Kategorie-Archiv: Jethro Tull

Ian Anderson und seine Jungs

Was ist bloß mit Ian los? Teil 53: Federvieh und „Home“ 1979 live

Hallo Wilfried,

erlaube mir zum Ende der ersten Fastenwoche einen abschließenden Gedanken zum Thema Karneval: Während der „Tollen Tage“ sind einige gesellschaftliche Regeln aufgehoben oder gar in ihr Gegenteil verkehrt; das haben wir schon festgestellt. Wirklich überraschend finde ich, dass Menschen, die das ganze Jahr über versuchen, einen kultivierten und intelligenten Eindruck zu hinterlassen, an Karnevalssitzungen ( das sind diese „Wolle mer se rinnlosse“ und Narrhalla-Marsch – Happenings) teilnehmen. Gibt es in diesem Universum jemanden, der mir erklären kann, was ein Mensch, dessen IQ-Wert die Zimmertemperatur übersteigt, an diesen infantilen Veranstaltungen findet ??

Besonderen Zulauf haben Veranstaltungen, die im TV ausgestrahlt werden, wie z.B. die Verleihung des Ordens „Wider den gesunden Menschenverstand“ oder so ähnlich. Vor ungefähr 30 Jahren ist mein Deutschlehrer bei dieser Veranstaltung von der Kamera erwischt worden, als sie gerade ins Publikum schwenkte. So wurde bei der Ausstrahlung der Sendung die Republik Zeuge, wie unser sehr verehrter Grammatikus über einen blöden Witz lachte, über den er nur die Nase gerümpft hätte, wenn einer seiner Schüler ihn gebracht hätte. Aber hier hatte er mehrere hundert DM für die Karten gezahlt und fühlte die Augen der Nation auf sich gerichtet. Da kann man gar nicht anders, als den Erwartungen gerecht zu werden.

Deine Ferndiagnose trifft zu: Meine Söhne schauen zuviel Horror und Gewalt. Zum Glück haben wir aber noch nicht feststellen müssen, dass sie dadurch charakterliche Defizite davon getragen hätten. Sie sind noch jung, meine Fohlen. Ich denke, wenn die Pubertät über sie kommt, finden die blutrünstigen Maskeraden zu Karneval ein jähes Ende.

Zum Flöten-Fake des Mr. Barlow: Mich wundert gar nichts mehr. Mittlerweile traue ich Mr. Anderson alles zu. Ich habe mir die „Songs from the Wood“ noch einige Male angehört. Wenn man weiß, dass die Vokalparts vom Meister stammen, hört man es plötzlich ganz deutlich heraus. Auf einmal ist es eine ganz klare Sache. Ein Unding, dass man es vorher nicht gehört hat. So ist das nun mal mit der selektiven Wahrnehmung…

Zu Helmut Lotti und Co.: Wir haben Mr. Anderson als Geschäftsmann kennen gelernt. Ich glaube, so lange die Zahlungen für die Rechte an den Liedern stimmen, würde es ihm auch nichts ausmachen, wenn sein deutscher Namensvetter G.G. seine Songs interpretiert. Mr. Anderson ist eben ein Profi. Ich habe nichts gegen Herrn Lotti. Er hat eine große Stimme. Aber von manchen Dingen sollte er lieber die Stimmbänder lassen. Auch der begabteste Künstler ist auf ein gewisses Spektrum beschränkt. Kannst Du Dir vorstellen, dass Heinz Rühmann und Curt Jürgens ihre Rollen getauscht hätten ? Oder Dustin Hoffman mit John Wayne ? Marilyn Monroe mit Audrey Hepburn ? Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Den Versuch eines Künstlers, das ganze Spektrum seines Genres abzudecken, muss in meinen Augen zwangsläufig scheitern. Geige und Cello sind beide Streichinstrumente und jedes hat seine Daseinsberechtigung und keines kann ohne Einbußen den Part des anderen übernehmen. Hoffentlich liest Herr Lotti Deinen Blog.

“Stormwatch“ zähle ich persönlich nicht zu den Folk-Alben. Dennoch enthält es einige schöne Stücke: Das wunderbare „Elegy“ und „Home“. Für mich gehört der „Minstrel“ noch auf die Folk-Liste. Je nach Stimmungslage und Tagesform ist es für mich das beste Tull-Album.

“Broadsword“: Na ja, geht so. Außer dem Barett gefällt mir daran nur das letzte Stück: „Cheerio“. Auch ein Lied, bei dessen Klang ich jedes Mal eine englische Küste assoziiere. Wie ich schon einmal geschrieben habe: Wenn ein Lied Bilder im Kopf entstehen lässt, ist es für mich ein gutes Lied. In diesem Moment höre ich „One white Duck“. Welch ein Genius, was für eine Stimme ! Warum hat ein grausames Schicksal uns dessen beraubt ? Allerdings gehört die weiße Ente zu den Liedern, bei denen ich die Übersetzung des Textes besser ganz schnell vergesse. Der passt nämlich überhaupt nicht zu den Visionen, die beim Hören in mir hochsteigen. Mr. Anderson erwähnt auffällig oft Geflügel in seinen Songs: One white Duck, Mother Goose, „…feeling like a dead duck…“ Mir ist keine andere Rockband bekannt, die in ihren Werken so oft auf Wasservögel zu sprechen kommt.

Wenn Dein Großer sich für bass-dominierte Lieder interessiert: Kennt er schon „One of these Days“ von Pink Floyd ? Der Anfang von „Fly, Robin, Fly“ (Silver Convention; Du erinnerst Dich ?) ist auch sehr basslastig, aber nicht unbedingt das, was ein JT – Fan empfehlen würde.

Bis bald
Lockwood

06.03.2007

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Hallo Lockwood,

beim Karneval kommt meist Alkohol ins Spiel. Und im Suff (auch ohne Karneval) hat sich schon mancher zum Affen gemacht. Da kehren einige ihr Inneres nach außen. Die Sau raus lassen, nennt man das wohl auch. Aber wir beide sind nun einmal gesittete Familienväter, die so etwas nicht (mehr) nötig haben. Wir lästern lieber über andere …

Leider geht es mit meinen Söhnen, was Horrorfilme und dergl. betrifft, auch nicht viel anders, zumindest bei dem jüngsten noch. Beim Großen (inzwischen 16 Jahre alt) erkenne ich, dass sich das zum Guten wendet. So lange keine Defizite charakterlicher Art entstehen, Du hast recht, muss man eben durch diese Phase durch.

Zur selektiven Wahrnehmung: Manchmal ist es eben auch das, was wir hören und sehen wollen oder zumindest zu hören und zu sehen erwarten. Da lässt man sich sehr schnell durch ‚Zaubertricks’ blenden. Wenn sich das alles in Grenzen hält, so finde ich solche Tricks durchaus in Ordnung. Herr Anderson wählte seine Musiker nicht danach aus, wie sie singen können, sondern wie sie ihre Instrument beherrschen. Und da braucht ein Schlagzeuger auch nicht unbedingt Flöte spielen können.

Es sind mindestens zwei eigene Beiträge in meinem Weblog wert, soviel in möglichster Kürze: Ich bin da über eine Sängerin und ihre Band gestolpert, Lyambiko mit Namen, die dieser Tage auf Deutschland-Tour geht und dabei ihr neues Album vorstellt: Inner Sense (Hörproben). Deren musikalische Heimat ist der Jazz – und anzusiedeln ist sie irgendwo zwischen Norah Jones (stimmlich) und Diana Krall (stilmäßig), wenn Dir die Namen etwas sagen. Nun es geht um mindestens eines der Lieder, die die Sängerin auf der neuen CD interpretiert: „Look into the Sun“ von Jethro Tulls „Stand Up“-Album (und für Dich interessant: „Somebody To Love“ von Queen). Man mag von der Musik halten, was man will, die Interpretation von „Look into the Sun“, ein Lied, das mir in der Originalfassung schon sehr gut gefällt, finde ich durchaus hörenswert (das Lied im Stile des Modern Jazz). Nun wollte ich mir nicht das ganze Album kaufen, so toll finde ich die anderen Sachen eben nicht, und habe es zum ersten Mal gewagt, online nur das eine Stück käuflich zu erwerben. Selbst für mich taten sich da ungeahnte Schwierigkeiten (und was musicload.de von t-online betrifft: deren Dreistigkeiten) auf. Wie gesagt, allein das wird einen weiteren Beitrag wert sein. Erstaunlich finde ich einfach daran, dass eine Jazz-Sängerin altes Tull-Material für so gut erachtet, um es auf einer CD festzuhalten. Also nicht nur die klassische Liga singt Jethro Tull (im Falle von „Another Christmas Song“ habe ich noch etwas geforscht, bin aber nicht viel weiter gekommen – ich denke aber, das es Placido Domingo persönlich war, der das Lied singt – der Lotti hat aller höchstens ‚mitgesungen’). Im Falle des Spring String Quartetts und deren CD „Train Songs“ habe ich eine kleine Hörprobe zu „Locomotive Breath“ gefunden.

Mit dem Rollentausch hast Du sicherlich nicht unrecht, „Schuster bleibt bei deinen Leisten“. Wenn Lotti „Thick as Brick“ singen würde … Nicht vorstellbar. Aber das wird er sich hüten zu tun. Zum einen wird er kaum einen Tull-Fan damit begeistern, und seine eigene Anhängerschaft wird auch nur mit dem Kopf schütten (und nicht kaufen). Im Falle eines Liedes wie „Another Christmas Song“ oder wie oben bei der jazzigen Interpretation von „Look into the Sun“ würde ich nicht so strenge Maßstäbe anlegen. Obwohl mich, ich muss es gestehen, allein der Text zum anderen Weihnachtslied aus dem Munde eines Opernstars seltsam anmutet („Old man, he’s calling for his supper. Calling for his whisky“). Leider habe ich nicht einmal eine Hörprobe finden können, schade. Vielleicht wäre es der nächste Weihnachtshit (Hit, nicht Shit – oder doch?) bei uns zu Hause.

Zu „Stormwatch“ hatte ich mich schon kurz geäußert. Das lange „Dark Ages“ wirkt auf mich ziemlich unausgegoren. „Home“ dagegen gefällt auch Dir sehr gut. Ich habe da eine Aufnahme von einem Konzert am 11. bzw. 12.10 1979 aus dem Madison Square Garden in New York. Ein Jahr zuvor fast auf dem Tag genau (09.10.1978) wurde von dort in einer simultanen Transatlantik-Schaltung das uns allen bekannte Tull-Konzert gesendet. Das 1979-er Konzert ging in die Tull-Geschichte ein, weil Ian Anderson von einer Rose im Auge getroffen wurde, die aus dem Publikum geworfen wurde.

Ian Anderson 1979


Jethro Tull live Okt. 1979 in NYC: Home

Zu „The Broadsword and the Beast“ später etwas mehr.

Das mit dem Federvieh ist schon ein interessanter Aspekt. Und das bei einem (Wild-)Katzenliebhaber wie Herrn Anderson. Gut, die tote Ente würden wir eher mit toten Hund übersetzen. Aber das weiß Herr Anderson ja nicht. Vögel kommen auch noch in anderer Form vor: Der Kuckuck gleich im ersten Album „This was“ in „Serenade to a Cuckoo“ – oder: als Titel für ein ganzes Album (wenn auch ‚nur’ Soloalbum): „Secret Langauge of Birds – oder: auf „Stand up“ in „We used to know“ die Zeile: „Saving up the birds in hand“. Weiter auf Benefit in „To Cry You a song“: „Well, I’m a glad bird“. In “Aqualung” hast Du bereits das „Feeling like a dead duck“ gefunden und die Mutter Gans (da kommt noch ein Hühnchenzüchter hinzu: chicken-fancier). In „Thick as a Brick“ kocht der Narr mit der Sanduhr seine Gans: “while the fool with the hour-glass is cooking his goose”, wenn es auch etwas anderes bedeuten sollte (vielleicht sagt es Dir deine deutsche Übersetzung). Auch Seemöven kommen hier vor. Auf „Living in the Past“ finden wir in „Teacher“ den Hinweis, dass „the nest is for nothing when the bird has flown“. Und in der Hasengeschichte tauchen ja auch Vögel auf. Aber genug … Es lässt sich sicherlich noch mehr Geflügel finden.

Aber in diesem Zusammenhang: Bei meiner Schottland-Recherche bin ich ja auf viele Orts- und Landschaftsbezeichnungen gestoßen. So werden noch viele andere Orte, Stadtteile, Straßen (Fulham Road, Baker Street) usw. zu finden sein. Ich erinnere mich, dass es auf der offiziellen Tull-Website einmal ein Rätsel gab, das sich solcher geografischer Bezeichnungen bediente.

Was meinen Großen und sein Bassspiel betrifft: Er werkelt gerade mit mehreren Schulfreunden an einem Schulprojekt „Beatles“. Einen Übungsraum haben sie dafür auch bereits gefunden, wenn auch nicht direkt bei uns im Ort, sondern in einem Dörflein in der Nähe. Wie es aussieht (besser: sich anhört), nimmt das bereits konkrete Formen an. Ich finde es auf jeden Fall sehr gut. Besser, als wenn die Jungs irgendwo sinnlos herumhängen. Jetzt muss ich nur noch meinem Jüngsten das Musizieren schmackhaft haben. Vielleicht sollte ich mit gutem Vorbild vorangehen.

Das Wochenende naht schon wieder. Ich werde mich aufs weitere Digitalisieren meiner alten LPs stürzen, wenigstens zeitweise. Da habe ich übrigens noch eine weitere Cover-Version eines Tull-Titels … dazu später mehr.

Bis bald und Cheerio
Wilfried

08.03.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 52: Karneval und jagende Mädchen

Hallo Wilfried,

Das Abfotografieren der Seiten brachte nicht das gewünscht Ergebnis. Also habe ich meine Fingergelenke geölt und die Übersetzungen zu „Velvet Green“ und „Hunting Girl“ abgetippt. Siehe Anlage.

Gerade läuft bei mir „Wooden Wedding“ aus Deinem Anhang. Wirklich schöne Folkmusik ! Dieses Genre ist doch besser vertreten als man beim ersten Blick glaubt.

Deine mail werde ich später beantworten; mir fallen die Augen zu, die Heia ruft.

Mach’s gut
Lockwood

Samtenes Grün

Wir gehen auf samtenem Grün, Kiefern um uns herum.
Ist es nicht herrlich, die frische Luft zu genießen und zu singen !
Wir gehen auf samtenem Grün.
Wir gehen auf samtenem Grün. Kühe brüllen in der Ferne.
Ganz unbesorgt: deine Beine in der Luft, wir lieben uns.
Wir gehen auf samtenem Grün.

Willst Du meine Gesellschaft nicht ? Komm, nimm es in die Hand.
Leg Dich auf samtenes Grün mit einem Jungen vom Lande,
der dem jungen Mädchen gefällt und der Wunschtraum der alten Jungfer ist.
Sag Deiner Mutter, Du bist die ganze Nacht auf samtenem Grün gegangen.
Ein Halbstundenritt in der Dämmerung Richtung Norden.
Dort liegt Dein guter Ruf und alles, was Du wert bist.
Wo der Duft von wilden Rosen Milch in Sahne verwandelt.
Sag Deiner Mutter, Du bist die ganze Nacht auf samtenem Grün gegangen.
Und das hohe Gras wogt in der kühlen Abendluft.
Und die seltenen Augustfreuden könnten Dich in den April schicken.
Aber denk nicht daran, meine Liebe,
mir wird die Hose zu eng,
und ich wachse weiter, treff Dich unten in samtenen Grün.

Nun, ich könnte Dir erzählen, es sei Liebe und nicht nur Begierde.
Und wenn wir schon mit der Lüge leben, lass uns wenigstens im Vertrauen liegen.
Auf goldenen Narzissen, den silbernen Fluss aufzufangen,
der den Samen des wilden Hafers 1 aus samtenem Grün ausspült.
Wir träumen als Liebende unter den Sternen –
Von Zivilisationen, die in der Ferne toben.
Und die schäbige Morgensonne scheint auf Deine Kampfesnarben,
als Du durchgefroren und allein auf samtenem Grün nach Hause läufst.

Wir gehen auf samtenem Grün, Kiefern um uns herum.
Ist es nicht herrlich, die frische Luft zu genießen und zu singen !
Wir gehen auf samtenem Grün.
Wir gehen auf samtenem Grün. Kühe brüllen in der Ferne.
Ganz unbesorgt: deine Beine in der Luft, wir lieben uns.
Wir gehen auf samtenem Grün.

1 To sow one’s wild oats: sich die Hörner abstoßen

Englisches Original siehe cupofwonder.com: Velvet Green

Jägermädchen

Eines Tages ging ich die Straße entlang und über ein Feld,
dort entlang, wo die Jagdhunde hetzen.
Der Gutsherr galoppierte weiter: die Jäger hinterher,
dorthin, wo der Weg versperrt war.
Das Pferd einer edlen jungen Dame weigerte sich, den Zaun zu überspringen.
Ich öffnete das Tor, aber sie wartete, bis die Meute verschwunden war.

Der Peitschenknauf war aus Knochen geschnitzt;
sie saß hoch auf einem Thron aus feinstem englischen Leder.
Die Königin aller Spiele,
dieser Joker nahm den Hut ab und redete übers Wetter.
Alle seien gewarnt vor diesem vornehmen Jägermädchen.
Sie nahm den Untergang dieses einfachen Mannes in die Hand;
ich hielt die Flagge hoch, die sie ausbreitete.

Stiefelleder blitzte und Sporen groß wie meine Daumen.
Diese vornehme Jägerin hatte die seltsamsten Vorlieben.
Ungezügelte Leidenschaft: Ich nahm den Zaum zwischen die Zähne.
Sie stand über mir, ich auf den Knien unter ihr.

Gnädige Frau, seinen Sie diskret.
Ich muss mich aufrappeln und zurück zur Farm.
Ich möchte zwar nicht behaupten, Sie seien pervers,
aber ich könnte doch zu Schaden kommen.
Ich tendiere nicht zu solch raffinierten Spielchen, wenn das so funktioniert.
Oh, vornehmes Jägermädchen,
ich bin nur ein einfacher, normaler Mensch.

Englisches Original siehe cupofwonder.com: Hunting Girl

21.02.2007

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Hallo Wilfried,

die Idee, dass der kurze Flöteneinsatz von Mr. Barlow nur ein Fake sein könnte, ist mir noch gar nicht gekommen. Aber nachdem der a Capella – Gesang der Gruppe enttarnt worden ist, wundert mich nichts mehr. Vielleicht ist das Flötenspiel von Mr. Barre auch nur Ohrenwischerei. Allerdings halte ich es für aufwendiger, für einige sekundenlange Klangsequenzen eine Konserve bereitzuhalten und an der richtigen Stelle abzuspielen als einem Musiker zwei, drei Griffe auf der Flöte beizubringen. Aber- wer weiß ? Zu Beginn seiner Karriere sagte Mr. Anderson in einem Interview. „Alles, was wir machen, ist Showbusiness.“ Mit diesem Satz würde er Einiges erklären und rechtfertigen.

Der gute alte Francis. Ich weiß nicht, was ihn bewegt, seine Internetauftritte so sprunghaft zu ändern. Aber ich habe in öffentlichen Foren im Netz schon erlebt, dass einige Teilnehmer gesperrt und ihre Accounts gelöscht werden. Vielleicht ist Francis auch einem öffentlichen Regulator zum Opfer gefallen. Vor einiger Zeit hast Du geschrieben, er sei bestimmt ein guter Kerl. Das mag sein, aber ich würde meine Kinder keine Minute mit ihm alleine lassen.

“Walk into Light“ kenne ich tatsächlich nicht. Das wird auch so bleiben. Ich habe mehr als einmal bereut, sauer verdientes Geld für Alben ausgegeben zu haben, die Mr. Anderson nach 1980 produziert hat. Lediglich „The secret Language of Birds“ enthält einige kleine Hoffnungsschimmer. Für einen positiven Gesamteindruck des Albums aber zu wenige.

Helmut Lotti singt Jethro Tull. Was wird man uns noch alles zumuten ? Was kommt als Nächstes ? Die Jakob-Sisters singen Led Zeppelin ? Florian Silbereisen interpretiert Sex Pistols ? Die von mir beschworene Vielfalt hat offenbar auch ihre Schattenseiten.

Zu Karneval im Allgemeinen und Rosenmontag im Besonderen:
Der rheinische Karneval gliedert sich in mehrere Disziplinen:

Da ist zunächst der Sitzungskarneval. Er beginnt in aller Regel am 11.11. eines jeden Jahres. Karnevalisten halten dieses Datum durch die Anhäufung einer einzigen Zahl für lustig und beginnen deshalb ihre Aktivitäten an diesem Tag. Sitzungskarneval musst Du Dir so vorstellen: Ein großer Saal mit Bühne, unten Tischreihen. An den Tischen sitzen kostümierte Narren (das ist die offizielle Selbstbezeichnung der Karnevalisten und keine Schmähung) und beobachten das Treiben auf der Bühne. Hier gibt es Karnevalsgruppen zu bestaunen, die Karnevalslieder- und Tänze vortragen. Zu einer Sitzung gehört auch die sogenannte Büttenrede. Das ist ein Einzelvortrag eines Narren, in dem über aktuelle politische und gesellschaftliche Ereignisse hergezogen wird. Es gibt wirklich gute Büttenreden, aber in den meisten werden uralte Witze aufgewärmt. Den Vorsitz über eine Sitzung führt der Elferrat; das sind 11 (!) Herren, die in einer Reihe nebeneinander im Hintergrund der Bühne sitzen. Der Primus inter Paris des Elferrats ist der Präsident, der das Geschehen moderiert und die nächste Attraktion ankündigt. In aller Regel bedient der Präsident sich während der Sitzung der lokalen Mundart. Das wirkt lustig, familiär und heimatverbunden.

Die zweite Disziplin stellen die Karnevals-Bälle dar. Das sind Tanzveranstaltungen zu karnevalistischer Musik. Hier geht es oft hoch her und diese Events sind unter den Narren sehr beliebt. Es gibt einige berühmte Bälle, wie z.B. den Bäckerball oder den Schreinerball, für die ein Ottonormal-Narr kaum Karten ergattern kann. In jungen Jahren habe ich in meinem Heimatdorf öfter am KJ-Ball teilgenommen. Der Name stammt vom Veranstalter, der Katholischen Jugend in unserem Örtchen. Das hat wirklich Spaß gemacht; hier wurde nicht nur Karnevalsmusik gespielt.

Der dritte Bestandteil ist gleichzeitig der, der in der bundesweiten Öffentlichkeit am stärksten wahrgenommen wird: Der Straßenkarneval. Hierzu gehören die Rosenmontagsumzüge. Am Sonntag davor ziehen die Züge durch die kleineren Gemeinden. Das ist meist sehr überschaubar. Am Rosenmontag aber sammeln sich die Züge aller Gemeinden zum großen Umzug. Ein Umzug besteht aus geschmückten Fest- und Prunkwagen, Fußgruppen und Musikvereinen, meist Trommler und Pfeifergruppen. Der Rosenmontagszug in A. dauert einige Stunden und ist einige Kilometer lang. Bevor der letzte Wagen sich in Bewegung gesetzt hat, ist der erste Wagen schon am Ziel angekommen. Entsprechend länger sind die Züge in den Hochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz. Die Rosenmontagszüge locken jedes Jahr zigtausende Zuschauer auf die Straßen. Zu diesen Zuschauern gehört traditionsgemäß die Familie P. aus H. bei A. Für die Kinder hat der Zug seinen Reiz, weil sie hier Kamelle (rheinischer Ausdruck für Bonbons) fangen und sich in ihren Kostümen präsentieren können. Bevor die Besatzung eines Festwagens jedoch die begehrten Kamelle über das Volk ausgießt, wird erwartet, dass der fangfreudige Karnevalist laut „Alaaf“ bzw. „Helau“ ruft. Tut er das nicht, braucht er nicht auf einen süßen Regen zu hoffen.

Du hast schon einen Rosenmontagszug im TV verfolgen können. Bestimmt sind Dir Wagen aufgefallen, die wie verrückt Kamelle ins Volk schmeißen. Das tun sie, weil sie genau wissen, wo die Fernsehkameras stehen. Außerhalb deren Reichweite ist man mit dem Schmeißen weit zurückhaltender. In diesem Jahr habe ich meine Kamera mit zum Zug genommen. Durch meine Knipserei hatte ich eine Aufgabe und kam mir nicht vollkommen deplaziert vor.

Seit Jahren gefällt mir der Schluss des Rosenmontagzuges in A. am Besten: Hinter dem letzten Wagen zieht die Reinigungskolonne her. Das sind etwa 10 Fahrzeuge und mindestens 30 Mitarbeiter der Stadtreinigung, die hinter dem närrischen Lindwurm aufräumen. Diese Aufgabe erledigen sie hervorragend. Spätestens 15 Minuten, nachdem der letzte Wagen des Zuges vorbei ist, erinnert nichts mehr an das tolle Treiben. Lärm und Dreck sind wie weggeblasen und das Ganze kommt mir vor wie ein Spuk. Wäre nicht das Nachdröhnen in den Trommelfellen, könnte man es für einen schlechten Traum halten.

Naja, auch der Rosenmontag geht vorbei.

Das mit der Asche aufs Haupt wird hier übrigens ernst genommen. Am Aschermittwoch finden Messen statt, in denen vom Priester das „Aschenkreuz“ ausgeteilt wird. Hierbei macht er dem Gläubigen mit dem Daumen, den er vorher in Asche gesteckt hat, ein Kreuzzeichen auf die Stirn. Dazu spricht er die Worte: „Mensch, gedenke, dass Du Staub bist und zum Staub wirst Du zurückkehren.“ Es ist also ein mahnendes Symbol für die Vergänglichkeit alles Irdischen. Bevor es zu Missverständnissen kommt: Die verwendete Asche stammt nicht von Zigarettenkippen, sondern von den verbrannten Palmzweigen des Vorjahres.

Ich wollte nicht über Karneval schreiben ohne den Aschermittwoch zu erwähnen. Der gehört zu Karneval wie Weihnachten zum Advent. Jedenfalls aus christlicher Sicht; die ambitionierten Narren haben da sicher eine eigene Perspektive. Aber aus der Historie heraus war der Karneval ein Weg zum Aschermittwoch und der damit beginnenden Fastenzeit. Ein letztes Austoben vor der sechswöchigen Zeit der vorösterlichen Besinnung und Enthaltung.

Jedenfalls sind wir jetzt wieder in ruhigem Fahrwasser und können der Freude des Ostermorgens entgegen sehen.

Bis bald
Lockwood

24.02.2007

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Hallo Lockwood,

vielen Dank für deinen kleinen Abriss zum Thema Karneval. So ganz unbedarft sind wir hier im Norden allerdings nicht. Immerhin läuft im Fernsehen „Mainz bleibt Mainz …“. Und auch die Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ ist uns hier bekannt. Und inzwischen sendet auch unser regionales Fernsehen (N3) jede Menge Karnevalsauftritte. Wir haben nur den Vorteil, karnevalistische Veranstaltungen nicht direkt vor der Haustür zu haben. Außerdem wie gesagt: Meine Mutter stammt aus Köln. Von daher sind mir die Gebräuche des närrischen Treibens nicht ganz unbekannt – bis hin zum Wahalla-Marsch ( „Woll’n mer se rinlosse?“).

Deine Jungs gucken wohl zu viele Horror- und Kriminalfilme? Dank auf jeden Fall für die Bilder. Dank auch für Deine Mühe beim Eintippen der Übersetzungen. Jugendfrei ist das wirklich nicht, was da Herr Anderson verfasst und jahrelang auf die Bühne gebracht hat. Im Wald und auf weiter Flur kommen uns Herren manchmal so Ideen …

Zurück zu Tull & Co.: Von Martin Barre weiß ich nun recht genau, dass auch er das Flötenspiel ziemlich gut beherrscht. Von daher dürfte uns die Bande keine faulen Eier ins Nest gelegt haben. Bei Herrn Barlow, wie geschrieben, bin ich mir nicht so sicher. Andererseits wird Ian Anderson ihm schon gezeigt haben, wie es geht. Wenn ich mir dann wiederum das „Songs from the Wood“-Video aus dem Madison Square Garden, NY, 1978, angucke, meine ich, dass Herr Barlow schon froh ist, die Flöte nicht fallen zu lassen, während er mit den Fingern herumhantiert. Spielt man z.B. die hohen Töne auf der Querflöte (mit der rechten Hand), so bleiben die Finger der linken Hand auf den Klappen. Spielt man die tiefen Töne, so sind die Finger der linken Hand gehoben – und zwar alle. Der Daumen stützt das Instrument. Herr Barlow jongliert förmlich mit den Fingern beider Hände.

Barriemore Barlow auf der Flöte Barriemore Barlow auf der Flöte
Barriemore Barlows kurzer Flöteneinsatz bei „Songs from the Wood“ im Madison Square Garden, NY, 1978

Ian Andersons Solo-Scheiben sind wohl so unterschiedlich wie sie es nur sein können. „Walk into Light“ ist sicherlich nicht der große Licht-Blick, von daher auch nicht mehr im normalen Handel zu beziehen. Die anderen Alben finde ich aber schon wieder ganz okay. „Divinities“ ist für mich eigentlich das, was ich gern weiterhin von Herrn Anderson hätte (Instrumentaltitel). Für Dich vielleicht etwas zu viel ‚Weltmusik’. Mir gefällt das Album sehr gut. Es hat einen geradezu ‚klassischen’ Ansatz. „Secret Language“ hat einige sehr schöne Lieder. Der Rest ist aber nicht zu verachten. Gleiches gilt mit Abstrichen auch für „Rupi’s Dance“. Die letzten drei Anderson-Alben sind insgesamt schon sehr weit von dem entfernt, was eine Rockband sonst produzieren würde.

Helmut Lotti & JT – Was soll ich dazu weiteres sagen. Eigentlich bin ich sprachlos. Du hast recht: Vielfalt (oder was man eben auch als Cross-over bezeichnet) hat seine Schattenseiten. Irgendwo sollte das begrenzt sein. Notfalls gerichtlich!

Ich habe mir in den letzten Tagen einmal wieder die drei Folkrock-Albem von Jethro Tull angehört (Folkrock ist wohl der passendere Begriff statt Folk – und „Stormwatch“ gehört wohl auch dazu). „Heavy Horses“ insgesamt ist doch rockiger als ich es in Erinnerung hatte. Und auf „Stormwatch“ gibt es auch einige schöne Stücke (z.B. Palmers „Elegy“ und „Dun Ringill“). John Glascock war wohl während der Aufnahmen nach einer Herzoperation gestorben, sodass der Meister persönlich bei einigen Stücken in die Bass-Saiten greifen musste. Später kam dann ja Dave Pegg, der für mich ein mindestens gleichwertiger Ersatz war (siehe u.a. das Bass-Solo auf „Fat Man“ bei der Rock Classic Nacht vom 15.11.1983 im Circus Atlas zu München). Selbst mein großer Sohn ist davon begeistert. Was danach kam, wissen wir ja (das Personalkarussell drehte sich gewaltig).

„Stormwatch“ ist für mich zwar von den drei Alben das musikalisch weniger gute, aber durch seine kritischen Bezüge zu Schottland (bzw. der See drum herum und dem „Sturm“, der über Land und See hinwegfegt) doch sehr interessant. Es gibt ja zu der „Stormwatch“-Tour 1979 mindestens zwei Ausschnitte aus dem knapp einstündigen Video (mit ZDF Musikkanal Logo) bei youtube.com. Der Ausschnitt aus dem „Water ’s Edge Ballet“ stammt übrigens auch aus diesem Fernseh-Beitrag. Ist schon nett anzuschauen, die Herren Musiker mit ihren Frauen und Kinder und Herrn Anderson im Tarnanzug mit Barett.

Und dann gibt es ja noch ein 4. Folkrock-Album, dass sich wie ein Fremdkörper in die elektronische Tull-Phase (zwischen „A“ und „Under Wraps“) geschoben hat: „The Broadsword and the Beast“ aus 1982. Es enthält zwei meiner Lieblingsstücke: „Flying Colours“ und „Slow Marching Band“. Das Jahr 1982 veranlasste Dich immerhin, das ‚berühmte’ Barett zu erwerben, das jetzt das Haupt eines Deiner Söhne schmückte.

Lockwoods Barett

Morgen ist meteorologisch Frühlingsbeginn. Hoffen wir, dass sich das Wetter daran hält. Dieses grau-in-graue Wetter habe ich wirklich satt.

Halte Dich weiterhin gerade.

Bis bald
Wilfried

28.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 51: Placido Domingo singt Jethro Tull

Hallo Wilfried,

schön, dass Du wieder da bist !

Ich schließe mich Deiner Meinung an, dass Folk-Musik oft einen politischen Hintergrund hat. Per Definition ist es Musik des Volkes, und eben dieses Volk hatte jahrhundertelang unter der Obrigkeit zu leiden. Eine Auseinandersetzung mit den Missständen in einer Gesellschaft ist bereits Politik. Mir sind etliche Traditionals von den Dubliners oder den Pogues bekannt, in denen Klerus oder Adel verwünscht werden. Verglichen damit sind die Songs des Mr. Anderson in der Tat „nur“ rustikal.

Warum Mr. Anderson mehr Lieder vom Wald live darbietet als von „Heavy Horses“, kann ich nicht sagen. Vielleicht liegt es am spieltechnischen Aufwand ? Obwohl, dass hat ihn noch nie von irgendetwas abgehalten…

Welches der beiden Alben der Meister besser findet, ist für mich zweitrangig. Ich habe schon vor einiger Zeit bemerkt, dass unser Musikgeschmack nicht 100% deckungsgleich ist. Aber an dieser Stelle noch einmal deutlich: „Songs from the Wood“ ist für mich kein schlechtes Album, im Gegenteil !

Einige Texte dieses Albums sind wirklich jugendgefährdend. In „Velvet Green“ und „Hunting Girl“ bleibt der Meister nicht nur bei verdeckten Anspielungen, sondern spricht pikante Dinge unverblümt aus. Allerdings wirkt es nie anstößig oder vulgär. Das liegt entweder an seinem sprachlichen Geschick oder an meiner fortgeschrittenen Verrohung.

Sobald ich etwas mehr Zeit habe, werde ich versuchen, einige Seiten des Songbooks einzuscannen. Ist nicht so einfach, wie es sich anhört: Mein Scanner stammt aus der Frühzeit der EDV und hat einen vielpoligen Anschluss (Scart?), den ich in meinen PC nicht unterbringen kann. Ergo muss ich das Ding an den PC der Zwillinge anschließen und versuchen, ob ich noch damit umgehen kann. Der letzte Einsatz des Scanners liegt Jahre zurück.

Ich wusste nicht, dass der Beginn von „Songs from the Wood“ vom Band kommt !!!!
Hätte ich es gewusst, wäre ich darüber garantiert hergezogen !!!!!!!
Mir ist lediglich aufgefallen, wie wunderbar die Musiker diese bestimmt nicht leichte Stelle hinbekommen. In meiner Naivität habe ich das mit der Klasse der Musiker erklärt. So nach und nach kommen doch immer mehr Tricks des Meisters ans Tageslicht. Wenn wir sein Denkmal irgendwann vollkommen demontieren müssen, würde mir doch etwas fehlen.

Die aktuelle Homepage von Francis habe ich mir kurz angeschaut. Was ich dort gesehen habe, lässt mich nicht an eine Therapie glauben.

Deinen Äußerungen zur musiktheoretischen Betrachtung der Tull’schen Orchestermusik kann ich nicht mehr folgen. Ganz bestimmt ist alles korrekt, was Du dazu schreibst, aber es entzieht sich meinem Verständnis und damit meiner Beurteilung. Es ist mir einfach zu hoch, sorry !

Zu Youtube und Kate Bush:
Dein Hinweis, dass der User noch viel mehr eingestellt hat als das, was ich entdeckt habe, war wieder symptomatisch: Ich zeige Dir einen Baum und Du zeigst mir den Wald ringsherum. Die Gemeinsamkeiten zwischen Mrs. Bush und Mr. Anderson haben wir an anderer Stelle bereits herausgearbeitet; es waren einige.

Morgen steht uns der große Rosenmontagszug in A. bevor. Den kleinen Umzug heute in unserem Städtchen habe ich umgehen können, aber morgen muss ich ran. Suff, Lärm und Dreck im Übermaß. Obwohl das Ausmaß der Trunkenheit in den letzten Jahren stark abgenommen hat. Ich kann mich erinnern, dass während der Karnevalstage die Schnapsleichen zu Dutzenden in den Straßen lagen. So etwas gibt es heute fast nicht mehr.

Ist der Rosenmontag in der Heide ein normaler Arbeitstag ? Bei uns sind geöffnete Geschäfte an diesem Tag die Ausnahme. Behörden öffnen natürlich nicht.

Die Gruppe Flairck ist mir unbekannt. Die Liste ihrer Instrumentierung klingt vielversprechend. Leider gibt es bei Youtube kaum Material dazu.

Viele Grüße aus dem närrischen Rheinland
Lockwood

PS. Der Begriff Rheinland ist für unsere Region eigentlich Unsinn. Wir liegen viel näher an der Maas als am Rhein.

18.02.2007

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Hallo Lockwood,

mir war auch nicht klar, dass der A-Capella-Gesang am Anfang zu „Songs from the Wood“ vom Band kommt. Auf den mir bekannten Videos sieht es so ‚echt’ aus, wie die Jungs in ihre Mikrophone trällern. Wahrscheinlich kann Barriemore Barlow keine Flöte spielen und auch das kommt vom Band. In diesem Zusammenhang fiel mir einmal auf, dass die Stimme von John Glascock der von Ian Anderson ziemlich ähnelt (man sah ihn öfter den Meister gesanglich begleiten). Man kann mutmaßen, ob auch er die Stimme Andersons untergeschoben bekam. Und weiter könnte man jetzt natürlich spekulieren: Mag Herr Anderson keinen neben sich, der singt? Oder hatten die Jungs derart ‚belegte’ Gesangsstimmen, sodass nichts anderes übrig blieb, als zu diesem technischen Mittel zu greifen?

Die deutschen Übersetzungen von „Velvet Green“ und „Hunting Girl“ würden mich schon interessieren. Ich hatte mich selbst daran versucht, aber es bald aufgegeben. Wenn es mit den Scannen bei Dir aber nicht klappen sollte, auch nicht schlimm (der vielpolige Anschluss dürfte eine serielle Schnittstelle sein – genauer: eine RS-232-Schnittstelle). Eine sittliche Verrohung bei Dir wäre zwar möglich, halte ich aber nicht für sehr wahrscheinlich (nicht schlimmer als bei mir).

Kurz zu Francis: Seine Homepage ist natürlich schon etwas älter (sozusagen: vor der Therapie entstanden). Ich meinte seine neue Präsenz bei myvideo.de als Francis_Rock. Aber auch die hat sich bereits in Luft aufgelöst (also steckt Francis mitten in der Therapie?).

Die Gruppe Flairck kenne ich schon seit Anfang der 80-er Jahre. Lt. Wikipedia stellt die Musik der Gruppe formell Kammermusik dar. Das ist schon richtig. Viele der Stücke sind um die 20 Minuten lang und werden durchweg auf akustischen Instrumenten gespielt. Neben Gitarren sind das vor allem Flöte in den verschiedensten Arten (z.B. auch Panflöte) und Geige. Ich bin irgendwie über das Anderson’sche Flötenspiel zu dieser Gruppe gekommen. Live habe ich sie leider nie gesehen und kenne sie neben einigen LPs aus dem Fernsehen. Ich bin jetzt wieder auf Flairck aufmerksam geworden, weil die Gruppe zz. in den Niederlanden auf Reunion-Tour ist (die youtube.com-Videos stammen daher – Flairck ist aber mehr als Musik auf Teekesselchen). Im Anhang ein etwas kürzeres Stück, das aber annähernd wiedergibt, was einen mit Flairck erwartet. Ich finde die Gruppe wirklich außergewöhnlich. Das liegt an der feinen Mischung aus Klassik, Folk und auch jazzigen und rockigen Elementen. Als es noch nicht das Internet wie heute gab, hielt ich immer, wenn ich in einem Plattengeschäft war, auch Ausschau nach Veröffentlichungen von Flairck. Leider kannte man in den meisten Läden die Gruppe erst gar nicht.


Flairck: The Wooden Wedding

Nun, da ich wieder meinen Rechner zu Hause habe, habe ich auch endlich den alten Plattenspieler aus der Stereo-Anlage im Wohnzimmer gelöst (bei der vielen Kabelage gar nicht so einfach) und diesen an den PC angeschlossen. So nach und nach werde ich mir alte LPs digitalisieren. Begonnen habe ich u.a. mit dem ersten Solo-Album von Ian Anderson aus dem Jahre 1983: Walk into Light. Ich brauche Dich nicht zu fragen, ob Du das Album kennst. Es dürfte Dir nicht gerade gefallen. Ich muss gestehen, dass ich es schon lange nicht mehr gehört habe – bis auf die beiden Videos: Made in England und Fly by Night.

Es ist manchmal erstaunlich, was man so findet, wenn man ‚außerplanmäßig’ im Internet sucht. So habe ich bei amazon.de nach „Ian Anderson“ gesucht und bin dabei auf einige CDs gestoßen, die mir völlig unbekannt sind, u.a.:

Hampton Rock String Quartett – Take No Prisoners – u.a. mit Aqualung
Spring String Quartett – Train Songs – u.a. mit Locomotive Breath
Placido Domingo/Brightman/Lotti u.a. – Gala Christmas in Vienna – u.a. mit Another Christmas Song

Jethro Tull und damit Ian Anderson werden immer hoffähiger im E-Musik-Bereich, z.B. wenn ein Placido Domingo einen Tull-Song dem staunendem Publikum offeriert. Wer da nun was singt, habe ich auf die Schnelle leider nicht herausgefunden.

Und den Rosenmontag gut überstanden? Ich schließe aus Deiner Mail, dass Du am Umzug in A. teilgenommen hast (teilnehmen müsstest). In welcher Art und Weise muss ich mir das denn vorstellen? Bei uns ist der Rosenmontag ein völlig normaler Werktag.

Also gute närrische Genesung. Und nicht zuviel Asche auf Dein Haupt (ist ja morgen Aschermittwoch).

Bis bald
Wilfried

20.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Ian Anderson: Walk into Light (1983)

Um es gleich zu sagen: Ich bin kein Purist! Wenn ich der sicherlich stolze Eigentümer einer großen LP-Sammlung bin, so heißt das nur, dass es damals, als ich mir diese Scheiben zulegte, noch keine CDs auf dem Markt gab. CDs sind für mich einfach handlicher und lassen sich (meist) auch ohne Probleme z.B. auf einen MP3-Player kopieren. Da ich nun aber diese LP-Sammlung habe und einige dieser Scheiben als CD auf dem Markt nicht mehr ohne weiteres erhältlich sind (nur über ebay oder ähnliches für viel Geld), bin ich mehr oder weniger gezwungen, die musikalischen Perlen zu digitalisieren (wie das in etwa geht, siehe am Schluss).

Als alter Fan von Jethro Tull habe ich mir zunächst das erste Solo-Album von Ian Anderson aus dem Jahre 1983 vorgenommen: „Walk into Light“. Das Album ist also nicht mehr im Schallplattengeschäft erhältlich. Auch dürfte es nicht unbedingt jeden Tull-Fan erfreuen, denn es zeugt lediglich von der Experimentierfreude des Herrn Anderson – mit Hilfe des Keyboarders Peter-John Vettese, der auch maßgeblich am Entstehen des 1984 erschienen Tull-Albums „Under Wraps“ beteiligt war. „Walk into Light“ ist gewissermaßen der Vorbote von „Under Wraps“.

Ian Anderson: Walk into Light (1983)

Ian Anderson selbst bezeichnet sein erstes Solo-Album als „eclectic-electric“, was ich als vielschichtig (aus verschiedenen Quellen schöpfend) und elektronisch deuten möchte. Denn elektronisch ist die Scheibe bis zum Exzess: Synthesizer en masse, die Drums aus der Dose. Aber gerade die Drums finde ich hier weniger nervig als auf „Under Wraps“, wo sie mir auch den letzten Hörgenuss verleiden können.

Interessant finde ich die Scheibe aber trotzdem. Da kennen wir Ian Anderson als Verfasser und Interpret von akustischen Stücken. Und plötzlich schert sich der Mann einen feuchten Kehricht um alles und begibt sich auf völlig anderes Terrain. Okay, einiges verrät trotzdem, dass hier Ian Anderson seine Finger im Spiel hat. So völlig kann er seine Vergangenheit nicht verleugnen. Ist auch gut so. Auf jeden Fall scheiden sich die Geister an diesem Album (und damit auch an „Under Wraps“).

Hier nun als Hörprobe den Titelsong aus dem Album:


Ian Anderson: Walk into Light

Texte zu „Walk into Light“ siehe cupofwonder.com

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Zum Digitalisieren meiner alten LPs schließe ich den Plattenspieler an meinen PC über einen Eingang mit zwei Cinch-Buchsen (rot und weiß) in Frontbereich an (zusätzliche Sound- und TV-Karte). Über die Lautstärkeregelung (rechter Mausklick auf das Lautsprechersymbol) muss ich eine Zuordnung zu dieser Schnittstelle herstellen (Optionen -> Eigenschaften -> Lautstärke regeln für Aufnahme -> Auswahl bei „Front Line-In“).

Cinch-Stecker

Hat man eine solche Schnittstelle nicht, so geht es auch über den normalen Line-In-Eingang auf der Rückseite des Rechners (die blaue Buchse der Soundkarte). Hat der Plattenspieler Cinch-Stecker, dann müssen diese mit einem Klinkenstecker-3,5-mm-Adapter am PC angeschlossen werden.

Klinkensrecker 3,5 mm Klinkenstecker-Adapter

Als Aufnahmesoftware bediene ich mich beim Nero Wave-Editor aus dem Nero 7-er-Paket. Dabei nehme ich zunächst jeweils eine ganze LP-Seite als unkomprimierte WAV-Datei auf. Später schneide ich mir die einzelnen Stücke heraus, muss meistens auch die Lautstärke etwas höher stellen und konvertiere diese zu MP3 (hierfür eignet sich u.a. der Audio-Editor vom ULEAD Media-Studio oder andere entsprechende Software, z.B. GoldWave).

Nero Wave-Editor

Das ist alles bisschen aufwändig, aber hat man erst einmal alles auf- und eingestellt, dann geht das ganz gut.

Was ist bloß mit Ian los? Teil 50: Tulls Folk-Alben

Hallo Wilfried,

selbst in unserer Gemeinsamkeit des Folk-Faibles finden sich Unterschiede: Mir gefällt „Heavy Horses“ besser als „Songs from the wood“. Zwar enthält das Album der Waldlieder einige Highlights, aber Heavy Horses finde ich durchgängiger. Die Lieder sind nicht nur sehr gut, sie reihen sich auch nahtlos aneinander zu einer Kette, von der man sich gerne einwickeln lässt. Es ist tatsächlich so: Jedes Mal, wenn ich dieses Album höre, spüre ich den Drang, auf einer englischen Farm zu leben. Das ist im Grunde Unsinn, denn auf einer englischen Farm wird es nicht anders zugehen als auf einem deutschen Bauernhof, aber ich kenne kein Lied, dass mich auf einen deutschen Bauernhof zieht. Es ist eben meine unerklärliche Vorliebe für (fast) alles Britische. Um noch einmal eine Phrase zu bemühen: Heavy Horses hat in seiner Durchgängigkeit etwas von einem Konzeptalbum.

Zu Deiner These:
Es sind unbestreitbare Tatsachen, dass Mr. Anderson kommerziell erfolgreiche Alben produziert hat und dass er auch anspruchsvollere Musikgeschmäcker bedienen kann. Nicht einmal ich nehme ihm diese „leite Kost“ übel; er hat sich schließlich für den Beruf des Musikers entschieden und muss nun damit sich, seine Familie und seine Musiker ernähren. Dieser Verantwortung wird man mit kommerziell erfolgreicher Musik besser gerecht als mit Produktionen für einige wenige Nischen. Dabei ist die „leichte Kost“, die er seinem Publikum präsentiert, kein fader Einheitsbrei, wie wir ihn in der aktuellen Popmusik beklagen müssen. Das, was für Mr. Anderson ein leichter Imbiss war, stellt für andere Künstler ein unerreichbares 4-Sterne-Menü dar.

Und tatsächlich konnte er darüber hinaus noch mehr. Das hat er mit seinen Ausflügen in die klassische Musik hinlänglich bewiesen. Allerdings vermag ich nicht zu beurteilen, woran sein Herz mehr gehangen hat, an Rock und Folk oder der Klassik und der Orchestermusik. Wie ich an früherer Stelle schon einmal geschrieben habe, wirkte Mr. Anderson während seiner Folk-Phase sehr glaubwürdig und authentisch. Dem Leben als Landmann ist er bis heute treu geblieben. Pferde, Katzen und Fans danken es ihm.

Dass Stücke wie „Thick as a Brick“ und „Passion Play“ in ihrem Bombast und ihrer Komplexität an Orchesterwerke erinnern ist auch meine Meinung. Das wird schon offensichtlich, wenn man sieht, wie viele Musiker bei den Liveauftritten auf der Bühne beschäftigt sind. Mit der 4-Mann-Besetzung einer typischen Rockband ist JT nur in der frühen Phase ausgekommen. Ich verzichte an dieser Stelle ganz bewusst auf den Hinweis, dass Queens Bohemian Rhapsody in meinen Augen ebenfalls ein Werk für Orchester darstellt.

Der Kern Deiner These besteht in der Aussage, dass die Hinwendung Mr. Andersons zur klassischen Orchestermusik nur eine logische Konsequenz und gradlinige Fortsetzung seines bisherigen Wirkens ist. Dass er jahrelang in den Fesseln der Rockmusik gefangen war und sich nun, wo er finanziell und künstlerisch einigermaßen unabhängig ist, sich aus diesen Fesseln befreit. Ob dem so ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Jedenfalls kann eine solche These nur im Kopf eines absolut begeisterungsfähigen Fans heranreifen (ich meine das diesmal nicht sarkastisch; verstehe es als Kompliment !).

Ich halte diese These durchaus für denkbar, sogar wahrscheinlich. Aber bei mir als geborenem Zweifler und Zyniker bleibt eine gewisse Skepsis. Mir ist diese Erlösungstheorie einfach zu hoch gegriffen, um sie auf den Businessman, Egozentriker, Diktator und Fast-Misanthropen Anderson uneingeschränkt anzuwenden.

Auf jeden Fall ist Deine These ein interessanter Aspekt, den es sich weiter zu beleuchten lohnt.

Zum Schluss noch ein Wort zu einer Künstlerin, die uns beide beeindruckt hat. Auf youtube fand ich Mitschnitte von Kate Bush – Konzerten. Das Video ist in vier etwa gleichgroße Teile zu jeweils etwa 10 Minuten aufgeteilt. Es liegt bei youtube in mehreren Versionen vor. Die beste Bild- und Tonqualität findet sich in der Version Kate Bush in Concert ¼ bis 4/4.

Neben den Konzertausschnitten werden uns Interviews und einige private Szenen aus dem Leben der Künstlerin gezeigt. Sehr sehenswert, wie ich finde. Auch Kate Bush zählt für mich zu den Musikschaffenden, die jede Form der Beachtung und Würdigung wert sind. Wenn Du also Zeit, Lust und Internetzugang hast….

Um Deine Entfernung zum Epizentrum des Rheinischen Karnevals beneide ich Dich.

Wir bleiben weiter in Verbindung.
Lockwood

09.02.2007

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Hallo Lockwood,

bevor ich zu den Folk-Alben von Jethro Tull komme, möchte ich eine Vorbemerkung los werden. Da ich ja einige Tage ‚offline’ war (richtig: war, ich habe meinen Rechner wieder, auch bei dem war das Netzteil defekt), habe ich diese u.a. genutzt, um einmal wieder in alte Schallplatten hineinzuhören. So habe ich auch ein Doppel-Album mit schottischer Folklore. Wirklich sehr schön. Bemerkenswert daran ist, dass viele Lieder einen politischen Hintergrund haben; angesichts der Geschichte Schottlands auch kein Wunder. Besonders schön ist natürlich Robert Burns’ „A Man’s A Man for A’ That“ aus dem Jahre 1795, das ich vor vielen Jahren – wie bereits vermeldet – selbst einmal vorgetragen hatte.

Burns Werke haben selbst über 200 Jahre nach seinem Tod noch immer einen großen Stellenwert in Schottland, was unter anderem auch daran gesehen werden kann, dass zur Eröffnung des schottischen Parlaments 1999 das besagte Lied gesungen wurde; siehe hierzu das Video (wer hört schon ein ganzes Parlament singen) : (siehe: Schottland 2005: Robert Burns und ‘Die Toten Hosen’)

Nun zu diesem Lied gibt es auch einen deutschen Text, ebenso politisch, von Ferdinand Freiligrath: Trotz alledem. Neben Biermann hat bzw. hatte es auch Hannes Wader im Repertoire.

Was ich damit sagen will: Folklore bzw. Folk-Musik ist im Wesentlichen sehr politisch. Dagegen sind die Folk-Alben von Jethro Tull eher rustikal. Weiter zu deiner Mail:

Ich denke, dass man auch „Songs from the Wood“ als Konzeptalbum ansehen muss. Eigentlich müsste man ‚die Frage’ anders herum stellen: Welches der Tull-Alben ist kein Konzept-Album? Mir gefällt „Songs from the Wood“ wohl deshalb besser, weil es rockiger ist (oder im Umkehrschluss zu „Heavy Horses“: weniger „blumig“). Ich denke, dass auch Ian Anderson die Lieder aus dem Wald ‚besser’ findet, dafür spricht, dass er Lieder dieses Albums öfter (auch später) auf die Bühne gebracht hat, z.B.:

Songs from the Wood, Jack-in-the-Green, Hunting Girl, Ring out, Solstice Bells, Velvet Green, The Whistler, Pibroch (Cup in Hand), wenn auch nur in einer kurzen instrumentalen Fassung. Lediglich von Cup of Wonder und Fire at Midnight gibt es kein mir bekanntes Video-Material. Von den neun Stücken „Heavy Horses“ sind vier Lieder im Video ‚überliefert’: Neben Heavy Horses sind das No Lullaby, Moths und Weathercock in einer noch sehr aktuellen Aufnahme (Lugano 2005).

Jethro Tull: Songs from the Wood (1976) Jethro Tull: Heavy Horses (1978)
Jethro Tull: Songs from the Wood (1976) Jethro Tull: Heavy Horses (1978)

Ich will „Heavy Horses“ nicht schlecht machen. Wir können ja in unserem weiteren Gedankenaustausch sicherlich näher auf dieses Album (und „Songs from the Wood“) eingehen. Dazu müsstest Du etwas zu sagen haben. Und mich würden auch die Texte näher interessieren (besonders die Waldlieder haben es wohl in sich).

Backcover zu 'Heavy Horses' von Jethro Tull (1978) - Fotografie von Shona Anderson

Zum Titelsong „Songs from the Wood“. Vielleicht weißt Du es ja längst. Der A-Capella-Gesang am Anfang ist allein Ian Anderson, nur mehrmals aufgenommen. So kam der Gesang bei Live-Auftritten an dieser Stelle vom Band, wenn die Herren Mitstreiter auch so tun, als ob … Ich bin ein ziemlich stark ausgeprägt visueller Typ. Aber auch für jeden anderen sind die vorhandenen Videoaufnahmen von diesem Stück einfach ein Hochgenuss. Zum einen der A-Capella-Chor, dann der kurze Flötenauftritt von Barriemore Barlow – und natürlich Ian Anderson, wie er die Becken am Anfang des Stücks (Peng…….Peng-Peng) und am Ende (Peng……. Peng…….Peng-Peng) zusammenschlägt. Hier lässt Monty Python grüßen …

So nebenbei: Das Moths-Video hatte unser Freund Francis bei myvideo.de eingestellt. Ja, hatte … denn wie ich jetzt feststellen musste, hat Francis sich dort verabschiedet. Kein Francis, keine Videos – auch nicht die löblichen Play back-Aufnahmen. Schade. Immerhin ist seine kleine Homepage noch vorhanden. Ich werde versuchen, Kontakt zu ihm aufzunehmen. Francis heißt übrigens Franz K. (erinnert mich irgendwie an Franz Kafka) und lebt in Kaufbeuren.

Apropos englische Farm: Als ich mit meinen Lieben 2005 in Schottland Urlaub machte, da waren wir auch für zwei Nächte auf einer Farm untergebracht – im kleinen Ort Keith, dort, wo Chivas Regal sein Stammhaus hat (Strathisla Distillery). Das war ziemlich rustikal dort und „Heavy Horses“ entsprechend, wenn es dort auch keine Pferde, sondern nur Kühe und Schafe gab. Wir selbst leben ja auch in fast ländlicher Idylle, denn wir brauchen nicht weit zu gehen, um nur Felder und kleine Wäldchen um uns zu haben (und Heide – ich lebe mit meiner Familie ja in der nördlichen Lüneburger Heide).

Kühe in Keith/Schottland - mit Warehouses von Chivas Regal im Hintergrund
Kühe in Keith/Schottland – im Hintergrund ‚Warehouses’ von Chivas Regal

In meiner These gehe ich zunächst einmal davon aus, dass Ian Anderson viele Elemente der schottischen Musik in seine Lieder und Stücke eingebaut hat. Bagpipe und Flöte werden zwar nicht immer synonym verwendet, oft erklingt mir aber Martins Gitarre wie ein Dudelsack. Es verwundert mich eben nicht, dass der Meister sich für die Flöte entschieden hat. Welche Band außer Jethro Tull ‚setzt’ so sehr auf das Flötenspiel?! Das hat für mich etwas mit seiner Herkunft zu tun.

Für Andersons Hinwendung zur klassischen Orchestermusik gibt es noch mindestens zwei weitere Indizien. Soviel ich weiß, hatte er auf einer Tournee zur Band auch einmal mehrere Damen (ich denke, es waren 3) auf die Bühne geladen, die in klassischen Gewändern Geige (vielleicht auch Cello) spielten. Die gute Lucia ist also nicht die erste, die mit Herrn Anderson gegeigt hat. Ich habe im Internet nach Fotos gesucht, bin aber bisher nicht fündig geworden. Es müsste aber in der Zeit von „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ bis maximal „War Child“ gewesen sein. Hast Du vielleicht dazu irgendwelche Infos oder Bilder? Mir erscheint es einfach so, als hätte Ian Anderson schon früher gern mit Orchestern zusammen gespielt. Damals hat es nur zu den wenigen Damen gereicht.

Ein weiteres Indiz ist die Musik selbst. Nicht nur, dass sich Tull manchmal sehr orchestral anhört oder zur Untermalung Streichersätze verwendet werden (früher von David/Dee Palmer arrangiert und von echten Violinisten und Violinistinnen eingespielt – heute künstlich, also elektronisch am Keyboard erzeugt). Ian Andersons Stücke bedienen sich zunehmend des Kontrapunktes. Es ist nicht nur, dass z.B. ein Solo auf der Flöte von der Gitarre (oder dem Keyboard) übernommen und weitergeführt wird. Oft ‚überlagern’ sich zwei (oder auch mehr) Instrumente, eine obere und eine untere ‚Stimme’, die aber auch getauscht werden können (mehrstimmige Themen). In dieser Polyphonie entfaltet sich das, was auch dem ungeübten Ohr den orchestralen Eindruck vermittelt.

Den Kontrapunkt finden wir hauptsächlich in der klassischen (Orchester-)Musik. Sicherlich gibt es dazu viele theoretische Anmerkungen (siehe Wikipedia), ich denke aber, dass ein gutes (wahrscheinlich doch: absolutes) Gehör genügt, um mit dem Kontrapunkt arbeiten zu können. An dieser Stelle stellt sich für mich aber wieder die Frage, ob Ian Anderson Noten lesen und schreiben kann. Wer eine solch komplexe Musik verfasst, kommt eigentlich ohne Notenlesen nicht mehr aus. Aber genug der Musiktheorie. Ich bin da leider selbst nur Laie.

Es ist schon erstaunlich, was das deutsche Fernsehen in früheren Tagen aufgezeichnet und gesendet hat. So erscheint wohl in keinem anderen Land Herr Anderson noch in diesen Jahren so häufig auf der Mattscheibe wie bei uns. Das ZDF hat ja wohl so viel Material (Konzertaufzeichnungen von Jethro Tull) angesammelt, dass es für eine abendfüllende DVD reicht. Ich bin gespannt darauf, obwohl ich vieles schon (aber eben in bescheidener Qualität) kenne. Und auch von Kate Bush stammt das ‚In Concert’-Material aus deutschen Landen (SWF Baden-Baden 1980). Ich habe auf die Schnelle einen Blick hineingeworfen. Der oder die das bei youtube.com ins Netz gestellt hat, hat ja noch vieles mehr zu Kate Bush bereitgestellt. Da kann man sich einen schönen Abend machen. Wenn die Ähnlichkeiten zu Jethro Tull auch nicht allzu groß sind, so gibt es doch eine Gemeinsamkeit: beide liefern ungewöhnliche Musik ab.

Nun, nächste Woche geht es ja mit dem Karneval bei Euch in die große finale Runde. Das Epizentrum mag vielleicht bei Euch sein – aber die Beben spüren wir inzwischen auch bei uns. Letztes Wochenende fand in Bremen ein Samba-Karneval statt (Umzug mit rund 50 Samba-Gruppen aus ganz Deutschland und auch aus dem näheren Ausland), in Hamburg hüpften die Jecken in venezianischen Kostümen herum (Tostedt liegt zwischen Hamburg und Bremen). Mich würde es nicht wundern, wenn einige Kollegen oder Kolleginnen am kommenden Montag bei uns mit roter Pappnase aufkreuzen.

Nun denn, lass Dich nicht verdrießen von so viel (Ange-)Heiterkeit. Komm gut durch die nächste Woche. Zuvor aber ein schönes Wochenende mit Deinen Lieben

wünscht Dir
Wilfried

P.S. Francis lebt wohl doch noch. Bei myvideo.de ist er unter Francis_Rock wieder auferstanden, wenn ich mich nicht täusche (Hat er eine Therapie gemacht? – nein, ich will nicht gehässig sein, er ist mit Sicherheit ein lieber Kerl, nicht nur, weil er ein alter Tull-Fan ist).

P.P.S. Kennst Du eigentlich die niederländische Gruppe Flairck?

15.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 49: Von schottischen Wurzeln

Hallo Wilfried,

in der Bewertung des musikalischen Gesamtwerkes des Mr. Anderson werden wir wohl immer unterschiedlicher Ansicht sein. Was die Musik von JT angeht, hatte ich das Glück, während ihrer Folkphase auf die Gruppe aufmerksam zu werden. Dadurch neugierig geworden, habe ich in die Vergangenheit und Gegenwart der Band reingehört. Aber das war nichts; gewogen und für zu leicht befunden. Das ist Dir nicht neu, es bedeutet aber : Wenn ich den Meister am Heiligabend zum 1. Mal gesehen und gehört hätte, wäre ich niemals auf die Idee gekommen, mich mit seiner Vergangenheit zu beschäftigen.

Es gibt einen Punkt, bei dem ich ganz nah bei Dir bin: Ohne Musik geht es nicht. Auch bei mir muss es nicht unbedingt Rock oder Folk sein. Es gibt in der Tat einige sehr schöne Werke in der klassischen Musik. Mozart zähle ich hier allerdings nicht zu meinen Favoriten. Beethoven, Brahms oder Händel liegen mir da schon näher. Und natürlich Vivaldi mit seinen Vier Jahreszeiten: Einfach großartig !

Mit Jazz im Sinne von Cool- oder Freejazz kann ich überhaupt nichts anfangen. Für mich klingt diese Musik so, als könnten die Musiker sich nicht auf ein Lied einigen. Die Improvisation ist natürlich die Seele des Jazz, aber für meine Ohren ist das nichts. Wenn ich solche Musik höre, frage ich mich, warum die Musiker sich die Mühe machen, auf die Bühne oder in ein Studio zu gehen. Es kommt ja doch nichts Brauchbares dabei heraus. In dieser Musik vermisse ich so etwas wie eine Melodie oder eine klare Richtung. Für mich sind es in erster Linie Geräusche. Unkoordinierte Geräusche, auf die man leicht verzichten kann. Als Kind habe ich diese Musik als „nutzlose“ Musik bezeichnet und an dieser Ansicht konnten die folgenden Jahre nicht viel ändern.

Bitte, ich gebe hier nur meine ganz persönliche Meinung wieder. Einige Menschen, die wirklich etwas von Musik verstehen, haben mir glaubhaft versichert, wie schön und wichtig der Jazz sei. Ich bin bereit, ihnen zu glauben. Nur, mein Geschmack ist es ganz einfach nicht. So einfach ist das.

Anders verhält es sich mit der afrikanischen Musik. Hier finde auch ich einige Goldschätze. Ich denke da an die Alben Graceland von Paul Simon und die Werke von Johnny Clegg, die unter Mitwirkung afrikanischer Musiker entstanden sind. Ich kenne natürlich nicht das ganze Spektrum afrikanischer Musik, aber das, was ich von den o.g. Alben her kenne, gefällt mir sehr gut. Auf diesen Alben wirkt die Musik des Schwarzen Kontinents sehr gefühlsbetont, sehr leidenschaftlich. Sowohl Freude wie auch Trauer und Leid werden hier so ausgedrückt, dass sie fast mit Händen greifbar sind. Es scheint ein Hauptanliegen afrikanischer Musiker zu sein, Gefühle auszudrücken. Und zwar auf eine Art auszudrücken, der der Zuhörer sich nicht entziehen kann. So etwas gefällt mir; solche Musik hat für mich einen „Sinn“.

Zum Schluss noch ein Wort zu den langen Fingernägeln der Gitarrenspieler:
Auf Youtube fand ich einige Videos von Liveauftritten Mike Oldfields in Montreux. Hier sieht man deutlich, dass Mr. Oldfield mit fünf angewachsenen Plektrons zupft. Kein schöner Anblick, aber wer sich daran stört, kann wegschauen. Mr. Oldfield hat eine ungewöhnliche Spieltechnik. Wenn ich es richtig sehe, ruhen bei ihm Daumen und Zeigefinger unbeweglich auf den beiden oberen Basssaiten, während die drei restlichen Finger bestenfalls die vier unteren Saiten erreichen. Unabhängig von der Länge seiner Fingernägel mag ich seine Musik. Zumindest seine Frühwerke, aus der Zeit vor Moonlight Shadow usw.

Zu Karneval, Fasching oder Faslam.
Wir hier im äußersten Westen der Republik leben im Einflussgebiet der Hochburgen des rheinischen Karnevals, Köln und Düsseldorf. Das bedeutet, dass Karneval hier ganz toll gefeiert wird. Der Rosenmontag ist in unseren Breiten fast so etwas wie ein gesetzlicher Feiertag. Schulen und die meisten Betriebe haben an diesem Tag geschlossen, die Schulen zusätzlich noch an einem weiteren Tag. Allerdings kann ich mit dieser durch den Kalender verordneten Fröhlichkeit nicht umgehen. Für einen Rheinländer untypisch bin ich ein Karnevalverweigerer. Karneval verbinde ich mit Suff, Lärm, Dreck und gekünsteltem Frohsinn. Und das alles nach Vorgabe von Kalender und Uhr: „Ab 11:11 Uhr wird zurückgelacht !“ Aber ohne mich. Eigentlich müsste ich bedauern, dass ich nicht fähig bin, mich ausgelassen über etwas zu freuen. Aber seltsamerweise bedauere ich das nicht. In vielen Bereichen des Lebens vergleiche ich mich mit einem Hobbit: Am liebsten habe ich sechs Mahlzeiten am Tag und meine Ruhe !

Ich wünsche Euch ein sonniges, nicht zu warmes Wochenende.
Lockwood

03.02.2007

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Hallo Lockwood,

die Geschmäcker sind nun einmal verschieden – und das ist auch gut so. Sonst hätten wir eine musikalische Einheitssoße. Ich bin eben schon mit dem Frühwerk von Jethro Tull bekannt geworden (ich meine ab „Stand Up“) und habe daran meinen Gefallen gefunden. Und da mir Folk-Musik auch schon immer gefallen hat, fand ich natürlich auch die Folk-Alben von Jethro Tull ganz in Ordnung, obwohl mit Einschränkungen bei „Heavy Horses“. Ich kann es nicht genau erklären, aber „Heavy Horses“ ist mir etwas zu ‚blumig’, zu ‚theatralisch’ im Sinne von ‚gespreizt’. „Songs from the Wood“ finde ich auf jeden Fall um einiges besser.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Punkt zurückkommen, zur Herkunft von Ian Anderson. Bei meinen Reisevorbereitungen zum Urlaub in Schottland 2005 hatte ich mich etwas ausführlicher mit den schottischen Quellen beschäftigt. Hierzu muss man zunächst wissen, dass man traditionelle schottische Musik in zwei Hauptrichtungen unterscheidet. In meinem Beitrag zum Stück „Pibroch (Cap in Hand)“ hatte ich hierzu einige kurze Anmerkungen gemacht, u.a.:

Pibrochs gehören zur ‘big music’ (ceòl mór), also zur großen Musik, im Unterschied zur ‘little music’ (ceòl beag), der kleinen Musik, z.B. den “jigs”, “reels” und “strathspeys”.

Die ‚little music’ entspricht dabei eher dem, was wir ganz allgemein als Folklore kennen. ‚Big Music’ ist gewissermaßen die klassische Form für den Great Highland Bagpipe, also dem Dudelsack, und lässt sich kaum mit der Folklore vergleichen, die mit Instrumenten wie Gitarre, Flöte und Geige (Fiddle) gespielt wird.

Schottische Wurzeln

Genau hier findet sich einiges bei Ian Anderson und seiner Musik wieder. Wir kennen zwar u.a. die Jigs und Reels, das Stück „Pibroch“ ist aber nicht das einzigste, in dem der Meister auch zur „big music“ greift. Ohne die schottischen Quellen ist die Musik von Jethro Tull nicht denkbar.

Es ist nur eine These, aber man sollte sie diskutieren: Ian Anderson hat bewusst leichtere Kost geschrieben, um damit auch ein größeres Publikum zu erreichen. Er hat aber auch immer Stücke geschrieben, die nicht so leicht zu schlucken waren. Bei beiden orientierte er sich an der schottischer Musiktradition. Später (Stichwort: Weltmusik) mischte er auch tradierte Stücke anderer Kulturen bei, hielt sich aber im Aufbau eines Liedes an schottische Überlieferungen (Grundlage ein Thema, das unterschiedlich variiert wird, wie beim Pibroch). Das Ganze verpackte er zeitgenössisch in Rockmusik.

Und noch eines kommt hinzu: Ian Anderson schrieb Musik für Orchester. Wohl gelesen! „Thick as a Brick“ und „A Passion Play“ sind in meinen Augen eigentlich Stücke für Orchester. Nun war Jethro Tull aber eine Rockband mit E-Gitarre, E-Bass, Schlagzeug und Keyboards – zusätzlich mit Herrn Anderson mit Querflöte, ab und wann Saxophon, Akustikgitarre usw. Also arrangierte er gewissermaßen das, was für ein Orchester gedacht war, für eine Rockband. Okay, das klingt ‚weit hergeholt’, aber geht es Dir z.B. bei „Thick as a Brick“ nicht auch manchmal so, als würde das, was Du hörst, besser zu einem Orchester passen? Und bei einigen Passagen höre ich ‚förmlich’ das Orchester.

Unter diesem Gesichtspunkt ist es dann nur konsequent, wenn er in späteren Tagen tatsächlich auf ein Orchester zurückgreift.

Was meinst Du dazu?

Bei youtube.com habe ich mir einige Videos von Johnny Clegg angeschaut und auch einen Blick auf dessen Website geworfen. Ist schon erstaunlich, wie sich ein Weißer in Südafrika jahrelang outet und Musik mit Schwarzen macht. Aber die Zeit hat ihm dann Recht gegeben. Allein das finde ich an dem Mann stark. Natürlich ist seine Musik eine Mischung aus afrikanischer Musik und weißer Rockmusik. Die Stücke mit afrikanischen Wurzeln gefallen mir am besten (neben dem schon obligatorischen Video mit Nelson Mandela haben die zwei weiteren Live-Videos auf Johnny Cleggs Website sehr viel Power). Zu Afrika und afrikanischer Musik sicherlich später etwas mehr.

Von Mike Oldfield habe ich die „Tubular Bells“. Seinerzeit war Oldfield ja in aller Munde. Richtig ‚überzeugen’ konnte er mich allerdings nicht. Ich habe einen Blick in die youtube-Videos aus Montreux geworfen. Ja, der gute Mann hat schon eine eigenartige Zupftechnik, wohl eigene Schule. Mit Daumen und Zeigefinger spielt er allerdings auch, wenn auch nicht so oft, da er meist die unteren (von der Tonhöhe her eigentlich oberen) Saiten ‚bedient’.

Zu Karneval u.ä.: Meine Mutter stammt ja aus Köln. Und so guckten wir am Rosenmontag im Fernsehen immer den Rosenmontagsumzug. Mehr war aber nicht. Einmal bin ich mit meiner heutigen Frau in Düsseldorf in die Umtriebe der (Alt-)Weiberfastnacht geraten. Die aufgescheuchten, alkoholisierten Damen (Damen?) haben uns dabei jegliches Interesse an solchen Veranstaltungen bis zum Lebensende vermiest.

Ich wünsche Dir und Deinen Lieben ein ruhiges, endlich einmal winterlicheres Wochenende.
Man liest voneinander
Wilfried

P.S. Schreibe heute von ‚unterwegs’, da ich zu Hause weiterhin ohne eigenen Rechner bin. Wie gut, dass es Webmail gibt.

08.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 48: Jethro Tull Bigband

Hallo Wilfried,

so langsam wird es mir selber klar: Für jemanden, den Mr. Andersons musikalische Zukunft nicht interessiert, mache ich ziemlich viel Wind darum.

Zu den von Dir zitierten überschwenglichen Kritiken möchte ich sagen, dass kommerzieller Erfolg nicht unbedingt ein Indikator für Qualität ist (siehe Modern Talking). Allerdings muss ich einräumen, dass die Spätwerke des Meistern qualitativ hochwertig sind, auch wenn sie mir nicht gefallen.

Lassen wir die Frage, ob der Meister auf dem Wege zum alten weltfremden Narren ist, unbeantwortet. Wie so oft gibt es hier mehrere Wahrheiten und noch mehr Sichtweisen. Nur eines: Er wäre nicht der erste alte Narr, der an einer Galaveranstaltung teilnimmt. Die Tatsache, dass man zu allerbesten feierlichen Familien-Sendezeit im TV auftritt, macht noch nicht über jede Kritik erhaben. Was Mr. Anderson für Maria Laach qualifiziert haben könnte, wäre beispielsweise sein Alter und seine lange Präsenz im Showbusiness. So etwas wirkt seriös und passt zu Weihnachten. Die Einladung des Bundespräsidenten ist kein Zeugnis dafür, dass Mr. Anderson in den letzten 30 Jahren alles richtig gemacht hat. Diese Einladung ist weder eine Generalamnestie noch eine Heiligsprechung.

Aber jetzt Schluss damit: Ich nehme mir hiermit fest vor, nicht mehr über die aktuellen Machenschaften des Mr. Anderson nachzudenken, zu schreiben oder zu diskutieren. Was Jethro Tull angeht, werde ich mich künftig auf die Musik der 70er Jahre beschränken. Denn das war Jethro Tull !

Wenn der Meister in Begleitung von wem auch immer hier in unserem Städtchen auftreten würde, wäre ich nicht sicher, ob ich hingehen würde. Trotz allem werde ich nicht müde zu betonen: Ian Scott Anderson hat der Welt eine Reihe hervorragender Alben und Auftritte geschenkt. Dafür gebührt ihm unser Dank und unsere Anerkennung ! Let’s live in the past !

Die Zukunft der Rockmusik erscheint mir mehr als ungewiss. Die alten Größen wie JT, Queen, Led Zeppelin und wie sie alle heißen sind Geschichte. Was ist an ihre Stelle getreten ? Ich konnte noch keine gleichwertigen Nachfolger entdecken.

Quo vadis, Rock ’n‘ Roll ?

Alles Gute wünscht Dir
Lockwood

PS: Feiert man in Tostedt Karneval ?

30.01.2007

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Hallo Lockwood,

also ich werde schon noch ein Ohr offen halten und lauschen, was da der große Meister zukünftig vom Stapel lässt. Aber es ist natürlich richtig, dass die Zeit von Jethro Tull unwiderbringlich abgelaufen ist.

Sicherlich ist kommerzieller Erfolg kein Kriterium für Qualität. Aber ein Vergleich, z.B. mit Modern Talking, lässt sich nicht anstellen. Kein symphonisches Orchester wird sich an Herrn Bohlen wenden und ihn bitten, mit diesem auf Tournee gehen zu dürfen. Und der Bundespräsident wird trotz aller ‚Weltoffenheit’ Herrn Bohlen und Co. zu einem Weihnachtskonzert mit Sicherheit nicht einladen (was nicht ist, kann ja vielleicht noch werden). Es muss schon etwas anderes an Herrn Anderson sein, was ihn qualifiziert – Qualität! Sein Alter, seine Präsenz im Showbiz – nein, das kann es nicht sein. Zumindest nicht allein.

Ich will ehrlich sein: Rockmusik, die von Symphonieorchestern vorgetragen wird, fand ich schon immer eher scheußlich. Nichts gegen klassische Elemente, wie sie z.B. Ian Anderson in seinen Stücken verwendet. Aber das Ganze mit Pauken und Trompeten – und vor allem Geigen. Nein, das passt nicht, wenn es auch gut gemeint ist (z.B. von David/Dee Palmer). Nichts gegen so genannte ernste Musik. Mozart ist für mich der größte Komponist aller Zeiten (höchstens Zappa kommt dicht an ihn heran). Auch nichts gegen Cross-over, wie man das wohl nennt, die Verschmelzung oder Überschneidung verschiedener musikalischer Genres. Das betrifft aber die Musikstücke selbst – weniger die Interpretationen. Ausgangspunkt der Anderson’schen Musik ist immer noch die Rockmusik. Und die kann man nicht symphonisch vortragen. Vielleicht ist das reine Geschmackssache, meine aber eben nicht.

Von daher konnte ich mich nicht allzu sehr für den ganzen Orchester-Kram mit Herrn Anderson begeistern. Okay, einige Stücke klingen ganz gut. Und Herr Anderson hat wohlweißlich auch nicht zu sehr auf orchestrale Begleitung bestanden (anfangs tritt er nur mit der Band auf). Vielleicht war es trotzdem einen Versuch wert. Vielleicht hat sich da Herr Anderson auch einem Herzenswunsch erfüllt. Wer weiß.

Aber genug – ich schweife schon wieder ab. Dafür ein anderer kleiner Abstecher: Ohne Musik könnte ich wahrscheinlich nicht leben. Im Zusammenhang mit unserem Gedankenaustausch frage ich mich, wo eigentlich meine musikalische Heimat ist. Bei Heimat fällt mir zunächst Folklore ein. Dank der Nazizeit ist alles, was mit Volksmusik zu tun hat in Deutschland, hinreichend diskreditiert worden. Daher schon die unterschiedlichen Begriffe: Volksmusik und Folklore, damit jeder unterscheiden kann zwischen den schwarzbraunen Haselnüssen (Volksmusik) und freien Gedanken („Die Gedanken sind frei“ gleich Folklore). Und unser Ausweichen z.B. in die angelsächsische Folklore (mein großer Sohn, der sich mit dem Bass-Spielen beschäftigt, interessiert sich zunehmend für irische und schottische Folklore).

Aber Folklore kann es für mich nicht allein sein. Das, was wir Klassik nennen, ist für mich oft zu abstrakt. Es gibt schöne Sachen, ohne Zweifel, aber auf Dauer würde mich klassische Musik nicht befriedigen. Also Rock in all seinen Varianten? In frühen Jahren habe ich lange danach suchen müssen, bis ich mit Jethro Tull in etwa das fand, was mir gefiel. Und so ging die musikalische Reise weiter. Neue ernste Musik spielte dabei längere Zeit eine gewisse Rolle. Ich erinnere mich noch genau, wie ich in Bremen in der Stadtbibliothek saß und dort in einem extra gefertigten (schalldichten) Raum die unterschiedlichsten Schallplatten anhörte. Von Debussy bis zu Strawinsky. Einiges fand ich ganz interessant, anderes war mir zu hoch, eher zu hochgestochen.

Und so habe ich mich mit der Zeit auch für Jazz interessiert (bis hin zu Free Jazz). Aber die eigentliche musikalische Heimat blieb für mich die Musik von Herrn Anderson, so wie Du sie auch magst: die Mischung aus Rock, Folk und Klassik.

Auch heute noch, das Internet macht es möglich, geht für mich diese musikalische Reise weiter. Manchmal wird es zu einer Zeitreise (z.B. die deutsche Gruppe In Extremo finde ich ganz interessant, diese Mischung als mittelalterlicher Musik und Metal). Dann wieder ist es auch ein Ausflug in andere Länder (Stichwort: Weltmusik, besonders Afrika finde ich spannend).

Vielleicht ist es das, was mich von Dir unterscheidet. Und daher kann ich auch den Spätwerken des Meisters noch einiges abgewinnen. Und für den, der selbst schon einmal in die Saiten oder Tasten gegriffen hat, wird der Respekt vor der musikalischen Leistung eines Ian Anderson nicht kleiner.

Wohin es nun mit der Rockmusik geht (oder dem Rock ‚n’ Roll), wer soll das wissen. Rock hat sich in viele unterschiedlichste Richtungen zersplittert. Da gibt es sicherlich noch einiges zu entdecken. Aber Du hast recht: Die großen Gruppe wie eben auch Jethro Tull sind zz. nicht auszumachen, zumindest habe ich bisher nichts Adäquates wie Ian Anderson mit seinen Jungs Mitte der siebziger Jahre gefunden.

Genug auch dieser Rundreise (ist mehr als ein Abstecher geworden)! Let’s live in the past, wie Du schreibst. Da gibt es noch genügend Unentdecktes im Anderson’schen Schatz, was sich wirklich lohnt, an die Oberfläche geholt zu werden.

Auch Dir alles Gute und bis bald
Wilfried

P.S. Karneval feiern wir hier nicht. Im Kindergarten und in der Grundschule gibt es einen Tag, an dem sich die Kinder verkleiden. Das läuft bei uns unter dem Begriff Fasching. Es gibt aber so etwas ähnliches wie Karneval, das sich Faslam nennt und auch auf eine lange Tradition zurückblickt. Heute wird Faslam hier eher analog dem Karneval gefeiert und es gibt auch entsprechende Umzüge, allerdings im kleinen Rahmen – und bisher noch nicht bei uns in Tostedt. Also wir können uns hier nicht so sehr für Karneval begeistern. Und wie ist es bei Dir und Deinen Lieben: rote Pappnase auf und los?!

P.P.S. Übers Laufi-Forum bin ich drauf gestoßen: Ian Anderson and Jethro Tull touring bands – also eine Art Jethro Tull Bigband: Recent, Current, and Future Members – nur wer ist recent, wer current und wer ist ein future member?

02.02.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 47: Von Rubbing Elbows zu Acoustic Tull

Hallo Wilfried,

in unseren selbstgewählten Rollen bleiben wir verlässliche Größen: Auf der einen Seite der Ankläger und Schmäher und auf der anderen Seite der Verteidiger, Erklärer und Versteher. Jedenfalls denke ich, dass wir Mr. Anderson, Jethro Tull und alles, was damit zusammenhängt, aus allen denkbaren Perspektiven beleuchtet haben. Wir haben gesehen, gehört und bewertet. Dazu sind wir angetreten und ich finde, wir haben diese Aufgabe bisher mit viel Fleiß, Leidenschaft und Engagement erfüllt.

Ob wir in naher Zukunft noch viel zu hören, sehen und zu bewerten bekommen werden, wird sich zeigen. An ein bombastisches Alterswerk des Meisters glaube ich persönlich nicht. Ich fürchte, er ist zu sehr damit beschäftigt, sein eigenes Andenken zu verwalten. Da bleibt kein Raum mehr, um den Schwanengesang zu komponieren.

Living in the Past – unter diese Überschrift hat Mr. Anderson sein musikalisches Wirken der letzten Jahre gestellt. Er baut seine musikalischen Aktivitäten auf den vergilbten Lorbeeren vergangener Jahrzehnte auf und zehrt dabei vom Ruhm früherer Zeiten. Was wäre Mr. Anderson heute ohne die von ihm wenig geachteten uralten Fans ? Wenn diese Menschen die Erinnerung an glorreiche Zeiten nicht hochhalten würden, wäre unser Meister nur noch eine peinliche Lachnummer. Ein weltfremder Narr, der nicht merkt, dass sein letzter Vorhang schon lange gefallen ist.

Nur so als Beispiel: Wer war es denn, der Ende letzten Jahres den Auftritt von Mr. Anderson in Maria Laach thematisiert und republikweit verbreitet hat ? Waren das 15jährige ehemalige Tokio-Hotel – Fans, die der Meister auf seine Seite zu konnte ? Waren es übergelaufene Robbie Williams – Fans ? Waren es Renegaten aus dem George Michael – Lager ? Oder waren es nicht doch die „alten Säcke“, auf die der Meister meint leicht verzichten zu können?

Genau diese alten Säcke sind es, die verhindern, dass bei dem austherapierten Komapatienten Jethro Tull die lebenserhaltenden Systeme abgestellt werden. Ich rechne nicht mehr damit, dass unser Komapatient noch etwas großes Neues auf die Beine stellen wird.

Wenn es irgendwann heißen wird, JT haben sich unwiederbringlich aufgelöst, würde es mich nicht wundern. Es ist auch nicht so, dass dadurch eine Welt für mich zusammenbrechen würde. Die Gruppe, die mich begeistern konnte, gibt es schon lange nicht mehr. Mein Faible für diese Gruppe lebt seit Jahren aus der Retrospektive.

Vielleicht ist es für Martin Barre gar nicht einmal so schlecht, sich so langsam vom Meister zu lösen. Einen Stern bei seinem Sinkflug zu begleiten zeugt zwar von Treue, ist der eigenen Weiterentwicklung aber nicht förderlich. Genau: Einem Musiker wie Mr. Barre traue ich zu, dass er noch etwas eigenständig Neues zustande bringt. Möge er sich wie Phoenix aus der Anderson’schen Asche erheben !

Ich sehe es plastisch vor mir: Mr. Anderson wird als 103jähriger Musiker wie Johannes Heesters von Intensivmedizinern auf die Bühne gekarrt, um dort die Urenkel seiner wahren Fans zu „unterhalten“. Aber es gibt einen feinen Unterschied: Herr Heesters ist noch einigermaßen bei Stimme.

Man kann über die späten Aktivitäten des Meisters denken wie man will. Was immer er in Zukunft noch verbrocken wird, seine großartigen frühen Alben nimmt ihm und uns keiner ! Sie sind das, was im Andenken der Fans Bestand haben wird und nicht die Kopftücher und Geigen-Nymphen.

Eine 40jährige Schaffensperiode, in der man es jedem Recht macht, ist einem Menschen nicht möglich.

So ist eine Beschränkung und Konzentration auf die Handvoll hervorragender Alben vergangener Tage mein Beitrag zu „Living in the past“. Nicht Innovation ist die Kraft, die mich an Jethro Tull bindet, sondern Nostalgie.

Es grüßt Dich herzlich
Lockwood

27.01.2007

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Hallo Lockwood,

Ian Anderson muss wissen, was er tut – und wird es wissen. Da bin ich mir sicher. Ich will hier gar nicht den Verteidiger und Erklärer spielen. Und dass ich sogar das Ganze verstehe, liegt mir fern. Vielleicht doch eher erklären, so wie ich es sehe …

Zunächst zum Schwanengesang, wie Du es nennst – ein mögliches Alterswerk des Meisters. Das mit der „schottischen Sinfonie“ habe ich eher ironisch gemeint, mit leichtem Augenzwinkern. Ich bin darauf gekommen, weil Ian Anderson zuletzt mit den unterschiedlichsten Orchestern aufgetreten ist und wir von früher her wissen, dass er sich auch an einer Ballett-Musik versucht hat, wenn auch mit Unterstützung von David Palmer. Also an ein Alterswerk glaube ich schon noch. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis es soweit ist, aber dann … Um es klar zu stellen: Dieses Alterswerk dürfte nach meiner Ansicht wenig mit Jethro Tull alter Tage zu tun haben.

Da ich gerade dabei bin: Bei der Acoustic/Electric Tull-Tour mischen neben den Herren Anderson und Barre (hin und wieder vertreten von Herrn Opahle) die Herren David Goodier (Bass) und John O’Hara (an Keyboards und Akkordeon) mit. Natürlich auch Sohnemann James Duncan am Schlagzeug. Das sind genau die Herren, die Ian Anderson als seine IA solo band guys bezeichnet und die auch bei den Orchester-Auftritten mitwirkten (John O’Hara dann auch noch als Dirigent). Irgendwo tauchte dann auch die Bezeichnung „Rubbing Elbows“-Tour Band auf. Also von Leihmusikern würde ich nicht unbedingt sprechen. Das Problem ist nur, dass diese Jungs so langsam unter dem Namen Jethro Tull ihr Zuhause finden. Für manchen alte Tull-Fan dürfte das ein Affront ohnegleichen sein.

Das mit der Lachnummer und dem weltfremden Narr mag Deine Einschätzung sein. Andere sehen das bestimmt etwas anders. Die Scheibe „Ian Anderson Plays The Orchestral Jethro Tull“ war kurz nach Erscheinen immerhin auf Platz 3 in den deutschen Charts. Und in den Kundenrezensionen bei amazon.de findest Du folgende Kommentar, die Dich doch erstaunen müssten:

„Meine Partnerin und ich hatten das Konzert in Mannheim erlebt und waren begeistert und noch tagelang danach in Hochstimmung.“

„Vor allem die Arrangements der Songs, die zusammen mit den Philharmonikern gespielt werden, lassen aufhorchen. Etwa das wunderschöne Wond’ring Aloud mit Originalstreichersatz.Bourée und God Rest Ye Merry Gentlemen kommen sehr überzeugend daher.My God ist superb und Aqualung ist das Sahnehäubchen schlechthin. Sehr luftig und lebendig arrangiert, mit einem etwas dahinplätschernden Mittelteil zwar, hebt es sich deutlich ab vom Rest. Das Finale von Budapest kommt mit gewaltigen Tönen aus dem Orchester daher.“

„Was nun folgt ist meiner Meinung nach der künstlerische Höhepunkt einer beispiellosen Karriere. Ian Anderson hat eine junge Band um sich geschart (Keyboard, Bass, Gitarre, Schlagzeug), um zusammen mit der „Neuen Frankfurter Philharmonie“ die Klassiker der Band Jethro Tull, als auch Solowerk in faszinierend neuem Gewand zum Besten zu geben.“

Vielleicht sind wir es, die „in the past“ leben. Mit dem Koma-Patienten hast Du dabei gar nicht einmal Unrecht. Auch Herr Anderson sieht das ähnlich. Für einen, der fast 60 Jahre alt ist, ist es wirklich eine Lachnummer, wenn er als alter Rocker auftritt. Das ist wirklich nur etwas für Nostalgiker, denen der Kopf bereits wackelt. Also macht er etwas Neues: Erst die „Rubbing Elbows“, die natürlich nur im angelsächsischen Raum ankommen. Dann die Orchester-Auftritte, die besonders bei den Deutschen beliebt zu sein scheinen. Dafür muss er nicht extra neue Stücke schreiben. Die alten tun es auch (David Palmer hat es bewiesen). Klar, es müssen die Arrangements/Partituren geschrieben werden. Aber dafür finden sich schon welche. Vielleicht hat er die auch von David (Dee) Palmer zum Geburtstag geschenkt bekommen. Ich gehe davon aus, dass Ian Anderson z.B. von der Neuen Frankfurter Philharmonie angesprochen wurde, ob er mit ihnen auftritt (nicht umgekehrt – Herr Anderson hat es noch nicht nötig, anderen hinterher zu laufen). Und da das so toll lief, rufen gleich andere Orchesterchefs bei dem Meister an und fragen nach, ob er auch mit ihnen auftreten könne.

Ian Anderson - Rubbing Elbows

Und jetzt die Acoustic/Electric Tull-Tour. Betonung auf acoustic! Dafür verspricht er auch Stücke, die er so noch nie auf die Bühne gebracht hat. Einem alten Folk-Fan muss es da doch warm ums Herz werden. Eigentlich! Und dann noch in einem so tollen Ambiente (Parkbühne, Wasserschloss, Amphitheater, Burg, Zitadelle oder als Kulisse viele hübsche Segelboote – schau Dir doch einmal die Tourdaten an). Die alten Fans sind gern eingeladen zu kommen. Aber sie müssen sich sputen, damit die ‚anderen’ nicht schon alle Karten im Vorfeld aufgekauft haben.

Ja, mein lieber Lockwood – so wird ein Paar Schuh daraus. Natürlich riecht (riechen kann es nicht, es hat keine Nase – also: stinkt) das alles sehr verdächtig nach „Musikantenstadl“ und André Rieu. Und dabei hätte ich gewarnt sein müssen: Als ich meiner Frau vor vielen Jahren empfahl, ihrer Freundin die „Classic Case“-Scheibe zu kaufen, da diese auf solche klassischen Adaptionen von Rockmusik steht, die sich dann mit viel Lob für die Scheibe auch bei mir bedankte … Hätte ich ihr „Thick as a Brick“ schenken lassen, wäre der Dank weitaus schmaler ausgefallen. Die Anekdote kennst Du bereits. Was ich sagen will: Der Markt ist unergründlich, aber Herr Anderson hat das richtige Näschen dafür.

Und nur so nebenbei und als Ergänzung: Wer lädt eine Lachnummer zu einem feierlichen Weihnachtskonzert ein oder zur Mozartgala? Nein, ich denke Du bist auf dem Holzweg. Und Martin Barre muss froh sein, wenn er sich weiterhin neben Herrn Anderson auf die Bühne stellen darf. Mit seinen bereits erreichten 60 Jahren wird er sich kaum aus der Anderson’schen Asche erheben.

Also was bleibt uns? Die alten Platten auflegen, alles andere, was Herr Anderson plant und tut, ignorieren. Oder vielleicht doch eines dieser Konzerte besuchen?

Lass Dich nicht von Deinen Gewissensnöten quälen, die Dich um des Meisters willen plagen.
Und eine geruhsame Woche.

Wilfried

29.01.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 46: Andersons letzte Schaffensperiode

Guten Abend lieber Wilfried,

Deine letzte mail gibt mir Gelegenheit, mich auf das ursprüngliche Thema unseres Gedankenaustauschs zu besinnen: Auf Jethro Tull. Mr. Anderson sorgt mal wieder für Aufregung in der Fangemeinde, da ist es nur angemessen, wenn ich das aufgreife.

Ich bin Deinen gelinkten Anregungen gefolgt und habe mich bei den Laufi-Leuten ein wenig umgelesen. Hier schwappen die Wogen der Emotion hoch. Den Laufis geht es genau wie mir: Sie stören sich daran, dass der Meister seine bewährten Musiker, vielleicht sogar Mr. Barre, durch (preiswerte) Leihmusiker ersetzt. Das ganze verkauft Mr. Anderson dann auch noch als Jethro Tull.

Man stelle sich vor: Mr. Jagger schart die Leasing-Musiker Tom Hinz und Tim Kunz um sich und tritt mit ihnen als Rolling Stones auf. Paul McCartney tritt mit Eddie Egal und Kurt Kompatibel als die Beatles auf. Ich schrieb es schon in einem anderen Zusammenhang: Es gibt Dinge, die gehen einfach nicht. Für manche Entscheidungen braucht man wohl die arrogante Kaltschnäuzigkeit eines Ian Anderson. Man kann ihm sicher einiges vorwerfen; übertriebene Demut sicher nicht.

Nun zu den Geigerinnen: Dir, der Laufigemeinde, mir und dem Rest der Welt ist aufgefallen, dass es sich bei den streichenden Musikern ausnahmslos um sehr ansehnliche junge Damen handelt. (Meine Frau meint, diese würde Mr. Anderson einsetzen, um von sich selber abzulenken – aber da kennt sie den Meister schlecht). Vor einiger Zeit hast Du mehr oder weniger unverblümt angedeutet, dass Mr. Anderson mehr als nur ein musikalischen Interesse an seinen Musikantinnen habe. Das mag sein, jedenfalls liegt der Verdacht nahe. Genau wie Dir ist mir das aber gleichgültig. Andere Leute sollen von mir aus geigen, wen oder was sie wollen. Mich stört an diesen Künstlerinnen viel mehr ihre Heterogenität: Sie fügen sich überhaupt nicht in das Bild der Gruppe ein. Die JT-Musiker spielten schon zusammen, als die Eltern der Damen noch ihre Akne behandelten. Und nun stehen diese blühenden Schönheiten auf der Bühne, eingerahmt von knorrigen alten Eichen. (Zuerst wollte ich schreiben, dass auf der Bühne neben einem Kuhfladen eine Rose blüht, aber das wäre Dir sicher wieder zu hart erschienen.)

Wie Du weißt, bin ich aus der Folk-Ecke zu JT gestoßen. Ich höre also von jeher gern den Klang einer Fiedel. Oft habe ich mir bei JT den Einsatz einer Geige gewünscht. Vielleicht statt der Flöte, vielleicht in Ergänzung dazu. Da wären sicher einige Spielarten möglich gewesen. Gerade in der fabelhaften, ruhmreichen, unwiederbringlich verlorenen Zeit der Folkalben (wie ich sie vermisse !) hätte eine Fiddel sehr gut zur Musik gepasst. Gespielt von einem bärbeißigen Musikanten mit Rauschebart, Whiskyfahne und gelb gerauchten Fingern. So wie bei den Dubliners. Aber nein, nichts dergleichen. Wenn Mr. Anderson sich Mietgeiger an Bord holt, dann sind das feenähnliche Geschöpfe wie Eddie Jobson, Ann Marie Calhoun oder Lucia Micarelli. Die letzten beiden erinnern mich irgendwie an Vanessa Mae, die nymphengleiche Pop-Geigerin, die in Europa vor einigen Jahre Furore machte. Naja, eben alles kompatibel.

Deine Links sind wie immer sehr hilfreich. So bin ich eben auf der Homepage von Anna Phoebe gelandet. Und was höre ich ? Musik von akustischen Gitarren und Geige. Na also, geht doch. In nächster Zeit muss ich mehr in diese Richtung lauschen.

Ich danke Dir für Dein Lob zu meiner Montage ! Es ist sicher kein Meisterwerk, wenn ich es mit den Montagen auf digicamfoto.de vergleiche. Aber wenn ich meine Ansprüche an meine Fähigkeiten anpasse, komme ich zurecht. Meinen Satz zu meinem Bildchen in Deinem Blog hast Du missverstanden: Erst sah ich mein Bild auf Deiner Seite, dann habe ich geschrieben, dass ich auf diese Veröffentlichung auch gehofft hatte. Du weißt doch: Wenn ich morgens den PC anwerfe, führt mein erster Weg auf Dein Blog, der zweite auf Wikipedia, der dritte zum Lokalblättchen und erst dann wende ich mich dem Tagesgeschäft zu.

Du hast es sehr mutig in Worte gefasst: Jethro Tull stirbt einen qualvollen, langsamen Tod. So etwas schreibt oder liest kein Fan ohne Bedauern. Selbst wenn wir das A – Album ausklammern: Eine Rockband sind JT schon lange nicht mehr. Weltmusik ist ja OK, aber das sollte nicht mehr unter Rock firmieren. Sollte jetzt auch noch der gute Martin ausscheiden, was ich nicht zu fürchten wage, dann wird es wirklich zappenduster um Mr. Anderson. Er selber hat doch vor einiger Zeit gesagt, Martin sei derjenige, der die Gruppe zusammengehalten hat. Es sieht so aus, als hätte die Realität die Gruppe eingeholt. Mittlerweile bröckelt nicht nur der Putz.

Die Ratten flüchten, die Fans rennen weg. Aber wohin ? Viele der Fans, so wie Du, begleiten die Gruppe schon seit Jahrzehnten. Fühlt der Meister sich ihnen verpflichtet ? Versucht er, sich in sie hineinzuversetzen ? Nein, tut er nicht. Das hat ein Wirtschaftstycoon wie er gar nicht nötig. Er kocht sein eigenes Süppchen. Schon vor Jahren schrieb er im Vorwort des Songbooks, dass ihn die alten treuen Fans nicht interessieren. Die kommen von alleine, fast zwanghaft, in die Konzerte und Plattenläden. Ihm gehe es darum, neue Fans zu gewinnen. Ich denke, da wird er in Zukunft ausreichend Gelegenheit haben, seine Fähigkeiten beim Rekrutieren zu beweisen.

Stirb wohl, Jethro Tull. Das Ende wird Dich von langem Leid erlösen.

Faithfully
Lockwood

25.01.2007

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Hallo Lockwood,

ja, die Aufregung ist wirklich groß. Aber ich möchte meine Sicht doch etwas präzisieren, um Missverständnissen vorzubeugen. Zunächst würde ich Jethro Tull nicht mit den Stones und den Beatles vergleichen. Doch selbst die Rolling Stones hatten eine gewisse personelle Fluktuation, wenn auch nicht in dem Maße wie Jethro Tull. Lediglich die Beatles werden immer die vier – John, Paul, George und Ringo – bleiben (auch sie begannen einmal in einer anderen Besetzung). Jethro Tull ist aber zunächst Ian Anderson. Und dann kommen jede Menge talentierte Musiker, die je nach ‚Jahreszeit’ auswechselbar waren. Einzigste Ausnahme: Martin Barre, der mit seinem Gitarrenspiel nachhaltig den Stil und Sound der Gruppe geprägt hat.

Dann gibt es Jethro Tull in den verschiedenen Schaffensperioden (die hatte Picasso ja auch). Zunächst der eher schnelle Wechsel vom Blues und Jazz (This Was) über blusigen Rock mit ersten Folk-Elementen (Stand up), dann schon ‚schwereren’ Rock (Benefit) zu Aqualung, das irgendwo zwischen Rock und Folk angesiedelt ist. Nach den Konzeptalbem die Alben mit Folk-Ausrichtung.

Jedes dieser Alben hat einen für sich eigenen Stil und wird besonders durch die Instrumentalisierung geprägt. Diese ist wiederum von den Musikern abhängig. Aber irgendwie war das alles noch Jethro Tull als eine Gruppe, die einen Stil pflegte, der zwar etwas abseits des Mainstreams ansässig war, aber Album für Album eine kontinuierliche Weiterentwicklung verriet.

Dann der erste große Bruch 1980 mit dem Album „A“. Nicht nur bisher prägende Musiker wie John Evan und David Palmer wurden ausgetauscht, der ganze Stil war ein anderer bis zum Outfit der Herren Musiker. 1982 mit „Broadsword and the Beast“ gab es einen kurzen Schwenk zurück, dann aber kamen Ians erstes Soloalbum und dann „Under Wraps“. Bis 1991 präsentierte sich Jethro Tull wieder eher als Rockgruppe mit einigen Anleihen (z.B. bei Dire Straits – sowohl gesanglich, als auch vom Gitarrenspiel her – wie ich finde).

Und dann die Alben, die wir beide wohl in die Schublade „Weltmusik“ stecken würden.

Nach 1980 also einige kleinere Brüche (oder eben jeweils neue Schaffensperioden). Mit dem neuen Jahrtausend dann aber Andersons Abschied vom kreativen Schaffen und die Hinwendung zur reinen Interpretierung eigener Werke. Dieses betrachte ich als den größten Bruch in der Laufbahn von Ian Anderson – und damit von Jethro Tull. Es ist nun nicht so, dass Herr Anderson von Schützenfest zu Schützenfest tingeln muss. Das hat er schon finanziell nicht nötig. Nein, er schart junge Talente um sich, gibt sich denen gewissermaßen als musikalischer „Godfather“ aus (ähnlich wie es David Palmer für Ian Anderson war). Und den eigenen Sohn will er dabei nicht im Regen stehen lassen – also spielt der Vater mit dem Sohne (ich kann das sehr gut nachvollziehen, geht es mir mit meinem ältesten Sohn zz. ähnlich).

Das in dieser (letzten?) Phase die Gruppe Jethro Tull auf der Strecke bleibt, ist dann zwangsläufig. Aber außer Martin Barre waren die Musiker namens Giddings, Perry und Noyce sowieso schon keine echten Tuller mehr (in den Augen der alten Fans). Wenn Herr Anderson trotzdem noch das Fähnlein „Jethro Tull“ hoch hält, dann sicherlich aus Gründen der Publicity. Und man spielt ja auch noch alte Tull-Titel, wenn auch im neuen Kleide (dabei ist der Verweis „acoustic“ fast ein Versprechen – diese Tulls, die akustischen, mögen wir doch eigentlich). Wohin am Ende (z.B. im 40. Jahr von Jethro Tull) der Zug wirklich fährt, weiß wohl selbst Herr Anderson nicht so genau. Ich denke aber, dass es irgendwann noch ein Alterswerk von Ian Anderson geben wird. Vielleicht wird das ja dann doch noch der große Knaller: Jethro Tull in Person von Ian Anderson mit der schottischen Sinfonie Nr. 1 – From Broadford to Wiltshire (aber das liegt ja schon in England – dort in der Nähe lebt der Meister, wenn er nicht gerade auf Tour ist) – für Orchester und 5-köpfige Band. Und Herr Anderson ohne Kopftuch!

Was ist bloß mit Ian los?

Was will ich damit sagen: Ian Anderson betrachtet sich als Künstler, der rein zufällig in die Rockszene abgetrieben wurde. Aber dort hat er sich möglichst immer am Rande aufgehalten. Es ist mehr Künstler/Musiker als Rocker. Und je älter er geworden ist, um so mehr hat er sich von der Rockszene verabschiedet. Das Kopftuch ist nur noch ein Art Überbleibsel aus alten Tagen.

Man muss und kann das akzeptieren – oder nicht. Mir gefällt auch nicht alles aus dem Anderson’schen Werk. Aber es hat eigentlich auf jeder Scheibe für mich etwas gegeben, was mir gefiel. Gut, dass war nicht der Aha-Effekt, der sich bei mir am Anfang einstellte. Von diesem Aha-Erlebnissen gibt es nun einmal nicht viele in einem Leben. Aber wenigstens ein AHA bringe ich mit Jethro Tull und damit mit Ian Anderson in Verbindung.

Aber genug. Bei aller Kritik und Verwunderung, die die letzten Nachrichten zum Thema Jethro Tull ausgelöst haben: Irgendwo kann ich Herrn Anderson doch noch etwas verstehen. Die Geschäfte laufen weiterhin prächtig, das Musizieren macht noch Spaß (Hahn im Korb). Und im engeren Kreise gibt es keinen, der er wagt, den Meister zu kritisieren (es gibt ja auch keinen Grund dafür).

Noch ein schönes Wochenende
Wilfried

P.S. Heute einmal keine ‚weiterführenden’ Links.

27.01.2007

English Translation for Ian Anderson

Was ist bloß mit Ian los? Teil 45: Von drei geigenden Damen

Hallo Wilfried,

wenn ich richtig gerechnet habe, ist Dein erster Besuch eines JT – Konzerts am kommenden Samstag 35 Jahre her. In der schnelllebigen Musikwelt ist das ein stolzer Wert. Das spricht für Jethro Tull und seine Fans gleichermaßen. Ich glaube nicht, dass sich in weiteren 35 Jahren die Tokio-Hotel – Fans über ihre Stars austauschen werden.

Dein Zwicken wegen der beiden JT-DVDs wirkt, aber nur halbseitig. Vielleicht bin ich ein Banause, aber auf das Dokument der Isle of Wight kann ich leicht verzichten, da es aus einer für meinen Geschmack zu frühen Schaffensperiode stammt. Die DVD des Tampa-Konzerts würde mich schon mehr reizen, denn in meinen Augen war der Meister in dieser Zeit auf dem Gipfel seiner Kreativität. Aber auch in diesem Fall kann ich den Kauf ohne weitere Entzugserscheinungen weiter nach hinten schieben; nicht zuletzt durch Deinen Einsatz ist auf youtube fast alles zu sehen, was ich sehen möchte.

Ich bin ein sparsamer Mensch, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Wenn ich im Moment einige Euros erübrigen könnte, würde ich sie in Zubehör für meine Kamera investieren. So hätte ich z.B. gern einen Polarisationsfilter, aber ich tue mich schwer damit, 70 € für eine kleine Glasscheibe mit Plastikrand auszugeben. Auch hätte ich gerne ein neues Stativ, bei dem ich mir nicht den Rücken verrenken muss, um durch den Sucher blicken zu können. Tja, zwei Wünsche von vielen. Ich möchte damit nur andeuten, dass Investitionen in Musik vorerst noch warten müssen.

Direkt gemeckert habe ich über die langen Fingernägel des Meisters nicht. Ich versuche schließlich, mich zurückzuhalten. Ich habe lediglich geschrieben, dass sie mir aufgefallen seien. Ich habe Gitarrenspieler gesehen, die die Nägel der rechten Hand wachsen lassen, um damit die Saiten zu zupfen. Aber Mr. Anderson zupft die Saiten nicht, zumindest nicht mit den Fingern. Es ist kein Phänomen, dass man über Jahre beobachten könnte. Ich habe mir andere Fotos angesehen; üblicherweise trägt er seine Fingernägel in passabler Länge. Also, es sei ihm verziehen. Ich werde weder Stab noch Nagelschere über ihn brechen. Schreiben wir es seiner britischen Nonchalance zu.

Ich habe mir die von Dir dankenswerterweise gelinkten Tourdaten angesehen. Auf der Deutschlandtour kommt er nicht einmal annähernd in meine Nähe. Das räumlich nächste Konzert wäre in Gelsenkirchen, vielleicht 120 km von hier. Aber für Reisekosten und Eintritt bekäme ich schon fast ein Stativ. Siehst Du, soweit bin ich schon. Der gealterte Meister ist mir nicht einmal ein Stativ wert. Ach, was kann die „Jugend“ grausam sein !

Deiner Aussage, dass der Meister eine ruhmreiche Vergangenheit und eine sehr ungewisse Zukunft hat, schließe ich mich vorbehaltlos an.

Die Montage des Songbooks habe ich Dir nicht geschickt, um Dich neidisch zu machen. Bei aller gebotenen Bescheidenheit erscheint sie mir einigermaßen gelungen. Zumindest für meine begrenzten Möglichkeiten. Elektronische Bildbearbeitung hat mit Technik zu tun und über mein Verhältnis zur Technik brauche ich Dir nichts mehr zu sagen. Im Stillen hatte ich gehofft, dass Du die Montage in Dein Weblog einbaust. Das Foto des Songbooks eignet sich gut für Montagen. Mit gesonderter Post werde ich Dir einen weiteren Versuch von mir zusenden.

Ich wünsche Dir und uns allen weniger stürmische Zeiten und pünktliche Züge. Man muss ja schon froh sein, wenn sie überhaupt fahren…

Bis nächste Woche
Lockwood

20.01.2007

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Hallo Lockwood,

ja richtig, nächsten Samstag ist es bereits 35 Jahre her, dass ich in Hannover bei meinem ersten Tull-Konzert war. Wenn ich der Tull Tour History von ministry-of-information.co.uk glauben darf, dann spielten die Jungs folgende Titel:

My God (w. flute solo, incl. Soirée, By Kind Permission Of…, Bourée), Thick As A Brick, Aqualung, To Cry You A Song, A New Day Yesterday, Cross-Eyed Mary (w. drum solo), Tomorrow Was Today, Hymn 43, Nothing Is Easy, Wind up, Locomotive Breath/Hard-Headed English General, Wind-Up (reprise)

„Thick as a Brick“ wundert mich eigentlich, da die Scheibe erst im März in Großbritannien und im Mai 1972 in den USA auf dem Markt kam. Wenn ich ehrlich bin, dann kann ich mich auch nur ziemlich dunkel an das Konzert erinnern. Als Vorgruppe trat „Gentle Giant“ auf, die ich bis dahin nicht kannte, und die mich ziemlich überraschten. Vielleicht hat mich das auch etwas vom Tull-Auftritt abgelenkt. Mit meinem Freund war ich auf jeden Fall schon sehr früh dort und konnte mir einen guten Platz ergattern (die Halle war unbestuhlt). Ich erinnere mich aber schon, dass ein bis dato ‚unbekanntes’ Stück von ziemlicher Länge vorgetragen wurde (eben: Thick as a Brick) und dass ich die nächsten Tage und Wochen immer wieder vergeblich in die Plattenläden gerannt bin, um die neue Scheibe zu kaufen. Es war auch das Konzert, in dem John Evan über die Bühne gerannt war, um von der Orgel, die wohl rechts außen stand, zum Flügel, der am linken Bühnerand aufgestellt war, zu wechseln. Manchmal denke ich aber, ich habe das nur geträumt.

Nochmals Dank für Deine Songbook-Montage. Ich habe Deine stille Hoffnung durchaus nicht enttäuscht und von mir aus das gelungene Bild in diesem Weblog eingebaut. Augen auf, junger Mann! Der Meister ersteht förmlich aus dem Buch. Ich kann Deine Komplimente nur zurückgeben. Du machst Dich!

Zum Zupfen eignen sich lange Fingernägel durchaus. Was ich meinte bezog sich auf das Greifen der Saiten. Da sollten die Fingernägel möglichst kurz sein.

Was den Kauf z.B. der Tampa-DVD betrifft, habe ich auch lange überlegt, ob ich das Geld dafür ausgeben soll. Ich habe sie dann aber doch gekauft, weil damit die Aussicht verbunden war (noch ist?), dass vielleicht auch der 2. Teil des Konzertes eines Tages als DVD herauskommt. Leider ist es (z.B. im Laufi-Forum) recht leise darum geworden.

Apropos Laufi-Forum und in diesem Zusammenhang die Tull-Tour 2007 (im Forum ab Seite 3 interessant):

Da ist ja in den letzten Tagen viel Aufregung zu spüren – und wie die Ratten springen jetzt wohl auch die eingefleischtesten Tull-Fan von Bord. Klar, ich kann die Aufregung verstehen, da kündigt Herr Anderson eine Tour unter den Namen Jethro Tull an, für Deutschland sogar als „Acoustic and Electric Tull“, und von der Band bleiben neben seiner Wenigkeit nur noch Martin Barre übrig (und das auch nur, wenn dieser kann). Die Diskussion im Laufi-Forum offenbart dabei einige wichtige Details, die mir so ‚unten den Tisch’ gefallen waren, z.B. den großen Umbruch 1980, als z.B. Herr Jobson die Herren Evan und Palmer ablöste. Immerhin kam damals Dave Pegg, denn John Glascock war ja gestorben. Heute wird das Jahr 1980 als Beginn des Endes angesehen, ein ziemlich langer Tod, schreiben wir bereits das Jahr 2007. Aber sicherlich ging der personelle Umbruch auch mit dem musikalischen einher. Du darfst Dich voll und ganz bestätigt sehen. Alles was mit „A“ und danach kam, deckt nicht mehr Deinen musikalischen Geschmack.

Sollten die Herrn Giddings, Noyce und Perry (der angeblich so schwer krank sein soll, sodass er sich nie wieder ans Schlagzeug setzen kann – was dieser ausdrücklich widerrief) tatsächlich in die Wüste geschickt sein, dann finde ich das als solches sicherlich nicht ganz so schlimm (um Herrn Perry täte es mir Leid). Nur sollte Herr Anderson schon den Mut aufbringen und seine Fans entsprechend informieren. Wozu sollte das Internet sonst gut sein.

Und dann einige Anekdoten (Stichwort Autogramme und Catering), die Herrn Anderson nicht gerade im hellen Lichte zeigen. Deine Eindrücke werden hier bestätigt und machen den Meister nicht gerade sympathischer.

Aber komme ich zunächst auf die geigenden Damen zurück, die Herrn Anderson seit einiger Zeit begleiten. Für die Tour 2007 kommt eine weitere Dame hinzu: Anna Phoebe, die wenigstens einen engeren Bezug zur Rockmusik hat.

Lucia Micarelli Ann Marie Calhoun Anna Phoebe
Lucia Micarelli Ann Marie Calhoun Anna Phoebe

Lucia Micarelli kennen wir vom Mozart-Auftritt her, Ann Marie Calhoun war im weihnachtlichen Maria Laach dabei.

Was mich eigentlich wundert ist, dass es damals keinen großen Aufschrei gab, als neben dem Flötenkobold plötzlich eine Geigenfee auf der Bühne stand. Leichte Verwunderung ja, auch schon die eine oder andere Anzüglichkeit. Aber am Ende hat man die Kröte geschluckt. Dabei sind die Auftritte der geigenden Damen größere Einschnitte als der Wechsel von Musikern, wenigstens finde ich das. Da spielt Jethro Tull plötzlich Fremdtitel („Kashmir“ von Led Zeppelin), die eigentlich so nicht ins Programm passen, nur damit eine der Damen sich einmal richtig ‚auslassen’ darf. Wenn Herr Anderson bei Auftritten wie anlässlich des Mozart-Geburtstages oder zuletzt beim Weihnachtskonzert neben sich eine Violinistin duldet, dann ist das in Ordnung. Aber als Special Guest oder so ist eine solche Dame bei nominellen Tull-Konzerten eine eindeutige Fehlbesetzung. Oder war es bisher.

In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, ob ich wirklich das Konzert 2005 besucht hätte, wenn schon damals eine Lucia, Ann Marie oder Anna mit der Band aufgetreten wäre. Vermutlich nicht – oder nur, weil es ja auch ein Treffen mit einem alten Freund von mir war.

Auch zum neuen Tagebuch-Eintrag von Ian Anderson gibt es im Laufi-Forum einige Unruhe, um es gelinde auszudrücken. Aber genug davon.

Nun, wir müssen davon ausgehen, dass es die Gruppe Jethro Tull als Rockband nicht mehr geben wird. Spätestens mit einem möglichen Ausscheiden von Martin Barre sind dann auch die letzten alten Fans davon gelaufen. Ob das durch neue Fans kompensiert wird, ist zu bezweifeln. Wie gut die Überschrift zu dieser Rubrik passt: Was ist bloß mit Ian los?

Eine geruhsame Woche
wünscht Dir Wilfried

22.01.2007

English Translation for Ian Anderson

Jethro Tull-Videos: Live 1985 in Berlin (Bach-Rock)

Im Herbst 1984 erschien von Jethro Tull das Album „Under Wraps“ und es gab bis zum Ende des Jahres noch eine Tournee, die in Australien abschloss. Danach war es anderthalb Jahre still um die Band – keine weiteren Auftritte. Die einzigste Ausnahme war ein Auftritt in Berlin im International Congress Centrum am 16.03.1985. Anlass war der 300. Geburtstag von Johann Sebastian Bach. Das Konzert wurde fürs deutsche Fernsehen aufgezeichnet und unter dem Titel „Bach Rock“ ausgestrahlt. Anstatt Peter Vettese, der noch bei der „Under Wraps“-Tour dabei war, spielte Eddie Jobson die Keyboards und auch die elektrisch verstärkte Geige. Neben eigenen Titel (Living in the Past, Hunting Girl und Locomotive Breath sowie Serenade to a Cuckoo) spielte man Bach’s Double Violin Concerto und David Palmers Elegy (a piece in a Bachian Style, wie es Ian Anderson nannte).

Ian Anderson (Jethro Tull) 1985: Bach Rock

Bemerkswert an diesem Konzert war u.a. das Ständchen, zu dem Jethro Tull dem guten Johann Sebastian aufspielte, und die Darreichung kühler Getränke (sprich: Champagner – oder sollte es nur billiger Sekt gewesen sein?): Ian Anderson als Oberkellner! Nur Dave Pegg („In The Grip of Stronger Stuff“) bekam nichts ab.

Alle oben genannten Stücke (sechs an der Zahl) findet man bei youtube.com in einem Überblick: Jethro Tull 1985 – Bach Rock