Weihnachtsbaum – selbst ‚geschlagen‘

Bei uns gehört es zur Tradition, unseren Weihnachtsbaum selbst zu ’schlagen‘, also zu mit einer Säge zu fällen. Das ist natürlich kein Problem, denn in unmittelbarer Nähe unserer Wohnortes, gleich hinter Dohren, gibt es mehrere Schonungen, in denen Nordmanntannen und Blaufichten angepflanzt sind. Der Verkauf erfolgt an den Wochenende des 3. und 4. Advents zwischen 10 Uhr und 17 Uhr. Da für die Mitte dieser Woche ein erneuter ‚gnadenloser‘ Lockdown angekündigt war (und nun auch tatsächlich am Mittwoch, den 16.12. in Kraft tritt) war ich mit meiner Frau bereits gestern zum Weihnachtsbaumschlagen unterwegs (sonst warten wir eigentlich immer auf den 4. Advent) und fanden eine schöne Nordmanntanne auf einer Schonung des Hofes Fischer.

Nach getaner Arbeit: Unser
Weihnachtsbaum 2020 – selbst geschlagen

Auf der Website des Hofes Fischer kann ein Gutschein in Höhe von 5 Euro heruntergeladen werden. Zudem sei gesagt, dass der Weihnachtsbaumverkauf vom Lockdown ausgeschlossen ist, also auch am kommenden Wochenende Bäume geschlagen, gesägt und gekauft werden können. Nur auf Glühwein muss verzichtet werden.

Zur emotionalen Einstimmung auf das Weihnachtsfest hier ein etwas anderes Weihnachtsgedicht vom großen Vicco von Bülow alias Loriot:

Advent

Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken
Schneeflöcklein leis‘ herniedersinken.
Auf Edeltännleins grünem Wipfel
häuft sich ein kleiner, weißer Zipfel.
Und dort, vom Fenster her, durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Försterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschönen Nacht
hat sie den Förster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon sehr im Wege.
Drum kam sie mit sich überein:
Am Niklasabend muss es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh‘
das Häslein tat die Augen zu,
erlegte sie – direkt von vorn –
den Gatten über Kimm‘ und Korn.
Vom Knall geweckt rümpft nur der Hase
zwei, drei, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter süß im Dunkeln
derweil die Sterne traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen,
da läuft des Försters Blut von hinnen.
Nun muss die Försterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmannssitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied,
was der Gemahl bisher vermied,
behält ein Teil Filet zurück
als festtägliches Bratenstück
und packt darauf – es geht auf vier –
die Reste in Geschenkpapier.
Da tönt’s von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hört man Hunde bellen.
Wer ist’s, der in so später Nacht
im Schnee noch seine Runden macht?
Knecht Ruprecht kommt mit goldnem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten.
„He, gute Frau, habt Ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen?“
Des Försters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau ist schon bereit:
„Die sechs Pakete, heilger Mann,
’s ist alles, was ich geben kann.“
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Försterhaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt – es ist Advent!

Willi und Loriots 'Knollennasenmännlein' - © Jan Einar Albin
Willi und Loriots ‚Knollennasenmännlein‘ – © Jan Einar Albin

siehe auch:
Weihnachten von A bis Z: U wie „Unter dem Tannenbaum“
O Tannenbaum
AlbinZ Weihnachtsbaum 2012

Nikolaus

    Am 6.12. pinkelt dreist
    Der Nikolaus dir in den Schuh
    Drum schnür‘ ihn lieber feste zu
    Bevor er dir zudem reinscheißt.

Frank Schulz muss seine Stiefel vor und nach dem Nikolaustag kräfitg putzen. Vielleicht hätte Herr Schulz darauf verzichten sollen, einen seiner Schuhe zum Nikolaustag hinauszustellen.

Scheiße
Scheiße …

Kurz und spitz (08): Posaune zum letzten Gericht

    Robbie, weißt du, was wir tun, wenn die Posaune zum letzten Gericht erschallt? Dann tun wir so, als hätten wir nichts gehört.

    Oscar Wildes letzte Worte zu Robert Ross

Kurz und spitz: Posaune zum letzten Gericht
Kurz und spitz: Posaune zum letzten Gericht

Oscar Wildes letzte Worte beziehen sich auf die antike bzw. alttestamentliche endzeitliche Vorstellung von einem das Weltgeschehen abschließenden göttlichen Gericht. Engel blasen die Posaunen des Gerichtes, die die Toten aus den Gräbern rufen: „Er wird seine Engel unter lautem Posaunenschall aussenden und sie werden die von ihm Auserwählten aus allen vier Windrichtungen zusammenführen …“ (Matthäus 24, 31)

Irgendwie musste ich dabei aber auch an Frank Zappas Werk The Grand Wazoo aus dem Jahr 1972 denken, das mit viel Blech- und auch Holzblasinstrumenten (also auch Posaunen) ausgestattet ist. Und auch die Internationale (“Auf zum letzten Gefecht!”) kommt mir da in den Sinn!

BELARUS – Willkür und Terror

Seit nun schon fast vier Monaten gehen die Bürger von Belarus auf die Straße, um gegen den Wahlbetrug bei der Präsidentschaftswahl zu protestieren. Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Zahl der Demonstranten während der Wochen kaum abgenommen hat und auch gestern das schlechte Wetter kein Grund war, zu Hause zu bleiben.

Und Lukaschenko und seine Schergen reagieren darauf mit Willkür und Terror. Inzwischen gab bis zu 30.000 Verhaftungen. Die Inhaftierten wurden geschlagen und gedemütigt, viele schwer verletzt. Auch Vergewaltigungen soll es gegeben haben. In viele Wohnungen von ‚Verdächtigen‘ wurde eingebrochen und Gegenstände mutwillig beschädigt.

Und dann gab es den Mord an Roman Bondarenko, der zu Tode geprügelt wurde. Das Drama um Roman Bondarenko, das viele Menschen in Belarus bewegt, geschah in einem Innenhof, ganz in der Nähe seiner Wohnung in Minsk. Dieser Innenhof ist zu einem kleinen Ort des Widerstandes geworden: Menschen hängen dort weiß-rot-weiße Schleifen auf. Nachbarn nennen ihn „Platz des Wandels“. Nach Aussagen der Behörden soll es in diesem Innenhof einen Nachbarschaftsstreit gegeben haben, in den Bondarenko im alkoholisierten Zustand verwickelt gewesen sein soll. Augenzeugen berichten aber, dass der junge Mann dort von maskierten Männern in Zivil angegriffen und geschlagen wurde. Sie gehen davon aus, dass es Sicherheitskräfte waren. Bondarenko habe am Boden gelegen, zwei, drei Männer hätten ihn festgehalten, das zeigen auch Videoaufnahmen. Danach wurde der junge Mann offenbar zu einem Bus getragen und zur Polizeiwache gefahren. Gegen Mitternacht wurde Bondarenko schwer verletzt auf eine Intensivstation gebracht. Aus dem Arztbericht geht hervor, dass er massive Kopf- und Hirnverletzungen hatte. Außerdem Blutergüsse und Wunden im Gesicht und an den Beinen. In seinem Blut wurde allerdings kein Alkohol gefunden: Alkoholgehalt 0,2 ‰! Am nächsten Tag starb er. Inzwischen wurde gegen den Arzt Artsiom Sarokin und die Journalistin Katsyaryna Barysevich ein Strafverfahren wegen Offenlegung eines medizinischen Geheimnisses eingeleitet. Gegen die Täter wird nicht ermittelt!

“Наркаманы і прастытуткі!” – „Drogenabhängige und Prostituierte!“

Ein wesentlicher Teil die stattlichen Propaganda ist die Denunzierung der Protestierenden. Demnach überfielen die Demonstranten die Sicherheitskräfte, griffen diese mit „Molotow-Cocktails“ an, warfen Steine​aus den Fenstern auf sie und rammten die „Bereitschaftspolizei“ mit Autos. So beschreiben die Abteilungszeitung „Na Strazhe“ und die Zeitschrift „Spetsnaz“ die belarussischen Proteste für ihre Leser. Einer der regierungsnahen Telegrammkanäle beschloss, die Demonstranten des Satanismus zu beschuldigen. Er zog Parallelen zwischen dem Siegeszeichen, das zu einem der Symbole friedlicher Proteste in Belarus geworden ist, und dem Baphamet-Teufel-Zeichen.

Lukaschenko – der Teufel vom Dienst
Lukaschenko – der Teufel vom Dienst

Und der Willkür kein Ende: So werden Studenten exmatrikuliert und Uni-Dozenten, sogar Ärzte, entlassen, wenn sie sich nicht ausdrücklich zu Lukaschenko bekennen. Und dieser „habe die Regierung angewiesen, in Kürze konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Auslandsabschlüsse (sprich Diplome) in Belarus nicht anzuerkennen“. Bisher bezieht sich das wohl nur auf Universitätsabschlüsse aus Polen und Litauen. Außerdem beschlagnahmt die Regierung von Belarus Geld, das auf die Bankkonten der Opfer von Hilfsorganisationen überwiesen wurde. Dies ist eine weitere Form von Menschenrechtsverletzungen, die die Zusammenarbeit des Bankensystems einschließt. Seit dem Abend des 15. November gab es im Protestviertel Novaya Borovaya in der Nähe von Minsk vier Tage lang kein Wasser. Auch die Heizungen wurden abgestellt. Gestern wurde nicht nur das mobile Funknetz heruntergefahren, sondern viele Haushalte hatten keinen Strom mehr, um auch das Internet per Kabel zu unterbinden.

Außerdem sind Änderung zum Gesetz über die Staatsbürgerschaft vorgesehen, die die Staatsbürgerschaft solcher Bürger entziehen soll, die „an terroristischen oder extremistischen Aktivitäten teilnehmen und den Interessen des Landes ernsthaften Schaden zufügen“. Davon sollen allerdings nur eingebürgerte Bürger betroffen sein.

Stalin + Hitler = Lukaschenko
Stalin + Hitler = Lukaschenko

Während eines Arbeitstreffens mit den Polizeichefs der Region Brest sagte der neue Innenminister Iwan Kubrakow, dass „die an den Protesten beteiligten Personen gezielte Präventionsarbeiten durchgeführt werden.“ Darunter verstehe er systematische Schläge, verbale und nonverbale Beleidigungen, Farbspuren, Eintauchen eines Kopfes in eine Toilettenschüssel und anderes.

Auch wenn es nicht zu einem Generalstreik in Belarus gekommen ist, so erfährt die Wirtschaft dort – verstärkt durch die Coronakrise – eine Talfahrt. So gab es bereits finanzielle Hilfen vom großen Bruder Russland. Wie es nun in Belarus weitergeht, ist nach meiner Meinung auch von den Russen, also von Putin, abhängig. Am 13. November gab die russische Seite mehrere Erklärungen ab, die auf eine gewisse Korrektur der russischen Position in Bezug auf die Ereignisse in Belarus hinweisen könnten. Das sagte der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow: „Wir unterstützen Alexander Gregorjewitsch [Lukaschenko] nicht, wir unterstützen den legitimen Präsidenten unseres brüderlichen Landes. Und wir unterstützen die Rechtsstaatlichkeit in unserem brüderlichen Land.“ … Die Unzufriedenheit wurde sowohl mit dem Mangel an Verfassungsreformen als auch mit der Gewalt gegen Demonstranten zum Ausdruck gebracht.

„Unser Land hat sich definitiv zu einem Tatort entwickelt. Ich erkläre Alexander Lukaschenko und seine Komplizen zu einer terroristischen Organisation, die für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden muss “, sagte Swetlana Tichanowskaja in einer Erklärung auf ihrem Telegrammkanal.

Die großen Protestmärsche finden nach wie vor an Sonntagen statt. Die Kundgebung am 22.11.2020 war aufgrund ihrer Dezentralisierung etwas Besonderes: Mehrere kleinere Gruppen versammelten sich in mehreren Teilen von Minsk und marschierten durch ihre Bezirke. Diese Taktik wurde gewählt, nachdem mehrere Wochen hintereinander Polizisten verhindert hatten, dass Menschen zusammenkamen und eine große Kolonne für den Marsch bildeten. Und gestern, am 29.11.2020, bedienten sich die Protestierenden sogar einer Verwirrtaktik: Aus einigen Distrikten von Minsk wurden im Internet zeitversetzte oder ‚gefälschte‘ Videos veröffentlicht, die die Polizei gewissermaßen auf eine falsche Fährte führen sollten. So saßen die Demonstranten bereits in ihren Wohnungen, tranken Tee und schauten aus dem Fenster auf die Sicherheitsbeamten, die kamen, um sie zu zerstreuen.

Quelle: u.a. die Telegram-Kanäle Free Belarus News (englisch) und Euroradio (belarusisch)

Übersetzung belarusischer Texte ins Deutsche
Übersetzung belarusischer Texte ins Deutsche

siehe hierzu auch auf arte.tv: Belarus: Tagebuch einer Revolution – Aktuelles aus Minsk

Kurz und spitz (07): Jogginghose

    Wer Jogginghosen trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.
    Karl Lagerfeld

Kurz und spitz: Jogginghose
Kurz und spitz: Jogginghose

Seit dem ersten Lockdown im Frühjahr wissen die meisten, was „waist-up dressing“ bedeutet. Also: Ab Taille aufwärts bitte ordentlich anziehen, die Bluse oder das Hemd gebügelt. Denn auch in der Videokonferenz ist Seriosität gefragt. Aber weil sich die Kamera nicht bücken kann, geht ab Taille abwärts ganz prima die Jogginghose. Auch ungebügelt. Das ist ziemlich praktisch, weil man in der Mittagspause einfach losjoggen kann, mal eben um den Block. Und es ist vor allem bequem.

Geschätzte 12 Stunden am Tag trage ich Jogginghosen. Natürlich halte ich mich während dieser Zeit im eigenem Haus, höchstens noch draußen im Garten (Laub haken, Müll hinausbringen, eine rauchen) auf. Was soll ich mich da in eine Hose zwängen, die sicherlich um einiges besser aussieht, aber nicht so bequem ist? – Ansonsten stimme ich Herrn Lagerfeld durchaus zu, wenn es darum geht, mit Jogginghose in aller Öffentlichkeit zu erscheinen. Sich so underdressed zu zeigen, zeugt von einer gewissen ‚Sorglosigkeit‘, die schnell als asoziales Verhalten zu deuten ist.

Kurz und spitz (06): THE SYSTEM IS GREAT!

    THE SYSTEM IS GREAT!
    So sagt eine Professorin der City University, eine Schwarze, die in Harlem geboren ist, aber sie hat es geschafft […] – meine Zwischenfrage, ob nicht das Verfahren der amerikanischen Präsidenten-Wahl, zur Zeit von Abraham Lincoln wohl richtig, im Lauf der Geschichte untauglich geworden ist, brauche ich gar nicht zu begründen; die Dame […] sehe ich nur noch von halb-unten, als ich ihre Antwort höre:
    THE SYSTEM IS GREAT.

Kurz und spitz:THE SYSTEM IS GREAT!
Kurz und spitz: THE SYSTEM IS GREAT!

In den Entwürfen zu einem dritten Tagebuch, die Max Frisch in den Jahren 1982/83 verfasste, eine Zeit, in der er öfter die USA besuchte, wo er eine Wohnung hatte, äußert es sich oft kritisch über die Vereinigten Staaten und ihre Menschen. Kein Wunder: Ronald Reagan regierte das Land. Diesem war es gelungen, eine Koalition aus Evangelikalen, Wirtschaftsliberalen (Neoliberalen) und wertkonservativen Wählern zu schmieden. – In diesen Tagen oft diskutiert: Gerade die diesjährige Wahl des US-Präsidenten hat aufgezeigt, wie überholt das Wahlsystem (Mehrheitswahl über Wahlleute) ist.

Max Frisch schreibt weiter:

Im Fernsehen sieht er von Vierteljahr zu Vierteljahr auch älter aus; nicht weiser, sondern stur und verschlissen. Trotz seines gefärbten und strammen Haares. Was hätte dieser so unerschrockene Mann uns zu sagen, wenn er nicht an der Macht wäre […] Ich kann ihn mir sehr nett vorstellen […], hemdsärmelig: A NICE GUY, primitiv, nicht vulgär, ein Mann mit Herz und voll fertiger Sprüche, die jede Dialektik ausschliessen.

Natürlich spricht Frisch von Ronald Reagan. Irgendwie könnte er auch Donald Trump gemeint haben, wenn dieser den meisten auch weniger ’nett‘ vorkommt und seine Sprache oft überaus vulgär ist.

Kurz und spitz (04): Dreck

Manche machen aus Dreck Geld. Okay, es heißt: Scheiße (aus Scheiße Geld)! Dann muss ‚das Material‘ wohl an der richtigen Stelle vorhanden sein. Aber ich will hier etwas anderes sagen: Ich möchte das Wörtchen Dreck einem anderen Wörtchen gegenüberstellen: z.B. Liebe!

Zunächst das: Liebe ist natürlich positiv besetzt. Dreck dagegen negativ. ‚Komischerweise‘ haben in der Bedeutung negativ belegte Wörter meist mehr gleich- bzw. ähnlich bedeutende Begriffe als positive. Mit der Liebe ist das so ein Ding: Eigentlich gibt es nur die Liebe und schon Zuneigung, Hingabe, besonderes Interesse kommen kaum an die Bedeutung des Wortes Liebe heran. Und Gefühl, Herzenswärme, Innigkeit oder Leidenschaft sind nur Interpretationen auf niedriger Stufe.

Kurz und spitz: Dreck
Kurz und spitz: Dreck

Für Dreck gibt es dagegen eine Fülle an Synonymen, vielleicht weil das Wort Dreck auch ziemlich allgemein genutzt wird. Da gibt es Schmutz, Unrat, Unflat, Gerümpel, Kram, Mist, Gelump, Schund, Bodensatz, Abfall, Müll, Fliegendreck, Schlamm, Matsch oder mundartlich Modder (norddeutsch) bzw. Glumpert bzw. Klumpatsch. Das ließe sich ohne Ende fortsetzen.

Vielleicht liegt es daran, dass die Liebe so einzigartig ist, der Dreck aber dafür allgegenwärtig.

November

Er ist zu kalt, er ist zu nass,
Und wird sekündlich nasser.
Die Liebe friert. Hoch lebt der Hass.
In Seelen steht das Wasser.

Der Morgen legt Ganztagesgrau
Auf Freude und Gelächter.
Am Abend sagt die Tagesschau:
„Das Wetter wird noch schlechter.“

Die Blicke leer, die Lage schlimm:
So höllisch ist November.
Jedoch wie himmlisch ist er im
Vergleich mit dem Dezember!

Thomas Gsella: November

Jans Kalenderblatt: November 2006
Jans Kalenderblatt: November 2006 © Jan E. Albin

Ja, der November. Dieser Monat ‚beglückt‘ uns meist mit regnerischem, nasskaltem Wetter, die Tage sind trostlos. Statt Sonne nur dicke Wolken, die kaum Licht durchlassen. Ich nenne dieses Wetter Totensonntagswetter (und am kommenden Sonntag ist ja dann auch soweit). Aber wir wollen nicht klagen: In diesem Jahr zeigt sich der November ab und wann auch von seiner etwas besseren Seite: Manche Tage waren nicht nur milde, sondern auch sonnig. Also eher ein Mischmaschwetter!

Der Mensch erscheint im Holozän – ein Visual Poem nach Max Frisch

Wie der Zufall es so will, sendet 3SAT im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2020 das Visual Poem nach Max Frischs Erzählung Der Mensch erscheint im Holozän in einer Aufführung des Schauspielhauses Zürich. Zufall deshalb, weil ich mich in den letzten Tagen mit Theaterstücken von Max Frisch beschäftigt und in diesem Jahr auch weitere Werke von ihm (erneut) gelesen habe (dazu später mehr).

Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän - 1. Auflage
Max Frisch: Der Mensch erscheint im Holozän – 1. Auflage

Alexander Giesche legt mit „Der Mensch erscheint im Holozän“ (verfügbar auf 3SAT bis 12.03.2021) am Schauspielhaus Zürich die erste große Inszenierung zum Thema Klimawandel vor. Er erhielt dafür im Rahmen des Berliner Theatertreffens 2020 den 3sat-Preis.

Schauspielhaus Zürich 2020: Der Mensch erscheint im Holozän – nach Erzählung von Max Frisch
Schauspielhaus Zürich 2020: Der Mensch erscheint im Holozän – nach Erzählung von Max Frisch

„Der Mensch erscheint im Holozän“ von Max Frisch ist eine Erzählung über das Vergessen und Vergehen. Mit dem Verlust des Gedächtnisses verschwindet auch der Mensch, verliert sich und die Kontrolle über das eigene Leben.

Ein Gefühl der Heimat bleibt, die vertraute Umgebung, die Natur, die Berge, der Schnee, wie das Licht ins Tal fällt zu verschiedenen Jahreszeiten. In einem durch ein Unwetter von der Außenwelt abgeschlossenen Bergdorf kämpft Herr Geiser gegen den fortschreitenden Verlust seines Gedächtnisses. Mit Hilfe kleiner Zettel, die er in seinem Haus verteilt, baut er sich eine Wissensdatenbank auf. Die Isolation macht Herrn Geisers zurückgezogenes Leben noch einsamer. Hinzu kommt die Sorge, dass durch den andauernden Regen der ganze Berg ins Rutschen geraten könnte.
Die Erzählung des Schweizer Autors Max Frisch erscheint 1979. Ein lange verkanntes Spätwerk. Der Regisseur Alexander Giesche nimmt den Text als Ausgangspunkt für seine Inszenierung am Schauspielhaus Zürich, die ganz um die Trias Mensch, Natur, Technik kreist. Er folgt dabei nur lose der Erzählung, sie ist vielmehr Stichwortgeber für immer neue Bilder, die dem Verlust, dem Vergessen, dem Abschied eine Form geben.

Eine Schauspielerin und ein Schauspieler berichten fragmentarisch über Herrn Geisers Zustand und den des Tals, mal aus seiner Perspektive, mal als Beobachter. Alexander Giesche nennt seine Werke Visual Poems. Die Inszenierung besteht aus klar voneinander abgegrenzten Bildern. Er lässt Krankenhausbetten und elektrische Rollstühle tanzen, zaubert Hologramme auf die Bühne und lässt einen erstaunlich realistischen Dinosaurier auftreten. Die verschiedenen Elemente und theatralen Mittel stehen dabei gleichberechtigt nebeneinander, sind alle Teil seines Gedichts.

Ein Abend, der scheinbar die Schönheit des Untergangs besingt. Auch die Menschheit wird einmal Geschichte sein oder wie Max Frisch es formuliert hat, „Katastrophen kennt allein der Mensch, sofern er sie überlebt; die Natur kennt keine Katastrophen.“ Aber Alexander Giesche schafft es aus diesem Fatalismus einen Hoffnungsschimmer, ein Gefühl der Wärme herauszuschälen. Das Verhältnis Mensch – Natur bleibt ein angespanntes. Unser schädlicher Einfluss auf den Planeten zeigt sich jeden Tag deutlicher.

Im Anschluss an diese Inszenierung ist Max Frisch mit seiner Dankesrede Die Schweiz als Heimat zur Verleihung des Schillerpreises am 12.01.1974 zu sehen. Hier setzt sich Frisch ebenso eloquent wie kritisch mit der eigenen Herkunft auseinander. Die Rede ist heute so aktuell wie eh und je.

Willis Plaudereien (10): Der übliche Verrat der Hülle am Inhalt

    Seit ein paar Jahren, ungefähr seit Mitte vierzig, fiel mir das auf, na ja, der übliche Verrat der Hülle am Inhalt, graue Haare, Fett, das nicht mehr ablaufen kann, Ohrenhaare, die offenbar mit den Nasenhaaren zu korrespondieren beabsichtigen, aber die sind ja noch ganz lustig, trockene, schuppige Echsenhaut, dann gehen mir die Haupthaare aus, das heißt, ihre Produktionsstätten veröden, werden aufgegeben, jemand Zuständiger ist unentschuldigt weggegangen.

Willi mit Helm in grün (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)
Willi mit Helm in grün (Edelsteinminen Idar-Oberstein Juli 2019)

Bei Herrn Rubinowitz ist der Zeitpunkt die Mitte der vierziger Jahre, da er erkannt hat, dass es mit der Hülle nicht mehr ganz zum Besten bestellt ist. Ha, junger Mann, komm erst einmal in mein Alter, wenn die Zähne zu wackeln beginnen, die Knochen morsch werden oder die Augen stumpf. Das ist dann längst kein Verrat mehr, das ist Sabotage!