B. Homer etwas über seine Haar- und Augenfarbe geschrieben hat. Dann wären die deutschen Archäologen unschuldig.

Ich muss zugeben, dass ich jetzt nicht in den letzten Tagen die Odysee und die Illias durchgearbeitet habe. Nach meiner bescheidenen Kenntnis war Achilles ein (bis auf seine berühmte Ferse) unverwundbarer Halbgott und damit eine Sagengestalt, deren tatsächliche Existenz eher ungewiss ist. Selbst wenn Homer etwas über seine Haarfarbe geschrieben haben sollte, kann man davon ausgehen, dass diese Beschreibung nicht auf eigener Anschauung beruhte. Das heißt: Homer hat die Haare des Achilles vermutlich nie persönlich in Augenschein genommen. Verlässliche Aussagen über Haar- und Augenfarbe des Achilles werden daher wohl noch viel schwieriger zu erlangen sein als verlässliche Aussagen über Haar- und Augenfarbe des Mr. Anderson. Und dies hat sich ja bereits als aussichtsloses Unterfangen erwiesen.

Im Prinzip geht es ja auch nicht speziell um die Haarfarbe des Achilles, sondern darum, ob die antiken Hellenen nur eher vom hellen, mitteleuropäischen Typ waren, oder doch eher dunkelhaarig und dunkeläugig. Ich will nicht ausschließen, dass es Berichte antiker Schriftsteller oder Chronisten gibt, in denen auch die Haarfarbe mancher ihrer Zeitgenossen Erwähnung findet. Ich will auch nicht ausschließen, dass es schon damals in Griechenland blonde und blauäugige Menschen gegeben hat – so wie heute ja auch. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, dass die Mehrheit der damaligen Bevölkerung so ausgesehen haben soll. Eine solche „Population“ wäre schon dem Klima und den Lebensumständen nicht angepasst gewesen, und wie ich außerdem bereits erwähnt habe – ich habe noch nie antike griechische Darstellungen blonder Menschen gesehen. Soweit meine langatmige Vorrede.

Nun zur weiteren genetischen Entwicklung griechischer Populationen. Lockwood hatte ja meine These angezweifelt, nach der die heutigen blonden Griechen und speziell Kreter (ich würde mich da gerne auf Kreter beschränken, da ich mich mit blonden Griechen aus anderen Landesteilen nicht auskenne) von mittel- und westeuropäischen Kreuzfahrern und venetianischen Kaufleuten abstammen. Diese These habe ich mir ausnahmsweise nicht selbst ausgedacht, sondern ich habe sie irgendwo einmal gelesen, und mir hat sie eingeleuchtet. Es gab mindestens 4 Kreuzzüge (je nachdem, welche Kriegszüge gen Osten man dazu zählt), die sich über insgesamt 200 Jahre hinzogen (ca. 1100 bis 1300 n. Chr.). Kreta war ein zentraler Anlaufpunkt im Mittelmeer, die „Franken“, wie sie von den Griechen heute noch genannt werden, haben mehrere Burgen auf Kreta gebaut, Stützpunkte sozusagen. Ich würde davon ausgehen, dass die eroberten Gebiete im Bereich des heutigen Israel und Libanon auch Nachschub aus der Heimat benötigt haben, dass es also auch so etwas wie Handelsrouten gab. Da kann ich mir schon vorstellen, dass auch der eine oder andere westeuropäische Spross auf Kreta hängengeblieben ist.

Um das Jahr 1200 fiel Kreta an Venedig, danach regierten dort bis etwa 1650 – also 450 Jahre – die Venetianer. Sie trieben einen regen Handel, die Städte waren voll von venetianischen Kaufleuten. Venetianer sind zwar im Prinzip Italiener, aber Norditaliener sind auch oft vom mitteleuropäischen Typ. Ich würde davon ausgehen, dass auch noch andere europäische Länder an dem Handel beteiligt waren. Auf jeden Fall kam in diesen Jahrhunderten durch die Handelsbeziehungen bestimmt auch viel frisches „Blut“ nach Kreta.

Um 1650 wurde Kreta dann von den Türken erobert. Erst 1898, also gerade mal vor reichlich 100 Jahren, wurde Kreta durch vertragliche Regelungen europäischer Großmächte mit den Türken frei. 1913 wurde es mit Griechenland wiedervereinigt. Soviel zur jüngeren Geschichte (nicht dass Ihr denkt, das wüsste ich alles auswendig – das habe ich bei Wikipedia abgeschrieben).

Die ca. 250 Jahre türkischer Herrschaft haben wesentlichen Einfluss auf Kultur, Lebensgewohnheiten und Sprache der Griechen gehabt. Dass sie wesentlichen Einfluss auf die genetische Zusammensetzung der griechischen Bevölkerung hatten, wage ich zu bezweifeln. Griechen und Türken sind wie Wasser und Öl. Man kann sie zusammen in eine Flasche gießen und 250 Jahre schütteln, es wird keine einheitliche Masse daraus werden. Hält man die Flasche ein paar Minuten still, dann werden sich die Substanzen wieder trennen, und man wird wieder eine Flasche mit zwei verschiedenen Flüssigkeiten in den Händen halten. Die gegenseitigen Abstoßungskräfte sind zu stark, als dass ein anderes Ergebnis zu erwarten wäre.

Wenn ich versuche zu erklären, warum das so ist, kann ich auch gleich dem Wilfried seine Frage beantworten, welche besondere Beziehung es zwischen Griechen und Armeniern gibt. Es ist die Religion. Griechen definieren sich in erster Linie über den Orthodoxen Glauben. Alle Völker, die ebenfalls orthodox sind – es muss nicht griechisch-orthodox sein – sind Freunde, Brüder, gehören praktisch zur Familie. Griechen fühlen sich daher engstens verbunden mit Georgiern und Armeniern, mit orthodoxen Syrern und Libanesen, mit Russen und Serben. Während der Kriege in Jugoslawien standen die Griechen z.B. immer kritiklos auf der Seite der Serben – weil sie orthodox sind.

Mit den Armeniern verbindet noch zusätzlich, dass sie zur gleichen Zeit Opfer von Völkermord und Vertreibung wurden, wie die pontischen Griechen. Etwa zwischen 1915 und 1920 wurden im Osten der Türkei ca. 1 Mio. Armenier umgebracht oder vertrieben und im Westen der Türkei ca. 1,5 Mio. pontische Griechen (die übrigens von der Schwarzmeer-Küste stammen und nicht von der Ägäisküste, wie ich neulich geschrieben hatte). Gleichzeitig verließen ca. 500.000 türkisch-stämmige Bewohner Griechenland – ein Völkeraustausch. Wie ich schon sagte – hält man die Flasche still…

So wie die Griechen sich selbst und ihre Freunde am orthodoxen Glauben erkennen, so wird (stark vereinfacht, aber doch treffend) der Rest der Menschheit ebenfalls anhand seines Glaubens eingeteilt. Nicht orthodoxe Christen sind auch noch Menschen, Juden sind eigentlich schon keine mehr (es gibt einen unverhohlenen Antisemitismus in Griechenland, Juden sind verhasst – warum weiß ich auch nicht so genau), und Muslime sind der Teufel in Person. Und mit sowas paart man sich nicht. In solchen Kategorien denken übrigens auch Menschen, die sich selbst als Kommunisten und Atheisten bezeichnen. Allein mit Religion hat das nichts mehr zu tun.

Jetzt ist das alles ein bißchen überzeichnet, denn wenn man heute persönlich einen netten Türken kennenlernt, dann läd man den natürlich auch zu einem Gläschen griechischen Kaffee ein und tanzt Sirtaki mit ihm. Vermutlich hat es auch in den 250 Jahren Türkenherrschaft friedliches Zusammenleben und freundschaftliche Kontakte gegeben. Im Prinzip war aber diese Zeit gekennzeichnet von wiederkehrenden Aufständen der Griechen, die von den Türken blutig niedergeschlagen wurden und von ständigen Guerilla-Attacken der in die Berge geflohenen Widerstandskämpfer. Dass es in diesem Klima zu einer nennenswerten Vermischung der beiden Bevölkerungsgruppen gekommen sein soll, kann ich mir nicht vorstellen. Sonst müsste es auch heute noch auf Kreta ein paar Muslime geben. Oder wenigstens ein paar Menschen mit türkisch-stämmigem Namen. Ich habe nie einen getroffen.

Nun noch kurz zu den Mendel’schen Gesetzen. Du hast bezweifelt, lieber Lockwood, dass die rezessiven Gene für blonde Haare und blaue Augen auf Dauer gegen dominantes schwarz-braun bestehen könnten. Nun sterben Gene nicht deshalb aus, weil sie rezessiv sind, sondern weil sie einen Selektionsnachteil darstellen – wenn die Träger dieser Gene sich also weniger stark vermehren als die „Konkurrenz“, oder wenn sie gar ganz an der Fortpflanzung gehindert werden. Man kann wohl davon ausgehen, dass blonde Haare und blaue Augen, meist auch noch verbunden mit einer hellen Haut, in südlichen Ländern tatsächlich einen Selektionsnachteil darstellen. Gerade dann ist es aber für die Erhaltung eines Gens von Vorteil, wenn es rezessiv ist. Dadurch kann es sich nämlich in vielen Fällen hinter dem dominanten Gen „verstecken“, ohne dass der Träger den Selektionsnachteil erleidet, und kann so ungestört weitervererbt werden.

Jeder Tierzüchter weiß, dass er ein unerwünschtes Gen umso schwerer los wird, je stärker rezessiv es sich vererbt. Er kann dann nämlich die meisten Träger dieses Gens garnicht erkennen und dadurch auch nicht von der Zucht ausschließen. Irgendwann paart er dann unwissentlich zwei Träger dieses Gens miteinander und bums – hat er schon wieder so ein unerwünschtes Exemplar. Wird das dann ausselektiert, nimmt natürlich im Laufe der Zeit die Häufigkeit des Gens in der Population schon ab, aber langsam, sehr langsam. Nur so ist auch zu erklären, dass bestimmte rezessiv vererbliche Erbkrankheiten wie z.B. Bluterkrankheit oder Farbenblindheit einfach nicht aussterben wollen, und das schon seit Jahrtausenden.

In unserer heutigen Zeit der Sonnencremes und Bürojobs in klimatisierten Räumen ist auch der „Selektionsnachteil“ eines Blonden im Mittelmeerraum gegen Null gesunken. Stattdessen findet dort zur Zeit, wenn man das respektlos so nennen darf, eine regelrechte Verdrängungszucht statt. Horden attaktiver Mittel- und Nordeuropäerinnen fallen in die Urlaubsgebiete ein und schnappen sich dort die besten einheimischen Männer weg. In manchen Gegenden haben junge Griechinnen kaum noch eine Heirats-Chance – und das ist kein Witz. Der von mir bereits erwähnte dunkelblonde Grieche, der im Übrigen der Vater meines ebenso dunkelblonden Sohnes ist, hat später noch eine dunkelblonde Deutsche geheiratet und hat nun noch zwei blonde Kinder. Von all seinen zahlreichen Freunden ist gerade mal ein einziger mit einer Griechin verheiratet, alle anderen haben Ausländerinnen geheiratet – Deutsche, Holländerinnen, Engländerinnen, Schwedinnen, Österreicherinnen. Das geht jetzt so schon seit 20 bis 30 Jahren, und es wird immer schlimmer. Die Zahl der blonden Griechen ist rapide im Steigen begriffen.

Jetzt bin ich aber ganz schön weitschweifig geworden, und das musiklos, staubtrocken und Anderson-frei. Und es wird nicht besser, denn mein nächstes Thema hat auch nichts mit Jethro Tull zu tun.

Lieber Lockwood, was Du über Deinen Eindruck von den griechischen Tänzen geschrieben hast, hat jetzt mich fast erschreckt. Dass jemand diese Musik als herb und finster empfinden könnte, hätte ich nie vermutet. Gut, ich hatte natürlich bei den makedonischen Tänzen mit Absicht die am scheußlichsten klingenden ausgesucht, und dass ein Kriegstanz finster wirkt liegt in der Natur der Sache. Schließlich will man den Feind abschrecken, und das scheint den Tänzern ja bei Dir gelungen zu sein (kleiner Scherz am Rande, den Du mir hoffentlich nicht übel nimmst). Aber der Sonaradikos ist für meine Ohren ein fröhliches Lied, und der Sirtos mit Michalis Tsouganakis strotzt für meine Begriffe geradezu vor Lebensfreude – da hält mich kaum noch etwas auf dem Stuhl. Das Dinata Dinata ist auch vom Text her ein Lied über Stärke und Lebensfreude, aber den Text muss man meiner Meinung nach nicht verstehen um das zu hören. Du entwickelst Dich für mich immer mehr zum Rätsel…

Wenigstens weiß ich jetzt schon einmal etwas, was Dir gefällt – Abba. Das ist ein Anfang. Ich bin jetzt zwar nicht unbedingt ein spezieller Abba-Fan, aber ich höre ihre Musik auch recht gern. Da hätten wir mal einen ersten Ansatzpunkt. Was hörst Du denn sonst noch so, außer ein paar handverlesenen Platten von Jethro Tull? Nicht, dass ich jetzt an Dir herumkritteln oder Dich als zu wählerisch hinstellen möchte. Ich versuche nur herauszufinden, mit welchem musikalischen Kleinod ich vielleicht sogar Dir einmal eine Freude machen könnte.

Schließlich beginne ich mir ernsthaft Vorwürfe zu machen, dass ich durch meine unvorsichtige Auswahl fragwürdiger Tanz-Videos eine akute Ellinikophobie (Elliniko = Griechisch) bei Dir ausgelöst haben könnte. Gerne würde ich mein Möglichstes dazu beitragen, zumindest noch die drohende chronische Manifestation abzuwenden. Außerdem liegt es in meiner Forschernatur nicht eher zu ruhen, als bis ich den Krankheitserreger separiert und identifiziert habe. Ich denke Du ahnst bereits Übles.

Wenn ich Dich richtig verstanden habe ist es nicht nur die Musik, sondern auch die Sprache, die Du als „herb und finster“ empfindest. Ich kann mir nur vorstellen, dass das mit den vielen harten Lauten zusammenhängt – ps, ks, ts, ch und th, um nur die härtesten zu nennen. Für mich ist das ein Grund, warum mir die Sprache besonders gefällt, im Gegensatz zum langweiligen Trallalla-Blablabla des Italienischen (ich hoffe, das liest jetzt kein Italiener) gib es der Sprache etwas Herzhaftes und Handfestes. Im Prinzip hat Griechisch den gleichen Laut-Umfang wie Spanisch, nur kommen die harten ps, ks und ts wohl noch häufiger vor. Wer keine der beiden Sprachen versteht, kann sie nach meiner Erfahrung kaum auseinanderhalten. Hast Du mit Spanisch die gleichen Probleme?

Ich halte das Thema „Sprachen“ überhaupt für sehr interessant. Worin unterscheiden sie sich? Warum liegt einem die eine Sprache und eine andere nicht? Das wäre schon wieder das nächste, sehr weite Feld…

Aber jetzt bin ich müde, gute Nacht, Ihr Lieben…gäääähn…

Kretakatze

PS.: Nur für gesundheitlich stabile, nicht Ellinikophobie-gefährdete Personen – ohne Altersbeschränkung – hier doch noch ein kleines Gute-Nacht-Lied:

Areti Ketime Nanourisma (Wiegenlied) – live in Athen

Der türkische Name verwundert, und sie scheint selbst noch ein halbes Kind zu sein….

Sie spielt Sandouri (eine Art Hackbrett = Saiteninstrument) und singt dazu – orientalisch, traurig, schön…

27.05.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

ich denke, es braucht mehr Mut, einen „Fehler“ zuzugeben, als später aus Trotz auf einem falschen Standpunkt zu beharren. Die Gefahr, dass Du, liebe Kretakatze, aus diesem Forum ausgeschlossen wirst, sehe ich also nicht.

Zur hellenistischen Pigmentierung:
Vor etlichen Jahren habe ich die Iliade gelesen (die deutsche Übersetzung, nicht im Original) und mir ist nicht erinnerlich, dass Homer etwas über Haar- und Augenfarbe seiner Helden geschrieben hat. Selbst wenn er es getan hätte, wären diese Informationen von zweifelhaftem Inhalt; wir sind uns darüber einig, dass die Figuren des Trojanischen Krieges eher sagenhaft als historisch sind. Von Homer ist also keine Hilfe zu erwarten.
Die langfristigen Einflüsse der Franken auf die griechische Bevölkerung in Tateinheit mit einer gekonnten Auslegung der Mendelschen Gesetze sehe ich nach Deiner letzten mail in einem anderen Licht. Aus dieser wissenschaftlichen Betrachtung scheint es also tatsächlich möglich, dass blonde Griechen ein Produkt ausländischer Gene sind. Leider sagt diese Erkenntnis nichts über Färbung des Achilles aus. Der Trojanische Krieg, so er wirklich stattgefunden hat, tobte etwa 2.000 Jahre vor den Kreuzzügen und 3.000 Jahre vor den Touristenströmen. Falls Achilles und einige seiner realen Landsleute also wirklich blond waren, dann ohne mitteleuropäisches Zutun. Aber, wie ich schon letzte Woche gesagt habe, an Deinem Einwand der dunkelhaarigen Vasenbemalungen kommt man nicht so leicht vorbei.

Vielleicht hat man die Rolle des Achilles (interessant die englische Aussprache: Äikillis) mit Mr. Pitt besetzt, weil seit Siegfried ein strahlender Held blond zu sein hat. Sein Gegenspieler Hektor wird konsequenterweise dunkelhaarig besetzt.

Das Verhältnis der Pigmentierung einer Population zu ihrer Umwelt muss man mit Vorsicht betrachten. Es fällt uns leicht zu verstehen, warum Schwarzafrikaner eine dunkle Haut haben. Wegen der Sonne, klar. Warum sind aber nordamerikanische Prärieindianer oder die Steppenvölker Zentralasiens, die noch nicht einmal einen Schatten spendenden Baum kennen, nicht ebenso dunkelhäutig ? In den Bergen Neuguineas lebt ein Volk (den Namen habe ich vergessen), das als das Dunkelhäutigste weltweit gilt. Dieses Volk lebt auf einem Hochplateau, das ständig von Wolken und Nebel umgeben ist, sodass nur wenige Sonnenstrahlen den Erdboden erreichen. Wir sehen also, dass sich Hautfarbe und Sonneneinstrahlung nicht immer im Verhältnis 1:1 verhalten.

Deinen berechtigen Hinweis auf das gespannte Verhältnis zwischen Griechen und Türken habe ich bei meiner Theorie unterbewertet. Auch ohne genauere Prüfung räume ich ein, dass beide Völker kein großes Interesse an einer Vermischung hatten und haben.

Dass blonde Menschen auf die Völker des Mittelmeerraums eine große Anziehungskraft ausüben, habe ich bei einem Israelurlaub festgestellt. Als blonder Recke ist man bei den jungen Frauen Hahn im Korb und als blonde Frau braucht man schon eine Eskorte, wenn man sich frei bewegen will. Bei diesem Israelurlaub ist mir aufgefallen, dass es dort nur sehr attraktive Frauen zu geben scheint. Entweder gibt es dort keine unattraktiven Frauen oder diese trauen sich nicht vor die Tür. Der Blondwahn dieser Region führt dazu, dass einige der jungen, schwarzgelockten glutäugigen Frauen sich blond färben lassen. Das war in meinen Augen eine schreckliche Erfahrung. Um es mit den Worten eines Stammtischs zu sagen: Das ist, als würde ich an einem Mercedes den Stern abbrechen.

Vorläufiges Zwischenergebnis: In der Frage, ob der antike Hellene vom mitteleuropäischen oder orientalischen Typ war, sind wir noch keinen bedeutenden Schritt weiter gekommen. In den Weiten des Internets gibt es ein Forum zur Ethnologie, dort könnte man bestimmt eine Antwort finden. Ehrlich gesagt bin ich im Moment aber zu faul, um danach zu suchen.

Das Harte, Herbe, Finstere an der griechischen Sprache hat tatsächlich mit den vielen harten Lauten zu tun. Auch gibt es hier Zischlaute, die wir in dieser Form im Deutschen nicht kennen. Beispiel: Öichi ! Das ist sehr wahrscheinlich vollkommen falsch geschrieben; es bedeutet „nein“ oder „nicht“. Dann fällt mir noch Kazekato ein; wahrscheinlich auch total falsch geschrieben. Es bedeutet „setzen!“ oder „setz dich!“ Ich kenne diese Begriffe nur, weil meine griechischen Bekannten sie häufiger zu ihrer damals zweijährigen Tochter sagten. Es sind nur zwei Begriffe, die aber ausreichten, bei mir einen harten herben Eindruck der Sprache zu hinterlassen. Dieser Eindruck konnte durch Deine Videos leider nicht revidiert werden.

Selbst das Wiegenlied, das Du in Deiner letzten mail gelinkt hast, unterstreicht diesen Eindruck. Hinzu kommen die häufigen Vibratos im griechischen Gesang. Das klingt schon sehr orientalisch. Selbst Dein Wiegenlied erinnert mich an den Ruf des Muezzin.

Spanisch klingt in meinen Ohren angenehmer. Es enthält zwar Elemente aus dem Arabischen, aber irgendwie komme ich damit besser klar. Die zum Hören angenehmste Sprache ist für mich italienisch (Sorry !) Um meine Äußerungen etwas zu relativieren möchte ich erwähnen, dass ich überhaupt kein Talent für Sprachen besitze. Ich habe weder Kenntnisse im Griechischen, noch im Spanischen oder Italienischen.

In einem Punkt widerspreche ich allerdings vehement: Der Sprachunkundige kann spanisch und griechisch sehr wohl auseinanderhalten. Woran es liegt, kann ich nicht mit Wortlauten belegen, aber ich finde die Klangbilder beider Sprachen sehr unterschiedlich, trotz der gemeinsamen harten Laute. In meinen Ohren verhält sich spanisch zu griechisch wie Zwiebelkuchen zu rohen Zwiebeln. Ein etwas unglücklicher Vergleich, aber er macht deutlich, wie die beiden Sprachen auf mich wirken.

Ich kann nicht verstehen, warum ich für Dich zum Rätsel werde. Ich bin kein großer Mysterienträger. Dass ich mit griechischer Sprache und Musik nicht klar komme, mag außerhalb Deiner Erfahrungswelt liegen, aber das ist doch nichts Geheimnisvolles. Es ist eine Geschmacksfrage, nicht weniger, aber erst recht nicht mehr. Deswegen muss ich Dir doch nicht kryptisch erscheinen.

Und eine Griechenphobie hast Du in mir auch nicht erzeugt, jedenfalls keine, die über die angeborene latente Xenophobie hinausgeht. Vielleicht interpretierst Du in meine Nichtbegeisterung für die griechische Kultur zuviel hinein. Es ist ganz einfach eine fehlende Begeisterung. Es ist kein Hass, keine Angst, keine Ablehnung. Dass Du ganz anders über die Menschen der Ägäis denkst, habe ich begriffen. Aber diese unterschiedlichen Geschmäcker machen mich noch nicht zum Problemfall, oder ?

Sprachen sind auch für mich als Unkundigen ein interessantes Feld. Ich habe mich beispielsweise vor Jahren gefragt, wieso die finnische und die ungarische Sprache miteinander verwandt sein können. Liegen diese beiden Länder doch nicht gerade in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander und eine gemeinsame Geschichte dieser Nationen ist mir auch nicht bekannt.

Für mich waren Finnen Nordeuropäer und Ungarn ein Konglomerat aus Mitteleuropäern und Nachfahren der Hunnen. Ganz so ist es wohl doch nicht. Eine Erklärung lieferte mir damals ein Sprachwissenschaftler, mit dem ich einen kurzen Briefwechsel unterhielt. (Prof. Gerhard Vollmer, der steht sogar in Wikipedia). Er empfahl mir damals die Lektüre eines Standardwerkes zur Entwicklung der Sprache und der Sprachen: „Die Cambridge Enzyklopädie der Sprache“ von David Crystal. Den Erwerb dieses Buches habe ich nie bereut.

Ääh, ich fürchte, bei meiner letzten mail ist der Eindruck entstanden, dass ich nur Jethro Tull und Abba höre. Für Deine gezielte Nachfrage zu meinen Musikbedürfnissen bin ich deswegen dankbar. Wie jeder „richtige Junge“ habe ich mich im pubertären Alter für Rockmusik interessiert. Queen, AC/DC, Status Quo, ZZTop und wie sie alle hießen. Später ergänzten Werke von Big Country und Led Zepplin meine Plattensammlung. Zwischendurch natürlich immer wieder Jethro Tull. Mein Faible für Rockmusik hält bis heute an. Irgendwann in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kam ich mit Britischer Folklore in Berührung, vorwiegend Irish-Folk. Hier hatten es mir besonders die Dubliners angetan. Wenn man auf dem Folkpfad ein wenig nach rechts und links schaut, stößt man zwangsläufig auf Jethro Tull. In den 80er Jahren hörte ich zum ersten Male Musik von den Pogues, für die ich eine ähnliche Begeisterung empfinde wie für JT. Zwischen all diesen Rockmusikern lief meine Vorliebe für Abba parallel im Hintergrund. Ich höre nicht oft Popmusik, aber, wie gesagt, wenn, dann von Abba. Sie haben wunderbare Melodien geschrieben und ich finde den Gesang von Agnetha Fältskog (die Blonde) überirdisch. Bevor ich es vergesse: Zum Thema Kate Bush habe ich mit Wilfried auch schon etliche Seiten gefüllt. Mein Pseudonym ist ein stark verdeckter Hinweis auf Mrs. Bush.

Alben der o.g. Künstler machen ca. 90 % meiner Plattensammlung aus. Daneben enthält sie Werke der klassischen Musik (Bach, Beethoven, Händel, Mozart) und einige Exoten: Theodorakis, Don Kosaken, Scottish Pipes and Drums und einiges mehr. Da fällt mir ein: Ich habe sogar eine LP von Vicky Leandros, aber ich glaube, das lässt Du nicht als griechische Musik gelten. Diese LP habe ich wegen dem Titel Lago Magiore im Schnee (Original von Mort Shuman) gekauft. Die anderen Titel auf dem Album kenne ich gar nicht.

Nicht, dass ich es bereue, mich als Abba-Hörer geoutet zu haben, aber diese Ergänzungen waren mir wichtig.

Ich wünsche allen Lesern und Griechen einen schönen Abend und eine geruhsame Nacht.
Lockwood

28.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

mit Rücksicht auf den öffentlichen Gesundheitszustand werde ich ab sofort meine Beiträge frei von griechischen Musik-Videos halten. Sollte ich es doch für angemessen oder notwendig erachten, Links zu griechischer Musik zu zu legen, werde ich dies nur noch am Ende als „Anlage“ unter der Rubrik PS.: und nach einem entsprechenden Warnhinweis tun.

Heute möchte ich noch kurz das Stichwort „Liedermacher“ aufgreifen, das Wilfried vor ein paar Tagen im Zusammenhang mit einem armenisch-griechischen Lied gebraucht hat. Zu diesem Titel – es war Meno Ektos – hat der Begriff meiner Meinung nach nicht gepasst. Unter Liedermacher-Stil verstehe ich etwas anderes. Aber natürlich gab und gibt es auch in Griechenland Liedermacher. Der bekannteste von ihnen war und ist Dionisis Savvopoulos, der bereits in dem Feuerwerks-Video von der Abschlussfeier der Olympischen Spiele zu sehen war – es war der ältere Herr mit der großen Trommel vor dem Bauch. Unter PS.: habe ich ein paar Stücke von ihm zusammengestellt, die teilweise auch von anderen Interpreten vorgetragen werden. Außerdem würde ich auch noch Miltos Paskalidis zu den griechischen Liedermachern zählen. Auch von ihm kann man dort noch ein Video finden.

Zudem habe ich im Anhang auch noch ein paar Links zu Titeln von und mit Nikos Papasoglou abgelegt. Er hat mit unserem allseits verehrten Mr.Anderson, den ich nun auch einmal wieder kurz erwähnen möchte, eine traurige Gemeinsamkeit: Seine Stimme hat böse gelitten. Als ich ihn zuletzt 1989 live gehört habe, klang er noch wie auf dem Video zusammen mit Savvopoulos. Als ich die neuen Aufnahmen gehört habe, bin ich wirklich erschrocken – er klingt völlig heißer, teilweise bekommt er kaum noch einen Ton heraus. Beim zweiten Video versagt ihm dann die Stimme vollends und das Publikum singt für ihn weiter – da könnte einem fast das Heulen kommen. Aber Ihr kennt das ja…

Dass es Papasoglou nun besonders wild getrieben und seine Stimme mit Gesangsakrobatik ruiniert haben soll, kann ich mir bei ihm nicht recht vorstellen. Wahrscheinlich sind bei manchen Menschen die Stimmbänder der Dauerbelastung durch das tägliche Singen auf Konzert-Tourneen einfach nicht gewachsen. Auch Stimmen altern und verändern sich. Das ist mir in letzter Zeit bei meinen Streifzügen durch YouTube aufgefallen, wo man gut Live-Auftritte desselben Musikers aus verschiedenen Jahren oder Jahrzehnten vergleichen kann (bei den Studio-Aufnahmen kann doch noch viel durch die Technik kaschiert werden).

Creedence Clearwater Revival’s John Fogerty zum Beispiel war seinerzeit nicht zuletzt für seine Reibeisen-Stimme berühmt. Er hatte nicht nur einen Frosch im Hals, das war ein ganzer Froschteich, mit dem er beim Singen gegurgelt hat. Zur Anschauung hier einer meiner Lieblingstitel: I Heard It Through The Grapevine (miserabel synchronisierter Clip von 1970). Eigentlich sollte man annehmen, dass jemand, der so singt, innerhalb kürzester Zeit seine Stimmbänder durchgeraspelt hat. Aber die scheinen bei Mr. Fogerty ganz schön zäh zu sein. Der gleiche Titel live 2006 klingt dann so (bescheidenes Bootleg, aber den Titel gibt’s von 2006 nicht besser).

OK, der Froschteich ist weg, aber die Stimme dröhnt noch ganz schön laut. Da kann Mr. Anderson nicht mithalten. Für weitere Detail-Vergleiche hier noch der Song Rock ’n‘ Roll Girl und die Ballade Deja Vu All over Again (ebenfalls Bootlegs von 2006), bei denen man den Herrn etwas besser aus der Nähe sieht. Was fällt auf: Er trägt noch immer die gleichen Jeans und das gleiche karierte Hemd wie vor 40 Jahren. Mr. Anderson würde in seine Kostüme von damals nicht mehr passen, und sie würden ihm heute auch kaum besser stehen das das, was er aktuell so trägt. Dafür waren sie allerdings auch bedeutend origineller als das Outfit von Mr. Fogerty! Und der nächste auffällige Unterschied: Auch wenn sein Gehopse auf der Bühne ein wenig ungelenk aussieht, sollte man doch nicht vermuten, dass Mr. Fogerty bei diesen Aufnahmen 61 Jahre alt war. Er scheint kaum gealtert zu sein. Weiterentwickelt hat er sich aber auch nicht.

Also wenn wir einen Musiker möchten, der nicht altert, immernoch das gleiche trägt wie 1970 und immernoch die gleiche Musik macht, und dessen Stimme durch nichts kaputtzukriegen ist, dann nehmen wir doch einfach Mr. Fogerty – oder?

Ich denke nach meinem Schreibmarathon über die Feiertage – das Wetter war aber auch so mies, da konnte man ja doch nichts anderes tun – werde ich es die nächste Woche über etwas langsamer angehen lassen. Lasst es Euch gutgehen!

Es grüßt Euch

Kretakatze

PS.: Achtung, die folgenden Musik-Videos könnten bei Personen mit entsprechender Disposition eine ernstzunehmende Ellinikophobie auslösen! Aufruf nur auf eigene Gefahr! Für Fälle von akutem Krankheitsausbruch oder Auftreten von anaphylaktischem Kulturschock Abba-CD bereithalten!

Dionisis Savvopoulos To chimona etouto (In jenem Winter)
Savvopoulos hat in den 70ern die „Neo Kima“, die Griechische „Neue Welle“ begründet – Liedermacher-Stil

Eleni Tsaligopoulou Thalassografia (Nicht wirklich übersetzbar, in einem: Darstellung des Meeres / Vermessung des Meeres / Beschreibung des Meeres) – professionelles Video
Das Lied ist im Original von Savvopoulos – mystisch-sehnsuchtsvoll, Bilder von Felsen und Meeresbrandung
Übersetzung: Trage uns weit, Trage uns zu fernen Orten, Wehe übers weite Meer, Wehe Wind, wehe (wird mehrfach wiederholt)

Sofia Avramidou Seimbekiko (Heißt so, wie der Tanz, den man darauf tanzen kann) – TV-Sendung (griechische Version von „… sucht den Superstar“
Das Lied ist im Original von Savvopoulos – langsam-tragisches Chanson zu Klavier
Der Text handelt von der Vertreibung der kleinasiatischen Griechen aus Smirni (= Ismir) 1922 und dem folgenden Flüchtlingselend – daher auch die Bilder im Hintergrund

Nikos Papasoglou und Dionisis Savvopoulos Acharnis – Paravasi (Acharnis: Ort in der Nähe von Athen – Überschreitung)
Beide Lieder sind von Savvopoulos – zwei Männer mit einer Klampfe unter einem Baum…

Nikos Papasoglou Pote Voudas Pote Koudas (Manchmal Buddha, manchmal Koudas (Personenname, ich weiß nur nicht von wem…)) – TV-Sendung
… manchmal Jesus und Judas… Das Lied handelt vom Spiel des Lebens – Tsifteteli (griechischer Bauchtanz)
Nikos hat erheblche Simmprobleme und ist in den letzten 15 Jahren bemerkenswert erblondet… Trotzdem ein hörenswerter Titel, der gute Laune macht (dem Publikum und mir jedenfalls)

Nikos Papasoglou Kanis edo den tragouda (Niemand hier singt) – TV-Sendung
Hier versagt ihm jetzt völlig die Stimme und das ganze Publikum hilft beim Singen aus… fast schon tragisch

Miltos Paskalidis Ederlezi – Fotia mou (Ederlezi: traditionelles Zigeunerlied aus Jugoslawien – Fotia mou: Mein Feuer – Liebeslied) live Bootleg
Dunkelblonder Grieche mit Brille; raucht, während er nicht singt, und hat noch beim Gitarre spielen die Zigarette in der Hand; intelektueller Rebell, der sein Publikum gern gegen den Strich bürstet – Liedermacher-Rock? Der griechische Herbert Grönemeyer?

28.05.2007

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Hallo Ihr beiden Hübschen,

Ihr müsst schon entschuldigen, wenn ich nicht mehr so ganz mitkomme, aber zz. steht mein Lust-und-Laune-Pegel etwa bei „mies“, was nichts mit Euch zu tun hat, sondern mit meiner Arbeit. Ich muss aber auch gestehen, dass ich mich in Eure Diskussion um Haar- und Augenfarbe nicht einmischen möchte. Das ist mir inzwischen zu haarig geworden. Nur soviel: Ob nun wahre Helden blond und blauäugig zu sein haben, auch wenn diese eher der Sage als der Realität entsprungen sind, sollte man nicht allein Hollywood überlassen (und dort deutschen Regisseuren, z.B. Wolfgang Petersen). Weshalb blond immer wieder für so viel attraktiver gehalten wird, ist mir eher ein Rätsel. In einigen Fällen muss es mit einem unbegründeten Minderwertigkeitsgefühl zusammenhängen.

Ich wollte jetzt mit einem längeren Beitrag zum Thema Folklore – Volkslieder und Folk kommen. Aber dafür brauche ich dann doch etwas ‚mehr Luft’. Mit Lockwood hatte ich dieses Thema bereits angeschnitten.

So möchte ich doch etwas zum Thema Jethro Tull (speziell Ian Anderson) und deren Outfits anmerken. Damit wir nicht ganz so ohne Anderson bleiben. Im Rock-Lexikon von Siegfried Schmidt-Joos und Barry Graves in einer erweiterten Auflage vom Okt. 1975 steht u.a.:

‚…Im modischen Kleider-Zuschnitt der Charles Dickens-Ära erschienen die Musiker auf der Bühne, als alte Männer ließen sie sich für ein Cover-Foto schminken. Zunächst klang ihre Musik „wie eine elektrisch verstärkte Heilsarmee-Kapelle“ (‚Rolling Stone’). Später vollführten sie in der Maske von Tiefseetauchern, Bären und dem weißen Kaninchen Harvey eine Show, die als typisch englische Mischung von Rock, Music Hall, Burleske und Marty Feldmans Comedy Machine über die Rampe kam.

Anderson zog wieder alle Show-Register, ließ vier Damen unter Lockenperücken geigen, einen weiblichen Dirigenten unter Frackschößen verführerische Dessous offenbaren und verlieh der Komödie mit virtuosem Flötenfeuer den gewohnten Glanz. Er sei, urteilte Ulrich Olshausen, aus Menschenverachtung in die Rolle des Hofnarren geschlüpft: „Wenn er sich mit servilem Kratzfuß für den Applaus bedankt, dann ist er der Wissende, der mit seiner Unterwerfung diejenigen verhöhnt, von denen er abhängt.“’

14x Ian Anderson

Der Bär (John Irving lässt grüßen) und die Dirigentin sind mir dabei unbekannt geblieben. Man beachte: Der Artikel beleuchtet die Anfangsjahre der Band. Ich erinnere mich außerdem in diesem Zusammenhang einmal etwas mit dem Begriff Vauxhall gelesen zu haben (Vauxhall-Look oder so). Vauxhall ist ein Londoner Stadtteil und bekannt für die traditionelle English Music Hall und für viele Cabarets. Heute ist Vauxhall auch bekannt für Schwulenbars und Nachtclubs. Unter dem Vauxhall-Look versteht man wohl eine entsprechend laszive Kleiderordnung. Eine gewisse Schlüpfrigkeit im Auftritt lässt sich bei Ian Anderson nicht leugnen.

Wie bereits angedeutet, herrscht in einigen Stücken von Ian Anderson eine Diskrepanz zwischen Musik und Text (z.B. „Broadford Bazaar“ ist ein schönes Folk-Lied, aber der Text steckt voller Kritik). Hinzu kommt bei Live-Auftritten das schrille Outfit der Gruppe; man stelle sich also den Vortrag von „Broadford Bazaar“ im blau-grellen Tampa-Outfit vor. Absurder geht es eigentlich nicht. Okay, so krass kam uns Herr Anderson wohl noch nie daher. Eher so, dass zwei von den dreien (Musik, Text und Outfit) zusammenpassten. Der Tampa-Anzug fällt mit dem „Too old to rock ‚n’ roll“-Album zusammen und darf als Selbstironie gewertet werden. Und die Klamotten mit Melone nach Gutsherrenart von 1977 im Hippodrome entsprechen den rustikalen Liedern aus dem Wald.

Das Urteil der Menschenverachtung möchte ich nicht teilen. Der Kritiker stammt aus der Jazz-Szene. Und da sieht man alles wohl etwas seriöser und ernster. Ein wenig Hohn gegenüber dem Publikum traue ich Herrn Anderson aber schon zu. Wenigstens früher.

Warum aber nun dieser Zirkus? Hierzu hat Ian Anderson nie wirklich Stellung bezogen. Wenigstens ist mir keine entsprechende Aussage bekannt. Sicherlich spielen mehrere Faktoren hier eine Rolle. Zum einen ist es der Wunsch, sich von anderen (Rockgruppen) zu unterscheiden. Und: Welches Kind verkleidet sich nicht gern. Außerdem soll das Ganze einen Wiedererkennungswert haben. Darin ist Anderson ein Meister. Wer Jethro Tull zumindest vom Namen her kennt, weiß um das Männchen mit Flöte auf einem Bein. Der Drang nach Selbstdarstellung spielt sicherlich eine Rolle. Und wenn man erst einmal durch ausgefallene Bühnenauftritte bekannt geworden ist, dann kann man nicht plötzlich nur noch in Jeans und T-Shirt auftreten. Eigendynamik nennt man das wohl. Aber der Hauptgrund ist wohl der, dass Ian Anderson Brite ist. Die haben die Exzentrik scheinbar im Blut.

Großbritannien ohne Queen, ohne Monty Python und ohne schwarze Taxis und Doppeldeckerbusse (Lockwood, das Thema hatten wir bereits) wäre nicht vorstellbar. Und ich behaupte: ohne Jethro Tull würde der Insel auch etwas Wichtiges fehlen!

Nun denn …
Viele Grüße
Wilfried

29.05.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 67: Gegen dunkle Segel

Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

nun hat auch mich das Wikinger-Fieber gepackt und mein detektivischer Spürsinn ist erwacht – was hat das dunkle Segel zu bedeuten, woher kommt das geheimnisvolle Schiff am Horizont?

Tatsächlich habe ich schon beim ersten Hören von Broadsword wegen des dark sail gestutzt, denn Segel stellt man sich bei uns üblichersweise hell vor. Anderson hätte hier genauso gut von einem white sail oder black sail singen können. Deshalb hatte ich immer den Verdacht, dass dieses dark ein Hinweis darauf ist, um was für ein Schiff es sich handelt. Auch der tapfere Schotte am Strand kann einem Schiff am Horizont schließlich nicht ansehen, wer darinnen sitzt – es könnte ja auch sein Vetter aus Dingsda sein, der ihn mal besuchen kommt. Aber der wäre vermutlich mit einem hellen Segel unterwegs gewesen. Es ist das dunkle Segel, das ihn Übles ahnen lässt.

Dark ist übrigens nicht gleich black, und ein Segel kann auch dunkel sein, wenn es aus einem dunklen Material hergestellt ist – Seegras z.B., oder Rentierhaut. Was weiß ich, woraus die Wikinger ihre Segel gemacht haben. Deshalb habe ich mich mal schlau gemacht. Und siehe da, bei Wikipedia habe ich Folgendes über die Segel der Wikinger gefunden:

In Skuldelev bestand das Segel aus Wolle einer besonders langhaarigen Schafsrasse… Königsschiffe hatten Leinensegel. Die Bahnen hatten oft unterschiedliche Farben, so dass sie senkrecht gestreift waren. Aber es gab auch sich kreuzende Diagonalstreifen („með vendi“), wie sie auf gotländischen Bildsteinen und alten Münzen zu sehen sind. Es werden sogar Purpursegel erwähnt… Die Segel waren oft farbig, aber nicht nur rot-weiß, wie auf den Darstellungen der Neuzeit. Als Knut der Große von England aufbrach, um Olav den Heiligen aus Dänemark zu vertreiben, wird seine Flotte geschildert: „Knut der Mächtige hatte ein Heer zusammen, um das Land verlassen zu können…die Segel waren blau, rot und grün gestreift… Möglicherweise gab es auch einfarbige Segel, denn der Skalde Sigvat, der die Flotte gesehen hat, schreibt in seinem Preisgedicht: Og báru í byr (Blausegel – die blähen).

Am Horizont sah so ein buntes Segel sicher einfach nur dunkel aus. Ich denke die Frage der Herkunft des Schiffes ist geklärt, nun kann ich beruhigt schlafen gehen.

Die Mendel’schen Gesetze und ihre Bedeutung für die Haarfarbe von Griechen im vermeintlichen Widerspruch zu den genetischen Einflüssen der Turkvölker im nordöstlichen Mittelmeerraum (aktueller Arbeitstitel) behandle ich dann nächstes Mal.

Nun habe ich Euch aus meinem Schatzkästchen griechischer Musik noch ein schönes, trauriges Gute-Nacht-Lied mitgebracht. Es ist diesmal kein traditionelles Volkslied, sondern ein Laiko Tragoudi, frei übersetzt ein Schlager. Dabei haben die griechischen Schlager doch überwiegend eine ganz andere Qualität als die deutschen. Das Lied habe ich nicht zuletzt deshalb ausgewählt, weil zwei meiner Meinung nach recht interessante Instrumente darin vorkommen: Eine Art 12-saitiges Banjo, das ich noch nie zuvor gesehen habe (vermutlich armenischer Herkunft), und eine Schrägflöte, die auf Griechisch Flojera heißt. Es gibt sie in verschiedenen Größen und Ausführungen, hier wird eine ziemlich lange, hölzerne Flojera gespielt, die sehr schön traurig-schaurig klingt.

Das Lied heißt Meno Ektos (Ich bleibe ausgeschlossen) und wird von Eleftheria Arvanitaki vorgetragen. Das Video beginnt mit einem Vorspiel des Banjos. Elefheria betritt die Bühne, sie bedankt sich bei den Musikern, sie bedankt sich beim Publikum. Dann stellt sie die zwei Gastmusiker in ihrer Truppe vor, den Komponisten des Stücks (es ist der mit dem Banjo) und einen Schlagzeuger. Sie erklärt, die beiden kommen aus den USA, stammen aber eigentlich aus Armenien. Das Lied hat einen sehr poetischen Text. Hier ein paar Ausschnitte (leider habe ich auch noch nicht alles verstanden):

Ich bleibe ausgeschlossen, ich wechsle die Farben, mit Lichtgeschwindigkeit rase ich dahin…
Ich bleibe ausgeschlossen, ich spreche mit Drähten (vermutlich Stacheldraht gemeint), wie ein Adler schwebe ich in der Stille…

Refrain:
An meinen einsamen Abenden singe ich armenische Lieder, ich möchte zurückkehren, aber das Paradies ist verschlossen
An meinen einsamen Abenden singe ich armenische Lieder, ich möchte sprechen, aber meine Heimat ist erloschen

In diesem Sinne eine gute Nacht
Kretakatze

PS.: Mir ist da übrigens noch eine geniale Idee für einen Werbe-Spot gekommen. Der Wikinger-Schotte Anderson steht am Strand und lässt seine Blicke über den Horizont schweifen. Da naht ein Schiff mit grünen Segeln – Beck’s Bier. Anderson singt „I see a green sail … bring me my beer mug…“ usw.. Die Passage „…take women and children and bed them down…“ könnte man unverändert belassen, denn Frauen und Kinder stören beim Saufgelage nur. Den Rest müßte man vielleicht geringfügig modifizieren, aber ich denke mit wirklich nur marginalen Änderungen könnte man diesem Meisterwerk so eine völlig neue Wendung geben. (And if sometimes I sing to a cynical degree…)

23.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

diesmal beginne ich mit einem Geständnis, liebe Kretakatze: Bisher war ich nicht einmal in Griechenland geschweige auf Kreta. Warum, kann ich nicht genau sagen. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde ich den Norden Europas bevorzugen (Großbritannien, speziell Schottland, oder Island). Es ist aber nicht so, dass es mich nie gen Süden gezogen hat. Meine Eltern hatten früher eine Ferienwohnung in Andalusien/Spanien. Und da meine Frau Bekannte auf Sizilien hat (die früher einmal als so genannte Gastarbeiter bei uns in Tostedt lebten), so sind wir mehrere Male auch dorthin gefahren.

Immerhin bietet Sizilien neben römischer Kultur auch viel Griechisches. Archimedes lebte in Siracusa (Syrakus). Und eine Episode oder zwei der Irrfahrten des Odysseus spielten wohl an der sizilianischen Küste (die Meeresungeheuer Charybdis und Skylla – auch Polyphem, der einäugige Riese, soll sich dort mit Odysseus gezofft haben). Übrigens ist Sizilien eine Schnittstelle zwischen Griechen und Normannen (unsere nicht allzu beliebten Wikinger – oder doch?!). Neben einer frühen Blütezeit der Insel, als diese zu Großgriechenland gehörte (8. – 5. Jahrhundert v. Chr), gab es im 11. Jahrhundert nach der Eroberung durch die Normannen wiederum Wohnstand und Dolce Vita. Aber streichen wir Sizilien, sonst landen wir bald auf Madagaskar. Immerhin ist es auch eine große Insel – wie Kreta, Island oder Großbritannien. Wir haben es eben mit Inseln.

Zurück zu Griechenland, wenn auch nur virtuell: Vielen Dank, Kretakatze, für Deine vielen Video-Beispiele. Youtube ist eine unerschöpfliche Quelle. Sicherlich liegt mir die griechische Musik nicht im Blut. Das Lied Meno Ektos von Eleftheria Arvanitaki finde ich aber wirklich schön. Es hat eine wunderbare Grundmelodie, die auch etwas für Ohren ist, die ansonsten der abendländischen Musik zugewandt sind. Ich habe dabei das Gefühl, das Lied schon einmal gehört zu haben. Also mit deutschen Schlagern würde ich das wirklich nicht vergleichen, eher mit ‚Liedermachern’, so vom Schlage eines Herman van Veen, den ich erst kürzlich am Wickel hatte. Eigentlich mag ich Banjos nicht sonderlich, aber dieses 12-saitige Instrument passt sehr schön zu dem Lied. Ich kann mir sogar irgendwie vorstellen, das es einmal vor vielen Jahren ein ähnliches Stück von Jethro Tull hätte geben können – statt diesem speziellen Banjo Martin Barre auf der akustischen Gitarre, nun ja, und Herrn Anderson vielleicht sogar auf dieser hölzernen Flojera-Flöte. Was hat das aber mit den armenischen Musikern auf sich? Weißt Du da mehr? Armenien liegt ja auf der anderen Seite der Türkei und ist christlich ausgerichtet (wohl auch orthodox). Gibt es da besondere Beziehungen zwischen Griechen und Armeniern?

Mit manchen der anderen Stücken komme ich ähnlich wie Lockwood nicht ganz so klar. Aber ich weiß, dass man sich sehr schnell ‚anstecken’ lassen kann (siehe meine Sirtaki-Tanz-Versuche vor langer Zeit). Dieser ausgelassenen Heiterkeit bei solchen Festlichkeiten kann man sich schlecht entziehen. Für den pontischen Tanz hätte Ian Anderson seinen Piratenlook aber doch mächtig aufpeppen müssen. Und beim Sonaradikos frisch aus Glasgow weiß ich gar nicht so recht: Es könnte fast ein schottisches Lied mit griechischem Tanz sein. Mein kleines Video mit den schottischen Tänzen (etwas zerhackstückt) habt Ihr vielleicht schon gesehen. Die Aufnahme stammt von den Highland Games in Callander. Gibt es vielleicht solche Kraftmeiereien auch in Griechenland (ich möchte Highland Games nicht unbedingt mit den Olympischen Spielen vergleichen – aber irgendwie kommt man auch nicht so ganz um diesen Vergleich herum). Als Tanzmuffel hüte ich mich davor, einen Vergleich zwischen griechischen und schottischen Tänzen anzustellen. Aber ich sehe durchaus, dass es Gemeinsamkeiten gibt.

An Eurer „Dark Sail“-Auseinandersetzung wollte ich mich eigentlich nicht beteiligen. Kretakatze hat zudem inzwischen die Lösung gefunden. Interessant finde ich die Idee zu dem Werbe-Spot für die Biermarke, die übrigens aus Bremen kommt, wo ich wie bekannt viele Jahre gelebt habe. Aus dieser Zeit gibt es einen alten Kumpel (es ist jener ‚Kommissar Graue’ aus der Nonsense-Rubrik „Der Idiot“), der bei Beck’s arbeitet, wenn auch nicht in der Werbung. Leider ist der Kontakt aus unerfindlichen Gründen abgebrochen, aber solche Kontakte lassen sich eventuell neu beleben.

Beck's drunkle Segel

Ein Problem gibt es allerdings: Zwar bevorzugt Herr Anderson (wenn er nicht gerade Weißwein trinkt, vgl. die Hippodrome-Videos) Bier aus kleinen grünen Flaschen, allerdings einer anderen Marke, wie das bereits von mir veröffentlichte Foto zeigt. Die Firma Beck’s wird das nicht freuen (der Fall Bohlen dürfte abschreckend genug sein: Herr Bohlen stieg allerdings von Doppelkorn auf Molke um, bis ihm das Zeug aus dem Hals hing und er in aller Öffentlichkeit behauptet, das Gesöff schmeckt S…; seitdem macht er wieder Werbung für Doppelkorn – oder war das Haarlack?). Gucken wir ’mal …

Willi mit Shona und Ian Anderson
der zerknirschte Willi („Warum trinkt der Typ kein Beck’s!“)
samt Shona & Ian Anderson

Ich wünsche Euch ein schönes verlängertes Pfingstwochenende. Die Wetteraussichten sind allerdings sehr bescheiden. Am Samstag und Sonntag bin ich unterwegs (u.a. bei Hermännchen, der Geburtstag hat).

Bis in Bälde
Wilfried

24.05.2007

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Liebe Freunde,

in den zwei Tagen, in denen ich dem Internet ferngeblieben bin, hat sich Dank Eures Fleißes mehr Stoff angesammelt als ich in angemessener Form beantworten kann. Hier nun meine bescheidenen Beiträge zu Euren letzten sehr substanzvollen mails:

Dir, liebe Kretakatze, gebührt mein Dank für Deine umfangreichen Lektionen und zahlreichen Videos zum Thema der griechischen Musik ! Allerdings stelle ich für Dich eine große Enttäuschung dar: Ich kann mit dieser Musik, diesen Tänzen, dieser Sprache überhaupt nichts anfangen. Auch wenn einige Lieder weniger orientalisch klingen als andere, so treffen sie nicht meinen Musikgeschmack. Es ist nicht so, dass ich orientalisch angehauchte Musik nicht mag; die von mir hoch geschätzte Loreena McKennit hat einige wunderschöne Alben mit orientalischen Einflüssen hervorgebracht. Ich habe sogar in meiner Plattensammlung ein Album mit traditioneller indischer Sitarmusik. Es sind also nicht allein die orientalischen Momente, die mich an der griechischen Musik verzweifeln lassen. Ich kann nicht beschreiben, was diese Musik für mich in so weite Ferne rückt. Es ist ganz einfach so.

Auch die von Dir herausgearbeiteten Parallelen des Hellenen-Folk zu JT vermag ich nicht zu erkennen. Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Meine musikalischen Vorlieben sind im Nordwesten Europas zu Hause; ich bin erst über den Umweg der britischen Folklore auf Jethro Tull gestoßen. Um Dir und auch Wilfried noch mehr Frust zu ersparen, werde ich mich als unbelehrbarer Nicht-Grieche aus den weiteren Diskussionen zu diesem Thema ausklinken; etwas Konstruktives ist in diesem Punkt von mir nicht zu erwarten.

Mit großer Verwunderung nehme ich Eure Kritik zum Anderson’schen Outfit in Tampa und im Hippodrom zur Kenntnis. Sicher, diese blau-bunte Pseudouniform aus Tampa ist nicht gerade das, was man mit der Musik des Meisters in Verbindung bringt. Aber im Vergleich zu dem, was Mr. Anderson sich später an textilen Fehltritten geleistet hat, war das doch nur eine unbedeutende Verirrung. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Auftritt der Gruppe beim Jazz-Festival in Montreux, bei dem der Meister nicht davon abzuhalten war, in einem gepunkteten Schlafanzug mit gleichfarbigem Kopfverband aufzutreten. Dagegen wirkt die rote Melone wie die Krone der Modeschöpfer. Im Ernst, ich finde, die Melone passt zum ländlich-rustikalen Ambiente der JT-Musik jener Zeit.

Wenn ich das richtig sehe, sind die Punkte dark sail und Breitschwert geklärt. Weiteren Erörterungen zu den Mendel’schen Gesetzen in Griechenland sehe ich mit Spannung entgegen.

@Wilfried:
Nur so ganz am Rande etwas zum Thema Fußball. Am vergangenen Mittwoch hatte die Mannschaft meiner Zwillinge prominenten Besuch: Der ehemalige Bundesligaprofi Kai Michalke hat auf Einladung unseres Co-Trainers die Jungs trainiert. Mir sagte der Name natürlich nichts, aber die wahren Fußballfans wussten sofort, um wen es sich handelt. Jedenfalls hatte ich an diesem Tag zum ersten Mal die Gelegenheit, einem „richtigen“ Fußballer die Hand zu schütteln. Ein netter Kerl übrigens, kann gut mit Kindern umgehen.

Viele Grüße und ein schönes langes Wochenende !
Möge der Geist über uns alle kommen.
Lockwood

25.05.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 66: Von Island nach Griechenland

Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

zu den Themen Wikinger und hellen Hellenen habe ich mich allmählich warmgeschrieben. Natürlich kann ich es nicht mit allerletzter Gewissheit sagen, aber in meinen Augen sind schwarze Segel eine Erfindung Hollywoods, genau so wie römische Legionen, die im Gleichschritt marschieren. Erstens ist es sehr aufwendig, Segelstoff zu färben. Zweitens wäre diese Färbung für ein Piratenschiff kontraproduktiv. Piraten waren darauf angewiesen, dass die Beuteschiffe sie so spät wie möglich als Piraten erkannten. Warum also sollten sie durch die Meere kreuzen wie ein bunter Hund ?

@Kretakatze:
Dein Einwand der dunkelhaarigen Menschen auf antiken Vasen ist berechtigt. Mehr als das; er nimmt meiner Theorie über blonde Griechen den Wind aus den hellen Segeln. Falls ich meine griechische Bekannte noch einmal treffe, muss ich ihr das erzählen.

Dass Kreuzfahrer aus Mitteleuropa für die hellenistische Pigmentierungen verantwortlich sind, will mir aber auch nicht unbedingt einleuchten. Ich glaube nicht, dass ihre Anzahl groß genug war, um im Genpool der Kinder Zeus einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Außerdem vererben sich die Gene für Augen- und Haarfarbe dominant-rezessiv. Als gelernte Expertin für Tierzucht wirst Du das besser wissen als ich. Ich kann mich im Moment nur auf das Wenige stützen, was ich aus dem Biologieunterricht in die Gegenwart rüber retten konnte. Zwischen den Kreuzfahrern und dem Gefolge des bayrischen Königs lagen die Jahrhunderte der Türkenherrschaft mit ihren dunklen Erbinformationen. Wieder kann ich mir nicht vorstellen, dass die rezessiven Gene einiger Seppl die Übermacht der Turkgene überlagern konnten. Ich fasse zusammen: Ich finde keine für mich plausible Erklärung dafür, warum in der Ägäis so viele Blonde herumlaufen. (Und die Darstellungen auf den antiken Gefäßen sind wirklich ein K.O. – Argument !)

Ganz kurz zur Sprache: Mein griechischer Bekannter hatte während seiner Schulzeit in Athen Unterricht in Altgriechisch. Ich erinnere mich genau an seinen angewiderten Gesichtsausdruck, als er mir davon erzählte. Es muss eine furchtbare Sprache sein, die kaum Gemeinsamkeiten mit dem modernen Griechisch aufweist.

@Wilfried:
Die Cutty Sark habe ich auch seinerzeit in Greenwich gesehen, kurz bevor ich über den Nullmeridian gestolpert bin. Ich fand, es war ein schönes Schiff. Hoffentlich bekommt man es wieder hin.

Hinweis an alle: Die aktuelle mail-Frequenz werde ich auch nicht auf Dauer durchhalten können. Aber solange es funktioniert, macht es Spaß !

Viele Grüße aus dem gewittrigen Westen
Lockwood

22.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

heute möchte ich noch einmal auf griechische Musik und griechische Tänze zurückkommen, zumal mich Lockwood ja in die Pflicht genommen hat, meine Andeutungen bezüglich der Gemeinsamkeiten mit der Musik von Jethro Tull noch zu vertiefen. Also:

Lieber Lockwood, es tut mir leid, dass Dir meine griechischen Videos nicht zugesagt haben. Eigentlich finde ich diese Musikstücke garnicht so orientalisch, da gibt es noch ganz andere Sachen. Die Lieder von Jannis Markopoulos klingen für mich recht europäisch und der Sirtos mit Michalis Tzouganakis ist zwar ziemlich kretisch, aber dabei doch schon fast rockig.

Vielleicht ist mir aber auch in den fast 30 Jahren Kontakt mit griechischer Sprache, Musik und Tanz das Gefühl dafür abhanden gekommen, wo euröpäisch aufhört und wo orientalisch beginnt. Für mich ist das einfach griechisch, da ist beides verschmolzen und eine Einheit geworden. Und da es ja auch in der Musik von Jethro Tull orientalische (bzw. für mich stark griechisch klingende) Elemente gibt, bin ich eigentlich davon ausgegangen, dass einen Jethro Tull Fan (und ich unterstelle Dir einfach mal, dass Du einer bist) ein bißchen orientalischer Einschlag nicht stören sollte.

Auch von Jethro Tull gibt es ja zumindest einen griechischen Tanz: Eurology. Ich konnte nur müde lächeln, als ich gesehen habe, dass Mr. Anderson dieses Stück in Montreux 2003 angekündigt hat mit dem Rat, nicht darauf zu tanzen, da das zu einem bösen Unfall führen könne. Es klingt wie ein typischer Sirtos, und ich habe bereits erfolgreich Kalamatianos (Sirtos) und Chaniotikos (Sirtos) darauf getanzt – hier direkt in meinem Arbeitszimmer vor dem Schreibtisch. Ich bin unverletzt geblieben.

Große Teile der Musik von Jethro Tull basieren genau wie ein großer Teil der griechischen Volksmusik auf ungeraden Takten und/oder häufigen Taktwechseln. Die Griechen sind Meister darin, darauf dann auch noch zu tanzen. Ich denke es gibt keinen noch so verqueren Rhythmus auf dieser Welt, zu dem die Griechen nicht auch schon einen Tanz erfunden hätten. Der Mr. Anderson hat keine Ahnung… Auf jeden Fall hat er sein Stück Eurology genannt, was darauf schließen lasst, dass er diese Art von Musik für europäisch und nicht für orientalisch hält.

Noch ein zweiter Titel von Jethro Tull klingt für mich wie ein griechischer Tanz, auch wenn ich nicht direkt sagen könnte, welcher Tanz das sein sollte: Fat Man. Dabei muss ich zugeben, dass es vielleicht auch ein keltischer, schottisher oder sonstiger Tanz sein könnte, da kenne ich mich nicht aus. Bestimmte Tanzrhythmen hat es sicher in verschiedenen Kulturen gegeben.

Weiterhin kann ich nicht recht nachvollziehen, lieber Lockwood, dass es Dich stört, dass Du die Sprache nicht verstehst. Nun sehe ich prinzipiell schon ein, dass es betrüblich ist, wenn man kein Griechisch kann, denn ich halte es für die schönste Sprache überhaupt. Aber es geht hier ja doch in erster Linie um Musik und nicht um den Text.

Die Lieder von Markopoulos habe ich erklärt bzw. übersetzt, und wenn Du die Texte von Michalis Tzouganakis nicht verstehst, hast Du wirklich nichts verpasst. Der Sirtos heißt, glaube ich, Aftos den ine Ponos (Das ist kein Schmerz – jedenfalls singt er das mehrfach), es geht um Herzeleid, er versucht irgend jemanden zu trösten. Das Lauten-Stück (das stammt wohl sogar von ihm selbst) hat den Titel Pali-Pali (Wieder und Wieder): Er muss an seine Angebetete denken, wieder und wieder und wieder… Tiefgründige Gedichte darf man bei dieser Musik nicht erwarten.

Davon abgesehen halte ich es sogar für besonders reizvoll, einer fremden Sprache zuzuhören, ohne ein Wort zu verstehen. Man kann dann völlig unbelastet auf Betonung, Gestik und Mimik achten und versuchen zu erraten, was das bedeuten könnte. Oder man kann auch einfach seiner eigenen Phantasie freien Lauf lassen. Dazu klingt Griechisch in meinen Ohren allein schon wie Musik. Da ist es manchmal sogar eher störend, wenn man die teilweise wenig geistreichen Texte versteht.

Jetzt werde ich mich dem Höhepunkt meines heutigen Beitrags aber noch einmal von einer ganz anderen Seite nähern und dabei wieder auf Jethro Tull zurück kommen:

Bei den Videos von 1977 aus dem Hippodrom habe ich mich anfänglich über den albernen roten Hut geärgert, den Mr. Anderson da bei manchen Liedern trägt. Ich fand ihn einfach sooo doof und störend, dass ich die betreffenden Videos boykottiert habe.

Dann war Wilfried so nett die Videos aus Tampa nach YouTube zu stellen. Das war der Schock! Ich glaube, ich habe es bis heute nicht geschafft, eines dieser Videos zu Ende anzuschauen. Spätestens nach 2 Minuten steigen mir die Tränen in die Augen – nein, nicht aus Rührung, sondern weil ich diese optische Belastung nicht ertragen kann.

Seither erscheint mir der Rote Hut von Golders Green als unbedeutende Lappalie. Ich habe mich zwar nicht direkt mit ihm angefreundet, aber doch zumindest arrangiert, und bei den Videos aus dem Hippodrom kann ich heute ohne Schüttelkrämpfe einfach die Musik genießen. Man muss nur hin und wieder einmal vorgeführt bekommen, wie alles noch viel schlimmer sein könnte, dann weiß man wieder zu schätzen, was man hat.

In diesem Sinne, lieber Lockwood, habe ich mich bemüht noch etwas Makedonisches für Dich zu finden. Makedonische Tänze klingen ungefähr wie Zwölftonmusik ohne Takt und ohne Rhythmus. Ich kann im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied davon singen, denn wir hatten in der griechischen Tanzgruppe ein paar Hardcore-Fans, für die es immer ein paar makedonische Tänze extra gab. Du wirst sehen, danach empfindest Du die kretischen Lieder als den reinen Ohrenschmaus.

Ich habe also keine Mühe gescheut und tagelang auf YouTube nach den schönsten Videos geforscht. Dabei bin ich auch noch auf ein paar andere Kostbarkeiten gestoßen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte.

Zuerst, zum Beweis, dass Griechenland und Schottland näher beieinander liegen als man gemeinhin vermuten sollte, ein Sonaradikos frisch aus Glasgow. Dieser Tanz gehört bei griechischen Festen zum Programm, er ist schwungvoll und hat einen ganz einfachen Grundschritt (den würde ich Dir auch noch zutrauen, lieber Wilfried). Da mal vorwärs und mal rückwärts getanzt wird und die „Tanzschlange“ sich mal zusammenschlängelt und mal auseinander zieht, kommt es zu zahlreichen Remplern und Zusammenstößen – eine eche Gaudi, sehr zu empfehlen! Die Sängerin hat übrigens eine Schwäche für Mavra Matia – schwarze Augen (das singt sie jedenfalls).

Diesen pontischen Tanz (eigentlich sind es Ausschnitte aus mehreren Tänzen, ich meine vor allem den ersten) habe ich vor allem deshalb für Euch ausgewählt, weil sich meiner Meinung nach unser geliebter Mr. Anderson in seinem aktuellen Erscheinungsbild nahtlos in die Tanztruppe einreihen könnte (gut, sein Piraten-Kopftuch müsste er vielleicht noch ein bißchen aufpeppen, und sich einreihen ist wohl allgemein nicht seine größte Stärke…). Also stellt Euch beim Betrachten des ersten Tanzes einfach vor, der große Meister würde in seinem derzeitigen Bühnen-Outfit hier mittanzen – wäre das nicht eine Wucht? Es handelt sich übrigens um einen ca. 3000 Jahre alten Kriegstanz aus dem Pontos (kleinasiatische Ägäisküste).

Zum Abschluss nun zwei Tänze, die Euch die musikalische Tiefe makedonischer Volksmusik näherbringen werden. Während bei den kretischen und den pontischen Tänzen die Melodie üblicherweise auf einer Lira gespielt wird (seltener auch auf einem Dudelsack), sind bei den makedonischen Tänzen eher Klarino (eine Art Klarinette) wie hier im ersten Tanz (Poustseno) oder auch diese seltsamen Holz-Trompeten (griechische Bezeichnung fällt mir leider nicht mehr ein) wie im zweiten Tanz (Teskoto) verbreitet. Es kommt Euch sicher hergeholt vor, aber als ich das erste Mal Mr. Anderson in A Passion Play mit diesem Sopran-Saxophon herumhüpfen sah, da fühlte ich mich instinktiv an makedonische Volkstänze erinnert. Ich muss zugeben, es gibt auch noch melodiösere, die mehr Ähnlichkeit mit den Instrumental-Passagen aus APP haben.

So, jetzt habe ich Euch genug gequält. Zur Linderung der Ohrenschmerzen empfehle ich fein dosierte Songs from the Wood, bei Bedarf kann noch mit etwas Aqua-Lung nachgespült werden. Und dann lasst uns alle dem Herrn danken, dass es auch noch Jethro Tull gibt.

Es grüßt Euch Eure

Kretakatze

PS.: Ich weiß auch nicht, warum ich so gemein zu Euch bin, dabei seid ihr immer so nett zu mir…

23.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

Du langweilst uns nicht, Lockwood. Und Du, Kretakatze, brauchst Dein Licht nicht unter den Scheffel stellen; Deine Anmerkungen zum Altgriechischen finde ich sehr interessant. So führen uns die Betrachtungen aus der Wohnstube des guten Mr. Anderson plötzlich hinaus in die weite Welt.

Aber es rieseln ja schon die nächsten Beiträge von Euch ein. Da komme ich zz. wirklich nicht mit. Auf der Arbeit gibt es einigen Stress personeller Art. Und die letzten Tage war es so drückend-warm, sodass ich abends keine Lust hatte, auch noch zu Hause am Rechner zu sitzen (und die Bude weiter aufzuwärmen).

Zur Wikinger-Debatte habe ich im Bezug auf Schottland auch noch etwas beizutragen. Zunächst muss aber festgestellt werden, dass die Wikinger oder Normannen eigentlich so überall in Europa anzutreffen waren – bis hoch nach Island, Grönland – und wir wissen es längst – bis nach Amerika. Aber sie waren auch bis nach Griechenland gekommen, also lange vor den Osmanen … Während meines Urlaubs in Schottland 2005 war ich mit meinen Lieben eine gute Woche auf der Isle of Skye – und dort gleich gegenüber dem Festland in dem kleinen Ort Kyleakin. Der Name (eigentlich Kyle Akin) leitet sich aus dem schottischen Gälisch ab: Caol Acain, was wiederum “Strait of Haakon” (Haakons Meeresenge) bedeutet, benannt nach dem norwegischen König Haakon. Eine Haakon Bar gibt es übrigens auch in Kyleakin. (Norweger -> Normanne -> Wikinger)

Leif Erikson - in Reykjavik

Der Herr oben ist übrigens ein gewisser Leif Erikson, eben der, der von Island aus Amerika entdeckt haben soll. Das Denkmal befindet sich mitten in Islands Hauptstadt Reykjavík (was „rauchende Bucht“ heißt, wobei Vik für Bucht steht, na klingelt da etwas bei Vik?). Der gute Leif war ein Wikinger in Reinnatur.

Ach, da ich gerade bei Island bin und mich dunkel an unsere Diskussion um die Herkunft des Namens Anderson erinnere: Ich war 1990 mit meiner Frau (die Dame in rot auf dem Bild) und weiteren Freunden auf Island in Urlaub. Ausgangspunkt einer Rundreise war Reykjavik und so buchten wir bereits im Voraus auf meinem Namen eine Unterkunft in einem Seemannsheim (Island ist nämlich ziemlich teuer, Seemannsheime verhältnismäßig preiswert). Als wir nun an der Rezeption der Herberge standen, begrüßte uns eine junge Frau, die sogar der deutschen Sprache mächtig war (neben isländisch, einer eigenen Sprache für gerade einmal 300.000 Menschen, die aber sehr eng mit dem Norwegischen verwandt ist – eben eine Wikinger-Sprache, spricht man fast überall englisch). Ich stellte mich vor: Albin – und verwies auf die Reservierung unter meinem Namen. Nach mehrfachen Durchblättern ihrer Unterlagen (Computer gab es damals noch nicht so viele) konnte sie aber keine entsprechende Reservierung finden. Ich nannte noch einmal meinen Namen: „Albin, Wilfried Albin!“ – „Moment! Sagten Sie Wilfried? Ja, hier habe ich eine Reservierung auf den Namen Wilfried …?!“ (Wahrscheinlich hat sie mich sogar geduzt).

Reykjavik ist zwar Islands mit Abstand größte Stadt, aber mit knapp 120.000 Einwohnern nicht gerade groß. Trotzdem ist es verwirrend, das dortige Telefonbuch zur Hand zu nehmen. Alle Einträge lauten auf den Vornamen. Isländische Namen bestehen neben dem Vornamen aus dem Vatersnamen. Einen Nachnamen gibt es nicht. Leifur Eriksson (isländische Schreibweise des Herrn vom Bild) ist also der Sohn von Erik und wäre unter L im Telefonbuch zu finden. Ich hieße übrigens Vilfreð Hermannsson (mit ð was dem englischen th entspricht, auch aussprachemäßig – neben dem ð gibt es noch þ – als Großbuchstaben: Ð und Þ als eigenständige isländische Buchstaben – das eine als stimmhaftes, das andere als stimmloses th; der Versammlungsplatz der Volksvertreter und Gerichtsbarkeit heißt Þingvellir, in dem das Wort Thing wiederzufinden ist). Ihr dürft jetzt raten, wie mein Vater mit Vornamen heißt. Frauen hängen statt des –sson ein –sdottir an den Vatersname. Übrigens gab es früher in Friesland die gleiche Namensordnung. Jetzt kommt mir bitte nicht mit Halldor Laxness, dem isländischen Literaturnobelrpeisträger. Der hieß eigentlich Halldór Guðjónsson, also auch etwas mit –sson hinten. Nur so nebenbei: Laxness kann ich zum Lesen wärmstens empfehlen (z.B. Die Island-Glocke).

Vieles im Leben, so scheint es, reduziert sich auf solche Anekdötchen. Hier noch eine: In den 80-er und 90-er Jahren war es beliebt, möglichst viele Hard Rock Cafes, der es eine Menge weit gestreut über dem Globus gibt, zu besuchen, besonders die dort erhältlichen T-Shirts waren sehr beliebt und sind heute hin und wieder noch in der Menge zu besichtigten (zz. gibt es in Deutschland wohl drei solcher Cafes – in Berlin, Köln und München – übrigens: in Athen ist wohl auch eines). So sind wir – rein zufällig – auch in Reykjavik in dem dortigen Hard Rock Cafe gestrandet (wenn ich das richtig sehe, gibt es heute dort keine entsprechende Lokalität mehr). Da es gerade Nachmittag war und in einem Cafe bekanntlich Kaffee getrunken wird, so bestellten auch wir dieses Getränk. Nachdem wir fast ausgetrunken hatten, kam die Bedienung vorbei und fragte uns, ob wir noch mehr Kaffee wünschten. Angesichts der Preise verneinten wir. Später wurde uns klar, dass man für Kaffee nur einmal zahlt und dann bis zum Abwinken (Herzinfarkt) das Zeugs in sich hineinschütten kann – das gilt für ganz Island. Da meine Frau und ich eigentlich Teetrinker sind, versuchten wir das auch mit Tee; aber irgendwie kam das nicht so gut an; meistens wurde uns nur heißes Wasser nachgereicht, einmal bekamen wir wenigstens auch noch einen neuen Teebeutel.

Andere Länder, andere Sitten. Soviel zu Island, dem nördlichsten Land in Europa (neben Griechenland, dem südlichsten). Wir werden sehen, wohin uns sonst noch die Reise hinführt. Jethro Tull hatte auch schon öfter Auftritte auf Island (und im September wieder zwei).

Dass bestimmte Lieder in den Soundtrack zu einem Film einfließen, liegt meist außerhalb der Entscheidungsgewalt der Interpreten, es sei denn, die Musik wird ausdrücklich für einen Film komponiert (wie z.B. von Mikis Theodorakis für den Sorbas). Natürlich wünscht man sich, einen tollen Film zu sehen und als Hintergrundmusik dann auch noch ein Liedchen von Herrn Anderson zu hören.

Vielleicht doch schon einige Worte zu Kretakatzes Beitrag, den ich mir gleich noch einmal in aller Ruhe angucken (und anhören) werde: Ich bin zwar alles andere als ein Spezialist, aber Fat Man klingt für mich ziemlich indisch. Das basiert mehr auf einem Gefühl als auf wissenschaftlicher Erkenntnis. Musik ist in erster Linie ein emotionales Erlebnis, ist auch gut so. Und so wie Kretakatze durch ihre langjährigen Kontakte zur griechischen Kultur ein anderes Verhältnis zur Musik Griechenlands entwickelt hat, so hat Herr Anderson vielleicht durch seine vielen Besuche indischer Restaurants (der Meister bevorzugt indische Küche) ein besonderes Verhältnis zur indischen Musik in sich reifen lassen (in indischen Restaurants wird indische Musik gespielt, so wie man beim Griechen in der Regel griechische Musik hört), die sich dann in diesem Lied ‚niedergeschlagen’ hat.

Dass Du, Kretakatze, das Outfit des Herrn Anderson nicht immer sehr geschmackvoll ausgewählt findest, kann ich im Fall des Tampa-Videos durchaus verstehen. Ich habe zunächst auch etwas irritiert geguckt. Und selbst mein großer Sohn rümpfte die Nase: „Wie sieht denn der Anderson aus?“. Den roten Hut habe ich eher unter der Rubrik „nach Gutsherrenart“ abgehakt. Die diversen Outfits der Herren böten sicherlich Grundlage für ein eigenes Diskussionsforum. Lockwoods Kritik an Herrn Anderson bezieht sich, wie Du wohl gelesen hast, hauptsächlich auf sein aktuelles Aussehen (Kopfverband usw.).

Ich wünsche Euch was
Wilfried

23.05.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 65: Schimanski hört Tull

Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

Inzwischen hat sich ja eine Menge Holz angesammelt.

Komme ich zunächst auf Herman van Veen zu sprechen. Ja, der Mann hat etwas. Vom ihm kommt eine gelassene Heiterkeit herüber (siehe u.a. Videos bei youtube), die ansteckend wird. Leider hatte ich ihn in den letzten Jahren auch aus den Augen verloren. Das Album „Die Anziehungskraft der Erde“ kenne ich z.B. nicht. Dafür habe ich aber das Weihnachtsalbum von ihm, das sehr schöne Lieder enthält (vielleicht zu Weihnachten dazu etwas mehr).

Ja, es gibt u.a. durch die Geburt meiner Kinder ein schwarzes Loch in meiner Biografie, was das Interesse für Musik betrifft. Zwar habe ich auch in den 90-er Jahren die eine oder andere Scheibe gekauft, aber ich bin kaum zum Zuhören gekommen.

Der Schimanski, den Du, Lockwood, gesehen hast, war wohl der neueste: „Tod in der Siedlung“, irgendwann Ende April gesendet, oder? Ich habe nur kurz den Bericht in der TV-Zeitschrift gelesen. Es endet wohl, wie der Schimanski vor vielen Jahren begann: Alle Pfannen sind dreckig, so schlürft er ein Ei aus dem Glas … Und dazu der Tull-Titel? Nicht zu glauben.

Früher hatte ich schon einmal geforscht, in welchen Filmen die Musik von Jethro Tull verwendet wurde. Im Soundtrack (d.h. auf der CD) zu Michael Moores ‚Fahrenheit 9/11“ ist Aqualung enthalten, im Film selbst habe ich es aber nicht gefunden (Überhört? Unerhört!). Und dann gibt es mindestens noch 2, 3 Filme. Fragt mich aber nicht nach den Titeln. Kennt Ihr Filme, die im Soundtrack Tull-Musik enthalten?

Von Kretakatzes Entschwinden nach Kreta zum Tull-Konzert hatte ich im Laufi-Forum gelesen. Und Du willst es also ohne Eintrittskarte wagen? Schön mutig! Den Kreditkartentipp kann ich nur wiederholen. Ich bin alles andere als ein Freund von Plastikgeld. Aber im Laufe der Jahre hat sich so ein Kärtchen doch bezahlt gemacht, wenn es um Einkäufe außerhalb Deutschlands ging. Inzwischen gibt es da auch andere Verfahren (PayPal usw.), die wohl noch etwas sicherer sind. Leider wird das nicht überall akzeptiert. Ich drück Dir auf jeden Fall die Daumen, dass Du noch ein Ticket für das Konzert bekommst. Ich stelle mir das sehr schön vor, so im Urlaub im sonnigen Süden ein Tull-Konzert mitzubekommen. Da würde ich mir sogar die jetzige Formation antun wollen. Mit meinem Urlaub ist es noch etwas hin (und da gibt es kein Tull-Konzert).

Unser guter Lockwood hat ja wohl jegliche Anderson-Müdigkeit abgestreift mit seinem Broadsword-Ausführungen. Da sieht man Herrn Anderson tatsächlich das Schwert ergreifen und den Wikingern entgegenziehen. Sicherlich lässt sich das Lied auch anders interpretieren (die Wikinger-Horden sind heute andere), aber belassen wir es beim Bild des schwertschwingenden Flötenkobolds.

Ian Anderson & kein Breitschwert

Und überhaupt zur Anderson-Wikinger-Debatte: Ich denke, durch die Adern des Meisters fließt das Blut viele Völkerstämme. Durch die Völkerwanderungen, die auch Schottland nicht verschont haben, hat sich viel Blut gemischt. Und neben den 2-3 Liter Skotenblut werden sich mit Sicherheit auch einige Tropfen Wikingerblut finden. Wenn Neonazis heute „Deutschland den Deutschen!“ brüllen, dann stellt sich die Frage, was ist eigentlich deutsch? Vielleicht ist der Ausländer, den ein Nazi gerade den Schädel einschlägt, deutscher als er selbst. Aber warten wir die DNA-Analyse von Ian Anderson ab (Lockwood, unser Gen-Spezialist).

Nun denn, ich wünsche eine arbeitsame Woche. Und man/frau liest voneinander.

Cheerio
Wilfried

P.S. Bin nun doch fündig geworden betr. Film-Soundtracks mit Tull-Musik

21.05.2007

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Hallo Kretakatze, Hallo Wilfried,

unser guter Hermann van Veen. Mir gefällt an ihm seine leicht verträumte Art. Diese liebenswürdige Mischung aus Heiterkeit, Melancholie und Tiefgründigkeit. Seine Beobachtungsgabe und die Fähigkeit, diese Beobachtungen in Liedern umzusetzen. Meist wird er heutzutage als Harlekin bezeichnet, aber in den 70er Jahren, als ich ihn für mich entdeckte, galt er als Liedermacher. Egal, unter welchem Etikett er gerade auftritt, er findet mit seinen Songs jedenfalls den Weg unter meine Haut. Und das schaffen nicht viele Sänger.

Zur Kombination Schimanski / Anderson:
Der Film hieß tatsächlich Tod in der Siedlung. Und trotz aller ungespülten Töpfe und Pfannen in Schimis Küche passte Wondering aloud zur Situation. Ich denke, der Titel ist nicht zufällig ausgewählt worden. Während Schimanski sein rohes Ei aus dem Glas schlürft, steht er am Fenster und sieht den Wagen seiner Freundin vorfahren. Das zaubert ein Lächeln auf seine markanten Züge. Dazu passen die getragenen Harmonien von Wondering aloud wunderbar. Auch inhaltlich haut der Song hin; geht es doch im Text um einen Mann, der liebevoll an seine Frau / Freundin denkt.

Ich kenne außer dem Schimanski keinen einzigen Film mit JT – Soundtrack. Auch die Filme, die Du, Wilfried, angelinkt hast, sind mir vollkommen fremd. Eigentlich seltsam, dass Mr. Anderson sich in diesem Metier so rar gemacht hat. Ich glaube, ich habe vor Monaten geschrieben, dass ich mir gut hätte vorstellen können, dass JT die Filmmusik zur Herr der Ringe – Trilogie hätten beisteuern können. Als alter normannischer Kelte hätte Mr. Anderson gut in das Tolkien-Universum gepasst.

Zu meinen Broadsword-Theorien möchte ich noch etwas sagen:
Der Text des Liedes ist -wie immer- alles andere als eindeutig. Hätte man die von mir zitierten Textstellen von einer anderen Seite beleuchtet, wäre ein ganz anderes Ergebnis denkbar. Um es auf die Spitze zu treiben: Ein armer müder Wikinger steht an seinem kargen felsigen Gestade und sieht ein Schiff voller militanter Rheinländer auf sich zukommen. Oder ein Schiff voller Narren. Oder Touristen. Ich will nur sagen: Der Text lässt viele Interpretationen zu. Je nach Weltbild und persönlicher Stimmung. Meine Theorie des Winkingerangriffs erhebt keinerlei Anspruch auf Alleingültigkeit. Aber, wie Wilfried schon gesagt hat, das Bild des wehrhaften Ian Anderson, der an der Küste seiner schottischen Heimat steht und seine Klinge mit patriotischem Zischen durch die Luft sausen lässt, erfreut jeden Tull-Fan.

Der Flötenkobold auf dem Cover trägt übrigens kein Breitschwert. Ich bin nicht sicher, ob es solche sich über die gesamte Länge verjüngenden Schwertklingen jemals gegeben hat oder ob sie eine Erfindung der Comiczeichner sind.

Eine letzte Stellungnahme von mir zur Völker-DNA:
Das deutsche Blut, wie es im Dritten Reich propagiert wurde, gibt es überhaupt nicht. Für diese Erkenntnis muss man kein Biochemiker sein, es reicht ein Blick auf die europäische Geschichte der letzten 15 Jahrhunderte. Das Volk, das sich heute „die Deutschen“ nennt, trägt einen Gen-Cocktail aus keltischen, germanischen, slawischen und asiatischen (!) Einflüssen in sich. Wie man einen solchen Salat ernsthaft mit einer einzigen Nation in Verbindung bringen kann, ist mir schleierhaft. Eines müssen wir uns vor Augen halten: Hätte es das Römische Imperium nicht gegeben, den Hunnensturm und die Völkerwanderung, würde es uns heute auch nicht geben. Es würde andere Menschen geben, aber nicht Kretakatze, Wilfired und Lockwood. Die Welt war schon immer multi-kulti, nur machten Kaiser Augustus und Attila nicht so ein Theater darum.

Ich hoffe, ich habe niemanden gelangweilt.
Lockwood

21.05.2007

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Hallo Wilfried, Hallo Lockwood,

tut mir leid, wenn ich Euch mit meiner Wikinger-Theorie aufs Glatteis geführt habe. Ich dachte eigentlich, diese Geschichte wäre so albern, dass sie mit Sicherheit niemand ernst nehmen würde. Allerdings hatte ich auch keine Ahnung, dass jemals tatsächlich Wikinger in die Nähe von Schottland gekommen sind, geschweige denn, dass es sogar Wikinger-Überfälle gegeben hat. Da bin ich jetzt platt. Aber ein blindes Huhn trifft eben auch mal ein Korn. Ich hatte eigentlich aufgrund des „dark sail“ intuitiv immer an einen Piratenüberfall gedacht. Oder wer verwendet denn dunkle Segel?

Auf jeden Fall nochmals vielen Dank für die ausführliche Info – was Ihr alles wisst… Da lernt man doch immer gerne noch dazu. Irgendwelche historischen oder ethnologischen Kenntnisse dürft Ihr bei mir nämlich nicht voraussetzen. Auch von Musik habe ich im Prinzip keine Ahnung, ich bin kein Musiker. Ich komme zu meinen Ansichten und Behauptungen aus dem hohlen Bauch heraus, dafür aber mit umso mehr Überzeugung.

Wovon ich allerdings wirklich etwas verstehe sind blonde Griechen, und deshalb jetzt noch einmal zum Thema der Hellenen. Dazu muss ich wieder etwas ausholen.

Vor Jahren war ich mit einem Griechen befreundet, der hier an der örtlichen griechischen Schule Griechisch-Unterricht für griechische Kinder erteilt hat. Er hat mir erzählt, dass er in Athen an der Uni Deutsch gelernt hat, weil das dort Voraussetzung dafür ist, dass man Altgriechisch studieren kann. Nahezu alle Literatur zur Altgriechischen Sprache ist nämlich in Deutsch verfasst (und offensichtlich auch nie ins Neugriechische übersetzt worden). Die Wissenschaftler, die die Altgriechische Sprache erforscht haben, waren fast ausnahmslos Deutsche. Daher kommt es auch, dass das Altgiechische so deutsch klingt, es sind griechische Buchstaben deutsch ausgesprochen. Da es keine Tonbandaufzeichnungen davon gibt, wie die alten Griechen Ihre Buchstaben ausgesprochen haben, haben sich die deutschen Sprachforscher selbst etwas ihrer Meinung nach Passendes überlegt, und das hatte dann naturgemäß ziemliche Ähnlichkeit mit dem Deutschen. Ein Grieche bekommt das ohne deutsches Sprachtraining nicht über die Lippen.

Mit dem Aussehen der alten Hellenen wird es nicht anders sein. Soweit ich weiß gibt es keine 2000 Jahre alten griechischen Farbzeichnungen, die blonde Menschen mit blauen Augen darstellen. Es gibt lediglich ein paar Marmorstatuen, denen die Haar- und Augenfarbe nicht anzusehen ist. Auch hier waren es wieder vor allem deutsche und britische Archäologen, die die Kultur erforscht haben, und natürlich haben sie sich ihre Helden entsprechend dem damaligen mitteleuropäischen Schönheitsideal vorgestellt – blond und blauäugig. Sieht man sich dagegen antike Wandmalereien oder bemalte Vasen an, dann haben dort alle Menschen schwarze Haare und dunkle Augen.

Dass es in Griechenland und besonders auf Kreta heute einen nicht ganz unerheblichen Anteil blonde Menschen gibt, wird andere Gründe haben. Bereits zur Zeit der Kreuzzüge haben Mittel- und Westeuropäer auf ihrem Weg nach und von Jerusalem auf Kreta Zwischenstation gemacht. Die Franken, wie sie in Griechenland genannt werden, hatten dabei auch Teile Griechenlands unterworfen. Manche haben sich dabei die Zeit genommen Burgen zu bauen, da werden sie auch noch Zeit für anderes gefunden haben. Einige sind bestimmt auch ganz hängengeblieben. Später haben die Venetianer Kreta regiert. Im 19. Jahrhundert war ein Bayer König von Griechenland, vielleicht hat er ein paar Landsleute mitgebracht, usw..

Damit das heute nicht völlig Tull-frei wird noch kurz eine Bemerkung zu meinen Jethro Tull Ambitionen für Kreta (hätte ich mir ja eigentlich denken können, dass auch Ihr Euch bei Laufi auf dem Laufenden haltet). Ja, ich habe immernoch keine Karte für das Konzert am 23.06., und es ist mir schon bewußt, dass unter Umständen ausverkauft ist, bis ich am 17.06. nach Kreta komme. Aber wie ich schon einmal erwähnte bin ich von eher sparsamer Natur, und 28 EUR Versandkosten für ein Ticket, das in einen Umschlag zu 55 Cent passt – das widerspricht meinem Gefühl für ökonomische Relationen. In solchen Fällen neige ich dann zu der fatalistischen Einstellung, dass ich das Schicksal entscheiden lassen muss – wenn ausverkauft ist, dann musste das halt so sein. Ich habe ja noch eine zweite Chance in Calw am 21.07.. Ich kann mir eigentlich kaum vorstellen, dass dort am 02.07. (nachdem ich aus Kreta zurück bin) schon ausverkauft ist. Oder doch? Ich denke, ich werde mich meinem Schicksal fügen müssen.

In diesem Sinne liebe Grüße
Kretakatze

PS.: Jetzt arbeite ich schon seit Himmelfahrt an einem Werk über die Berührungspunkte zwischen Jethro Tull und griechischer Musik, aber bei der aktuellen Mail-Frequenz werde ich wahrscheinlich nie fertig. Mir tut der arme Wilfried leid, er wird bald unter der Flut begraben sein…

22.05.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 64: Breitschwerter gegen Wikinger

Hallo Wilfried,

Du hast mich voll erwischt: Ich bin tatsächlich etwas Anderson-müde. Nicht, dass ich ihn als Typ oder Künstler über hätte. Aber mir fallen keine Aspekte mehr ein, die wir noch nicht beleuchtet hätten. Seine Vergangenheit haben wir sehr intensiv analysiert, Gegenwart und Zukunft liefern aus meiner Sicht nicht sehr viel Stoff für anregende Diskussionen.

Zu Irving hätte ich noch viel zu sagen. Wenn es aber nicht Dein Lieblingsautor ist, würde der Gedankenaustausch für Dich zu einer lästigen Pflichtübung verkommen. Das muss nicht sein; unsere Schreiberei soll schließlich Spaß machen. Ach ja, in diesem Zusammenhang: Heute Nachmittag erhielt ich eine mail von der Leiterin unserer Leihbücherei: Sie wird ihr Programm um die fehlenden Irving-Romane erweitern. Das finde ich sehr nett von ihr.

Kaum ist das Thema John Irving abgehakt, schon lieferst Du im Blog den nächsten Hammer: Herman van Veen ! Endlich ein niederländischer Künstler, mit dem ich auch etwas anfangen kann. Es sind zwei Dinge, die ich Alfred Biolek hoch anrechne: Seinen Bahnhof und dass er Hermann van Veen und Kate Bush nach Deutschland gebracht hat. Mein persönliches Lieblingsalbum von van Veen ist „Die Anziehungskraft der Erde“. Das Album des „zärtlichen Gefühls“ habe ich während der Pubertät einige hundert male gehört. Also, wenn es Dich packt, mehr über van Veen zu schreiben: lass‘ nur kommen !

Den Amerikaner Irving (mir kommt er sehr europäisch vor) als Basis für eine literarische Weltreise zu nutzen, ist im Grunde keine schlechte Idee. Aber ich fürchte, dass ich mit Dir nicht mithalten kann. Die Autoren meiner bevorzugten Bücher kommen fast ausschließlich aus Europa; hin und wieder ein Vertreter der arabischen Welt. Das war’s.

Wenn ich nicht irre, stand „100 Jahre Einsamkeit“ auf der Liste der Lieblingsbücher der Deutschen. Bei dieser Liste war ich angenehm überrascht: Deutschland hat keinen schlechten Literaturgeschmack. Allerdings muss man bedenken, dass sich wahrscheinlich nur die wahren Leseratten am Voting beteiligt haben. Bravo- und Micky-Maus – Leser werden wohl keine Stimme abgegeben haben.

Tja, auch mein heutiger Beitrag ist Anderson-frei. Was will uns das sagen ?

Nur noch eines: Bevor jemand König (egal ob von Niedersachsen, Deutschland oder der Herzen) wird, ist er erst einmal Prinz. Und ich fürchte, solange unser Gas-Schröder unter uns weilt, wirst Du das gleiche Schicksal zu erdulden haben wie Prinz Charles. Ich kann es Dir nachfühlen: Der gute Homer Wells hatte manche Probleme, aber ein gut besuchtes Weblog, das hatte er nicht. Trotz der ganzen Belastungen mein gut gemeinter Rat: Hände weg vom Äther !

Herzliche Grüße und vielen Dank für etliche gute Diskussionen !
Lockwood

15.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Lockwood,

heute auf die Schnelle: Mit Herrn Anderson sind wir sicherlich zz. an einem toten Punkt angekommen, obwohl ich noch jede Menge Material habe, die sich lohnt, diskutiert zu werden.

Eine Verlagerung unseres Gedankenaustausches allein in Richtung John Irving würde, wenn nicht in Kürze, so doch in absehbarer Zeit das gleicher Ergebnis zeitigen. Es muss natürlich nicht gleich eine literarische Weltreise werden.

Meldet Euch
Wilfried

16.05.2007

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Lieber Wilfried, lieber Lockwood,

erst einmal muss ich mich entschuldigen, dass ich so spät antworte. Ich bin nämlich so damit beschäftigt, literarische Beiträge für international anerkannte Weblogs zu schreiben, dass ich für solche Nebensächlichkeiten wie meine Mail-Post nur noch zwei- bis dreimal die Woche Zeit finde.

Wie ich Dir, lieber Wilfried, schon einmal geschrieben habe, bin ich im Prinzip äußerst schreibfaul (ich weiß, diese Aussage wird Euch beiden jetzt nur ein gequältes Lächeln entlocken können). Lediglich in unregelmäßigen Abständen leide ich unter Anfällen von manischer Schreibwut, und wie sich das äußert, das habt Ihr ja bereits beobachten können. Mein Lieblingsautor hat einmal gesagt: „Writers are people who hate writing“. Nicht dass ich mich für einen „writer“ halte, aber ich verstehe genau, was er meint. In kurzen Worten, diese Anfälle vergehen auch wieder. Über die ungefähr zu erwartende Zeitdauer kann ich Euch keine verlässlichen Angaben machen.

Die erste größere Unterbrechung wird es spätestens ab dem 17.06. geben, da fliege ich nämlich für zwei Wochen nach Kreta, und zwar – und jetzt haltet Euch fest – wegen Jethro Tull. Die spielen am 23.06. in Iraklio auf, und das wollte ich mir mal anschauen. Allerdings habe ich noch kein Ticket. Aber das alles führe ich vielleicht lieber mal an anderer Stelle aus. Wie auch immer, wenn ich zurückkomme habe ich bestimmt Katzen im Gepäck, und dann werde ich kaum noch Zeit für meine schriftstellerischen Ambitionen aufbringen (falls ich dann überhaupt noch welche haben sollte).

Schöne Grüße
Kretakatze

19.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Wilfried,

So, damit wären wir also zu dritt. Zumindest bis Juni. Über Deine Kontinuität in dieser Runde über den Kretaurlaub hinaus denke ich nicht so pessimistisch wie Du. Auch wenn Dich neue Katzen beschäftigen werden, wirst Du auf Dauer nicht an WilliZ Weblog vorbeikommen. Ich weiß, wovon ich schreibe. Schreibfaulheit ist eine Krankheit, die Wilfried im Vorübergehen heilt.

Mit Dir, meine liebe Kretakatze aus der Schwäbischen Alb, deckt der Gedankenaustausch zu Ian Anderson nun auch den Süden der Republik ab. Die Jethro-Tull – freien Zonen in unserem Land nehmen dramatisch ab. Es ist übrigens interessant zu sehen, an welch unerwarteten Stellen man Ian Anderson im Alltag begegnet: Ein Teilnehmer in einem Fotografie-Forum wählte für sich die Autosignatur „Thick As A Brick“. Als ich ihn fragte, ob er JT-Fan sei, meinte er nur „Mein Gott, ich hätte nicht gedacht, dass das jemand kennt !“ Wenn der wüsste…

Vor wenigen Wochen lief im Fernsehen ein Film aus der Schimanski-Reihe. In der Schlussszene stand Schimi in der Küche und aus seinem Radio erklang eine aktuelle Version von Wondering Aloud. Das war übrigens die beste Szene im ganzen Film.

Liebe Kretakatze, mich würde interessieren, ob Du zu Ian Anderson über die gemeinsame Liebe zu Katzen gekommen bist oder ganz einfach über seine Musik. Deine Anmeldung im Laufi-Forum ist ziemlich frisch; bist Du erst seit jünger Zeit JT – Fan ? Die Frage nach der Dauer Deines Fanstatus interessiert mich, weil ich mich seit einigen Wochen damit beschäftige, ob Mr. Anderson auch in unseren Tagen noch neue Fans rekrutieren kann.

Vor einigen Tagen hast Du den Song Broadsword dazu benutzt, Andersons Abstammung von Wikingern zu belegen. Ich habe dieses Lied nie mit Wikingern in Verbindung gebracht, denn viele Völker benutzten Breitschwerter. Eine genauere Analyse des Textes ergab jedoch, dass das Lied tatsächlich von einem drohenden Wikingerüberfall handeln könnte. Allerdings erzählt aus der Sicht des Angegriffenen. Ich denke jetzt nur laut vor mich hin: Wenn Mr. Anderson mit diesem Lied seinen ruhmreichen Vorfahren ein Denkmal setzen wollte, hätte er dann nicht aus ihrer Sicht erzählen müssen ?

Vielleicht hast Du das Thema „Wikinger“ schon abgehakt, aber Wilfried und ich haben gute Erfahrungen damit gemacht, auch dem kleinsten Indiz nachzugehen, um ein klein wenig Transparenz in die komplexe Persönlichkeit des Mr. Anderson zu bringen. Ja, man könnte fast sagen, wir seien detailverliebt.

Also dann, Ihr Lieben, bis demnächst !

Viele Grüße
Lockwood

19.05.2007

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Lieber Lockwood, hallo Wilfried,

Prinzipiell war mir der Name Jethro Tull seit 1970/71 ein Begriff, ich gehörte damals auch zu den fleißigen Bravo-Lesern, aber mit der Musik habe ich zu der Zeit noch nicht viel anfangen können, dazu war ich wohl noch zu jung. Zum ersten Mal bewußt gehört habe ich Jethro Tull Ende 1977, es war eine Nach-Abi Party bei einer Klassenkameradin. Da lag Songs from the Wood auf dem Plattenteller, und das musste ich nur EINMAL hören um zu wissen, dass ich das auch brauche. Sparsam wie ich bin – das habe ich mit manchen Schotten gemeinsam – habe ich die Platte gekauft, auf Cassette überspielt und dann einer Freundin zum Geburtstag geschenkt.

Danach habe ich so etwa bis 1980 noch ca. 10 Platten von Jethro Tull zusammengekauft (und nicht verschenkt!), und zeitweise war die Musik von Jethro Tull das, was ich hauptsächlich gehört habe. Als Fan hätte ich mich trotzdem nicht bezeichnet. Wäre ich Mr. Anderson irgendwo begegnet, ich hätte ihn nicht erkannt. Von keinem anderen Mitglied der Band habe ich auch nur den Namen gewußt. Irgendwie hat mich das alles nicht interessiert. Fans sehen anders aus.

Ich habe die Gruppe allerdings auch nie gesehen, nicht im Fernsehen und auch nicht live. 1978 war ich dummerweise gerade auf Kreta als Jethro Tull nach Stuttgart kamen – da wäre ich sonst wohl schon hingegangen. Als ich 1980 Karten fürs Konzert kaufen wollte, war schon ausverkauft (Songs from the Wood vorgetragen im Strahlenschutz-Anzug hätte mich aber vermutlich auch damals schon nicht besonders begeistert). Das wars.

1981 ereilte mich dann ein schwerer Schicksalsschlag, ich habe mich in einen Griechen verliebt (übrigens in einen mit dunkelblonden Haaren und grünbraunen Augen – ohne Witz!). Das hat mein musikalisches Interesse in eine völlig andere Richtung gelenkt. Da ich kein Radiohörer bin und die Rock- und Pop-Musik in den 80ern dann sowieso in eine Richtung ging, mit der ich nichts anfangen konnte, habe ich Jethro Tull, ihre Musik und ihre weitere Entwicklung praktisch komplett aus den Augen verloren.

Bis ich im März 2007 erstmals in YouTube hineingestolpert bin, und dort angefangen habe, Videos herauszusuchen von all den Musikern und Gruppen, die ich in den 70ern gehört habe. Und so kam es, dass ich der facettenreichen Persönlichkeit des seltsamen Mr. Anderson erstmals im Jahre 2007 auf YouTube begegnet bin.

Im Nachhinein ärgere ich mich da schon ein bißchen, dass das in den 70ern alles so an mir vorbeigegangen ist, wo es doch zum Greifen nahe war. Ob ich jetzt ein Fan bin? Ich weiß auch nicht – woran merkt man, dass man ein Fan ist? Andererseits, was würde ich sonst hier tun? Ich habe den Verdacht ich bin ein verhinderter Fan aus den 70er Jahren. Vielleicht hätte ich damals die exzentrischen Bühnenauftritte des Mr. Anderson aber auch nur blöd gefunden, das kann ich heute nicht mehr mit Sicherheit sagen. Der (Musik-)Geschmack ändert sich ja manchmal im Laufe der Jahre (wobei ich inzwischen dazu übergegangen bin von Musikbedürfnis zu sprechen, der Ausdruck Geschmack ist zu oberflächlich und trifft den Kern nicht wirklich). Dazu ein Beispiel:

Eines der ersten Videos, auf das ich gestoßen bin, war Witch’es Promise aus den Top of the Pops von 1970. Vermutlich bin ich beim ersten Anschauen mit offenem Mund vor dem Bildschirm gesessen. Danach habe ich mir die Augen gerieben „Was war’n das, ich glaub das muss ich nochmal gucken“ – Klick. „Und dann vielleicht doch nochmal“ – Klick, usw.. Nach dem x-ten Anschauen habe ich beschlossen, dass das jetzt mein neues Lieblings-Video ist.

Natürlich hat mich dann interessiert, auf welcher Platte das erschienen ist, ich war mir sicher den Titel noch nie zuvor im Leben gehört zu haben. Zu meiner Überraschung habe ich festgestellt, dass es z.B. auch auf der 20 Year Collection zu finden ist, die ich schon seit Jahren mein eigen nenne. Auf dieser CD habe ich – vermutlich beim 2. Hören – alle Titel mit einem Kringel markiert, die ich besonders gut fand und alle mit einem Punkt, die für mich auch noch ganz ok waren. Der Rest (den ich für überflüssig hielt) blieb unmarkiert. Witch’es Promise hat nicht das kleinste Pünktchen bekommen. Wo hatte ich eigentlich damals meine Ohren? (Oder wohl eher das, was sich eigentlich dazwischen befinden sollte).

Soweit die Geschiche meines Lebens mit und ohne Jethro Tull.

Jetzt zum Wikinger. Ich glaube nicht, dass man Broadsword dazu benutzen kann, irgend etwas zu belegen, außer dass Mr. Anderson ein Lied geschrieben hat – der Link sollte ein Gag sein! Ich hatte auch keine Ahnung, dass Wikinger Breitschwerter benutzt haben, da weißt Du bedeutend mehr als ich. Diese ganze Wikinger-Geschichte war doch von Anfang an nur ein Scherz von mir, habt Ihr das etwa ernstgenommen? Ich habe von der Abstammung des Mr. Anderson ungefähr soviel Ahnung wie der Wilfried vom Sirtaki-Tanzen, wahrscheinlich eher weniger. Ich fand nur den Gedanken witzig und hab ein bißchen rumgeblödelt. Wäre ja nicht ganz ausgeschlossen – mehr nicht. „And if sometimes I sing to a cynical degree, it’s just the nonsense that it seems“ (Baker Street Muse 1975).

Ich hoffe Du bist jetzt nicht sehr enttäuscht, aber ich fürchte zur exakten Entschlüsselung der Gensequenzen des Mr. Anderson werde ich nicht viel Hilfreiches beitragen können. Jetzt würde mich aber trotzdem noch interessieren, welche Indizien für einen Wikinger-Überfall Du in Broadsword gefunden hast. Wenn Du jetzt überhaupt noch mit mir sprichst…

Liebe Grüße
Kretakatze

20.05.2007

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Hallo Kretakatze, hallo Wilfried,

Deine JT-Fan – Karriere, liebe Kretakatze, scheint ähnlich verlaufen zu sein wie meine. Auch ich war in der besten Zeit der Gruppe, den 70ern, zu jung, um sie bewusst wahrzunehmen. Ich habe die Alben alle nur in der Retrospektive bejubeln können. So wie das Licht der Sterne, dass einige Jahre braucht, um uns zu erreichen (soviel Poesie hätte ich mir gar nicht zugetraut). Mir geht es genau wie Dir: 1980 war ein entsetzliches Jahr für Jethro-Tull-Fans. Das Album A läutete den Niedergang ein. Es war so schlimm, dass selbst der alte Mitstreiter und Fast-Gründungsmitglied John Evan schreiend davongelaufen ist. Broadsword, 1982, wurde wieder ein wenig tullischer, aber danach war der Untergang nicht mehr aufzuhalten. 1985 kamen die Stimmprobleme des Meisters dazu und…, ach, es ist alles so tragisch !

Streng genommen bin ich kein Jethro-Tull – Fan. Fast drei Viertel der Alben der Gruppe treffen nicht meinen Geschmack Es sind lediglich die Folkalben und Aqualung, TAAB, und Passionplay, die mich begeistern können. Aber das eben richtig ! Vielleicht hast Du im Blog gelesen, dass ich es Mr. Anderson richtig übel nehme, dass er keine weiteren Folk-Alben produziert hat. Dieses Thema habe ich mit Wilfried sehr ausführlich erörtert, aber mein „Zorn“ ist geblieben.

In diesem Punkt ist Wilfried uns beiden haushoch überlegen: Er verfolgt die Geschicke der Band fast vom ersten Tag an. Dadurch steht er verständlicherweise hin und wieder meinen Kritiken kritisch gegenüber.

Sehr interessant fand ich Deinen Hinweis auf den blonden helläugigen Griechen. Das war also ein klassischer Hellene. Da kommt man nicht sofort drauf: Die Dunkle ist Deutsche und der Blonde ist Grieche. Soviel zu ethnischen Schubladen. Ich kenne übrigens auch dunkelblonde Türken mit blauen Augen. Aber auch hier dürfte erst eine aufwendige vergleichende DNA-Analyse Aufschluss über historische Verwandtschaften geben. Wir müssen bedenken, dass die Turkvölker seit etwa 1.000 Jahren das Gebiet Kleinasiens bevölkern, also in etwa genau so lange, wie die ersten Normannenbesuche auf den Britischen Inseln zurückliegen. Aber lassen wir das, es führt wirklich zu weit.

Ich muss gestehen, dass ich Deinen Wikinger-Link tatsächlich ernst genommen habe. Wenn man einen Menschen nicht kennt, weiß man nicht, in welchem Maß er zu Späßen neigt. Aber unabhängig davon, ob Mr. Anderson nun Kelte, Normanne oder Exil-Kirgise ist, er hat fast zehn Jahre lang hervorragende Musik gemacht. Und nur deshalb sitze ich jetzt am PC und tippe.

Flötengnom mit Breitschwert

Zum Breitschwert: Dieser Begriff bezeichnet im Grunde jedes einhändig geführte Schwert. Ein Schwert also, dass es seinem Träger erlaubt, zusätzlich einen Schild zu tragen. Breitschwert umfasst also ein weites Spektrum. Etwas anders verhält es sich mit dem englischen Begriff „Broadsword“ (bevor der Eindruck entsteht, ich sei gebildet: das steht alles in Wikipedia). Broadsword bezeichnet das schwere Schwert der Schotten mit großem Gefäß (Handschutz). Vielleicht kennst Du den Film Rob Roy, Liam Neeson schleppte so ein Ding mit sich herum. Nicht zu verwechseln mit Braveheart; Mel Gibson trug ein Claymore-Schwert. Jedenfalls hätten wir mit dem Anderson-Song Broadsword wieder einmal einen Bezug zur schottischen Herkunft des Meisters.

Wie komme ich auf den Wikingerangriff ? Im Text heißt es: „I see a dark sail on the horizon…..“ Der Erzähler sieht also ein dunkles Segel. Ich bin zwar nautischer Laie, aber ich kenne nur einen Schiffstypen, der mit nur einem Segel auskommt, und das ist das normannische Drachenboot.

„Bring me my broadsword…“ bringt uns überhaupt nicht weiter, da diese Klingen weit verbreitet waren. Aber weiter: „Bring me my cross of gold as a talisman…“ Die Wikinger, die die britischen Inseln angriffen, waren aus Sicht der Mitteleuropäer Heiden. Mehr als das, es waren Sendboten der Hölle. Und der beste Schutz gegen Geschöpfe der Finsternis ist nun mal ein Kruzifix, vorzugsweise aus edlem Metall. Dann der Begriff „Talisman“. Ein Talisman ist ein Fetisch aus Zeiten vor der Christianisierung. Die ersten Strandhiebe der Wikinger auf die Britischen Inseln fielen in das 9. Jahrhundert, also in eine Zeit, in der die Christianisierung der wilden Stämme Schottlands, namentlich der Pikten und Skoten, noch nicht allzu lange zurücklag. Im frühen Mittelalter war es fast überall in Europa so: Das Christentum war nominell anerkannt, aber die Bevölkerung hielt parallel dazu an ihren alten Religionen fest. Deshalb der Talismann. (Der Interessierte findet hierzu weiterführende Informationen in Wilfrieds Beitrag über das Osterfest).

„Put our backs to the northwind…“ Nordwind weht vom Norden. Aber wenn der Erzähler diesen Wind im Rücken haben möchte, könnte das bedeuten, dass der Wind die Angreifer zurück nach Norden tragen soll, wo sie herkommen. Rein technisch gesehen hatten die angreifenden Wikinger den Nordwind im Rücken. Aber wenn ich mich allzu wörtlich an den Text halte, gibt das ganze keinen Sinn mehr.

Also, kurze Zusammenfassung meiner Interpretation von Broadsword:
Ein braver Schotte der Ostküste steht am Strand und sieht ein Wikingerboot auf sich zukommen. Um Familie und Vaterland zu schützen ruft er nach Waffe und göttlichem Beistand. Möglicherweise liege ich mit meiner Deutung vollkommen daneben, aber so sehe ich das eben. Ich finde, andere Texte von Anderson sind sehr viel schwerer zu interpretieren.

Lasst es Euch gut gehen, Ihr Lieben !

Bis bald
Lockwood

20.5.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 63: Ian Anderson tanzt Sirtaki

In meinem Betrag Was ist bloß mit Ian los? Teil 61: Dr. Bogenbroom haben sich viele Kommentare angesammelt, die sich etwas losgelöst vom eigentlichen Thema „Ian Anderson & Jethro Tull“ um griechische, speziell kretische Volkstänze drehen. Da das dort Geschriebene als Kommentare eher ein Schattendasein fristet, möchte ich es hier noch einmal in den Rang eines Beitrag heben:

Kretakatze sagt:

ich denke es ist an der Zeit, dass ich meinen ersten sinnhaltigen Kommentar abliefere, und ich befürchte er wird etwas umfangreicher werden.

Focus Hocus Pocus: Weder von der Gruppe Focus noch von dem Titel hatte ich je bewußt etwas gehört. Aber alles im Leben kommt irgendwann einmal zu einem zurück – so scheint es mir jedenfalls in letzter Zeit – und ja, dieser Jodel-Titel ist mir wohl bekannt. Er muss schon unzählige Male an mein Ohr gedrungen sein, vermutlich aus dem Radio. Allerdings muss ich mich Herrn Lockwood anschließen, mein Musikstil ist das nicht. Jodeln war noch nie mein Fall, und auch ich bevorzuge Lieder, bei denen die gesungenen Silben sinnhafte Worte ergeben. Mit einer Ausnahme: Da kommt mir eines der genialsten Lieder überhaupt in den Sinn, dessen Text nicht ein einziges echtes Wort enthält (ansonsten hat es allerdings mit Hocus Pocus nicht die geringste Ähnlichkeit). Ich weiß nicht, ob Ihr es kennt, es heißt Savarakatranemia.

Wenn Ihr kein Wort verstanden habt, liegt das nicht (nur) daran, dass Ihr (vermutlich) kein Griechisch könnt. Der “Text” besteht aus folgenden “Worten”, die mehrfach wiederholt und verschieden kombiniert werden:
Savarakatranemia (heißt nichts, klingt aber wie eine Beschwörungs- oder Zauberformel)
Halleluja (in griechischer Aussprache, Bedeutung ist wohl bekannt)
Ileos, Ileos… (ähnelt dem griechischen Wort Ilios = Sonne)
Lama-lama nama-nama nemia (lama erinnert an das griechische Verb lambo = leuchten, scheinen; der Rest ist nama-nama…)

Es ist im ersten Moment kaum zu glauben, aber bei diesem Lied handelt es sich um einen Protest-Song, es ist DAS Lied des griechischen Widerstands gegen die Militärdiktatur 1967 bis 1974. Und das ist seine Geschichte:

Nachdem Mikis Theodorakis bereits einige klar verständliche Protestlieder geschrieben hatte und dafür ins Gefängnis geworfen worden war, beschloss der griechische Komponist Jannis Markopoulos (der übrigens in London Musik studiert hatte) ein Protestlied zu schreiben, von dem ihm niemand würde nachweisen können, dass es ein Protestlied war. Also schrieb er ein Lied, das nicht ein einziges echtes Wort enthielt, aber immerhin eine Silbenfolge (…Ileos lama…), bei der jeder Grieche sofort an die Worte “Ilie lambse” (= Sonne scheine) erinnert wird. Diese Worte sind zentraler Kern eines bekannten kretischen Widerstandsliedes aus der Zeit der Türkenherrschaft. Der Ruf nach der Sonne war auf Kreta immer ein Symbol für den Ruf nach Freiheit. Das Lied gilt bis heute als DIE griechische Freiheitshymne und ist Kult. Ein Lied ohne Worte, dafür mit umso mehr Bedeutung. Das nenne ich genial!

Vom gleichen Komponisten und vorgetragen von gleichen Sänger gibt es übrigens noch ein zweites interessantes Lied mit einem auf dem ersten Blick ziemlich seltsam anmutenden Text: Bikan Stin Poli I Ochthri (live 1974). OK, Griechisch klingt für Menschen, die die Sprache nicht sprechen, im ersten Moment wahrscheinlich immer ein bißchen seltsam. Aber das meinte ich nicht. Der Titel bedeutet “Die Feinde kamen in die Stadt”, und die in diesem Lied beschriebene Reaktion der als “wir” bezeichneten Personen auf diese “Feinde” hat mich doch zunächst ziemlich überrascht. Hier meine Übersetzung:

Bikan Stin Poli I Ochthri (Jannis Markopoulos)

Die Feinde kamen in die Stadt

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie schlugen die Türen ein, die Feinde
Und wir standen daneben und lachten
Am ersten Tag

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie nahmen unsere Brüder und Schwestern mit, die Feinde
Und wir schauten den Mädchen zu
Am nächsten Tag

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie warfen Feuer auf uns, die Feinde
Und wir schrieen in der Dunkelheit
Am dritten Tag

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie trugen Schwerter, die Feinde
Und wir nahmen sie als Talisman
Am nächsten Tag

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie verteilten Geschenke, die Feinde
Und wir lachten wie die Kinder
Am fünften Tag

Die Feinde kamen in die Stadt
Sie trugen einen Feigenzweig, die Feinde
Und wir riefen “Hoch sollen sie leben”
Wie jeden Tag

Die Feinde, die hier in die Stadt kommen, sind die, die längst in der Stadt sitzen, nämlich in Athen im Regierungspalast: Die Militär-Junta. Der Text ist im wahrsten Sinne des Wortes schlicht und ergreifend. Kann man eindringlicher schildern, wie sich ein hilfloses Volk mit Gewalt und Diktatur arrangiert? – Wie die Kinder…

Jetzt habe ich mich thematisch ziemlich weit von Jethro Tull und Mr. Anderson entfernt, aber ich denke es wird mir gelingen den Bogen zurück zu finden, zumindest zu den schottischen Wikingern. Dazu möchte ich allerdings zuerst auf einen meiner Meinung nach bemerkenswerten kretischen Musiker aufmerksam machen, den ich selbst erst vor Kurzem auf YouTube entdeckt habe. Sein Solo-Instrument ist die griechische Laute, die sonst eigentlich eher – ähnlich der Rhythmus-Gitarre in der Rock-Musik – den Hintergrund für Bouzouki, Baglamas oder Lyra liefert. Singen kann er im Übrigen auch. Sein Vortragsstil ist für einen Volksmusiker eher ungewöhnlich und erinnert mich – ich weiß auch nicht recht warum – irgendwie an einen schottischen Wikinger. Genug der Worte, hier ist er mit einem Stück traditionellen, kretischen Folk-Rock: Michalis Tzouganakis. Für diejenigen, die von dieser Art Musik jetzt noch nicht genug haben, hier noch eine zweite Kostprobe.

Ich weiß, traditionelle kretische Musik ist nicht jedermanns Sache. Für den ungeübten Hörer klingt sie oftmals wirr und eintönig. Dazu teilweise der epische Gesang, der sich dem Rhythmus entzieht. Für den durchschnittlichen Mitteleuropäer ziemlich gewöhnungsbedürftig. Oder was meint Ihr dazu?

Michalis Tzouganakis tritt offensichtlich häufig zusammen mit einem Musiker auf, der Askomandoura und Gaida spielt, die beiden kretischen (oder griechischen?) Varianten des Dudelsacks. Leider gibt es von diesen Live-Auftritten nur kurze Video-Schnipsel in bescheidener Bild- und Tonqualität (Schnipsel mit GaidaSchnipsel mit Askomandoura).

Und beim Thema Dudelsack kommen wir wieder nach Schottland zurück. Ist es nicht seltsam, dass der Dudelsack gerade an den beiden enferntesten Enden Europas so ein besonders beliebtes Instrument wurde und sich einen festen Platz in der Volksmusik erobern konnte, während er in anderen Teilen der Welt kaum gebräuchlich ist? Wurde er eigentlich in Schottland und Griechenland unabhängig voneinander erfunden? Oder ist ein schottischer Wikinger, vielleicht da es ihm in Schottland zu kalt war, nochmals in See gestochen, und er hat sich dann nach Kreta verirrt? Eher unwahrscheinlich, oder? Aber vielleicht weiß ja Einer von Euch die Antwort.

Schöne Grüße
Kretakatze

PS.: Dabei bin ich jetzt noch nicht einmal dazu gekommen, die Parallelen zwischen kretischer Volksmusik und Jethro Tull genauer zu beleuchten…

Lockwood sagt:

ich riskiere an dieser Stelle, nicht nur für mich, sondern auch für Wilfried zu sprechen: Ich finde Deine Kommentare sind weder fehl am Platz noch zu lang. Im Gegenteil, ich freue mich über umfangreiche Stellungnahmen und ich denke, Wilfried wird das nicht anders sehen. Falls Du den Gedankenaustausch zwischen Wilfried und mir ein wenig verfolgt hast, wirst Du festgestellt haben, dass dort Abweichungen vom Thema Jethro Tull an der Tagesordnung sind. Deine Hinweise auf griechische Folkmusik sind sehr willkommen. Sie können dabei helfen, festgefahrene Grenzen im musikalischen Horizont aufzubrechen. Manchmal denke ich, dass ich das bitter nötig habe.

Jassos
Lockwood (44)

WilliZ sagt:

Hallo Kretakatze,

Lockwood hat Recht: Dein Ausflug nach Griechenland resp. Kreta ist hier herzlich willkommen.

Was den Dudelsack betrifft, so war er besonders im Mittelalter sehr weit verbreitet. Auch in Deutschland gab es Dudelsäcke, meist als Quetschsack oder Sackpfeifen bekannt. Die Herkunft ist ziemlich ungesichert, wahrscheinlich aber kommt der Dudelsack aus Kleinasien und hat seinen Ursprung bei den Thrakern. Da liegt Kreta ja fast um die Ecke.

Nur so am Rande: Wenn ich Deinen Beitrag lese, muss ich mich an frühere Zeiten erinnern. Ich spielte damals in einer Band, die mehr oder weniger Tanzmusik spielte. So hatten wir u.a. mehrere Auftritte bei einer Art Bürgerfest, zu dem auch griechische Musiker geladen waren (in dem Stadtteil lebten wohl ziemlich viele Griechen). Nach unserem Auftritt gaben die Griechen ihr Bestes und es wurde Sirtaki getanzt. Viele Lieder auch von Mikis Theodorakis. Selbst Tanzmuffel (wie ich) kamen dabei richtig in Wallung.

Kretakatze sagt:

Hallo Jungs,

Tja, da bin ich jetzt auf jeden Fall mal sehr beruhigt, dass ich Euch noch nicht allzu sehr auf die Nerven gegangen bin. Vielen Dank für die aufmunternden Worte und die sachkundigen Informationen zu …internationalen Dudelsäcken. …

Und da ich nicht zufrieden wäre, wenn ich nicht widersprechen (und dazu noch eine Vorlesung halten) könnte: Es freut mich sehr, dass Wilfried sich beim griechischen Tanzen so gut amüsiert hat, aber ich würde darauf wetten, dass kein Mensch an diesem Abend Syrtaki getanzt hat. Diesen Tanz gibt es nämlich eigentlich garnicht. Genauer gesagt, es ist ein Kunst-Tanz, der extra für den Film Alexis Sorbas erfunden wurde und der nur bei Tanzvorführungen gezeigt wird. Er besteht aus einer Zusammenstellung von Elementen verschiedener traditioneller Tänze, vor allem Chasapikos, Pentosalis und Syrtos. Die einzige Musik, auf die er getanzt wird, ist das bekannte Sorbas-Lied.

Auch dazu gibt es eine Geschichte. Eigentlich sollte Antony Quinn in der Schluss-Szene am Strand einen Pentozalis tanzen, einen ziemlich schnellen, traditionellen kretischen Tanz. Wenn man das kann sieht das so aus: Pentosalis (hier wird übrigens auch wieder Gaida gespielt).

Nun kursieren verschiedene Versionen, warum das nicht geklappt hat. So soll er sich den Fuß gebrochen haben – aber dann hätte er wohl garnicht mehr tanzen können. Auch nach verstauchtem Fuß sieht die Schuss-Szene von Alexis Sorbas eigentlich nicht aus. Ich nehme an, er hat einfach beim Versuch, diesen nicht ganz einfachen Tanz hinzulegen, einen Knoten in die Beine bekommen – er war ja auch schon nicht mehr ganz der Jüngste.

Also mußte man sich was Einfacheres ausdenken, und so hat man zur Musik von Mikis Theodorakis etwas Passendes zusammengestellt. So ein Vorführ-Syrtaki wie man ihn heute zu sehen bekommen kann, sieht dann zum Beispiel so aus: Sytraki.

Hier sieht man auch gleich noch eine weitere Parallele zwischen Griechen und Schotten: Beide tragen Röckchen, wobei die griechischen (die übrigens Foustanella heißen) nicht kariert sind und fast schon verboten kurz. Na ja, es wird Strumpfhose dazu getragen.

Im Anschluss an den Sytraki sind in dem Video dann noch ganz kurz die Anfänge eines echten griechischen Tanzes zu sehen, DES griechischen Basis-Tanzes überhaupt – es ist ein Sytros. Das, was der Durchschnittsdeutsche üblicherweise als Sytraki bezeichnet, also dieser Einfach-Tanz, den auch ein unbeholfener Volltrunkener nach 10 Sekunden mitstolpern kann (nicht dass ich damit jetzt Dich meinen würde, lieber Wilfried!), der heißt Siganos, wenn er langsam ist, und Servikos, wenns schnell wird. Tja, ein bißchen was weiß ich auch!

Und das wars jetzt wieder mit dem kurzen Beitrag.

Schöne Grüße
Kretakatze (44+4)

PS.: Irgend jemand hat mal zu mir gesagt ich wäre wie Inspector Columbo: Immer wenn er gerade durch die Tür ist und man meint man wäre ihn endlich los, dann dreht er sich nochmal um und sagt sein berühmtes: “Ach, da fällt mir doch gerade noch ein…” Aber heute fällt mir wirklich nichts mehr ein, weswegen das PS entfällt.

Lockwood sagt:

Hallo Kretakatze,

auch ich widerspreche gerne, Wilfried kann ein Lied davon singen.Aber es sind die Kontroversen, die eine Diskussion vom Monolog unterscheiden.Also, zum Inhalt:

Entgegen Deiner Aussage glaube ich nicht, dass Sirtaki nur zu “Sorba’s Dance” getanzt wird. Als Beweis für meine Antithese verweise ich auf ein Album aus meiner Plattensammlung: “20 Sirtaki von Mikis Theodorakis” oder so ähnlich. Diese Platte habe ich mir seinerzeit eigens wegen Sorba’s Dance gekauft; die anderen Stücke kommen bei weitem nicht daran und dienen nur dazu, die LP zu füllen.

Also, liebe Kretakatze, ich hoffe, Du bleibst uns gewogen.

Viele Grüße
Lockwood

WilliZ sagt:

Also zur Sirtaki-Diskussion: Die Quinn-Sorbas-Geschichte war mir ansatzweise bekannt. Trotzdem Danke für die ausführlichen Erläuterungen. Und um meinen Senf auch noch dazuzutragen: Sirtaki oder Syrtaki (mit der Transkription wollen wir es hier einmal nicht ganz so genau nehmen) ist ein Diminutiv (Verkleinerungsform) von Syrtos, also gewissermaßen ein Syrtoslein, wenn ich mich nicht täusche. Unter diesem Gesichtspunkt werde ich vor Jahren also doch eher einen Syrtaki als einen Siganos getanzt haben. In diesem Zusammenhang vielen Dank an Kretakatze, dass Du mich nicht für einen unbeholfenen Volltrunkenen hältst (vielleicht etwas unbeholfen, aber nicht volltrunkend – oder umgekehrt?).

So langsam entwickelt sich das ja hier zu einer griechisch-schottisch-deutschen Scripto-Konferenz. Leider hat mein Web-Hoster (der meine Website usw. verwaltet) keinen Forum-Baukasten im Angebot. Muss so genügen.

Viele Grüße
Wilfried (44+4+4+4-3) [Ist das so ‘ne Art Kryptografie?]

Lockwood sagt:

Hallo Kretakatze,

ich bin gerade erst dazu gekommen, mir Deine gelinkten Videos zur griechischen Folklore anzusehen. Zunächst einmal vielen Dank dafür ! Leider muss ich gestehen, dass ich zu dieser Musik überhaupt keinen Zugang finde. Erstens ist mir die Sprache vollkommen fremd und zweitens klingt die Musik in meinen Ohren zu orientalisch. Einige hundert Jahre türkische Fremdherrschaft sind wohl auch an der griechischen Volksmusik nicht spurlos vorrüber gegangen. Damit will ich nichts gegen orientalische Musik sagen; es ist nur so, dass ich in meinem Musikgeschmack ein Kind des Abendlandes bin.

Ich bin gespannt darauf, welche Parallelen Du zwischen der kretischen Musik und dem Werk des Wikingers Anderson aufzeigen wirst. Nicht vergessen: Damit stehst Du jetzt bei uns in der Pflicht !

Ganz nebenbei zum Thema Haarfarbe, Griechen und Türken:
Vor einigen Jahren war ich mit einer griechischen Familie befreundet. Dass Griechen und Türken sich nicht immer ganz grün sind, kann man vor dem Hintergrund ihrer gemeinsamen Geschichte verstehen. Aber es kommt noch doller: Die griechische Freundin blickt naserümpfend auf Griechen mit dunklen Haaren und dunklen Augen. Ich weiß nicht mehr, welchen Ausdruck sie für diese Landsleute gebrauchte. Es war so etwas in der Art wie “halbe Türken” oder so. Jedenfalls legte sie Wert auf die Feststellung, dass der Hellene dunkelblonde Haare und blau-grüne Augen hat. Und, was soll ich sagen, sie hat Recht damit ! Wäre es anders, hätte Brat Pitt nicht den Achilles spielen können.

Es grüßt Euch
Lockwood

Kretakatze sagt:

Hallo Jungs,

also ich glaube das artet langsam aus hier, das ist doch kein Diskussionsforum, oder?

Eigentlich wollte ich heute mal nichts schreiben sondern ins Bett gehen und schlafen, ich hätte es mal wieder ziemlich nötig (wie der Wilfried schon ganz richtig bemerkt hat). Meine Nachtaktivitäten sind meinen Geistesblitzen während der Arbeitszeit nicht unbedingt förderlich.

Deswegen jetzt wirklich nur gaaaanz kurz: …

… was die “20 Sirtaki von Mikis Theodorakis” betrifft (ich schreibe das immer mit y, weil es auch im Griechischen mit y geschrieben wird), es wäre für Mikis Theodorakis sicher auch kein Problem 200 Lieder mit diesem Rhythmus zu scheiben, aber hast Du schon einmal jemanden darauf Syrtaki tanzen sehen? Ich nicht!

Bei den griechischen Tanzfesten, Choros genannt, werden auch üblicherweise keine Lieder von Mikis Theodorakis gespielt, sondern traditionelle “Volkslieder”, und da kommt der Syrtaki nicht vor. Der wird immer nur bei Vorführungen getanzt, und dann immer auf diese eine Melodie. Und der Durchschnittsgrieche, der nicht in einer Tanzgruppe tanzt, kennt die Schrittfolge auch garnicht.

Warum der Syrtaki nun gerade Syrtaki heißt, weiß ich leider auch nicht mehr. Tatsächlich hat er mit dem Syrtos die geringste Ähnlichkeit, er basiert eigentlich auf dem Chasapikos (gleicher Grundschritt, gleiches Tempo, zumindest im langsamen Teil). Der Syrtos hat schon einmal einen ganz anderen Schritt-Rhythmus, aber ich will jetzt nicht auch noch anfangen Euch verbalen Tanzunterricht zu erteilen. Zumal es unter Euch ja wohl auch noch Tanzmuffel zu geben scheint. Und wenn der Wilfried nun darauf bestehen will, dass er seinerzeit Syrtaki getanzt hat, meinetwegen. Dem einen sein Wikinger ist dem andern sein Syrtaki, wobei man Lockwoods grüne Augen nicht vergessen sollte (oder so ähnlich). Da er nicht volltrunken war, wird sich der Wilfried ja sicher noch genau an die Schrittfolge erinnern und sie uns in seinem nächsten Beitrag detailliert erläutern.

Schöne Grüße
Kretakatze (4-2+44-2+4) [Der Lockwood hat damit angefangen!]

PS.: Entfällt wegen Müdigkeit

Kretakatze sagt:

Hallo Jungs,

heute muss ich mich zuerst selbst korrigieren. Ab sofort schreibe ich Sirtos und Sirtaki nur noch mit i, denn die Schreibweise mit y ist Blödsinn. Wen interessiert schon, wie diese Worte original in griechischer Schrift geschrieben werden, und das y könnte einen Deutschen dazu verleiten diesen Buchstaben als ü auszusprechen. Ein ü gibt es im Griechischen nicht, das y heißt dort “i psilo” (= hohes i). Ich bitte daher alle meine bisherigen diesbezüglichen orthographschen Fehltritte als entsprechend korrigiert zu betrachten.

Dem muss ich sofort die nächste Selbstkorrektur folgen lassen. Ich habe geschrieben, der Sirtaki würde Elemente aus Chasapikos, Pentosalis und Sirtos enthalten. Tatsächlich habe ich mich schon beim Schreiben dieser Worte gefragt, welche Elemente des Sirtaki aus dem Sirtos stammen sollen, mir sind keine eingefallen. Ich habe das so geschrieben, weil ich es irgendwo mal gelesen oder gehört habe. Man sollte nie ohne nachzudenken einfach irgend etwas abschreiben!

Inzwischen sind mir nicht weniger als 4 grundlegende Unterschiede zwischen diesen beiden Tänzen aufgefallen, Gemeinsamkeiten konnte ich keine entdecken. Ich würde diese Aussage daher als unbewiesene Behauptung einstufen und bitte das Wort Sirtos aus diesem Zusammenhang gedanklich zu streichen. Stattdesssen konnte ich beim Betrachten des von mir verlinkten Sirtaki-Videos eindeutig Elemente aus dem Seimbekikos entdecken. Das ist der Tanz, wo Einer alleine tanzt während die Anderen im Kreis herum hocken, klatschen und Teller zerschlagen. Der Beginn des Sorba’s Dance ist eigentlich 100% Seimbekikos: Jeder tanzt allein, langsames Tempo, schwerfälliger Rhythmus. Das ist übrigens auch im Film so.

Wie Ihr Euch wahrscheinlich inzwischen schon fast denken könnt, habe ich selbst einmal ein paar Jahre in so einer Tanzgruppe mitgemacht. Auch wir sind gelegentlich bei Choros-Festen aufgetreten und haben ein paar Tänze vorgeführt. Auch wir hatten den Sirtaki im Programm. Den Sorbas kann ich deshalb nicht mehr hören.

Um nun abschließend die Frage zu behandeln, welcher Tanz es nun gewesen sein könnte (oder waren es mehrere?), den der Wilfried seinerzeit getanzt hat: Natürlich habe ich im Prinzip keine Ahnung, und ich habe auch nicht behauptet es wäre Siganos. Ich habe nur GEWETTET es wäre NICHT SIRTAKI. Es wäre durchaus möglich, dass ich diese Wette verliere. Das ließe sich klären, aber jetzt leidet der Wilfried plötzlich an Gedächtnisschwund…

Also ich schlage für uns alle drei mal folgenden Kompromiss vor:

Wilfried ist der größte Sirtaki-Tänzer aller Zeiten, er beherrscht(e einmal) diesen figurenreichen Kunsttanz ohne jemals eine Unterrichtsstunde genossen zu haben. Lockwood ist der Entdecker des grünen Auges des Mr. Anderson und sollte für dieses unschätzbare Verdienst besondere Erwähnung in den Geschichtsbüchern finden. Und ich darf meinen Wikinger behalten. Ich nehme ihn sogar mit grünen Augen, da will ich wirklich nicht kleinlich sein. (Er hat doch in den 80er Jahren auch ausgesehen wie ein Wikinger, oder?)

Morgen vielleicht mehr, Lockwood hat ja schon wieder neue Themen und Fragen aufgeworfen… Wilfried, Du gibst Bescheid kurz bevor Dein Webspace platzt…

Schöne Grüße
Kretakatze (44-40+44)
[Also ich finde die 4er in Kombination mit den + und – rein optisch sehr schön, und um diese Uhrzeit möchte ich niemanden mehr überfordern!]