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Über WilliZ

Wurde geboren (in Berlin-Schöneberg), lebt (nach einem Abstecher nach Pforzheim, längere Zeit in Bremen und Hamburg) in dem Örtchen Tostedt am Rande der Lüneburger Heide - und interessiert sich für Literatur, Musik, Film und Fotografie (sowohl passiv wie aktiv) ... Ach, und gern verreise ich auch!

Konzert in Tostedt: Barockmusik mit dem Ensemble ‚Chiesa del Villaggio‘

Es ist schon einige Zeit her, da habe ich hier Kuriose Musikinstrumente vorgestellt. Unter dem Motto ‚Musik zum Leben‘ war am 6. November das Ensemble Chiesa del Villaggio (zu Deutsch „Dorfkirche“) zu Gast in der Johanneskirche in Tostedt. In der Triobesetzung mit Gisela Helms (Blockflöten), Roswitha Conrad (Viola da Gamba – zu Deutsch: Beingeige) und Andreas Bartelsen (Cembalo) ließen sie Werke des Barock unter anderem von Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Arcangelo Corelli erklingen. Dabei spielten sie auf Instrumenten, die Kopien historischer Bauweise sind, und gerade dadurch einen besonders runden, warmen Klang haben. Im Konzert erzählten sie von ihren Instrumenten und stellen die Komponisten vor.

© Chiesa del Villaggio: Barockmusik mit Blockflöten, Viola da Gamba und Cembalo
© Chiesa del Villaggio: Barockmusik mit Blockflöten, Viola da Gamba und Cembalo

Als ehemaliger E-Bassist in einer Musikgruppe und als Anhänger der Musik von Jethro Tull, dessen Mastermind Ian Anderson die Querflöte als eines der Hauptinstrumente in die Rockmusik einführte, interessierte mich das Konzert in besonderer Weise (Viola da Gamba und Blockflöten). Aber auch ein Cembalo, bei dem anders als beim Klavier die Saiten nicht mit Hämmerchen angeschlagen, sondern mit Plektren – sogenannten Kielen – gezupft werden, wollte ich einmal ‚live‘ hören

Als Ensemble Chiesa del Villaggio arbeiten die drei Musiker erst seit kurzem zusammen. Jedoch begleitet die Musik alle drei schon ihr ganzes Leben lang. Gisela Helms lernte im Kindesalter die Blockflöte kennen und verfeinerte ihr Spiel bei namhaften Musikern der Hamburger Hochschule für Musik. Roswitha Conrad studierte in Hannover und ist in Lüneburg als Musikschullehrerin und Leiterin diverser Ensembles. Andreas Bartelsen ist studierter Kirchenmusiker und kann nun im Ruhestand sich ganz der Musik widmen.

Das Konzert wurde veranstaltet vom Verein TösterKultur e.V.. Dank der Unterstützung des Lüneburgischen Landschaftsverbands war der Eintritt frei.

Da die Kirche nicht beheizt war, ergaben sich für die Musiker einige Probleme: Die Viola musste öfter nachgestimmt werden. Und die Blockflöten wurden zunächst ‚warm‘ gehalten. Trotzdem waren die 80 Minuten barocker Musik ein hörenswertes Ereignis, das im nächsten Jahr auch in weiteren Kirchen im norddeutschen Raum zu erleben sein wird.

Opa, lass das Fahren sein

Individualität wird bei uns in Deutschland bei vielen über den Gebrauch von Autos definiert – mit einem Namen: Individualverkehr! Eine ach so sehr ausgeprägt unverwechselbare Persönlichkeit wird dabei über die Automarke bestimmt. Kein Auto, keine Persönlichkeit (oder eine eher merkwürdige). Und da wir es auf den Straßen mit Individuen zu tun haben und wir diesen ihre ach so sehr geliebte Freiheit nicht beschränken dürfen, so rasen unsere die Freiheit liebenden Mitmenschen auch noch im hohen Alter über den Asphalt.

Vor einer Woche ereignete sich bei uns in Tostedt ein schwerer Verkehrsunfall (ich würde es eher Mordanschlag nennen), bei dem ein 83-jähriger Mann mit seinem PKW eine Fußgängerin mit Kinderwagen übersah und schwer verletzte:

[…] am Freitag, 28.10.2022 kam es in der Straße Zinnhütte zu einem schweren Verkehrsunfall. Gegen 10:55 Uhr wollte ein 83-jähriger Mann mit seinem Pkw von einem Grundstück in die Straße einbiegen. Dabei übersah er eine 35-jährige Frau, die auf dem Gehweg unterwegs war und einen Kinderwagen vor sich herschob. Der Mann erfasst die Frau mit seinem PKW und verletzte sie dadurch schwer. Der Kinderwagen mit dem wenige Monate alten Kleinkind darin kippte um. Hierdurch wurde das Kind leicht verletzt. Die Mutter kam mit einem Rettungshubschrauber in eine Klinik, das Kind wurde zu weiteren Untersuchungen mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht. (Quelle: news.de)

Augenzeugen berichteten, das der Autofahrer zunächst über die Füße der Frau gefahren war, die in ihrer Not mit einer Hand auf die Kühlerhaube des Autos schlug, um den Fahrer zum Halten zu bewegen und ihr Kind zu schützen. Stattdessen gab der Fahrer noch einmal Gas und überfuhr die Frau. – Leider habe ich keine weiteren Information über den Zustand der Frau und hoffe nur, dass sie den ‚Anschlag‘ überlebt hat und bald wieder gesund wird.

Schon vor einiger Zeit hatte ein über Achtzigjähriger in der Nähe dieses ‚Tatortes‘ einen Radfahrer überrollt, dieses aber nicht gemerkt. Erst als die Polizei aufgrund von Zeugenaussagen den Fahrer zu Hause aufsuchte, gab dieser zu Protokoll, er hätte es rumpelt gehört, sich aber keine weiteren Gedanken gemacht. Der Radfahrer starb noch am Unfallort.

Und vor einige Jahren schrieb ich in dem Beitrag Davongekommen:

Diese Woche am Montag verlor ein 82-Jähriger die Kontrolle über seinen Wagen und rammte [eine] Eisdiele. „Glücklicherweise war die Terrasse noch unbesetzt, so dass kein Unbeteiligter verletzt wurde“, so ein Polizeisprecher. „Die im Lokal anwesenden Personen kamen mit dem Schrecken davon.“ Auch der Fahrer sei körperlich unverletzt geblieben. Nach Angaben des Sprechers hat er vermutlich Gas- und Bremspedal verwechselt.

Autofahrer rast in Eisdiele in Tostedt
Autofahrer rast in Eisdiele in Tostedt

Von Unfällen dieser Art, wie diese sich in letzter Zeit zu häufen scheinen, könnte ich hier noch viele weitere aufführen. In anderen Ländern müssen alte Menschen, wenn sie noch weiter ihren PKW nutzen wollen, in regelmäßigen Abständen Tests auf ihre Fahrtauglichkeit machen (z.B. in Finnland einmal im Jahr). Bei uns in Deutschland werden solche gesetzlich verpflichtende Fahreignungstests für Senioren immer wieder diskutiert. Getan hat sich bisher NICHTS. So argumentiert z.B. der ADAC: Menschen ab 65 Jahren verursachten etwa 16 Prozent der Unfälle mit Verletzten, obwohl sie 21 Prozent der Bevölkerung ausmachten. „Ältere Autofahrer verhalten sich im Straßenverkehr in alle Regel vorsichtig, eher defensiv und vorausschauend“, so der Automobilclub.

Für mich ist das ein sehr schwaches Argument. Der Prozentsatz der Autofahrer und Autofahrerinnen ab 65 Jahre dürfte in Verhältnis zu ihrem Anteil an der Bevölkerung weitaus geringer sein als in anderen Altersgruppen. Zudem kann ein Test nicht schaden, da dieser auch die alten Menschen schützt. Vor allem allerdings sollten alte Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind (meist ein Grund, weshalb diese nicht aufs Autofahren verzichten wollen) oder wenn sie sich für den Schulterblick nicht mehr komplett umdrehen können, von vornherein ihren Waffenschein Führerschein abgeben, denn im Falle eines Unfalls, sind diese nicht mehr in der Lage, anderen Unfallopfern schnell zu helfen, geschweige sich selbst zu helfen. (siehe u.a. autozeitung.de aus 2019)

Ich gebe es zu, dass mich der Unfall mit der Frau und dem Kind sehr betroffen gemacht hat. Ich bin Großvater eines gerade sieben Monate alten Kindes. Und die Mutter dieses Kindes in in etwa so alt wie die schwer verletzte Frau.

Freitags fahre ich (mit dem Fahrrad) zum Wochenmarkt und stelle mein Rad bei dem Kaufhaus in unserem Ort ab, der in der Ortsmitte ein großes Areal mit Parkplätzen bereit hält. Um die Mittagszeit sind es vor allem Rentner, die hier einkaufen und natürlich mit dem Auto vorfahren. Manche würden am liebsten bis ins Kaufhaus hineinfahren wollen, andere kurven herum und gefährden oft genug Fußgänger (oder Radfahrer wie mich) durch ihre chaotische Fahrweise. Wenn sie dann kaum noch aus ihren Fahrzeugen herauskommen, weil sie absolut klapprig auf den Beinen sind, dann überkommt mich ein unbeschreiblicher Horror: Liebe Leute, gebt endlich Eure Führerscheine ab!

Um eines klarzustellen: Ich sage nicht, dass alte Autofahrer und -fahrerinnen schlechte Autofahrer sind. Sind sie aber nicht mehr fit oder gar gesundheitlich angeschlagen, dann eignen sie sich nicht mehr zum Fahren. Hier ein Schnell-Check, der hilft, seine Fahrtauglichkeit einzuordnen:

1. Verlieren Sie beim Fahren manchmal die Orientierung?
2. Haben Sie Schwierigkeiten, andere Verkehrsteilnehmer, Ampeln oder Verkehrszeichen zu erkennen und rechtzeitig darauf zu reagieren?
3. Haben Sie Probleme, das Gas-, Kupplungs- oder Bremspedal zu betätigen?
4. Hören Sie Motorengeräusche, Schaltung oder Signale anderer Verkehrsteilnehmer (manchmal) spät oder schlecht?
5. Finden Sie es schwierig, den Kopf zu drehen und über Ihre Schulter zu blicken?
6. Werden Sie im dichten Verkehr oder auf unbekannten Straßen nervös?
7. Hupen andere Autofahrer häufig wegen Ihres Fahrverhaltens?
8. Verursachen Sie in letzter Zeit häufiger kleinere oder „Beinahe“-Unfälle?
9. Fühlen Sie sich beim Fahren unsicher?
10. Werden Sie schläfrig oder wird Ihnen schwindelig, nachdem Sie Ihre Medikamente eingenommen haben?
(Quelle: t-online.de)

Gartenarbeiten

Ich mag den Herbst, die sich verfärbenden Blätter der Sträucher und Bäume, und wie diese im leisen Schwebeflug zu Boden gleiten, die ersten Nebelfelder am frühen Morgen und die Sonne, die zwar schon sehr tief steht, uns aber doch noch fast sommerliche Wärme beschert.

Der Herbst ist auch die Zeit der Apfelernte. Und die fällt in diesem Jahr äußerst reichlich aus. Wir haben zwar nur einen Zierapfelbaum, aber so hing dieser noch nie mit Früchten voll. Diese kleinen Äpfelchen lassen sich sogar essen, haben einen intensiven Apfelgeschmack, nur die Schale ist etwas hart. Aber aus Nachbars Garten (oder besser: aus den Gärten von Freunden) werden wir mit Äpfeln überschüttet. Auch dort war die Ernte sehr ausgiebig. So kommen Äpfel in ihren verschiedensten Formen auf dem Tisch: natürlich als Apfelkuchen, jetzt auch schon als Bratapfel, als Apfelmus oder als Apfelringe in Pfannkuchen.

Zierapfelbaum mit Früchten ohne Ende
Zierapfelbaum mit Früchten ohne Ende

Aber woher dieser reichliche ‚Segen‘ an Obst, auch an Eicheln und Beeren aller Art? Ich habe es bereits an anderer Stelle erwähnt: Der ältere meiner beiden Söhne, ein Hobby-Dendrologe, erklärt die große Menge an Früchten mit dem viel zu trockenem Wetter und der damit verbundenen Hitze. Wenn Bäume und auch Sträucher unter Nährstoffmangel und Wasserknappheit leiden, blühen diese häufiger und intensiver. „Forstleute kennen den Begriff der Notfruktifikation, man kann auch Angstblüte dazu sagen. Unnötig Kraft zu verausgaben, wäre für einen geschwächten Baum kaum sinnvoll – es sei denn, um das Überleben seiner Art zu sichern, bevor es mit ihm zu Ende geht.“  (Quelle: sandsteinblogger.de)

Es sind nicht nur viele Früchte, es ist auch viel Laub, das jetzt im Herbst von den Bäumen fällt. Im Grunde können wir jeden Tag das gefallene Laub aufharken. An Gartenarbeit herrscht kein Mangel. Meine Frau hat zudem in den letzten Tagen besonders die Sträucher zurückgeschnitten. Und so haben wir uns nun daran gemacht, den gesammelten Abschnitt zu häckseln:

Muddern häckselt, Vaddern macht Faxen ... 😎
Muddern häckselt, Vaddern macht Faxen … 😎

Blätter und Häckselgut wurden dann auf die Pflanzenbeete verteilt, um diesen im Winter Schutz vor Kälte zu bieten. Apropos Häckseln! Ich erinnere mich da an eine Szene aus dem Film ‚Fargo‘ von den Coen-Brüdern:

Bild aus dem Film von Ethan und Joel Coen: Fargo (1996)
Bild aus dem Film von Ethan und Joel Coen: Fargo (1996)

Pfui, Spinne: Halloween 2022

Heute Abend kriechen die Geister und Gespenster wieder aus ihren Gruften und klingeln an unseren Haustüren: Süßes oder Saures?! Wer mag schon gern Saures von diesen Quälgeistern? Ja, es ist wieder Halloween – und in diesem Blog habe ich diesem Ereignis (als Vater von zwei inzwischen längst erwachsenen Söhnen ist das natürlich kein Wunder …) schon einige Beiträge gewidmet.

Spinne, spinne dir ein Netz
Spinne, spinne dir ein Netz

Eines der Symbole dieses aus Irland stammenden Brauchtums am Vorabend vor Allerheiligen (das Wort Halloween leitet sich ab von  All Hallows’ Eve = „Aller Heiligen Abend“) ist neben dem Kürbis das Spinnennetz (mit oder ohne Spinne), das bei vielen einen leichten Schauer über den Rücken laufen lässt (Wer mag schon Spinnen?)..

Nun denn: Sollen sie kommen. Wir werden Euch schon gebührend empfangen. 😉

Na denn, Moin!

Na denn man tau, also los geht’s!

„Moin“ ist viel mehr als nur ein Grußwort, es steht für die liebenswerten Eigenheiten einer ganzen Region und verkörpert ein einzigartiges Lebensgefühl, das predigt „man immer schön sinnig bleiben. Dat löppt sich ans torecht“.

Höchste Zeit, diesem eine ganze Region verbindenden Wörtchen zu huldigen und ihm sein eigenes Buch zu widmen. Das erste Buch, das die tiefe Verbindung zwischen Land und Leuten und Meer und Moin erklärt, die Mointropolen des Nordens vorstellt und in die Lehre der „Moinologie“ einführt.

Aber, genug gesabbelt… Moin!

(aus: Olaf Nett: Das Buch Moin)

Es ist ein köstliches Buch, das sicherlich nicht nur in den Hände von Norddeutschen richtig platziert ist – da kann manche(r) noch dazulernen -, sondern auch Urlaubern norddeutscher Lande (und die es werden wollen) einen Einblick in das harte und entbehrungsreiche Leben an der Küste vermittelt.

Na denn, Moin!
Na denn, Moin!

Hier (in der norddeutschen Tiefebene) beginnt nämlich alles mit Moin – und endet mit Moin. Es handelt sich um eine Begrüßungsformel, die ursprünglich aus dem Niederländischen kommt (moi = schön): Een moien Dag („Einen schönen Tag!“).

Aber bei Moin bleibt es in diesem Buch nicht allein. Da erfährt der werte Leser/die werte Leserin noch einiges mehr, z.B. von den fünf Genitivformen, die hier benutzt werden, von den Mointropolen von Kiel über Hamburg bis Bremen – dass „Jo.“ ein vollständiger Satz ist ((das Wort ist Subjekt, Prädikat und Objekt in einem) – Kulinarisches kommt nicht zu kurz – und dass mit dem Wort Watt dank des Niederdeutschen aufschlussreiche Sätze gebildet werden können.

Schön ist natürlich, dass mir einige Sachen eingefallen sind, die in dem Buch NICHT auftauchen, die ich an anderer Stelle in diesem Blog aber erwähnt habe: Da gibt es den für die Region um Elbe und Weser schönen Spruch: Komm inne Puschen!, was als Aufforderung gilt, so langsam in Gang zu kommen. Und dann noch das schöne ‚ölf‘ wie zwölf statt elf (da schlägt es 13).

MOIN! Und? — Ja nee … Muss ja!

Irische Woche: 4 Romane aus Irland

Mit dem Lesen des Jahrhundertromans Ulysees von James Joyce habe ich eine kleine Pause eingelegt und dafür andere Bücher (auch schon älteren Datums) von der irischen Insel gelesen. Irische Romane gibt eine ganze Menge, meist idyllisch oder gar herzschmelzend angelegt, immer die grüne Insel idealisierend. Oder mit Mord und Totschlag.

Ich habe die folgenden vier Romane von meinem Schwager ‚geerbt‘, der nach einem Umzug keinen Platz mehr für diese hatte. Er ist ein Irland-Liebhaber (nicht nur des Whiskeys und der irischen Musik wegen) und trennte sich eher schweren Herzens von diesen literarischen Werken, die einerseits einen aufschlussreichen Blick in die irische Seele werfen, andererseits Zeugnis des besonderen irischen Humors sind, der immer mit Seitenhieben auf die Engländer, die das Land jahrhundertelang besetzt hielten, bestückt ist.

Ich will erst gar nicht lange rumfackeln. Nur soviel sei gesagt: Leider sind die aufgeführten Romane nicht immer mehr in deutscher Sprache, dafür aber im englischen Original erhältlich. Ich will auch gar nicht erst meinen Senf dazugeben, sondern die durchaus aufschlussreichen Klappentexte nutzen, die in jeder Hinsicht das aussagen, was auch ich dazu zu sagen (schreiben) hätte.:

Dermot Bolger: Journal Home

Der Roman Journal Home von Dermot Bolger erschien im Original 1990.- aus dem Englischen von Thomas Gunkel – Verlag Hitzeroth, Marburg, 1992

Dermot Bolgers junge Helden aus einer gesichtslosen Vorstadt Dublins sind auf der Suche nach Heimat und sozialer Wärme. Vertrieben und geflohen aus dem brüchigen Idyll der Sozialhäuschen und Vorgärten übernehmen sie in der Metrolole einen Lebenstil, dem Spiel und Rausch, Sex und Drogen, Kleinkriminalität und Mord anhängen. Schließlich bleibt ihnen nur eine erneute Flucht, an deren Ende sie Asyl in einem Wohnwagen auf dem Lande finden – und einen Moment privaten Glücks. „Journal Home“, die Geschichte von Hano, Shay und Katie, ist der Roman der lost generation der europäischen Metropolen.

Im Dublin der 80er Jahre spielt der Roman, mit dem der Ire Dermot Bolger zu einem der erfolgsreichsten zeitgenössischen Schriftsteller seines Landes geworden ist. In dem dritten und wichtigsten Prosawerk, das vom Independent als „der bester Roman über Dublin seit Joyce“ gelobt wurde, erzählt Dermot Bolger vom Alptraum einer trostlosen und grausamen Stadt, überspült von Arbeitslosigkeit, Drogen, Kriminalität und politischer Korruption. Er zeichnet das Bild einer Diaspora in der Einöde der Vorstädte, wo die Zuwanderer vom Lande gestrandet sind. Dort ringt die junge Generation um Orientierungen und ist auf der Suche nach einer neuen Heimat und einer eigenen Identität. „Journal Home“ zeigt zwei, die auf dieser Suche gescheitert sind: Hano und Katie, auf der Flucht vor der Polizei, verfolgt aber auch von der Chimäre des guten alten, heimeligen Irland. Darüber hinaus ist „Journal Home“ auch eine Geschichte über die Mühen des Erwachsenenwerdens.

Dermot Bolgers Beschreibung Irlands mit all seinen „unheiligen“ Entwicklungen ist das Porträt eines Landes, das Gefahr läuft, nicht nur seine zur wirtschaftlichen Emigration gezwungenen Jugendlichen, sondern auch seine „Seele“ und Identität zu verlieren. „Bolger hat uns ein Meisterwerk geliefert, das für jeden, der am modernen Irland interessiert ist, zur Pflichtlektüre werden sollte (The Scotsman)
(aus dem Klappentext)

„Das Exotische der Bordelle und des Sternenlichts, der verbotenen Frucht und der heimlichen Eroberung, wie es von Joyce im ‚Ulysses‘ dramatisiert wurde, werden durch Shays trostlose, moderne Landschaft ersetzt … Bolger beschwört überzeugend die Verwirrtheit einer Seele, die auf dem Sprung in die Freiheit plötzlich verwaist.“ (The Sunday Times)

„Von nun an muß sich jeder, der an der irischen Literatur interessiert ist, mit diesem Porträt des wahren modernen Irland befassen. Es ist ein Buch, auf das jeder gewartet hat. Ohne Zwifel ist es der wichtigste und relevanteste irische Roman der letzten zwanzig Jahre, ein echter Meilenstein.“ (The Independent)

„Trotz all seines grausigen Realismus ist ‚The Journal Home‘ stilistisch ein Lesevergnügen. Der Roman besitzt Humor (wenn auch meistens einen rabenschwarzen) und eine Wärme der Charaktere, die bewegt.“ (The Scotman)

Inzwischen hat sich wirtschaftliche Lage Irlands deutlich ‚entspannt‘. Trotzdem kommt dem Roman eine besondere Bedeutung zu, da das, was in den 1980-er Jahren für Irland galt, inzwischen z.B. für junge Menschen aus der Ukraine und eben auch aus Russland zutrifft.

Dermot Bolger: Journal Home / Robert McLiam Wilson: Eureka Street, Belfast
Dermot Bolger: Journal Home / Robert McLiam Wilson: Eureka Street, Belfast

Robert McLiam Wilson: Eureka Street, Belfast

Der Roman Eureka Street, Belfast von Robert McLiam Wilson erschien im Original 1996 – aus dem Englischen von Christa Schuenke – Fischer-Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1999

Ein temporeicher, verrückter und witziger Roman eines jungen irischen Autors über eine Cluque von Freunden in Belfast -allesamt schräge Vögel – und deren Versuche, aus einer chaotischen Welt das Beste zu machen.

Die Eureka Street in Belfast ist keine sehr gute Adresse, aber sie liegt im Zentrum des Einzugsbereichs von Chuckie, Jake, Slate, Septic Ted und Donal, einer Truppe von langjährigen Freunden, samt und sonders schräge Vögel und in einem bürgerlichen Sinne nicht eben wohlgeraten. Chuckie, 30, der einzige Protestant unter ihnen, fett und clever, kommt dank eines schwunghaften Scheingeschäfts mit Riesengummipenissen plötzlich zu sehr viel Geld, und von da an zu immer größerem Reichtum, denn er produziert ständig neue Ideen, wie er anderen Leuten vorzugsweise jedoch Institutionen, das Geld aus der Tasche ziehen kann.

Weniger glücklich ist Jake, 29. Freundin Sarah hat ihn soeben verlassen und ist nach London zurückgekehrt, weil sie die ständigen Bombenanschläge in Belfast nicht länger ertragen kann. Als Jake sich daraufhin an eine Kellnerin heranmacht, schlägt deren Freund, ein Cop, ihn kurz und wirkungsvoll zusammen, woraufhin eine politisch korrekte Bekannte ihm einen Beauftragten von amnesty international auf den Hals schickt. Jake, der den männlich korrekten Denkzettel in Ordnung findet, hat größte Mühe, den amnesty-Mann abzuwimmeln.

Wie ein rotern Faden zieht sich durch die denkwürdnigen Geschichten des umtriebigen Freundeskreises um Chuckie und Jake eine unerklärliche Inschrift: Unter all den bekannten Graffiti findet sich überall an Belfasts Handwänden die Buchstabenkombination NEG.

McLiam Wilson hat einen hinreißenden Roman über irische Freaks und das Lebensgefühl einer ganzen Generation geschrieben – und eine Liebeserklärung an Belfast.
(aus dem Klappentext)

Spike Milligan: Puckoon – eine irische Dorfgeschichte

Spike Milligan, der Autor des Romans, wurde 1918 in Ahmednagar in Indien geboren. Er begann seine Karriere als Musiker und wurde bekannt als komischer Autor und Schauspieler in Film und Theater sowie durch die legandäre britische Radioserie „Goon Show“, deren Hauptaktuer und -autor er neben Peter Sellers war. Der Roman Puckoon ist leider nur noch im englischen Original bzw. im Antiquariat erhältlich – deutsch von Arnd Kösling – Deutscher Taschenbuch Verlag, München – ungekürzte Ausgabe Januar 1998

    Several and a half metric miles North East of Sligo, split by a cascading stream, her body on Earth, her feet in water, dwells the microcephalic community of Puckoon.
    Einige und eine halbe metrische Meilen nordöstlich von Sliog, geteilt von einem stürzenden Fluß, den Körper auf der Erde, die Füße im Wasser, lebt die kleinköpfige Gemeinde Puckoon.

Geld! Das war das Problem. Father Rudden hatte alles versucht, um Mittel zu beschaffen, er war sogar zur Bank gegangen. „Seien Sie kein Dummkopf, Father“, hatte der Direktor gesagt, „tun Sie die Pistole weg!“

„Ein böser, irrwitzig komischer und furios ausufernder Roman.“ (H.G. Pflaum in der ‚Süddeutschen Zeitung‘)

Anfang der zwanziger Jahre [des 20 Jahrhunderts] wird die Grenze zwischen Nord und Süd der irischen Provinz Ulster neu gezogen: schnurstracks und haargenau mitten durch den Gottesacker von Puckoon. Die Verwicklungen nehmen ihren Lauf, denn Father Rudden ist überzeugt, daß eine römisch-katholische Seele ihre ewige Ruhe keinesfalls in nunmehr britisch-protestantischer Erde finden kann. Also schart er seine Schäfchen um sich, um nächstens eine Eshumierung samt einem Sargtransfer in die Republik vorzunehmen. (aus dem Klappentext)

„Ein Sammelsurium schrulliger Typen und komischer Einfälle … Wer ‚Puckoon‘ gelesen hat, weiß, aus welcher Quelle die Jungs von Monty Python ihren verschrobenen Humor geschöpft haben.“ (Badische Neue Nachrichten)

Spike Milligan: Puckoon – eine irische Dorfgeschichte / Maria Edgeworth: Castle Rackrent
Spike Milligan: Puckoon – eine irische Dorfgeschichte / Maria Edgeworth: Castle Rackrent

Maria Edgeworth: Castle Rackrent

Aus dem Englischen übertragen von Helga Schulz – Deutscher Taschenbuch Verlag, München – Oktober 1996. Dieser Roman von Maria Edgeworth ist ebenfalls nur im englische Original erhältlich.

Irland um 1780. Der alte Verwalter Thady erzählt vom Schicksal der Herren von Rackrent, die den Whiskeypunsch lieben und ihren Schuldenbergen am liebsten mit Hilfe reicher Frauen zu Leibe rücken …

Ein irischer Tagebuch von ganz besonderer Art – Mit diesem 1800 erschienenen Buch schuf Maria Edgeworth den ersten realistischen „Heimatroman“ irlands.

Irland, vor 1782. Auf Castle Rackrent haust seit Generationen eine Familie anglo-irischer Grundbesitzer, und der langjährige Mayordomus, der alte Thady, erzählt ihre Geschichte. Aber so sehr er sich bemüht, seine Herrschaften im günstigsten Licht erscheinen zu lassen, so sehr entlarvt sein köstlicher Bericht sie als typische irische Grundherren: Sie lieben ihren Whiskeypunsch, frönen ihren Hobbys und ignorieren im übrigen ihre Schulden. Über drei Generationen reicht diese tragi-komische Familiensaga, die noch heute vieles über das typisch irische Naturell verrät.

Mit diesem 1800 erschienenen Buch, das hier in Neuüersetzung vorgelegt wird, schuf Maria Edgeworth den ersten ‚Heimatroman‘, indem sie in einer realistischen Schilderung den inneren Bezug zwischen der irischen Landschaft und ihren Bewohnern deutlich machte.
(aus dem Klappentext)

Maria Edgeworth wurde am 01.01.1767 in England geboren und starb am 22.05.1849. Sie war mit Walter Scott befreundet, der ihr Werk sehr schätzte. Ihre schriftstellerische Laufbahn begann mit Kinder- und Jugendbüchern für die große Familie ihres Vaters, später verfaßte sie Kurzgeschichten und Romane; die bedeutendsten waren ‚Castle Rackrent‘ (1800) und ‚The Absentee‘ (1812), die beide das Schicksal irischer Grundbesitzerfamilien zum Thema haben.

Quiz zum Wochenende (4): Franz Kafka

Nach langer Zeit einmal wieder mein Quiz zum Wochenende. Und da ich ein Leser von den Werken Franz Kafkas bin, so habe ich heute vier Fragen, die wohl auch der Kafka-Kenner nicht unbedingt beantworten kann, oder doch?

Quiz zum Wochenende (4): Franz Kafka
Quiz zum Wochenende (4): Franz Kafka

Die Fragen 1) und 3) beziehen sich auf Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“. Frage 2) hat mit seinem Roman „Der Verschollene“ (auch: Amerika genannt) zu tun. Und in der letzten Frage 4) geht es um Kafkas Roman „Das Schloss“:

1. Wie heißt die Schwester von Gregor Samsa?
2. Wie ist der Geburtsname von Karl Roßmanns Mutter?
3. Welches Hobby hat Gregor Samsa?
4. Wie heißt der Schlossherr in Kafkas „Das Schloss“?

Hier die Auflösung der vier Fragen:
Lösungen zum Kafka-Quiz

Und willst du nicht mein Bruder sein …!

In Italien treten heute die neu gewählten Parlamentskammern zusammen. Parallel treibt Wahlsiegerin Giorgia Meloni die Bildung einer Regierung von ihrer Partei „Fratelli d’Italia“ (Brüder Italiens) mit den anderen zwei rechtsgerichteten Parteien von Silvio Berlusconi, „Forza Italia“ (Vorwärts Italien), und Matteo Salvini, „Lega“ (Liga) voran.

Matteo Salvani – 'Zombie' Silvio Berlusconi – 'Bruder-Schwester' Giorgia Meloni
Matteo Salvani – ‚Zombie‘ Silvio Berlusconi – ‚Bruder-Schwester‘ Giorgia Meloni

Dabei kehrt der schon für tot Gehaltene, der Zombie Silvio Berlusconi, zurück in den italienischen Senat – neun Jahre, nachdem der Medienmogul aus dieser Parlamentskammer ausgeschlossen wurde, weil ein Gericht ihn wegen Steuerbetrugs rechtskräftig verurteilt hatte.

Ja, die Brüder Italiens, angeführt von einer Schwester, die nach dem Wahlsieg davon faselt, dass Nationalstolz (… wieder stolz sein können, Italiener zu sein …) und nationale Identität (… die Trikolore-Fahne schwenken …) zukünftig wieder eine wichtigere Rolle zu spielen haben. Das bekannte Bla-Bla populistisch-rechtsextremer Parteien in Europa, als könne man dem ganzen Volk Nationalstolz und nationale Identität verordnen. Worauf sollte sich dieser Stolz beziehen, dieses Fahneschwenken? Auf eine faschistische Vergangenheit? Oder doch lieber auf eine Jahrtausend lange Kultur?

Warum fällt mir dabei nur der folgende Spruch ein: „Und willst du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich dir den Schädel ein“? Aber nein, Frau Meloni verkündet: „Wir werden es für alle Italiener machen, mit dem Ziel dieses Volk zu einigen“, so, als würden sich die Wähler, die anders entschieden haben, und die Nichtwähler jetzt zu Kreuze kriechen, um sich von ihr vertreten zu lassen. Überhaupt: Warum wollen Wahlsieger immer ihr Volk einen, nachdem sie es gespaltet haben.

Drei rechte Parteien, die die neue Regierung Italiens bilden wollen – kann das gut gehen? Sieht man die Richtungskämpfen, z.B. in der EINEN Partei der deutschen Vertretung rechtsextremer Politik, dann kann man davon ausgehen, dass ein solches Bündnis nicht von langer Dauer sein dürfte. Zu viele Querköpfe, zu viel eigene Interessen – und statt Taten zu viel Gerede von Verwurzelung und Patriotismus sowie ein rückwärtsgewandtes, engstirniges Denken, das zu neuem Rassismus und Nationalismus führt. Dieses Beharren auf historisch gewachsene Eigenheiten in Zeiten der Globalisierung ist nicht geeignet, Bedingung dafür zu sein, Liberalität und Zivilität zu wahren.

Nun, Frau Meloni hat heute eher moderate Töne angestimmt. Da ist Italiens Wiederaufbauplan, also die Milliarden, die Italien von der EU als Hilfe nach der Corona-Pandemie bekommt: Nachverhandeln vielleicht. Wahrscheinlich aber nicht, weil sie einen guten Start haben will. Eher will sie ihre Wähler zufriedenstellen. Deshalb ist irgendetwas zum Thema Migration zu erwarten.

Herbst 2022: Kürbiszeit

Es ist wieder Herbst (leider auch vom Wetter her) und damit die Zeit der Kürbisse. Kürbisse lassen sich auf verschiedene Art ‚verarbeiten‘, so kann man diese orange-gelben Früchtchen (Früchtchen ist gut!) für das nächste Halloween präparieren, also aushöhlen und mit Fratzen versehen lassen. Die so ausgeweideten Kürbisse findet man dann in Vorgärten und abends mit Teelichtern versehen leuchten sie dann ‚um die Wette‘.

Am liebsten sind mir Kürbisse aber auf dem Teller. Es geht nichts über eine leckere Kürbissuppe, aber auch süß-sauer eingelegt schmeckt Kürbis sehr lecker. Und natürlich als süßes Kürbisbrot mit Sahnequark bestrichen und Marmeladen aus der eigenen Fertigung. Besonders geeignet sind die jetzt überall erhältlichen Hokkaidokürbis.

Kürbisbrot aus dem eigenen Ofen – mit weiterer Kürbismasse (z.B. für Kürbissuppe)
Kürbisbrot aus dem eigenen Ofen – mit weiterer Kürbismasse (z.B. für Kürbissuppe)

So habe ich gestern für uns ein schon allein der Farbe wegen optisch Appetit anregendes Kürbisbrot (bzw. Kürbisstuten) gebacken. Hier das Rezept:

Zutaten:

500g Mehl (ich habe 2/3 Dinkel- und 1/3 Weizenmehl genommen)
1 Würfel Hefe (1 Tütchen Trockenhefe tut es auch)
50 g Butter, weich (Margarine geht auch)
1 Prise Salz
1 Ei
50 g Zucker (ich nehme braunen Zucker)
300 g Kürbisfleisch (am besten Hokkaido)
50 ml Milch, lauwarm (ich habe Molke verwendet)

Anleitung:

Den Kürbis waschen, entkernen und mit der Schale klein schneiden.
Mit etwas Wasser zum Kochen bringen und ca. 15 min. köcheln lassen, bis der Kürbis schön weich ist. Das Wasser abgießen und das Kürbisfleisch pürieren und abkühlen lassen.

Das Mehl in eine Schüssel sieben und in die Mitte eine Vertiefung drücken. Hefe hineinbröseln und mit dem Zucker, der lauwarmen Milch und etwas Mehl zu einem Vorteig verrühren. An einem warmen Ort (z.B. Backofen bei 50°) ca. 30 min. gehen lassen.

Das pürierte Kürbismus, die weiche Butter, das Ei und das Salz hinzugeben und alles zu einem geschmeidigen Teig verkneten. Evtl. muss hier noch etwas lauwarme Milch zugegeben werden. Den Teig nochmals 30 min. gehen lassen.

Den Teig gut durchkneten und in eine Kastenform geben, in den kalten Ofen geben und bei 200° ca. 45 min. backen.

Dann fröhliches Zubereiten – und vor allem: Guten Appetit!

Abenteuer Ulysses von James Joyce (08): 7. Kapitel – Äolus [Odyssee]

Im 7. Kapitel des Ulysses macht sich James Joyce über den Journalismus lustig. Dieser Teil des Texts ist wie eine Zeitung geschrieben, daher achte auf die Überschriften der jeweiligen Textabschnitte.

Äolus bzw. Aiolos steht für den von Zeus als Herrscher über die verschiedenen Winde eingesetzte Günstling der Götter. Er gilt als Stammvater der Hellenen. Äolus nahm Odysseus und seine Gefährten gastfreundlich auf und bewirtete sie einen Monat. Vor der Heimfahrt gab er Odysseus einen Schlauch aus Rindsleder mit Winden, der verschlossen bleiben sollte. Gleichzeitig ließ er für Odysseus’ Heimfahrt günstige Westwinde wehen. Der Schlauch wurde jedoch von den Gefährten des Odysseus kurz vor Erreichen Ithakas geöffnet. Infolgedessen entwichen alle Winde, und die Schiffe wurden zu der Insel des Äolus zurückgetrieben. Als Odysseus Äolus erneut um günstige Winde bat, wurde er als ein den Göttern Verhasster abgewiesen.

Äolus ist im Roman die Presse, der Ansturm der Informationen stellt die Winde dar, die in wirbelnden Schlagzeilen zusammengeflickt werden müssen.

Seite 1 des  Evening Telegraph vom 16. Juni 1904
Seite 1 des Evening Telegraph vom 16. Juni 1904, dem Tag, an dem der Roman spielt – rekonstruiert und digitalisiert von Ian Gunn und Mitarbeitern der Split Pea Press in Edinburgh. Source: www.splitpea.co.uk.

Inhalt des 7. Kapitels: Äolus (Zeitungsredaktion)

Stilistisch ist das Kapitel also wie eine Zeitung gegliedert mit Überschrift und den eigentlichen Beitragen, dem Zeitungstext.

In der Setzerei der Tageszeitung versucht Bloom eine Annonce in der Nachmittagsausgabe zu platzieren. Nachdem er das Büro seines Vorgesetzten verlassen hat, kommt Stephen herein, um den Leserbrief für Mr. Deasy abzugeben. Er erzählt den Zeitungsleuten eine Dubliner-Geschichte von zwei alten Jungfern.

Das Kapitel ist eigentlich als Fließtext verfasst, wird jedoch optisch gegliedert, indem es abschnittweise mit den Inhalt zusammenfassenden Überschriften versehen wird. So entsteht der Eindruck von Zeitungsartikeln. Ein Absatz, in dem der Postwagen beschrieben wird, trägt dabei zum Beispiel den Titel „THE WEARER OF THE CROWN“ („Der Träger der Krone“), oder wenn Bloom sich mit der Zitronenseife in seiner Tasche beschäftigt, heißt es: „ONLY ONCE MORE THAT SOAP“ („Nur einmal noch die bewusste Seife“).

Die Titel sind so gewählt, dass sie tatsächlich journalistische und feuilletonistische Themen aufgreifen könnten, der Inhalt des Kapitels wird somit ironisch gebrochen. Gegen Ende werden die Überschriften dann ins Absurde gedreht, verdoppelt und verdreifacht: „DIMINISHED DIGITS PROVE TOO TITILLATING FOR FRISKY FRUMPS. ANNE WIMBLES, FLO WANGLES – YET CAN YOU BLAME THEM?“ („Verringerte Finger erweisen sich als zu prickelnd für fröhliche alte Frauenzimmer. Anne popelt, Flo pupt – doch kann man’s verübeln?“) (Quelle: de.wikipedia.org)

Personen des 7. Kapitels

Während seines Besuchs der Zeitungsredaktion begegnet unser ‚Held‘ Leopold Bloom gleich mehreren Personen, Angestellte der Setzerei, der Redaktion und andere. Zunächst Red Murray, ein Angestellter, der Anzeigen in der Setzerei ausschneidet und archiviert, dann Davy Stephens, dem Boten des Evening Telegraph – und den livrierten Portier, William Brayden.

Weiter geht es zu „Nannettis Korrekturkabinett“. Joseph Patrick Nannetti ist der Herausgeber des Freeman, nebenbei Stadtrat und will OB von Dublin werden.

Auch Stephen Dedalus, der andere der Hauptakteure des Romans, tritt auf. Des weiteren J.J. O’Molley, ein junger Anwalt, dessen Praxis allerdings schlecht läuft. Bloom schätzt ihn.

Der Chefredakteur des Freeman’s Journal, Myles Crawford, Alkoholiker, hängt an der Vergangenheit des Sensationsjournalismus, bittet Stephen Dedalus etwas zu schreiben. Crawford stellt den Windgott Äolus dar.

Weiter begegnen wir einem Mr. O’Madden Burke, der über die Geschichte Dublins schreibt. Es gibt da noch weitere Personen, die aber keine große Rollen spielen.

Anmerkungen zu diesem 7. Kapitel

Nichts Neues: Auch in diesem Kapitel gibt es einige Redewendungen usw., die vielleicht der Erklärung bzw. Übersetzung bedürfen: Ich hoffe auch hier bei den Übersetzungen (z.B. Italienisch, Lateinisch) die ‚richtigen Worte‘ gefunden zu haben (der Google-Übersetzer ist nicht immer eine Hilfe bei diesen Sprachen):

S. 164: hibernisch [irisch]
S. 165: Esquire [Herr, Anrede als Höflichkeitebezeugung]
S. 170: spationiert [Test, gesperrt mit Zwischenräumen]
S. 172: mangiD, kcirtaP [rücwärts: Patrick Dignam]
Haggadah-Buch [Erzählungen/Handlungsanweisungen im religiösen Leben der Juden]
S. 173: Schema Jisrael Adonai Elohenu [Höre Israel, der Ewige, unser Gott, der Ewige ist eins]
S. 174: Erin [latiniserter Name Irlands]
Gemme [geschnittener Schmuckstein]
Zephir [Südwestwind]
Xenophon [Schüler des Sokrates]
S. 175: Chatterton, der Vize-Kanzler … Hedges Eyre Chatterton [Großonkel von Ned Lambert, einer der im Roman auftretenen Personen]
S. 177: transzendent, transluzent [übersinnlich, durchscheinend]
dorisch [altgriechischer Kunststil der Dorer]
S. 179 Creticus [Versfuß]
Äolsharfe [Harfe, die durch Wind in Schwingungen gerät]
S. 182: Cortège [Prozession]
S. 183: Kalumet [indianische Friedenspfeife]
S. 184: imperatorisch, imperativ [gebieterisch, befehlend]
S. 187: Kyrie eleison [Herr, erbarme dich]
Kyrios [Herr -> Gott oder Jesus Christus]
S. 188: Sallust [römischer Statthalter von Afica Nova]
Rows of cast steel [Reihen aus Gussstahl]
Generalgouverneur von Finnland erschossen [geschah am 17.06.1904, also eigentlich einen Tag später]
S. 189: De omnibus zusammis [Küchenlatein: Alles ‚zusammen‘]
S. 192: And Able was I ere I saw Elba [Und Abel war ich, bevor ich Elba sah]
S. 193: … la tua pace [dein Frieden]
che parlar ti piace [dass du gerne redest]
mentreche il vento, come fa, si tace [während der Wind, wie er es tut, schweigt]
per l’aer perso [für den verlorenen Bereich]
quella pacifica oriafiamma [dieses friedliche Oriafiamma = Kriegsfahne frz. Könige [12. – 15. Jh]
di rimirar fè più ardenti [leidenschaftlicher zu erinnern]
S. 194: Demosthenes [altgriechischer Redner]
Occurrences [Vorkommnisse]
S. 195: lex talionis [gesetzlich zulässige Vergeltung -> Auge um Auge]
S. 196: Afflatus [Inspration]
A.E. [A.E. Russell, Rauschebart, Prophet, Dichter, Philosoph, Wirtschaftstheoretiker, Esoteriker,
Theosoph – siehe S. 260 ff. Des Romans]
S. 197: Impromptu [Improvisation in der Musik]
S. 199: Triremen, Quadriremen [Schiffstypen]
S. 200: unexpektorisch [(nicht) Schleim auswerfend]
Akascha-Chronik [Esoterik: übersinnliches ‚Buch des Lebens‘; Himmel, Äther -> sankrit]
S. 201: Fuit Ilium! [für Troja = Illium]
S. 202: Vestalin [jungfräuliche Pristerin im alten Rom]
S. 204 L.m.i.A. [im Original: KMA = Kiss my arse]
S. 205: L.m.i.m.k.i.A. [im Original KMRIA = Kiss my royal irish arse]
Nulla bona [Nichts gut]
S. 207: Sophist [Wortverdreher]
Antisthenes [altgriechischer Philosoph -> Kynismus/Zynismus [Bedürfnislosigkeit]]
S. 208: Studiker [Student]
deus nobis haec otia fecit [Gott schenke uns diese Muße [Vergil]]
Horatio [Horaz, römischer Dichter zur Zeit Augustus‘]

In deutscher Sprache gibt es zwei Übersetzungen, zunächst die vom Verfasser, also James Joyce, autorisierte Übersetzung von Georg Goyert (1927) – dann die 1975 erschienene Neuübersetzung von Hans Wollschläger, auf die ich mich hier beziehe (ich habe die einmalige Sonderausgabe aus dem Jahr 1979 – 1. Auflage – Suhrkamp Verlag)

siehe auch: Abenteuer Ulysses von James Joyce (01): Vorgeplänkel
Abenteuer Ulysses von James Joyce (02): 1. Kapitel – Telemachos [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (03): 2. Kapitel – Nestor [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (04): 3. Kapitel – Proteus [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (05): 4. Kapitel – Kalypso [Odyssee]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (06): 5. Kapitel – Lotophagen [Odyssee]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (07): 6. Kapitel – Hades [Odyssee]

Abenteuer Ulysses von James Joyce (07): 6. Kapitel – Hades [Odyssee]

Zwischenbericht: In diesen Tagen lese ich das 14. Kapitel (Die Rinder des Sonnegottes) des Romans Ulysses, mit dem ich mich aus ersichtlichen Gründen etwas schwer tue: Eine Übersetzung ist fast nicht möglich, da das Original von James Joyce von Alliterationen und alten germanischen Wörtern geprägt ist und in dem die Entwicklung des Sprachstils und der Sprache vom Altenglischen bis zum zeitgenössischen Dubliner Slang das Wachstum des Embryos im Mutterleib widerspiegelt. Der Übersetzer Hans Wollschläger beginnt die Übersetzung dieses Kapitels in althochdeutscher Sprache (oder was man dafür halten könnte). So habe ich mich daran gemacht, wiederum diesen Text in ein heute lesbares Deutsch zu übertragen.

Aber heute geht es ja vorerst um das 6. Kapitel, dessen Titel auf den Hades, den Ort der Toten in der griechischen Mythologie, verweist. Leopold Bloom fährt mit anderen Personen zum Glasnevin Friedhof zur Beerdigung von Patrick „Paddy“ Dignam, der am Montag gestorben war (sich zu Tode gesoffen hat, als Parallele zum Gefährten Elpenor von Odysseus, der betrunken vom Dach von Kirkes Haus stürzte).

Oh, oh, die Jungs von Kilkenny ... (Kapitel 3 – S. 63)
Oh, oh, die Jungs von Kilkenny … (Kapitel 3 – S. 63)
James Joyce: Ulysses (in dt. Übersetzung von Hans Wollschläger) / Penelope (The Last Chapter of ) / Flasche Kilkenny – Irish Red Ale / Fritz Janschka: Ulysses-Alphabet mit signierter Originalgraphik: Harenbergs Joyce

Inhalt des 6. Kapitels: Hades (Friedhof)

Stilistisch dreht es sich in diesem Kapitel um die Darstellung von Inkubismus, was die Psychoanalyse als Inkubation bezeichnet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich die Verarbeitung von Traumata (bei Leopold Bloom der Tod von Vater und Sohn) bewusst oder unbewusst in verschiedenen Phasen vollziehen, wobei sich unbewusste Prozesse erst nach und nach organisieren (systematisieren), um mit einer bestimmten Stärke auftreten lassen.

Nachdem Bloom sich für die Beerdigung frisch gemacht hat, fährt er mit der Kutsche zur Beisetzung. In der Kutsche sitzt auch Stephens Vater, Simon Dedalus. Bloom erblickt Stephen – zum ersten Mal an diesem Tag kreuzen sich ihre Wege – und macht Simon auf ihn aufmerksam: „Da ist grad ein Freund von Ihnen vorbeigegangen, Dedalus, sagte er. – Wer denn? – Ihr Sohn und Erbe.“
Das Gespräch der Passagiere dreht sich – neben Alltäglichem wie der Straßenbahn – um den Tod, um Arten des Sterbens und um Begräbnisse. Entsprechend beherrscht dieses Thema die Gedanken Blooms, für den es unbewusst zum einen mit dem Tod seines Vaters, der sich das Leben genommen hat, zum anderen mit dem Tod seines ersten Kindes – seines Sohnes Rudy, der bereits als Kind starb – verknüpft ist. Immer wieder geht es deshalb bei seinen Reflexionen auf dem Friedhof um Vater-Sohn-Beziehungen, aber auch um die ersten Jahre seiner Ehe, um Schwangerschaft und die Mutter-Kind-Beziehung: „Nur Mutter und totgeborenes Kind werden zusammen in einem Sarg beerdigt. Seh den Sinn schon ein. Ganz klar. Schutz für den Kleinen so lange wie möglich, selbst in der Erde noch.“

Nachdem der Sarg in die Erde gelassen ist, streift Bloom über den Friedhof und denkt noch lange über den Tod nach: „Meins liegt da drüben, nach Finglas zu, die Grabstelle, die ich gekauft hab. Mama, die arme Mama, und der kleine Rudy.“

Der Titel des Kapitels verweist auf den Hades, den Ort der Toten in der griechischen Mythologie. (Quelle: de.wikipedia.org)

Personen des 6. Kapitels

Neben dem Hauptakteur dieses Romans, Leopold Bloom, treffen wir u.a. auf Simon Dedalus, dem Vater von Stephen, der zweiten Hauptperson. Simon war einst erfolgreich, gilt als angesehener, geselliger Lebemann, ist aber inzwischen ein abgestürzter Alkoholiker, der in Selbstmitleid und Trauer um seine gestorbene Frau Mary vergeht und alles Geld vertrinkt. Er lässt seine Töchter Dilly, Maggy und Boody hungern und schimpft über Stephens Lebensstil als Künstler. Weitere Personen sind Martin Cunningham, ein einflussreicher, intelligenter, scharfsinniger und sehr gläubiger Mensch (ein „Gesicht wie Shakespeare“). Er ist der Kopf der Gruppe um Power und M’Coy. Außerdem begegnen wir Tom Kernan, einem Handlungsreisender mit Zylinder und Agent für die Firma Pulbrook Robertson & Co., Ned Lambert, einem Saatguthändler, der im Getreidespeicher in Marys Abbey arbeitet – weiter Hynes, einem Reporter und Antisemit, und Corny Kelleher, Sargbauer und Mitarbeiter im Bestattungsunternehmen. Weitere Personen in diesem Kapitel sind u.a. John Henry Menton, Anwalt und ehemaliger Arbeitgeber des Verstorbenen, Patrick „Paddy“ Dignam, und John O’Connell, dem Friedhofsaufseher – sowie Father Coffery (coffin = „Sarg“), dem Priester auf der Beerdigung, der die Absolution erteilt.

Anmerkungen zu diesem 6. Kapitel

Auch in diesem Kapitel gibt es einige Redewendungen, die vielleicht der Erklärung bzw. Übersetzung bedürfen: Ich hoffe auch hier bei den Übersetzungen (Italienisch, Lateinisch) die ‚richtigen Worte‘ gefunden zu haben (der Google-Übersetzer ist nicht immer eine Hilfe bei diesen Sprachen):

S. 132: Voglio e non vorrei [Ich würde und möchte nicht]
Mi trema un poco il [Es schüttelt mich ein wenig]
Vom Stamme Reuben [1. Sohn Jakobs, Stammvater eines der 12. Stämme Israels]
S. 135 Hans Gerstenkorn [John Barleycorn – ironische Bezeichnung für Alkohol]
S. 137 Mater Misericordiae [Mutter Barmherzigkeit]
S. 140 Bugabu [wie im Original – wohl: Schiffsname]
S. 143 Harpy(i)e [Mischwesen der griech. Mythologie – Vogel mit Frauenkopf, bösartig, lassen die Geister der Toten nicht in Ruhe / Stürme]
S. 144: Artane [Vorort von Dublin]
S. 146 Schmeh [eigentl. Schmäh = Schwindelei]
Non intres in judicium cum servo tuo, Domine. [Geb nicht ins Gericht mit deinem Diener, Herr – Psalm 142]
S. 147: Et ne nos inducas in tentationem. [und führe uns nicht in Versuchung]
S. 148: Ri – ra – rutsch, wie fahren mit der Kutsch [im Original: The ree the ra, the ree the ra the roo]
O’Connell bzw. Dan O‘ [Daniel O’Connell – irischer gewaltloser Kämpfer gegen England]
S. 150: Madame Marion Tweedy [Geburtsname von Marion Bloom]
S. 152: habeat corpus [einen Körper haben]
S. 154 De mortuis nil nisi prius. [Nichts über die Toten bis auf den ersten]
Iden des März [13./15. des Monats – Errmordung von Cäsar]
S. 160: Eulogie [Segensspruch]
S. 161: Plinthe [Steinplatte]
S. 163: Affidavit [eidliche Versicherung]

In deutscher Sprache gibt es zwei Übersetzungen, zunächst die vom Verfasser, also James Joyce, autorisierte Übersetzung von Georg Goyert (1927) – dann die 1975 erschienene Neuübersetzung von Hans Wollschläger, auf die ich mich hier beziehe (ich habe die einmalige Sonderausgabe aus dem Jahr 1979 – 1. Auflage – Suhrkamp Verlag)

siehe auch: Abenteuer Ulysses von James Joyce (01): Vorgeplänkel
Abenteuer Ulysses von James Joyce (02): 1. Kapitel – Telemachos [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (03): 2. Kapitel – Nestor [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (04): 3. Kapitel – Proteus [Telemachie]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (05): 4. Kapitel – Kalypso [Odyssee]
Abenteuer Ulysses von James Joyce (06): 5. Kapitel – Lotophagen [Odyssee]