Angesagt … Herbsturlaub 2015!

Es ist wieder soweit: Endlich darf ich mich zwei Wochen entspannen: Urlaub ist angesagt! Aber meine Frau wird schon dafür sorgen, dass ich mich nicht nur auf der faulen Haut ausruhen werde: Malerarbeiten sind geplant – und bei der rigorosen Vorgehensweise meiner Frau, wird das auch durchgeführt (Verweigern zwecklos!).

    Urlaubstiet is wedder do(r) ...: Harvst-Urlaub 2015

Urlaub … und es herbstelt. Die Blätter färbeln, bevor sie von den Bäumlein plumpsen. ‚Stormgebrus’ peitscht dir bald die ‚Regendroppen’ um die ‚Nees’. Aber das sorgt für gesunde Durchblutung der ‚Snutpell’, glov’ mi dat!

Ja, ‚kieken’ wir mal, was dieser ‚Harvst’ uns so bringt. Die ‚Wedderutsichten’ sind für die nächsten Tage eher gemischmascht. Die ‚Frücht’ von dem Aesculus hippocastanum ‚drüppelt’ dir auf den ‚Deets’, wenn du nicht ‚oppasst’.

    Kastanien – Kastanjen, ook Christangel

Aber genug verwuselt hochdeutsch-geplattdeutscht. Wenn Ihr die nächsten Tage nicht viel von mir hören (lesen) werdet (Futur I), dann weil ich es mir gemütlich gemacht haben werde (Futur II – kommt selten vor). Von den Malerarbeiten abgesehen …

Hein Sager sagt (3): Synapsenkurzschluss

Hein Sager fragt: Kennt ihr das auch: Man wacht früh morgens auf, obwohl der Wecker nicht geklingelt hat, und weiß nicht so recht, wo man sich befindet. Im Bett: klar, aber sonst … Ort und Zeit lassen sich nicht genau bestimmen.

Meistens ist man durch einen Traum geweckt worden. Es muss nicht unbedingt ein Alptraum gewesen sein. Diese Orientierungslosigkeit löst sich meist schnell. Man hat verschlafen, sammelt seine sieben bis acht Sinne (oder sind’s doch nur vier?) und springt förmlich aus dem Bett. Und der Alltag hat einen wieder. Wenn es vielleicht Wochenende ist, wenn auch noch früh am Tag, dann atmet man erleichtert auf, legt sich auf die andere Seite und schläft weiter.

    Hein Sager sagt …

Bedenklich wird das, wenn einem so etwas am lichten Tage geschieht. Es ist weniger eine Orientierungslosigkeit, als eher so etwas Ähnliches wie eine Halluzination. Vielleicht hat man gerade etwas gelesen, sich dann mit etwas anderem beschäftigt – und wie durch Teufelswerk vermischt sich das alles. Die Synapsen schließen sich kurz.

Natürlich muss das nichts Schlimmes sein. Oft ist Übermüdung der Grund. Eine Art Sekundenschlaf, aus dem man nur halb geweckt wird. Und wie bei einem Traum, aus dem man erwacht und an den man sich erinnert, als wäre er real, wirkt diese ’Halluzination‘ einige Zeit nach.

Wer so etwas schon einmal erlebt hat, wird vielleicht verstehen können, wie Drogen in etwa wirken. Deren Wirkstoffe docken sich an die Rezeptoren auf der Oberfläche der Nervenzellen an und lösen so verschiedene Reaktionen im Gehirn aus, zum Beispiel die Ausschüttung von Glückshormonen. Auch eine Art von Kurzschluss.

Auf der anderen Seite kann der Kurzschluss in der Nervenzelle allerdings häufige Ursache für Schlaganfall, Epilepsie und andere Erkrankungen sein. Ich denke, wenn der Kurzschluss längere Zeit anhält. Soweit ist es natürlich noch nicht …

Mit einer genügend großen Mütze Schlaf und danach mit einem ausgiebigen Frühstück sieht die Welt dann schon viel besser aus. Alles braucht seine Ruhe!

Tatort (007) aus Köln: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)

Die Kriminalfilmreihe Tatort in der ARD gibt es nun schon seit fast 45 Jahren. Unter den ersten Folgen waren gleich drei, in denen der Zolloberinspektor Kressin (gespielt von Sieghardt Rupp) bundesweit ermittelte, so beispielsweise in Köln, Hamburg oder Bonn. Auch im angrenzenden Ausland war Kressin tätig, wie Lüttich in Belgien oder Kopenhagen in Dänemark.

Kressin tritt stets in smarter James-Bond-Manier auf, mit coolen Sprüchen und begleitet von hübschen Mädchen. Seinem Charme und Charisma können nur die wenigsten Damen widerstehen. Mit reichlich Haargel, lässiger Kleidung und sportlicher Figur stellt er sich allen Herausforderungen. Obwohl meist in Geldnöten, so ist Kressin nicht bestechlich.

Neulich lief die siebte Tatort-Folge von bisher über 950: Kressin stoppt den Nordexpress im hr-fernsehen. Dort werden jeden Samstagabend gegen 21 Uhr 45 zz. viele alte Folgen aus Deutschlands beliebtester Krimireihe wiederholt.

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Da ich ‚Tatort‘ von Anfang an kenne, interessierte mich natürlich diese Folge aus der Anfangszeit:

Die in Schweden gefassten Schwerverbrecher Brockhoff und Katolli werden in Begleitung der Kriminalbeamten Kaufhold und Markowski mit der Eisenbahn – genauer: dem Nordexpress über Kopenhagen und Puttgarden – von Malmö nach Deutschland überführt, erscheint ein Transport im Flugzeug doch hinsichtlich möglicher Befreiungsaktionen zu heikel. Genau dies jedoch führt der zwielichtige Gangsterboss Sievers im Schilde: Er hat in einem abgelegenen Anwesen eine erkleckliche Schar von Spezialisten zusammengezogen, die emsig die eisenbahntechnischen Aspekte zur Durchführung einer Befreiung der beiden proben: Das Führen einer Lokomotive, die Pflichten eines Zugführers, die Feinheiten des Zugpostfunks, sogar ein Speisewagenkellner ist zugange. Sie alle sollen in einer generalstabsmäßig geplanten Operation die Kontrolle über den Nordexpress erringen und ihn an einer dafür vorgesehenen Stelle auf freier Strecke zum Halten bringen – natürlich in einer Weise, die die restlichen Fahrgäste bis zur eigentlichen Befreiung ahnungslos lässt.

Unterdessen wird Zollfahnder Kressin, der die Ermittlungen in einem Fall von Porno-Schmuggel in Kopenhagen dazu nutzt, sich nebenher mit seiner Freundin Birgit zu vergnügen, von seinem Vorgesetzten dringend nach Köln zurückgerufen; auf dessen Anweisung gleichfalls per Bahn, da eine Flugreise kurzfristig nicht ohne weiteres verfügbar ist. Den letzten Ausschlag für die Bahnreise jedoch gibt eine blonde, junge Frau, die Kressin im Reisebüro auffällt, als sie eine Fahrkarte für den Nordexpress löst. Zufälligerweise sieht er dieselbe Frau später mit einem schweren Koffer aus einem Sex-Shop kommen. Im Zug arrangiert er einen Sitzplatz neben ihr im selben Abteil, ihr Koffer reist unbeobachtet im Nachbarabteil mit. Kressin, Hansdampf in allen Gassen, verwickelt natürlich umgehend Pernille, so der Name der jungen Frau, in ein Gespräch.


Tatort Folge 7: Kressin stoppt den Nordexpress (1971)
(Video bei youtube in besserer Qualität)

Also ganz in James-Bond-Manier überwältigt Kressin den falschen Lokführer und stoppt den Zug, damit die Polizei die Gangster verhaften kann. Und man wird es sich fast denken können. Der Koffer jener Pernille enthält Porno-Heftchen, die sie nach Deutschland zu schmuggeln gedachte (damals war das durchaus lukrativ). Kressin drückt natürlich ein Auge zu.

Kressin würde heute mit seiner Macho-Art wohl kaum bei Frauen landen, zu plump, zu abgeschmackt und sexistisch wirkt und ist das. So ist diese Folge aus dem Jahr 1971 durchaus auch ein Rückblick auf Verhaltensmuster der damaligen Zeit. Interessant sind vor allem aber die Einblicke in den Eisenbahnbetrieb der 1970er-Jahre. Es werden Aspekte der Stellwerks- und Zugleittechnik sowie des Fahrdienstes beleuchtet. Daneben sind der Eisenbahnfährbetrieb Rødby-Puttgarden und zahlreiche mittlerweile historische Lokomotiven und Reisezugwagen – wenngleich auch nicht immer in ganz stimmigen Zusammenstellungen – zu sehen.

Kressin (Sieghardt Rupp) mit Freundin Birgit (Gitte Hænning) im dänischen Pornoladen

Und der Auftritt der damals sehr populären, aus Dänemark stammenden Schlagersängerin Gitte Hænning zu Beginn des Films als Kressins Freundin Birgit zeigt, dass nicht erst heute Schlagersternchen, z.B. Roland Kaiser als Schlagersänger Roman König in einem Münster-Tatort – und demnächst die unsäglich atemlose Helene Fischer mit brünetter Perücke und Pistole im neuesteen Til-Schweiger-Tatort (Sendetermin 22. November 2015), die Plattform Tatort zu nutzen verstehen.

Wie auch immer: Sie war mehr amüsant als spannend diese in die Jahre gekommene Tatort-Folge, aber sie ist durchaus empfehlenswert für junge Tatort-Fans.

… wie begossene Pudel

Die Gruppenspiele für die Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich (vom 10. Juni bis zum 10. Juli 2016) sind beendet und neben Gastgeber Frankreich haben sich folgende Gruppenerste und –zweite qualifiziert:

Tschechien, Belgien, Spanien, Deutschland, Polen, England, die Schweiz, Rumänien, Österreich, Russland, Italien, Kroatien, Portugal und als bester Gruppendritter die Türkei. Außerdem qualifizierten sich zum ersten Mal für eine EM Island, die Slowakei, Wales, Nordirland und Albanien.

Als weitere Gruppendritte machen die Mannschaften von der Ukraine, Bosnien und Herzegowina, Schweden und Ungarn als gesetzte Teams und Dänemark, Irland, Norwegen und Slowenien als ungesetzte Mannschaften die letzten vier Teilnehmer an der EM 2016 unter sich aus. Die Auslosung zu diesen Play-offs erfolgt am Sonntag, den 18.10., in Nyon. Die Spiele selbst finden zwischen dem 12. Und 17. November 2015 statt.

    UEFA Euro 2016: Fußball-Europameisterschaft 2016 in Frankreich

In Frankreich treten zum ersten Mal 24 statt bisher 16 Mannschaften an. Aber das dürfte nicht der Grund sein, dass erstmals auch Underdogs die Qualifikation geschafft haben. Island hat sich bereits im Juniorenbereich hervorgetan und hat immerhin den WM-Dritten, die Niederlande, weit hinter sich gelassen, die als Gruppenvierte die EM nun endgültig verpasst haben. Wie begossene Pudel verließen die Spieler gestern nach der 2:3-Niederlage gegen Tschechien den Platz in Amsterdam. Wales verdankt seine Teilnahme sicherlich auch ihrem Superstar Gareth Bale.

Enttäuschend also das Abschneiden der Niederlande. Aber besonders die Träume von Ex-Europameister Griechenland bekamen einen gehörigen Dämpfer, allem voran die zwei Niederlagen gegen die Färöer dürften Anlass zum Nachdenken geben.

Neben Wales hat mich natürlich Österreich besonders positiv überrascht. Nach einem 1:1-Unentschieden zu Hause gegen Schweden errang die Mannschaft neun Siege in Folge und wurde unangefochten Tabellenerste der Gruppe G, bot dabei durchweg attraktiven Fußball. Dagegen taten sich Mannschaften wie Spanien, Italien, Portugal und zuletzt auch wieder Deutschland eher schwer. Lediglich England konnte allen Unkenrufen zum Trotz als einzige Mannschaft alle Spiele siegreich gestalten.

Die Auslosung der Gruppen des Endrunden-Turniers findet dann am 12. Dezember 2015 in Paris statt.

Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Die Macher der Tatort-Folge Verbrannt wurden sicherlich durch hehre Absichten geleitet, als sie eine wahre Begebenheit aus dem Jahr 2005, den Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh aus Sierra Leone, der in Dessau in Polizeigewahrsam verbrannt ist, ins Tatort-Format überführten. Ort der Handlung ist Salzgitter, wo die Bundespolizisten Falke und Lorenz ermitteln. So sehr die Flüchtlingsthematik höchst aktuell ist, so sehr erweist sich die Verarbeitung zu einem Kriminalfilm als ziemlich ‚tückisch‘. Aber zunächst kurz etwas zum Inhalt:

    Tatort – TV-Reihe der ARD (seit 1970)

Graue Herbsttage. Die Ermittlungen in einer niedersächsischen Kleinstadt setzen Kommissar Falke gehörig zu. Zunächst prügelt er einen vermeintlichen Kontaktmann eines internationalen Schleuserrings krankenhausreif. Und als sich dann herausstellt, dass die Polizeiaktion ein einziges Missverständnis war und es sich bei dem Schwarzafrikaner um einen unbescholtenen Asylbewerber handelt, ist dieser bereits tot – verbrannt in seiner Zelle. Das schlechte Gewissen sitzt dem Kommissar im Nacken. Obwohl die Bundespolizei nicht zuständig ist, will Falke unbedingt die Klärung der Todesursache selbst in die Hand nehmen. Ganz zum Leidwesen von Katharina Lorenz: Der Gewaltausbruch ihres Kollegen bei der Festnahme hat bei ihr Spuren hinterlassen. Als sie Falke später mitteilt, dass sie den Polizeidienst quittieren wird, reagiert er zunächst fassungslos. Der eigene Ausraster, ein Polizeipräsidium, in dem mal eben über Nacht ein Mann unter mysteriösen Umständen zu Tode kommt und alle Kollegen dicht halten – und dann auch noch das! Es sind die Tage um den 3. Oktober – aber Deutschland zu feiern, dafür gibt es keinen Grund. In diesem Nest stinkt es gewaltig. (Quelle: tittelbach.tv)


Tatort (957) aus Salzgitter (2015): Verbrannt

Diese Tatort-Folge entpuppt sich am Ende als ein Fall von institutionellem Rassismus. Der Leiter der Polizeidienststelle hat seine Beamten (die Jungs, die „den Dreck wegmachen“ müssen) zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengeschweißt, aus der ein Entkommen unmöglich ist. Es herrscht eine geradezu klaustrophobische Stimmung, die im Film sehr gut wiedergegeben wird. Dabei bleiben die Probleme des Einzelnen nicht unberücksichtigt. Eine junge Beamtin (überzeugend gespielt von Annika Kuhl) ist endlich bereit, eine Aussage zu machen, doch dann verlässt die allein erziehende Mutter der Mut.

Da die Handlung ziemlich begrenzt ist, bleibt Zeit, „die Befindlichkeiten der Kommissare hinreichend auszuloten.“ „Tückisch“ ist dabei, es soll ja eben ein Tatort-Krimi sein und bleiben, dass falsche Fährten (z.B. die Tür hinter dem erst kürzlich bewegten Schrank) gelegt werden. Auch die Auflösung mit dem zugespielten Video erweist sich als mehr oder weniger konstruiert. Aber es bleibt trotzdem ein „Film, der eine klare Haltung bezieht, es sich aber nicht zu einfach macht. Ein stimmungsstarker, dokumentarisch wirkender ‚Tatort‘, ganz aus der Perspektive der Kommissare erzählt“, sodass der Zuschauer nicht wie oft üblich meist mehr weiß als die Ermittler.

Übrigens berührt auch der nächste Tatort Kollaps, der am Sonntag (18.10.2015) aus Dortmund kommt, die Flüchtlingsfrage, die wir so schnell nicht beantwortet bekommen werden.

Komma, das unbekannte Wesen

    Natürlich sind das alles Terroristen, die da nach Deutschland kommen, diese so genannten Flüchtlinge. Eines Tages wird uns alles um unsere Ohren fliegen. Und wenn’s schon keine Terroristen sind, dann sind’s Kriminelle, die unsere Häuser ausrauben, unsere Geldbörsen klauen und unsere Töchter zur Prostitution zwingen. Und der Rest legt es nur darauf an, unsere Frauen zu vergewaltigen. Ansteckende Krankheiten haben die. Und wenn die schon nicht kriminell sind, dann nehmen die uns die Arbeitsplätze weg. Und überhaupt …

In Schwanewede patrouilliert abends eine Bürgerwehr rund um die Lützow-Kaserne. Dort sind zurzeit 1244 Flüchtlinge untergebracht. Das Bremer Innenressort und der Verfassungsschutz reagieren alarmiert: „Hier mischt sich die rechte Szene in Bremen mit der in Niedersachsen. Zu der Bürgerwehr gehören Neonazis, die wir als gewaltbereit und gefährlich einstufen.“ Das Innenressort schließt nicht aus, dass die Patrouillen künftig auch auf Bremer Gebiet ausgedehnt werden. (Quelle: weser-kurier.de)

    Selbstredend sind das nicht alles Neonazis, die da in der Bürgerwehr mitmischen. Das sind verängstige Bürger, die sich um ihr Hab und Gut sorgen. Wenn einem schon nicht die Politik hilft (ganz im Gegenteil!) und die Polizei nur zuguckt, dann muss man sich als Bürger selbst helfen, um sich zu wehren.

Ich hab mal im Netz geschaut, was denn das so für Typen sind, die endlich wieder für Sicherheit und Ordnung in Deutschland sorgen wollen. Da ist ein gewisser Steven K., der die nach eigenen Worten 750 Mitglieder starke Facebook-Gruppe „Schwanewede und umzu – Wir reden Klartext“ gegründet hat und natürlich auch schon mit der Bürgerwehr unterwegs war. Viel verrät er uns ja nicht über sich. Aber sein Anblick lädt nicht gerade dazu ein, Vertrauen in so eine Institution wie jene Schwaneweder Bürgerwehr zu setzen. Manchmal verraten Namen, hier Vornamen, doch einiges: In der DDR hatte man eine Vorliebe für angelsächsische Kindernamen. So nannten viel Eltern ihre Töchter Mandy oder Peggy. Und viele Söhne bekamen den Namen Steven. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist jener Steven K. also der Sohn von Eltern, die die DDR verlassen haben, ich denke nach 1989: Er ist also so etwas wie der Sohn von Wirtschaftsflüchtlingen. Vielleicht hätte man ihn gen Osten abschieben sollen, dann gäbe es ein Problem weniger in Schwanewede.

Auch jenem Fritjof B., Beiratsmitglied der „Bürger in Wut“ im Bremer Stadtteil Blumenthal, würde ich nicht einmal Brötchen abkaufen, geschweige die Sicherheit meiner Lieben anvertrauen, mag er sich auch aus gegebenen Anlässen mit Schlips und weißen Kragen äußerst distinguiert geben.

Man weiß, dass die Deutschesten unter uns Deutschen ihre Probleme mit der deutschen Sprache haben. Herr Balz müht sich da redlich, wenn’s denn bei der Interpunktion auch reichlich hapert. Kommata sind nicht so sein Ding, so scheint es mir. Vielleicht üben wir noch ein bisschen, damit es für den wohlfeilen Politiker am Ende doch noch reicht. Was er schreibt, klingt außerdem wie mit der Handbremse verfasst. Wenn er könnte wie er wollte, dann würde er noch deutlicher schreiben, was die Herren ‚Klartext‘ meinen nennen zu müssen.

    Ernst Barlach (1870-1938): Das Grauen 1923, getönter Gips, 44 x 21,2 x 18 cm © Ernst Barlach Stiftung Güstrow, Foto: Uwe Seemann, Barlachstadt Güstrow

Nein, im Ernst jetzt: Bei solchen Gestalten wie den beiden läuft es mir eiskalt den Rücken herunter. Vor diesen selbst ernannten Sittenwächtern und Dorfsheriffs überkommt mich ein unsägliches Grauen. Solche Leute in Amt und Würden, also in entsprechender Verantwortung zu sehen, hieße den Bock zum Gärtner zu machen.

Mit der Brechstange …

Fußball lebt davon, dass man vor dem Spiel eigentlich nicht weiß, wer am Ende gewinnen wird. Es sei denn … die Bayern spielen auf. Wenn Robert Lewa(h)nsinnsdowski am 22. September 2015 (6. Spieltag) im Spiel gegen den amtierenden Vizemeister VfL Wolfsburg als Einwechselspieler innerhalb von acht Minuten und 59 Sekunden fünf Tore erzielt, dann ist man zwar erstaunt, aber wirklich wundern mag man sich nicht. Zz. ist gegen die Bayern kein Kraut gewachsen.

Wie schön, dass es dann auch Mannschaften wie den SV Werder Bremen gibt, mit dem Unterschied, dass man schon froh ist, wenn die Bremer am Ende dann nicht doch noch verlieren. Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt. Wer ins Weserstadion zieht, fleht den Fußballgott an, Werder diesmal wieder einmal siegen zu lassen. Und ebenso bekannt ist, dass die Freude am größten ist, wenn man mit dem am Ende positiven Resultat nicht oder nicht mehr gerechnet hat. Grund zur Freude bestand in den letzten zwei Wochen allerdings nicht!

Gerät die Mannschaft in Rückstand, was bisher leider zu oft vorkam, dann versucht man es mit der Brechstange (wie in Hannover bei der 0:1-Niederlage gegen den Tabellenletzten), was eigentlich nicht geht, oder die Mannschaft erliegt einer kollektiven Apathie (wie gegen Leverkusen in der 2. Halbzeit bei der 0:3-Heimniederlage). Frustrationsabbau sollte man zudem außerhalb des Spielplatzes betreiben. Die roten Karten zum Spielende hin hätte man sich so erspart. Dass die Werder-Elf immer einmal ein Tor einfängt, ist nicht neu. Neu ist, dass es im Sturm (noch) nicht zusammenläuft.

Viktor Skripnik kam und schaffte den Wandel. Aber nach vier Niederlagen in Folge ähnelt er plötzlich seinen Vorgängern im Amt und weiß sich der fußballerischen Limitiertheit seiner Mannschaft wegen nur mit Schönfärberei zu helfen. Die fünfte Niederlage ist zudem garantiert: Die Bayern kommen am 17.10. an die Weser.

    Tränen im Auge – SV Werder Bremen 2015 © Weser-Kurier

Fast wäre es besser, die Länderspielpause wäre erst nach dem Bayern-Spiel. Zumal den Freitag zuvor der Bremer Freimarkt beginnt. Da haben dann am Samstag lediglich die Münchener Anlass zum Feiern in der Bayernfesthalle.

Von Krise oder Abstieg mag noch keiner sprechen. Gewiss ist allerdings, dass Werder erst einmal im Keller der Bundesliga herumdümpeln wird. Europa ist hingegen in weite Ferne gerückt. Irgendwie weiß keiner so recht, wie es in den nächsten Wochen weitergehen wird. Es bleibt spannend.

Flohmarkt im ‚vereinten‘ Tostedt 2015 – Töster Markt

Am Samstag ist wieder einmal – dieses Jahr zudem sehr arbeitgeberfreundlich – der Tag der Deutschen Einheit, mit dem wir Deutschen den Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 feiern. Man muss nicht lange rechnen: Die Deutsche Wi(e)dervereinigung (wider die Vereinigung?!) jährt sich zum 25. Mal. Gern bezeichne ich diesen Tag – im Angedenken früherer Wirklichkeiten in der deutschen Geschichte – auch als Tag der deutschen Dreieinigkeit.

Dem nicht genug: Hier bei uns im kleinen Örtchen Tostedt findet – seit 1973 ebenso wie in jedem Jahr am ersten Oktober-Samstag – Norddeutschlands größter Flohmarkt statt – auch Töster Markt genannt. Töst heißt Tostedt auf Plattdeutsch.

Und wieder einmal zum Einstimmen hier einige filmischen Impressionen „aus dem Handgelenk“ vom Töster Markt 2011 – unter dem Motto: Ründ üm de Kark


Filmische Impressionen vom Flohmarkt in Tostedt 2011

Flohmarkt in Tostedt - Töster Markt 2011/ Luftbild von Markus Lohmann www.gyrocopter-fly.de

Flohmarkt in Tostedt – Töster Markt
Bilder aus den Jahren 2001, 2004, 2006, 2007, 2009 und 2010

Bekanntmachung Flohmarkt 2015 (mit Flohmarktplan) als PDF

Mal sehen, ob ich es schaffe, dieses Jahr einige Videoaufnahmen in HD einzufangen. Das Wetter (wie schon seit Tagen) soll ja herbstlich-frisch, aber trocken und mit reichlich Sonne bedacht werden. Auf denn …!

Hein Sager sagt (2): Rosa, die Bettwurst und der Tee-Kaffee-Vergleich

Wie gesagt, will ich sagen, was mich stört, was ich einfach nicht gut finde. Da wird debattiert und das dann in allen Medien bis zum Verdruss ausgebreitet. Es geht ums Schwulsein und Lesbischsein und dem gleichen Recht auf Ehe wie Heterosexuelle. Und dann ‚die Flut‘ an Flüchtlingen, die Deutschland angeblich heimsucht und überschwemmt. Was kratzen wir uns eigentlich darum, dass andere vielleicht anders sind als wir? Denn darum geht es eigentlich. Können wir nicht einfach nur Mensch sein?

Hein Sager sagt …

Es ist lange her, da sah ich mit einem Freund, Jochen mit Namen, den ersten Film von Rosa von Praunheim: Die Bettwurst. Das war ein merkwürdiger Film, besonders die Sprechweise der Hauptdarsteller, Dietmar mit seinem Mannheimer Dialekt und die Dialoge, die sich wechselseitig wiederholten („Dietmar, ich liebe Dich, Luzi, ich liebe Dich, so wie die Luft, wo ich atme“). Und doch waren die Hauptdarsteller Luzi und Dietmar echt, echt in ihrer scheinbaren Unbeholfenheit, in ihren scheinbaren Schwächen, die doch in Wirklichkeit Stärken waren.

    Rosa von Praunheim: Die Bettwurst (1970)

Natürlich dachten wir erst, Rosa von Praunheim wäre eine Frau. Aber bald wussten wir es: Rosa ist ein Mann. Die Ikone der Schwulenbewegung! Das störte uns wenig. Der Film, das war uns damals schon klar, ist Kult!

Weder Jochen, noch ich sind schwul. Jochen sagte: Ich glaube, ich bin lesbisch: Ich steh auf Frauen! – Er meinte das ironisch und meinte es doch auch irgendwie kritisch. Schon damals sagte man Jungen gern nach, sie wären schwul, wenn sie sehr weich, sensibel waren. Wir beide hassten das. Wie konnte man nur so bescheuert sein und solche dummen Sprüche machen.

Später bin ich öfter Schwulen begegnet. Wir sind ins Gespräch gekommen. Natürlich konnte ich es nicht nachempfinden, wie man sich als Mann ganz allgemein Männern hingezogen fühlen kann. Aber das ist kein Grund, jemand zu diskriminieren, nur weil er etwas anders ist.

Warum ist der eine schwul, der andere nicht – die eine lesbisch, die andere nicht. Auch wenn der Vergleich hinkt wie ein lahmer Gaul: Viele trinken gern Kaffee. Andere mögen den nicht und trinken lieber Tee. Aber warum ist das so, könnte man auch hier fragen. Vielleicht hat einer, der lieber Kaffee trinkt, noch nie einen guten Tee getrunken. Denn hätte er, dann …

Homosexualität gilt vielen auch heute noch als ‚unnatürlich‘, dabei finden wir gerade in der Natur gleichgeschlechtliche Partnerschaften (nicht nur schwule Pinguine im Bremerhavener Zoo am Meer) zuhauf.

Tiere werden vorwiegend von ihren Instinkten geleitet. Beim Menschen herrscht ein Mischmasch aus Bewusstsein und Gefühlen. Liebe, das wissen wir, ist nicht ans Geschlecht gebunden. Der Vater liebt seine Söhne, die Tochter ihre Mutter. Warum also nicht auch Mann einen Mann, Frau eine Frau?

Ich bin vielleicht hetero, ich sage vielleicht, weil ich schon in frühen Jahren ein Erlebnis hatte, das ich als schön, geradezu aufregend fand und das mit einem Mädchen zu tun hatte. Ich war mir damals meiner Sexualität noch nicht völlig bewusst, und im Grunde spielte sich nichts anderes ab, als dass ich mich mit dem gleichaltrigen Mädchen auf einer abgelegenen Wiese befand, wir uns plötzlich auszogen und unsere Unterschiede begutachteten. Das war im Sommer, in den Ferien und ich war elf Jahre alt. Eine unbeschwerte Zeit.

    Kölner Zoo, August 1965 – Hein (Willi) mit U. und Großmutter

Und da ich gerade in der Vergangenheit krame: Ich erinnere mich auch daran, einmal einem Jungen begegnet zu sein, der so schön war, sodass ich mich in ihn ‚verliebte‘. Es war wie ein heißes Feuer. Ich muss ziemlich irritiert dieser Zuneigung wegen gewesen sein. Der Junge war aber auch über alle Maße schön, weiblich zart und schön. Es war die Schönheit selbst, die mich faszinierte. Sicherlich steckt in jedem diese Möglichkeit, auf Reize des gleichen Geschlechts empfindsam zu reagieren.

Und es sind dann meist diejenigen, die homophob reagieren, die Angst vor der eigenen, latent vorhandenen Homosexualität haben, Männer, die bezüglich dessen, was sie für typisch männliche Eigenschaften halten, dahingehend verunsichert werden, dass sie möglicherweise selbst nicht diesem Bild entsprechen.

Ich sage, es gibt keinen Grund, sich vor dem Anderssein zu fürchten. Eigentlich sind wir doch alle etwas anders als die ‚anderen‘, oder? Es ist eher eine Chance, aus dem Anderssein ‚Kapital‘ zu schlagen zum Vorteil für uns alle. Nutzen wir die Möglichkeiten!

Ein Sohn der Flüchtlinge

Willkommenskultur zum einen, brennende Flüchtlingsunterkünfte zum anderen: Zu den vielen Flüchtlingen, die in den letzten Wochen und Tagen in Deutschland eingetroffen sind, ist inzwischen vieles berichtet, gesagt und geschrieben worden. Mein Standpunkt dazu ist klar, da dieser durch Lebensumstände geprägt ist, die ich hier kurz erläutern möchte.

Schon in jungen Jahren beschäftigten mich zwei Fragen, Lebensfragen: Es geht dabei um die Zeit des Nationalsozialismus und warum viele Juden nicht rechtzeitig Deutschland und später die von den Nazis besetzten Gebiete verlassen hatten. Viele jüdische Deutsche glaubten damals, dass sich die NS-Regierung nicht lange halten würde. Wie Albert Einstein emigrierten zwar Zehntausende Juden in den ersten Jahren der NS-Diktatur – doch die meisten blieben.

Mit der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 begann die verstärkte Ausreise der Juden. Aber nicht alle wollten oder konnten es sich finanziell leisten. Allein im Jahr 1939 flohen etwa 75 000 Juden aus dem Deutschen Reich.

Erschwert wurde dies durch den Unwillen vieler Länder, jüdische Flüchtlinge aus Deutschland aufzunehmen. Beispielhaft reagierte dagegen Großbritannien, das die größte Rettungsaktion für Juden während des Nationalsozialismus‘ initiierte und damit rund 10.000 Kindern und Jugendlichen das Leben rettete. Sie wurden getrennt von Eltern und Geschwistern außer Landes gebracht und meist in Pflegefamilien untergebracht. So entgingen sie dem NS-Völkermord und waren häufig die einzigen Überlebenden ihrer Familien.

Dass viele Länder jüdische Flüchtlinge nicht aufnehmen wollten und sie damit dem sicheren Tod preisgaben, fand ich erschreckend. Das es auch anders geht, zeigen die Ereignisse rund um die Rettung der dänischen Juden auf.

Wie bereits vor vielen Jahren an anderer Stelle in diesem Blog beschrieben (Die Gustloff war nicht ihr Schicksal): Im Januar 1945 befand sich mein Vater mit meiner schwangeren Mutter und meiner Schwester, die 1943 in Königsberg, dem heutigen Kaliningrad, geboren wurde, auf dem Weg Richtung Gdingen (heute: Gdynia), das die Nazis nach der Besetzung Polens 1939 in Gotenhafen umbenannt hatten. Er wollte Frau und Kind in die „Wilhelm Gustloff“ einschiffen, um beide möglichst schnell gen Westen bringen zu lassen. Selbst an Bord zu gehen, wagte er nicht, da er befürchtete als Deserteur verhaftet zu werden. Er galt immer noch als Wehrmachtsangehöriger, obwohl er als Sanitätsfeldwebel im Feldzug gegen Russland ein Bein verloren hatte. Meine Mutter weigerte sich aber, meinen Vater allein zu lassen. So entgingen sie dem sicheren Tod in der Ostsee.

10.09.1944 Bormanshof (heute Wólka Tolkowiecka) im Kreis Braunsberg – meine Mutter, Großmutter mit Schwester, Großtante und mein Vater
10.09.1944 Bormanshof (heute Wólka Tolkowiecka) im Kreis Braunsberg – meine Mutter, Großmutter mit Schwester, Großtante und mein Vater

Zuvor waren meine Eltern mit meiner Schwester von Königsberg kommend nach Bormanshof (heute Wólka Tolkowiecka) im Kreis Braunsberg evakuiert worden. Der kleine Ort liegt auf halben Weg zwischen Königsberg und Danzig. Es gibt ein Foto datiert vom 10.09.1944. Von hier ging es dann weiter im Januar 1945 nach Gdingen – wie oben beschrieben – und anschließend auf dem Landweg weiter in den Westen. Der Weg führte sie über Swinemünde nach Sachsen.

April 1945 Wittstock/Kreis Jerichow – u.a. (von der Mitte nach rechts) meine Tante, meine Mutter und mein Vater – im Vordergrund meine Schwester
April 1945 Wittstock/Kreis Jerichow – u.a. (von der Mitte nach rechts) meine Tante, meine Mutter und mein Vater – im Vordergrund meine Schwester

Vier Tage nach Kriegsende wurde mein Bruder in Wittstock/Kreis Jerichow II (heute: Jerichower Land) geboren. Wo genau dieses Wittstock liegt (es gibt mehrere Ortschaften dieses Namens), lässt sich heute nicht mehr genau ausmachen. Im heutigen Landkreis Jerichower Land gibt es aber Hinweise auf dieses Wittstock.

Hier im damaligen Sachsen (heute Sachsen-Anhalt) wurden meine Verwandten (mindestens auch eine Tante, eine Großtante und eine Großmutter von mir waren mit den Flüchtenden unterwegs) von der Roten Armee eingeholt. Meine Eltern gaben nur kärglich Auskunft über das, was jetzt geschah. Die Flucht ging dann weiter und endete vorerst in Klieve/Kreis Lippstadt/Westfalen (heute: Gemeinde Anröchte/Kreis Soest).

Betrachtet man die beiden Fotos, so kann man kaum glauben, dass hier Menschen auf der Flucht sind, die so gut wie alles verloren hatten. Und endlich im Westen angekommen wurden sie nicht gerade willkommen geheißen. Sie waren mit meiner Schwester drei, dann mit meinem Bruder vier hungrige Mäuler mehr, die gesättigt werden mussten.

Nun, ich wurde viele Jahre später im Westteil Berlins als ‚Spätheimkehrer‘, wie es meine Eltern nannten, geboren. Auch wenn meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern nicht mehr auf der Flucht waren, so waren wir in diesen meinen ersten Lebensjahren doch noch viel unterwegs – von Berlin nach Pforzheim und von dort nach Bremen. Anders als der Sänger Heinz Rudolf Kunze (siehe unten: Vertrieben in zweiter Generation) fühle ich mich eigentlich bis heute nicht wie ein Heimatloser, auch wenn ich ein Sohn von Flüchtlingen bin. Sicherlich schwebte jene Heimat meines Vaters, Ostpreußen, im Geiste mit. Vielleicht wurde es dadurch kompensiert, weil ich die Heimat meiner Mutter, Köln und Umgebung, schon als Kind kennenlernen durfte. Eher noch hatte ich höchst eigene Probleme, die sich aber dem Flüchtlingsdasein ähnelten: Als ich mit vier Jahren nach Bremen, verstand mich im wahrsten Sinne des Wortes kein Mensch, weil ich mir zuvor in Pforzheim das Schwäbeln angeeignet hatte. Und in Bremen ergaben sich durch häufige Umzüge und die damit verbundenen Schulwechsel weitere Schwierigkeiten. So ist mir nie die Herkunft Heimat geworden, sondern immer der Ort und besonders die Menschen dort, wo ich gerade lebe.

Gerade wir Deutschen haben also eine noch ziemlich junge Geschichte, in der Flucht und Vertreibung für viele Menschen am eigenen Leib erlebt oder durch Schilderungen von Verwandten nachvollziehbar wurde. Wenn heute so viele Menschen aus der Not geboren bei uns Zuflucht suchen, sollten wir das nicht vergessen. Sicherlich ist es ungewöhnlich, wenn Abertausende Flüchtlinge plötzlich nach Deutschland kommen. Aber diejenigen, die gleich einen ganzen Katalog an Problemen heraufbeschwören (Nein, Nazis wären sie natürlich nicht!), die z.B. mit den Flüchtlingen auch jede Menge IS-Kämpfer bei uns einfallen sehen, ebnen den Weg für Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz (mit den Flüchtlingen 1945 aus den Ostgebieten flohen sicherlich auch jede Menge nationalsozialistische Funktionäre gen Westen).

Da unsere Politik zu Syrien und IS versagt und die Entwicklungen in ihrer heutigen Dimension nicht rechtzeitig erkannt hat, ist die Flucht der Menschen die natürliche Folge. Mögen Obama und Putin endlich wieder das Gespräch zu diesen Themen aufnehmen. Der Flüchtlingsstrom wird solange nicht abreißen, wie Assad auf der einen Seite und der IS auf der anderen die Menschen drangsaliert oder gar tötet.

Ergänzend hierzu möchte ich auf den Artikel Vertrieben in zweiter Generation auf heute.de verweisen. Es geht dabei um den Sänger Heinz Rudolf Kunze, dessen Eltern aus Schlesien vertrieben wurden:

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs flüchteten Millionen Menschen gen Westen oder wurden dorthin vertrieben. Sie verließen ihre Heimat, verloren ihre Wurzeln. Und sie gaben diese traumatischen Erfahrungen auch an ihre Kinder weiter. Die Eltern des Sängers Heinz Rudolf Kunze (58) wurden aus Schlesien vertrieben. Sie hatten in Guben gelebt, östlich der Neiße, dem heutigen Gubin. Kunze wurde elf Jahre nach der Vertreibung geboren und doch hat ihn dieses Ereignis stark geprägt: „Bei mir ist das Gefühl, ein Heimatdefizit zu haben, immer noch da.“

Die Familie zog erst auf die westliche Seite der Neiße, in die DDR. Als der Vater 1956 aus der Gefangenschaft kam, trafen sie ihn im Lager Friedland. „Dann sind wir im Westen geblieben“, erzählt Kunze. „Aber meine Herkunft habe ich eigentlich immer als die Lausitz angesehen, weil alle aus meiner Verwandtschaft – Vater, Mutter und alle Verwandten – daher kamen.“

„Immer alleine“

Aufgewachsen ist der Sänger zwar im Westen. Angekommen ist er jedoch nie richtig. Er lebte zuerst in einem Flüchtlingslager. Danach zog die Familie oft um. Er lebte in Lengerich in Westfalen, danach in der Grafschaft Bentheim, im Harz und dann in Osnabrück. Seit langer Zeit wohnt er nun in Hannover. Doch für eine Heimat reiche das nicht. „Ich hab eigentlich immer nur Wohnsitze gehabt und keine Heimat“, sagt Kunze. Auf Musiker-Kollegen wie Konstantin Wecker oder Wolfgang Niedecken sei er immer neidisch gewesen. Die hatten einen Dialekt, waren verortet und hatten auf diesem Wege immer schon eine Gefolgschaft. „Ich war immer alleine. Ich war immer Einzelgänger und musste mir meine Hörer immer einzeln suchen.“

Kunze hat die Heimatlosigkeit der Eltern regelrecht geerbt. In der Wohnung hingen Bilder und Stiche aus der Heimat. Er erzählt von dem permanenten Gefühl, im Exil zu leben, eines Tages zurück zu müssen. 1989 kam dieser Tag. Doch er kam nicht schnell genug. „Als dann die Mauer aufging, da war es zu spät. Da waren sie beide schon alt und müde und haben die Kraft nicht mehr gehabt. Sie haben eigentlich die ganze Zeit daraufhin gesehnt: Irgendwann gehen wir wieder hin. Und dann ging es. Aber es ging für sie nicht mehr.“

Kunzes Schicksal ist beispielhaft für das vieler Kinder aus vertriebenen Familien, wenn auch nicht aller. Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg prägen etliche Menschen in zweiter Generation. Sie suchen nach der Heimat, die ihre Eltern verloren haben und die sie nie hatten. Kunze hat sie schließlich doch noch gefunden: „Mein Beruf ist meine Heimat geworden.“

Siehe hierzu auch bei huffingtonpost.de: Die neuen Asozialen: Eure Dummheit bringt Deutschland an den Abgrund
Und in meinem Betrag vom 17. Februar 2011: „Europa setzt auf schauerliche Strategien“